3. Leseabschnitt: Prozess (Seite 151 bis 259)

parden

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13. April 2014
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So wie die Freund:innen des Angeklagten weiß auch ich als Leserin nicht mehr, was ich glauben soll: schuldig oder nicht?, habe aber auch gar nicht das Gefühl, es unbedingt wissen zu müssen. Hier geht es vor allem um die Sattelfestigkeit der Freundschaft, was Zweifel auslösen, wie anstrengend Loyalitätsbekundungen sein können, was das Gefühl auslöst, belogen worden oder zumindest uninformiert geblieben zu sein. Und ob die Freundschaft solch eine Schuld und/oder solch ein Urteil aushält.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Ich denke auch, dass der Autor nachfühlen lassen wollte, wie sehr sich solch ein Prozess in die Länge ziehen kann und wie lange man sich an z.T. unwichtig erscheinenden Details aufhalten kann. Das ist insofern gelungen. Dennoch empfand ich die Länge / Langatmigkeit nicht als angenehm, der Sog des Anfangs des Romans ging doch etwas verloren.
Ich konnte noch mehr nachfühlen, wie sich die Hinterbliebenen der NSU-Mord-Opfer gefühlt haben müssen. Über 5 Jahre dauerte dieser Prozess!
 
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buchregal

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8. April 2021
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Der Prozess geht los und die Freunde wollen ihre Freundschaft im Gerichtssaal demonstrieren. Sie stehen auf und halten sich an den Händen.

Ein Zeuge nach dem anderen sagt aus, so dass der Prozess sich immer weiter verlängert. Von den Freunden ist zwar immer jemand da, aber da sich das alles so lange hinzieht, wird es aus unterschiedlichen Gründen schwer, dass sie immer alle erscheinen. Innerhalb der Gruppe bröckelt diese Mauer der Einigkeit zunehmend. Zweifel kommen auf, werden beiseitegeschoben. Sie sind überzeugt, dass der Richter frühzeitig sein Urteil gefällt hatte. Der Freund wird ihnen immer fremder, denn er hat ihnen doch so manches verschwiegen. Je mehr wir erfahren, umso mehr ist man als Leser überzeugt, dass er die Tat wirklich begangen hat, die Freunde aber möchten immer noch an die Unschuld glauben und finden für jedes Indiz eine Erklärung. Die Medien springen auf das, mit dem sie ihre Leser packen können.

Der Angeklagte selbst äußert sich nicht, sondern fällt durch Zwischenrufe auf. Der Anwalt tut sein Bestes.
 
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buchregal

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8. April 2021
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Ich persönlich finde das nicht so schlimm, natürlich hätte der den Freunden vertrauen können, aber ich würde daraus nicht folgern, dass er sie auch in Bezug auf seine Unschuld belügt.
Natürlich will man seine Schwächen nicht unbedingt nach draußen tragen. Aber wenn man so gut befreundet ist, kann man doch offen sein.
Hat er, oder hat er nicht?
Ich habe von anfang an gedacht, dass wir das nicht erfahren werden. Der Meinung bin ich immer noch.
Ist es nicht menschlich, eigenes Versagen ggfs. zu kaschieren?
Es ist menschlich und verständlich.
Was macht es mit einer Freundesgruppe, wenn einer davon auf einmal einer schweren Straftat beschuldigt wird.
Erst einmal aber ist es doch eine Sache des Einzelnen. Jeder hat eine andere Sicht auf solche vorfälle, kann anders damit umgehen. Erst danach hat es doch Einfluss auf eine Gruppe, weil die vielleicht nicht einheitlicher Meinung sind.
Trotzdem halten die Freunde X die Stange, stehen auf, wenn er den Saal betritt, kämpfen für ihn. Irgendwie bringt sie der Fall wieder näher zusammen. Sie fühlen sich wieder jung, singen, trinken, haben Spaß am See - verbunden durch ihr "Projekt".
Es ist für sie ein Projekt. Ich hatte immer so das Gefühl, als wenn es mehr um sie geht als um ihren Freund.
 

buchregal

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8. April 2021
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Auch weiß ich nicht, was ich fühlen soll und für welche Figur? Ich fühle für keine etwas.
So geht es mir auch.
So schwer auch wieder nicht, vor allem, wenn man sich einen Tutor; Mentor, Antreiber kaufen könnte und er konnte.
Ein Jura-Studium ist schwer. Von Anfang an ist da ein unheimlicher Druck, weil nur die Besten sich "ihren" Job aussuchen können und das sind extrem wenige. Es gibt ganz viele Jura-Studenten, die irgendwelche Drogen nehmen, weil der Druck so groß ist, oder therapeutische Unterstützung brauchen. Ich weiß, wovon ich rede, denn meine Tochter hat Jura studiert. Ihr ist eigentlich immer alles zugefallen und selbst bei ihr habe ich manchmal den Stress gespürt. Viele ihrer Studienkollegen habe irgendwann geschmissen.
 

buchregal

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8. April 2021
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Also meinst Du, X ist ein Rechtsopfer, unschuldig veruteilt und entwickelt nun während der Haft passende Eigenschaften?
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob schuldig oder nicht. Tatsache aber ist, dass das Eingesperrtsein etwas mit einem macht. Er wird wohl nachdenken und sich selbst eher einordnen, was er vor der Tat wohl nicht so getan hat.
Denn ihm geht es ja um die Clique, was es mit ihnen macht, die leisen Zweifel, hat er, oder hat er nicht. Kann er trotzdem unser Freund bleiben?
Ich denke, dass jemand trotzdem Freund bleiben könnte. Doch dem steht entgegen, dass durch den Gefängnisaufenthalt ein Kontakt schwieriger wird. Man hat sich nichts mehr zu sagen. Ich denke, das ist eher das Problem als die Tat selbst.
 

