3. Leseabschnitt: S. 104 bis Ende

Anjuta

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Ich bin noch nicht durch mit LA 3 aber mein Ärger über die Haltung der Autorin geht weiter. Dazu wieder ein Zitat, das mich wirklich wütend macht:
[zitat]Wisst ihr beiden denn nicht, dass ihr attraktiver sein müsstet, als ihr seid, um eine solche Szene zu spielen? schießt es mir durch den Kopf.
Nein, sie wissen es nicht.[/zitat]

Oder wenn Sie bei einem überfüllten Moma-Besuch den Schluss zieht:
[zitat]In diesem Moment hasse ich die Demokratie. [/zitat]
 

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Ich bin noch nicht durch mit LA 3 aber mein Ärger über die Haltung der Autorin geht weiter. Dazu wieder ein Zitat, das mich wirklich wütend macht:
[zitat]Wisst ihr beiden denn nicht, dass ihr attraktiver sein müsstet, als ihr seid, um eine solche Szene zu spielen? schießt es mir durch den Kopf.
Nein, sie wissen es nicht.[/zitat]

Oder wenn Sie bei einem überfüllten Moma-Besuch den Schluss zieht:
[zitat]In diesem Moment hasse ich die Demokratie. [/zitat]
Ich kann das nachvollziehen, aber...
 

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Aber...
Ich bin ziemlich ambivalent. Manchmal wirkt die Autorin überheblich und als stünde sie über allem, während die Anderen, sowohl Menschen denen sie begegnet, als auch die Leser, keinen rechten Durchblick haben.
Dann wiederum formuliert sie Gegebenheiten und Wahrheiten auf eine sympathisch-kluge Weise.
Es resultieren Passagen, die ich gut finde und die mich zum Nachdenken anregen und die ich dann ein zweites oder gar drittes Mal lese. Das ist zwar nicht so wahnsinnig häufig der Fall, aber immerhin.
Gerade habe ich den folgenden Absatz gelesen, der mir unglaublich gut gefällt, weil er schön und poetisch (und nicht vom hohen Ross runter) auf den Punkt bringt, was mir fast täglich in der Praxis begegnet:
„Seit ich zurückdenken kann, hatte ich Angst gehabt, den Ansprüchen der Anderen nicht zu genügen. Wenn ich die Arbeit machte, die mir gefiel, würde ich mit Sicherheit versagen; wenn ich mich Menschen öffnete, die ich näher kennenlernen wollte, würden Sie mich abweisen; wenn ich mich so hübsch wie möglich machte, würde ich immer noch ganz gewöhnlich aussehen. Angesichts von so viel Schaden für das Ego war meine Psyche geschrumpft. Ich konzentrierte mich auf meine Arbeit, aber nur widerwillig; ich ging auf Leute zu, die mir gefielen, aber nur ein einziges Mal; ich trug make up, kleidet mich aber schlecht. Eine Sache oder auch alle gut zu machen, hätte bedeutet, sich leichtsinnig auf das Leben einzulassen – es mehr zu lieben als meine Ängste –, und das ging einfach nicht. Was ging, war, die Jahre zu verträumen sich immer weiter danach zu sehnen dass „die Umstände“ anders wären, damit auch ich anders sein konnte.“ (S. 118).
Natürlich geht es in meiner Praxis nicht um das Verträumen, sondern um das Versinken im Sumpf, im Abgrund, in der Depression, in den Symptomen… Aber eben oft wegen der Angst vor Veränderungen. Wegen der Angst vor dem, was das Leben dann fordert und bietet.
Und ich denke, dass die Autorin aufgrund ihrer narzisstischen Problematik nicht selten in depressiven Löchern steckte.
Ich finde die Autorin hier erstaunlich bescheiden und authentisch. Sie spricht davon, dass ihre Tagträume sie an der Gegenwartsbewältigung gehindert haben. Dass sie sie abgelenkt haben.
 
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Die Erzählerin mokiert, dass ihre Mutter so viel über andere Leute lästert. (S. 120f.) Aber macht sie nicht selbst ganz Ähnliches? Lästern heisst abwerten und belächeln. Ich finde, dass die Autorin häufig das gleiche macht. Natürlich auf sehr eloquente und intelligente Art und Weise.
Aber meist sieht und erkennt man ja den Splitter im Auge des Anderen besser, als den Balken im eigenen.
 
