3. Leseabschnitt: S. 171 bis S. 261 (Kapitel 12 bis Kapitel 17)

Momo

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10. November 2014
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Ich glaube nicht, dass es so war. Beide Männer reden nicht über Gefühle. Ingwer hat keine Beziehung, keine Familie und zum Beruf fehlt Sönke in der Tat der Bezug. Aber wider Erwarten denkt er an Ingwers Geburtstag und hilft ihm mit guter Idee bei dem Präsentkorb für Ragnhild. Ich glaube schon, dass er ihn geliebt hat- so wie die Männer dieser Generation lieben und sich interessieren können. Selbst mein Vater war immer eher der Mann fürs Praktische. Das wird für die Generation davor noch viel mehr zutreffen.

Ja, das stimmt. Nur schade, dass Sönke ihm das nicht zeigen konnte, weil ihm seine Welt zu fremd erscheint. Das passiert in vielen Familie, aber auch im Beruf findet man das, wenn ein Kollege eine komplett andere Lebensrichtung eingeschlagen hat, die völlig von der Norm abweicht, dann kann es passieren, dass dieser Kollege ausgegrenzt wird. Schade, weil man so viel von anderen Menschen lernen kann, aber viele verweigern das.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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at er wirklich alles mit sich machen lassen?
Du hast Recht, so kann man das nicht sagen. Er hat ja mit der Familientradition gebrochen und ist seinen eigenen Weg gegangen - wie du schreibst.
Ich dachte nur daran, dass er in seiner WG derjenige war, der immer brav geputzt hat und in der Beziehung sich nicht getraut hat, Nägel mit Köpfen zu machen...auch an der Uni scheint er wenig selbstbewusst aufgetreten zu sein...
Vielleicht ist er als sozialer Aufsteiger gegenüber den etablierten Bürgerlichen wenig selbstbewusst.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Aber ich denke, dass der Text jetzt im dritten Abschnitt nicht mehr so dicht ist. Vieles wiederholt sich.

Interessant, ich habe eben noch gedacht, dass ich den Schreibstil auch im dritten Leseabschnitt immer noch wunderbar finde! Ist natürlich alles immer Empfindungssache.

Zu seinem Dorf geht er zurück weil er eine Auszeit braucht von seinem Leben in Kiel. Auch weil er das Gefühl hat, dass er in der Schuld steht bei seinem Großvater, dessen "Erbe" er nicht angetreten ist.

Das ist ja so was, das kennen wir kaum noch! Ich habe den Eindruck, die wenigsten Menschen übernehmen noch den Betrieb ihrer Eltern.

Obwohl... Ich war ein paar Jahre lang Nachhilfelehrerin, und da waren tatsächlich noch ein paar Bauerskinder dabei, die vorhatten, später den Hof ihrer Eltern zu übernehmen. Da war ein Junge, der hat schon früh ganz viel mit angepackt. Oft kam er zur Nachhilfe und roch nach Stall, weil er eben noch bei den Schweinen ausmistetet hatte. Und der fand das super, es ist nicht so, als hätte er das widerwillig gemacht!

Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, dachte ich, der wäre mindestens 16, aber er war 12. Nur halt groß und stark, wahrscheinlich von der ganzen Arbeit. In der Schule wurde er erst gemobbt – bis er sich mal einen Mobber geschnappt und ihn quer durch die Klasse geschmissen hat, danach war Ruhe.

Klar ist jetzt warum Ingwer nicht Christian heißen durfte. Es ist der Vorname des Lehrers!

Das ist ja auch so ein offenes Geheimnis! Sönke wusste es, wahrscheinlich wusste es der halbe Ort.

Offen ist weiter die Frage was aus Marret geworden ist. Ich bin gespannt. Sie muss ja früh gestorben sein???

Ich hoffe, wir erfahren im letzten Leseabschnitt noch, was mit ihr passiert ist!
 
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Mikka Liest

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Berührend die Szene, als er den Säugling auf seine warme Brust legt "Minsch wärmt Minsch", damit kennt er sich durch den Aufenthalt im kalten Russland aus.

Da ist mir richtig das Herz aufgegangen! Das war wirklich sehr rührend.

Aufgedeckt wird Ellas Doppelleben mit Sönke und dem Schulmeister - was zuvor nur in Andeutungen zu lesen war. Sie bleibt beiden "treu".

Ich fand interessant, wie sich das quasi widerspiegelt in Ingwers jetziger Situation mit seiner WG.

Ich habe doch den Eindruck, dass Sönke das konnte, Ingwer es aber nicht bemerkt hat.

Das denke ich auch! Ich glaube, man kann Sönke da leicht unterschätzen, weil er erstmal wirkt wie so ein stures Urgestein. Aber alleine schon, wie er damit umgegangen ist, dass sein Kuckuckskind ihm noch ein weiteres Kind ins Nest gelegt hat, zeigt echte Größe.

