3. Leseabschnitt (Kapitel XIII - XVI)

Yolande

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Minette darf mit dem Prinzen den Ball der Weißen besuchen und der Gouverneur lässt es geschehen. Sie wird ein wenig eingebildet ob der ganzen Bewunderung, die ihr entgegenschlägt. Ihre Mutter lässt sie mit ihren Launen gewähren. Aber der Stern Minettes beginnt zu sinken, es gibt scharfe Proteste in der Zeitung, der Besuch des Balls wird ihr übel genommen und als die zwei neuen weißen Sängerinnen im Theater eintreffen, lässt man sie ziehen.
Es gibt einen ersten Sklavenaufstand, der allerdings fürchterliche Folgen nach sich zieht. Da musste ich beim Lesen oftmals ziemlich schlucken. Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas Grausames antun :sad.
Minette reist zu Lapointe und wird seine Geliebte, obwohl er auch Sklaven hält und sie ebenso schlimm behandelt, wie die weißen Plantagenbesitzer. Ob das gutgeht?
 

Renie

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Sie wird ein wenig eingebildet ob der ganzen Bewunderung, die ihr entgegenschlägt.
Diese Makel, die im weiteren Verlauf der Handlung häufiger zum Ausdruck kommen - das ist zumindestens mein Eindruck - machen die Figur der Minette so interessant. Wir haben es nicht mit einer strahlenden Heldin ohne Fehl und Tadel zu tun, sondern mit einer Figur mit vielen menschlichen Fehlern. Diese komplexe Charaktergestaltung ist für mich ein weiterer Pluspunkt dieses Romans.
 

Renie

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Jasmine, die ihre Töchter bisher mit liebvoll-strenger Hand erzogen hat, wird nachgiebiger und fängt an, die Zügel schleifen zu lassen. Das hat mich ein bisschen erstaunt, dass sie die Eigenwilligkeiten von Minette einfach hinnimmt. Immerhin setzt sie sich über vieles hinweg, was ihrer Mutter immer wichtig war. Damit meine ich insbesondere Handlungen, die ihren keuschen Ruf in Gefahr bringen könnten.
Doch Jasmine erhofft sich dadurch ein Stück Glück, vielleicht als Ausgleich für die seelischen Wunden, die sie durch ihr Sklaventum ein Leben lang begleiten werden.

Dieser Goudard, der sich als Minettes "Mann fürs Leben" sieht, zeigt eifersüchtige Anwandlungen, nachdem sie bei dem Königssohn so gut angekommen ist. Er würde sie am liebsten schlagen, wofür sie ihn später mit einem Kuss belohnt. Also wirklich!
Es mag ja sein, dass es zu Beginn des 18. Jahrhunderts üblich war, Frauen, die mann liebt zu schlagen. Aber warum Minette ihn dafür belohnt, bleibt mir ein Rätsel.
Entweder wollte sie ihn besänftigen oder sie schmolz dahin, vor soviel leidenschaftlicher Männlichkeit.
Wie auch immer, auf jeden Fall setzt sie hier bewusst ihre fraulichen Fähigkeiten ein.
Später entschließt sie sich sogar bewusst dazu, ihren Körper - falls notwendig - einzusetzen. Und vorbei ist es mit den anerzogenen keuschen Ehrbarkeit.

Lise ist da etwas anders, womit ich nicht gerechnet hätte. Sie lehnt es ab, ihre weiblichen Reize einzusetzen, will eigenes Geld verdienen und damit unabhängig sein. Ihr ist es egal, ob das Theaterstück, in dem sie eine Rolle ergattert, anspruchslos ist. Hauptsache sie hat dadurch ein Einkommen. Und anstatt sich für die Schwester zu freuen, redet Minette das Stück schlecht. Fühlt sie sich in ihrer Stellung als Ausnahmesängerin bedroht und hat Angst davor, ein bisschen von ihrem Glanz an die Schwester abzutreten? Bisher war sie diejenige der Familie, die es trotz ihrer Herkunft geschafft hat, Erfolg zu haben. Und plötzlich scheint Lise dies auch zu gelingen.

Nochmal zur Sprache: ich komme damit nur schwer klar. Meine Highlights sind Figuren, die durch Zimmer eilen und stürmen. Kann man nicht normal gehen? Meinetwegen laufen oder rennen. Aber eilen? Und wie groß sind denn diese Zimmer, dass man zu jemandem "eilen" muss, der gerade hereinkommt?
Von den gefühlsduseligen Szenen zwischen Lapointe und Minette mag ich gar nicht reden.
Bei allem Respekt vor der Schriftstellerin: Aber die Sprache drückt das Niveau und lässt diesen Roman seicht erscheinen, was er aber aufgrund der Thematik sicher nicht ist.
 