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Aber...
Ich bin ziemlich ambivalent. Manchmal wirkt die Autorin überheblich und als stünde sie über allem, während die Anderen, sowohl Menschen denen sie begegnet, als auch die Leser, keinen rechten Durchblick haben.
Dann wiederum formuliert sie Gegebenheiten und Wahrheiten auf eine sympathisch-kluge Weise.
Es resultieren Passagen, die ich gut finde und die mich zum Nachdenken anregen und die ich dann ein zweites oder gar drittes Mal lese. Das ist zwar nicht so wahnsinnig häufig der Fall, aber immerhin.
Ich bin zwar noch nicht ganz durch mit dem Buch, aber mir geht es genauso. Manche Passagen berühren mich ( das waren dann eher Beobachtungen, keine Reflexionen), manche bringen mich zum Nachdenken, manche machen mich aggressiv, aber mit einigen kann ich gar nichts anfangen. Eine seltsame Mischung! Die Autorin schreibt ja Essays für Zeitungen. Hat sie hier einfach welche zu einem Buch zusammengefasst ?
 
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Ich bin zwar noch nicht ganz durch mit dem Buch, aber mir geht es genauso. Manche Passagen berühren mich ( das waren dann eher Beobachtungen, keine Reflexionen), manche bringen mich zum Nachdenken, manche machen mich aggressiv, aber mit einigen kann ich gar nichts anfangen. Eine seltsame Mischung! Die Autorin schreibt ja Essays für Zeitungen. Hat sie hier einfach welche zu einem Buch zusammengefasst ?
...Das ist ein interessanter Gedanke!
 

Wandablue

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Ich bin noch nicht durch mit LA 3 aber mein Ärger über die Haltung der Autorin geht weiter. Dazu wieder ein Zitat, das mich wirklich wütend macht:
[zitat]Wisst ihr beiden denn nicht, dass ihr attraktiver sein müsstet, als ihr seid, um eine solche Szene zu spielen? schießt es mir durch den Kopf.
Nein, sie wissen es nicht.[/zitat]

Oder wenn Sie bei einem überfüllten Moma-Besuch den Schluss zieht:
[zitat]In diesem Moment hasse ich die Demokratie. [/zitat]

Ach je. Sicher. Die Erzählerin ist nicht die Symphathieträgerin per se. Ich verstehe sie auch nicht immer. Aber man hat doch selber oft unadäquate Gedanken - ich jedenfalls.
 
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Es ist viel Autobiografisches im Roman. Und man merkt, dass es sich um die Gedanken einer älteren/reifen Frau handelt. Die einiges erlebt hat und viel gedacht.

Um die Freundschaft mit Leonard beneide ich sie ein wenig.

Das Bild über Picasso und Francoise am Strand kennen wir natürlich. Das kennt doch jeder. Seltsam, dass sie so über Gilot denkt. Gilot war die einzige der Picassofrauen, die nicht verlassen wurden, sondern ihn verließ. Sie hat ein Buch über das Leben mit ihm geschrieben und er wollte sie nie mehr sehen und auch nicht die Kinder. So jedenfalls hat es mir ein Buch erzählt.
 

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Jetzt musste ich gerade schmunzeln. Ich las gerade die Passage in der Bar. Ein Mann spricht Vivian auf ihre Handschrift an und sagst: „… Eine kleine Handschrift, fuhr er fort, sei ein Zeichen für hohe Intelligenz.“ (Seite 151).
Über so eine Bemerkung freut man sich natürlich. so etwas hört man gern. Man fühlt sich „gebauchpinselt“.
Aus analytischer Sicht gibt es da (natürlich unter anderen) auch noch eine andere Hypothese (die unbedingt geprüft werden muss). Hinter einer kleinen Handschrift kann sich geringes Selbstbewusstsein verstecken. Ein Mensch, der sich nicht viel Raum nimmt.
Tja. Ich hab’s nicht so mit allgemein gültigen Aussagen. Ich mag lieber Hypothesen, die dann gründlich geprüft werden… Wenn schon Aussagen in dieser Richtung/Dimension, dann doch bitte im Konjunktiv...
 
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Jetzt bin ich gerade, fast am Ende, über einen wunderbaren Satz gestolpert: „In meiner Jugend waren Männer der Hauptgang, heute sind sie nur noch die Garnitur.“ (Seite 156).
In diesem Satz, in diese Metapher, steckt doch kurz und knapp der gesamte Wandel der Stellung der Frauen… Gefällt mir echt gut!
 
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Jetzt bin ich gerade, fast am Ende, über einen wunderbaren Satz gestolpert: „In meiner Jugend waren Männer der Hauptgang, heute sind sie nur noch die Garnitur.“ (Seite 156).
In diesem Satz, in diese Metapher, steckt doch kurz und knapp der gesamte Wandel der Stellung der Frauen… Gefällt mir echt gut!
Vielleicht hat der Wandel auch etwas mit dem Alter der Autorin zu tun. In der Jugend drehte sich alles um das Thema Mann, man definierte sich vielleicht auch über die Männer. Nun im Alter steht sie selbst im Mittelpunkt bzw. andere Bereiche des Lebens und die Männer sind nur noch ein bisschen Verzierung.
 