Lehrer Steensen wird uns ausführlicher vorgestellt. Bisher nur aus Sicht der anderen, jetzt gewinnen wir Einblicke in des Lehrers "Förderkonzept", nach dem er Kinder schon frühzeitig in Dumme, Normale und Förderfähige einteilt. Er gibt sich durchaus Mühe damit, jedoch scheint die Einteilung sehr früh zu erfolgen und wenig Veränderung zuzulassen...

Für heutige Leser klingt das ja furchtbar, die ganze Prügelei und die Art und Weise, wie er die Kinder manchmal runtermacht, aber für ihn ist das ganz normal, er kennt es nicht anders, und er meinst es ja irgendwie auch gut...

Die beiden "Väter" Steensen und Sönke sind regelrecht in Konkurrenz zueinander getreten, was die Zukunft Ingwers anging. Ich denke, dass "der Sieg" des Lehrers den Ziehvater Sönke stärker getroffen hat, als es die reine Entscheidung Ingwers zum Studium zu gehen vermocht hätte

Ja, das erscheint mir sehr wahrscheinlich... Sönke kann einem aber auch leidtun. Er ist gut genug, um für eine Kuckuckskinder zu zahlen und sich um sie zu kümmern, aber behalten soll er sie nicht

Einige Fragen interessieren mich noch brennend: Wie ist es zu der Beziehung zwischen Ella und dem Lehrer gekommen und welcher Art war sie? Wo ist Marret abgeblieben, sie scheint nicht in einem Heim zu sein, weil keine Rede mehr von ihr ist?

Zumindest muss es ja mal eine Liebesbeziehung gewesen sein, und wenn ich daran denke, wie sich Ella einmal gefreut hat, als sie Ingwer sah und glaubte, es sei Steensen... Klingt für mich so, als wäre da bis zum Schluss Liebe im Spiel gewesen.
 

Mikka Liest

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Eigentlich auch tragisch für den Lehrer: er hat ein Kind und ein Enkelkind, darf aber seine Zuneigung zu diesen Kindern nicht zeigen. Absurd, wo doch bestimmt viele im Dorf wussten, wer Marrets leiblicher Vater ist.

Man fragt sich, warum es so sein musste... Wahrscheinlich, weil man sich früher im Dorf einfach nicht scheiden lassen hat, das gab es bestimmt nicht.
 
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Mikka Liest

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Sönke rechnet Schuld mit Strafe auf. Aus seiner Sicht verständlich. Mich macht nur immer nachdenklich, wenn ich höre, dass jeder bekommt was er verdient. Das Leben ist keine doppelte Buchführung. Wie viele tragen ein Packerl mit sich herum, ohne sich "schuldig" gemacht zu haben. Und wie viele kommen mit jedem Sch... durch?

Vielleicht erlaubt ihm das einfach, damit abzuschließen und seinem Leid im nachhinein einen Sinn zu geben.

Aber Sönkes Zuwendung an das Baby Ingwer fand ich richtig schön. Sönke, der erste Trage-Opa Frieslands. :)

Ja, da war er seiner Zeit weit voraus! An der Stelle hätte ich Sönke gerne als Opa adoptiert.

Ingwer listet seine fünf Punkte des "Verrats" auf. Keine davon finde ich wirklich tragisch, eher lässliche Vergehen eines Pubertierenden.

Ich glaube, Ingwer vertut sich da auch, wenn er glaubt, dass Sönke ihm das alles wirklich so übelnimmt. Wie ich Sönke einschätze, regt er sich bestimmt bei sowas erstmal sehr auf, aber irgendwann ist es dann auch gut.

Und ich liebe Gönke, bis aufs Schreien könnte ich das sein. Ich war auch immer nur mit Buch anzutreffen, habe schon mit vier gelesen. Eigentlich ein Wunder, dass ich erst seit einem Jahr eine Lesehilfe brauche.

Haha, ich wollte auch schon im Kindergarten unbedingt Lesen lernen und habe das dann auch gemacht. Danach habe ich mich quer durch die Kinderbibliothek gelesen. Ich brauchte allerdings schon früh eine Brille. Allerdings hat das erst in der fünften Klasse jemand realisiert, denn ich dachte, alle Menschen sehen so unscharf! Meine Mutter war lange der Meinung, das läge daran, dass ich immer mit Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen habe...
 

Literaturhexle

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Man fragt sich, warum es so sein musste... Wahrscheinlich, weil man sich früher im Dorf einfach nicht scheiden lassen hat, das gab es bestimmt nicht.
Erst einmal das und zweitens war die Steensen-Affäre auch eine Folge des Krieges: wäre Sönke da gewesen, wäre Ella nie in Versuchung gekommen....
Anschließend musste man sich irgendwie zusammen raufen. Heftig!
 
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Literaturhexle

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Schön @Mikka Liest , dass wir dieselbe Einschätzung über Sönke teilen. Für mich ist er ein sympathischer, väterlicher Typ mit dem Herz am rechten Fleck.
Kein Mann der großen Reden und großen Emotionen - ein Kind seiner Zeit halt, der gelernt hat, Dinge zu nehmen, wie sie sind un d das Beste daraus zu machen.
 