RuLeka

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Das hat mich ein bisschen erstaunt, dass sie die Eigenwilligkeiten von Minette einfach hinnimmt
Sie hat auch gespürt, dass sie keinen großen Einfluss mehr auf ihre Tochter hat. Minette weiß, was sie will und lässt sich nicht mehr reinreden.
Außerdem lässt Jasmine der Erfolg ihrer Tochter hoffen, dass diese die Aussicht auf ein besseres Leben hat.
Aber warum Minette ihn dafür belohnt, bleibt mir ein Rätsel.
Mir auch unbegreiflich. Aber seine Wut ist für sie ein Zeichen seiner Eifersucht und damit ein Zeichen seiner Liebe.
Später entschließt sie sich sogar bewusst dazu, ihren Körper - falls notwendig - einzusetzen
Das mag uns vielleicht befremdlich erscheinen, doch für Frauen aus ihrem Stand war das ein bewährtes Mittel, um bestimmte Dinge zu erreichen. Mehr als ihren Körper hatten sie nicht, keinen Einfluss, kein Ansehen, kein Vermögen.
Fühlt sie sich in ihrer Stellung als Ausnahmesängerin bedroht und hat Angst davor, ein bisschen von ihrem Glanz an die Schwester abzutreten?
Eifersucht unter Geschwistern…doch ganz normal. Und es passt zu dem vielschichtigen Charakter der Figur.
Hauptsache sie hat dadurch ein Einkommen.
Lise geht es um ganz profane Dinge. Sie will Geld, um sich ein bisschen Luxus leisten zu können. Ihr liegt weniger an Bewunderung oder Anerkennung.
Nochmal zur Sprache:
Die Sprache ist auch für mich gewöhnungsbedürftig, erinnert mich an Bücher, die ich in meiner Jugend gelesen habe.
Das mag sicher an der Zeit liegen, der Entstehungszeit und der Zeit der Handlung. Ich frage mich aber auch, ob es an der haitianischen Erzähltradition liegt.
 

Renie

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Das mag uns vielleicht befremdlich erscheinen, doch für Frauen aus ihrem Stand war das ein bewährtes Mittel, um bestimmte Dinge zu erreichen. Mehr als ihren Körper hatten sie nicht, keinen Einfluss, kein Ansehen, kein Vermögen.
Das stimmt. Die beiden Figuren Nicolette und Tausendlieb sind die Beweise dafür. Zwei Frauen, die ganz bewusst ihren Körper einsetzen und Männer als Einnahmequelle nutzen. Sehr schön, wie die Autorin die beiden Frauen darstellt - absolut sympathisch und voller Lebensfreude.
 

Renie

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Das Mädchen ist sechzehn oder siebzehn, wenn ich es richtig in Erinnerung habe.
Ich weiß, die Naivität steht ihr daher auch zu. Das macht den Charakter für mich auch noch interessanter. Immerhin wird sie als "Heldin" herausgearbeitet, man geht davon aus, dass sie am Ende allen - insbesondere den Weißen - die Stirn bieten wird ... und das trotz ihrer Naivität und ihres zarten Alters.
Die Autorin hat eine Protagonistin mit unglaublich vielen Facetten geschaffen, mit denen ich nicht unbedingt gerechnet habe und die sowohl positiv als auch negativ sind. Das ist großes Kino.
 

Yolande

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Fühlt sie sich in ihrer Stellung als Ausnahmesängerin bedroht und hat Angst davor, ein bisschen von ihrem Glanz an die Schwester abzutreten? Bisher war sie diejenige der Familie, die es trotz ihrer Herkunft geschafft hat, Erfolg zu haben. Und plötzlich scheint Lise dies auch zu gelingen.
Ich glaube, dass es Minette mehr bewusst ist, dass das weiße Publikum die farbigen Künstler lieber in solchen, eher schlichten Aufführungen sehen will. Die große, klassische Oper ist nichts für Schwarze. Dem will sie entgegentreten. Diese Gedanken macht Lise sich nicht, ihr geht es darum, ebenfalls berühmt zu werden und Geld zu verdienen.
 

RuLeka

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Ich glaube, dass es Minette mehr bewusst ist, dass das weiße Publikum die farbigen Künstler lieber in solchen, eher schlichten Aufführungen sehen will. Die große, klassische Oper ist nichts für Schwarze.
Das stimmt. Außerdem sind das Stücke, in denen man sich über Schwarze lustig macht und sie minderwertig darstellt.
 

Renie

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Diese Beziehung finde ich sowieso ganz merkwürdig, es passt nicht zu beiden Charakteren
Ich sehe es ähnlich wie @RuLeka . Die beiden Figuren stechen aus den anderen hervor, sind sehr eigenwillig und Kämpfernaturen. Lapointe strahlt eine Kraft aus, die Minette sehr anziehend findet.
Irgendwie erinnert mich diese Beziehung an Scarlett und Rhett aus "Vom Winde verweht".
 