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Vielleicht hat der Wandel auch etwas mit dem Alter der Autorin zu tun. In der Jugend drehte sich alles um das Thema Mann, man definierte sich vielleicht auch über die Männer. Nun im Alter steht sie selbst im Mittelpunkt bzw. andere Bereiche des Lebens und die Männer sind nur noch ein bisschen Verzierung.
... was ich an diesem Satz, dieser Zusammenfassung, so toll finde ist, dass man es ja tatsächlich individuell auf eine Frau und ihre persönliche Entwicklung und das älter werden, bezogen sehen kann, so wie du das gerade anführst, dass man es aber auch in einem größeren Zusammenhang auf die Entwicklung der Rolle der Frau in der Gesellschaft betrachten kann.
 
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Mikka Liest

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@Anjuta @SuPro

Man muss (und kann!) Vivian sicher nicht immer mögen, aber das ist auch sicher nicht ihr Anliegen. Sie kann so überheblich und eingebildet wirken, dass man sie schütteln möchte, aber gelegentlich lässt sie Ängste und Schwächen durchscheinen, die sie ein wenig herunterholen aus der luftigen Höhe der intellektuellen Überlegenheit. Diese Passagen gleichen viel aus, machen sie menschlich und sympathisch.

"Eine Sache oder auch alle gut zu machen, hätte bedeutet, sich leichtsinnig auf das Leben einzulassen – es mehr zu lieben als meine Ängste –, und das ging einfach nicht."

Das ist für mich eine Urangst vieler Menschen...

@RuLeka

Stimmt, ich könnte mir die verschiedenen Passagen gut als Kolumne einer Zeitschrift vorstellen...

@Wandablue

Stimmt, jeder sollte einen Freund wie Leonard haben...

Ich habe nur schwammige Erinnerungen an die Beziehung zwischen Francoise Gilot und Picasso. Hat er nicht Museen und Galerien erpresst, damit sie ihre Werke nicht annehmen? Sehr unwürdige Reaktion auf eine Trennung.

@SuPro

Eine Freundin von mir hat die kleinste Handschrift, sie man sich vorstellen kann. Auf einer normalen linierten Seite kriegt sie mindestens drei Zeilen zwischen zwei Linien. Und das Erstaunliche ist, dass sie Schrift so glasklar ist, dass man sie mühelos lesen kann. (Ihre Stifte sind immer sehr gut gespitzt.)

Bei ihr trifft die Aussage zu: sie ist hochintelligent und ich habe nicht den Eindruck, dass sie an mangelndem Selbstbewusstsein leidet. Aber wie das generell aussieht...

Meine Schrift ist groß, ich möchte also lieber glauben, dass die Größe der Schrift nicht antiproportional zur Intelligenz ist...
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich bin jetzt fertig mit dem Buch. Ich glaube für mich kam dieses Buch nicht zur rechten Zeit. Ich habe grad gar keinen Kopf für anspruchsvolle Texte. Ich mochte Ich und meine Mutter wirklich sehr gerne.Hier habe ich mich eher schwer getan. Ich glaube dass Vivivan Gornick für eine Frau ihrer Generation, ihrer Herkunft und Erziehung eine sehr starke Entwicklung durchgemacht hat. Das beeindruckt mich. Wahrscheinlich müsse ich deses Buch mit mehr Zeit, Muße und Hintergrundwissen nochmal lesen.
 
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Ich bin jetzt fertig mit dem Buch. Ich glaube für mich kam dieses Buch nicht zur rechten Zeit. Ich habe grad gar keinen Kopf für anspruchsvolle Texte. Ich mochte Ich und meine Mutter wirklich sehr gerne.Hier habe ich mich eher schwer getan. Ich glaube dass Vivivan Gornick für eine Frau ihrer Generation, ihrer Herkunft und Erziehung eine sehr starke Entwicklung durchgemacht hat. Das beeindruckt mich. Wahrscheinlich müsse ich deses Buch mit mehr Zeit, Muße und Hintergrundwissen nochmal lesen.

Für einen Reread gibt es einfach zu viele gute Bücher auf dem Markt. Aber das gibt es. Man hat nicht immer den richtigen inneren Zustand für ein langsames und nachdenkliches Buch. So lange man das nicht am Buch auslässt, ist das nicht weiter tragisch.