Mikka Liest

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Oder wenn gerade breite Straßen, den Ort durchschneiden, zum Rasen einladen und das dann zu Unfällen führt.

Bei uns sind die Straßen im Ort gar nicht mal soooo breit, aber die Leute rasen trotzdem hier durch, dass es nicht mehr feierlich ist... Liegt sicher auch daran, dass man in ein, zwei Minuten vom Ortseingang zum Ortsausgang heizen kann.

Ich frage mich, ob er viel oder überhaupt darüber geredet hat. Die meisten haben nicht geredet oder nur die Hälfte erzählt.

Meine Großeltern haben da NIE drüber gesprochen – deswegen habe ich erst erfahren, als meine norwegische Oma dement wurde, dass meine Mutter ein Lebensborn-Kind ist und meine Oma nach dem Krieg deswegen in Norwegen ins Lager gesperrt wurde. (Was meine Mutter selber auch nicht wusste, obwohl sie es vermutet hatte.)

Aber irgendwie verabschiedet er sich auch von seinen Großeltern. Ich denke, das ist sehr schwer, sowohl bei Ella mit ihrer Demenz und Aggressivität als auch bei Sönke, der körperlich immer gebrechlicher wird alles andere aber mitbekommt.

Ich vergesse die ganze Zeit, dass die beiden nicht seine Eltern sind! Aber mir fällt es zunehmen schwer, diese Szenen zu lesen... Mit meinen Schwiegereltern haben wir den Abschied schon hinter uns, und ich habe so Angst davor, wenn es mit meinen Eltern dann mal so weit ist!
 
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Mikka Liest

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Der Unfall hat mich sehr geschockt, obwohl man es schon ahnt, ist es sehr eindrücklich und bildhaft beschrieben, und dazu die Sache mit dem Eis - wie schrecklich. Mir blieb echt kurz die Luft weg und ich musste eine kleine Pause einlegen.

Ich muss gestehen, an der Stelle sind mir ein wenig die Tränen gekommen... Die schrecklich für alle Beteiligten. Auch der arme Lastwagenfahrer! Der wird seines Lebens auch nicht mehr froh. Als ich Kind war, hat bei uns im Ort auch jemand ein Kind totgefahren, der hat sich später umgebracht, weil er damit nicht mehr leben konnte.

Mit den Schuldaufrechnungen der Männer hab ich auch Probleme, aber es wird so absolut verständlich, wie sie handeln, und ich hoffe nur, dass sie mit sich und miteinander noch einen Frieden finden, sie scheinen ja auf dem Weg zu sein.

Irgendwie sind Sönke und Ingwer ja doch absolut Vater und Sohn, so verquer, wie sie beide über solche Dinge denken!
 
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Mikka Liest

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Schade fand ich, dass Sönke aufgehört hat, sich für Ingwer zu interessieren. Er konnte nicht aus seiner Haut, und er konnte nicht über seinen eigenen Bauchnabel schauen. Alles was anders ist, ist ihm fremd.

Ich glaube ja, Sönke hat nie aufgehört, sich für Ingwer zu interessieren, er konnte es nur nicht so richtig zeigen.

Mich hat etwas genervt, dass er Schuldgefühle dafür entwickelt hat, dass er studiert hat, dass er kein Landwirt, etc. geworden ist. Das fand ich nicht nötig. Niemand muss sich schuldig fühlen, nur weil man einen anderen Weg einschlägt, der nicht von den Eltern gesegnet wird.

Ich vermute, dass liegt aber einfach auch an der Zeit und am Umfeld, in dem das Buch spielt. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns Schule und Beruf selber aussuchen, aber früher auf dem Dorf war das einfach was anderes. Und Ingwer war ja von Kindesbeinen an von Menschen umgeben, die ihren Platz in der Welt geerbt haben und das selbstverständlich fanden.

Wären die Großeltern nicht gewesen, was dann mit Ingwer?

Dann wäre Ingwer wohl im Kinderheim gelandet, und das war in den 60er Jahren wohl auch keine Freude...

Wieviele verheiratete ältere Paare verlieren ihren Partner, noch bevor das Greisenalter eigentlich begonnen hat. Auch sie sind allein. Und sie haben es noch schwerer als Ingwer, weil sie es nicht gewöhnt sind, alleine, ohne Ehepartner zu sein. Naja, nicht alle alten Paare enden so, aber viele.

Oh ja, absolut! Mein Großvater ist schon 19990 gestorben, und meine Oma erst jetzt an Weihnachten, im Alter von 96 Jahren. 28 Jahre, das ist eine ganz schön lange Zeit, die sie alleine war, obwohl sie davor in ihrem Leben nie alleine war.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Inhaltlich habt ihr eigentlich schon alles geschrieben, was ich bis hierhin auch sagen kann. Ich weiß gerade gar nicht, was ich sonst noch ergänzend schreiben kann. Es steckt auf jeden Fall eine Menge drin.

Ich fand es sprachlich leider auch nicht mehr so stark wie die vorangegangenen Kapitel. Ich hoffe, dass Frau Hansen zum Ende hin noch mal etwas zulegt.
 
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