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Ich glaube, dass es Minette mehr bewusst ist, dass das weiße Publikum die farbigen Künstler lieber in solchen, eher schlichten Aufführungen sehen will. Die große, klassische Oper ist nichts für Schwarze. Dem will sie entgegentreten. Diese Gedanken macht Lise sich nicht, ihr geht es darum, ebenfalls berühmt zu werden und Geld zu verdienen.
Ein guter Gedanke, daran habe ich überhaupt nicht gedacht und irgendwie passt dies zu ihrer Entwicklung. Denn die Aversion auf alles, was sich gegen Farbige richtet - und etwas anderes ist diese Ausgrenzung von der großen Oper ja nicht - wird bei Minette immer größer.
 

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Nochmal zur Sprache: ich komme damit nur schwer klar. Meine Highlights sind Figuren, die durch Zimmer eilen und stürmen. Kann man nicht normal gehen? Meinetwegen laufen oder rennen. Aber eilen? Und wie groß sind denn diese Zimmer, dass man zu jemandem "eilen" muss, der gerade hereinkommt?
Von den gefühlsduseligen Szenen zwischen Lapointe und Minette mag ich gar nicht reden.
Bei allem Respekt vor der Schriftstellerin: Aber die Sprache drückt das Niveau und lässt diesen Roman seicht erscheinen, was er aber aufgrund der Thematik sicher nicht ist.
Seicht empfinde ich die Sprache persönlich nicht, auch nicht kitschig. Mag sein, dass die Wortwahl hier und da nicht ideal ist. Mir ist da aber nichts negativ aufgefallen. Poetisch ist die Sprache zwar nicht, aber für mich lies sich das Buch sehr gut.
 
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Doch Jasmine erhofft sich dadurch ein Stück Glück, vielleicht als Ausgleich für die seelischen Wunden, die sie durch ihr Sklaventum ein Leben lang begleiten werden.
Ich denke, Du beantwortest Dir die Frage hier selbst, warum Jamine Minette gegenüber etwas nachsichtiger wird. Sie träumt vom Glück. Verständlich wohl, da sie ja selbst ja Einiges am eigenen Leib durchmachen musste.
Außerdem lässt Jasmine der Erfolg ihrer Tochter hoffen, dass diese die Aussicht auf ein besseres Leben hat.
So habe ich dies auch empfunden.
Das mag uns vielleicht befremdlich erscheinen, doch für Frauen aus ihrem Stand war das ein bewährtes Mittel, um bestimmte Dinge zu erreichen. Mehr als ihren Körper hatten sie nicht, keinen Einfluss, kein Ansehen, kein Vermögen.
Überrascht hat mich Minette auch in dieser Hinsicht. Aber ihr Verhalten zeigt wohl, dass sie sich durchaus bewusst ist, "wer" sie ist bzw. welche Stellung sie in der Gesellschaft einnimmt. Trotz allen Ambitionen, die sie hat.
Das mag sicher an der Zeit liegen, der Entstehungszeit und der Zeit der Handlung. Ich frage mich aber auch, ob es an der haitianischen Erzähltradition liegt.
Das mag gut sein. Ich denke schon, dass die Kultur hier die Sprache mitbedingt. Vielleicht der Grund, warum ich da weniger kritisch bin.
Die Autorin hat eine Protagonistin mit unglaublich vielen Facetten geschaffen, mit denen ich nicht unbedingt gerechnet habe und die sowohl positiv als auch negativ sind. Das ist großes Kino
Das gefällt mir auch wirklich ausgesprochen gut.
 

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Einiges wurde ja schon diskutiert.
Der Glanz von Minettes Erfolg bröckelt. Gleichzeitig erhofft Lise sich durch eigene Engagements etwas leisten zu können, was sie sich wünscht. Sie ist nicht so ambitioniert, wie ihre Schwester, auch nicht so idealistisch.
Minette wird sehr eigensinnig, sie scheint etwas abzuheben. Ihre Mutter nimmt dies zwar wahr, bleibt aber ihr gegenüber milde gestimmt und erhofft sich ein Fünkchen Glück.
Was ich von der Beziehung zwischen Minette und Lapointe halten soll, weiß ich noch nicht so recht. Mal sehen...
 

kingofmusic

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Ich glaube, dass es Minette mehr bewusst ist, dass das weiße Publikum die farbigen Künstler lieber in solchen, eher schlichten Aufführungen sehen will. Die große, klassische Oper ist nichts für Schwarze.
Ich glaube, da hat sich bis heute nicht viel dran geändert. So sehr ich klassische Musik schätze (auch die ein oder andere Oper), halte ich die Szene für sehr konservativ, in der Veränderungen nur schwer akzeptiert werden. Bestes Beispiel ist die Schere zwischen Dirigenten und Dirigentinnen; letztere haben es immens schwer überhaupt Fuß zu fassen. Wo ist das Problem? :think:cool:
 
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