Wandablue

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18. September 2019
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So geht es mir auch.

Ein Jura-Studium ist schwer. Von Anfang an ist da ein unheimlicher Druck, weil nur die Besten sich "ihren" Job aussuchen können und das sind extrem wenige. Es gibt ganz viele Jura-Studenten, die irgendwelche Drogen nehmen, weil der Druck so groß ist, oder therapeutische Unterstützung brauchen. Ich weiß, wovon ich rede, denn meine Tochter hat Jura studiert. Ihr ist eigentlich immer alles zugefallen und selbst bei ihr habe ich manchmal den Stress gespürt. Viele ihrer Studienkollegen habe irgendwann geschmissen.
Diese Art von Druck bauen sich viele Leute selber auf; WEIL sie unbedingt den Spitzenjob haben wollen. Aber wenn nicht, ist es ein Studium wie jedes andere. Und natürlich ist ein Studium kein Zuckerschlecken pur. Behauptet ja keiner.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Aber wenn nicht, ist es ein Studium wie jedes andere. Und natürlich ist ein Studium kein Zuckerschlecken pur. Behauptet ja keiner.
Dem würde ich gerne widersprechen. Im Medizinstudium zum Beispiel müssen die Studierenden permanent Prüfungen ablegen, damit sie zu den verschiedenen Staatsexamina überhaupt zugelassen werden. Die Durchfallrate bei den Staatsexamina selbst ist daher niedrig, die Leute bleiben vorher hängen, oft schon sehr früh in der Vorklinik. Genauso ist es bei Maschinenbau, Elektrotechnik usw. Bei Jura ist das anders. Das Durchkommen bis zur Endprüfung scheint noch ganz gut machbar, viele können sich dementsprechend auch nicht so gut einschätzen. Sie fallen dann in großer Zahl durch das Staatsexamen erste Staatsexamen (nach meist etwa fünf bis sechs Jahren) und stehen mit völlig leeren Händen da (gerade im näheren Umfeld erlebt).
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich oute mic mal, selbst Jura studiert zu haben, mit beiden Staatsexamen. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass jemand dauerhaft vorspiegelt, im Referendariat zu sein. Das Studium selbst vielleicht schon. Das Referendariat nicht, da ist man an der Front, genau wie im Lehramt.
Da würden sich wohl nur Leute täuschen lassen, die sich gar nicht ernsthaft interessieren, was man so macht.
Keine Ahnung, wie ich diesen Punkt deuten soll.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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S. 236: "An diesem Punkt stellten sich Ermüdungseffekte ein."

Ich habe erst überlegt, ob das als mein Eindruck dieses Abschnitts genügen würde. Habe ich dann aber verworfen, weil sie sich leider bei mir dann doch schon deutlich vor dieser Seite einstellten.
Ich find ich genial. So muss ich das jetzt nicht schreiben. :)
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Diese für mich anfangs so originelle Erzählweise hat sich deutlich abgenutzt. Alles kommt mir mittlerweile unglaublich lang und auch langatmig vor, weil ich einfach den Sinn des Romans nicht erkenne.

Ich erwarte im letzten Abschnitt einen Knalleffekt, damit ich noch einmal aufwache und mir am Ende deutlich wird, was Sinn und Zweck des Romans ist.

Mir ging es in die Abschnitt ähnlich. Das Buch ist insgesamt nicht unspannend, aber die inhaltlichen Wiederholungen und ein paar Längen haben dazu geführt, dass ich mehrere Absätze gerne übersprungen hätte.

Für mich stellt es sich so dar, als ob es vorwiegend um das Thema Freundschaft geht. Trotzdem erwarte ich, dass zum Schluss noch was kommt und es nicht nur beim Philosophieren darüber bleibt, was eine Freundschaft ausmacht usw.

So wie die Freund:innen des Angeklagten weiß auch ich als Leserin nicht mehr, was ich glauben soll: schuldig oder nicht?, habe aber auch gar nicht das Gefühl, es unbedingt wissen zu müssen.

Ich würde es dem Autor schon übelnehmen, wenn zu viel in der Schwebe bleibt. Ich muss am Ende nicht jedes Detail geklärt haben, aber bisschen was an Erklärung brauche ich schon noch.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich lese den Roman nach wie vor nicht ungerne. Vom Hocker reißt er mich aber immer noch nicht. Ich finde das alles etwas zu verkünstelt. Immer dieses „unser Freund“ und „der Onkel“ statt der Namen. Ja, ich kann mir schon denken, warum es so formuliert ist. Aber wer redet denn im wahren Leben so? Dann diese mysteriösen und ausschweifenden Aussagen des „Gefangenen“, die sich bewusst so oder so verstehen lassen. Die Idee dahinter gefällt mir. Die Umsetzung ist mir zu gestelzt und unnatürlich.