3. Leseabschnitt: Kapitel 8 bis 10 (Seite 131 bis 195)

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Eske fährt nach Weihnachten für vier Wochen auf das Festland, um ihren Freund, einen Dr. der Sprach-und Dialektik-Forschung, zu besuchen. Sie bringt Tonaufnahmen der Pflegeheimbewohner für die Inselchronik mit. Auf der Rückfahrt beobachtet sie die Inselsünden: Hochhäuser, Bettenburgen etc.. Sie denkt über Touristenströme, das Verschwinden der alten Dialekte und Trachten, zunehmende Fluten und Stürme und den Untergang der Insel nach. Ein Hinweis auf negative Veränderungen der Natur und der Gesellschaft.
 

Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Für meine Begriffe bietet uns Hansen hier einen gewissen Umschwung an. Wie Eulenhaus schon schrieb, Eske geht aufs Festland für eine gewisse Zeit. Die Geschichte mit ihrer Freundin fand ich passend vom ganzen Verlauf. Eske muss frei schwimmen und sucht dennoch Halt am Rettungsring. So einen Partner findet man selten aber vielleicht findet sie ihn ;) Und dann hatte sie ihre Gedanken bezüglich der gesamten Entwicklung auf der Insel. Ja, ich fand es erschreckend weil Hansen so tief hier in der Wunde poppelt, die hier jeder mit sich trägt. Sprachen und Dialekte verschwinden, der Wohnraum wird durch Hotels und Ferienhäuser für Touristen zugebaut und der Charme, die Geschichte der Insel verschwindet langsam immer mehr. Und das ist alles hausgemacht! Muss dass denn sein? Ich finde nicht und irgendwann ist auch mal gut mit Tourismus und Co. aber alle können. Den Hals nicht voll genug bekommen. Ganz traurig und realistisch. Auf Sylt gibt es da mehr als genug Beispiele wo es überall „hakt“ aber auch hier bei uns an der Küste ist das so…
Auch Ryckmer macht eine Wendung durch. Spannend erzählt und wirklich treffend fand ich diese Mischung.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Es gefällt mir immer besser. Wie Hansen die Welt der Insel beschreibt, die Jahreszeiten, den Effekt, den die Touris haben: Ich denke die ganze Zeit, ach so, so ist das also, wie krass, wie interessant, und hätte man es sich nicht denken können mit ein bisschen weniger Touri-Egozentrik? Man denkt ja immer, dass man selbst ein "besserer" Tourist ist (und ich zumindest gebe mir Mühe). Aber dennoch. Hansen beschreibt die Ambivalenz der Insulaner - einerseits nicht mehr das harte Seemannsleben und -sterben. Andererseits die Seele, die mit dem leichteren Geld ein stückweit verloren geht.

Der Wal, der Symbol für so vieles ist. Wieder eine romantische Illusion weniger. Mir war überhaupt nicht klar, dass die Viecher stinken. Obwohl: logisch. Muss wirklich furchtbar sein. Der letzte Satz des Walkapitels hat mich aus den Socken gehauen. Da musste ich erstmal tief durchatmen, als hätte man mir in den Solarplexus geboxt.

Dass Jens einfach wieder bei Hanne einzieht, ist schon krass. Hansens Analyse der Gründe auch, aber wie einleuchtend das ist! Sie haben sich verschwommen, und das hat sie 20 Jahre ihres Lebens gekostet.

Toll die Passage auf S. 172 über die Inselmaler, die "nur das malten, was sie glauben wollten: dass die Frauen wie gekappte Marionetten in den Inselhäusern hingen, wenn die Seeleute auf ihren Schiffen waren. Und dass das Stück erst weiterging, wenn nach der Rückkehr jeder Mann in seinem Hause die Fäden wieder in die Hände nahm. Als würde auf der Insel in der Zwischenzeit nur ausgeharrt und nicht gelebt."

Wie soll eine Ehe sowas aushalten?
 

Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Es gefällt mir immer besser. Wie Hansen die Welt der Insel beschreibt, die Jahreszeiten, den Effekt, den die Touris haben: Ich denke die ganze Zeit, ach so, so ist das also, wie krass, wie interessant, und hätte man es sich nicht denken können mit ein bisschen weniger Touri-Egozentrik? Man denkt ja immer, dass man selbst ein "besserer" Tourist ist (und ich zumindest gebe mir Mühe). Aber dennoch. Hansen beschreibt die Ambivalenz der Insulaner - einerseits nicht mehr das harte Seemannsleben und -sterben. Andererseits die Seele, die mit dem leichteren Geld ein stückweit verloren geht.

Der Wal, der Symbol für so vieles ist. Wieder eine romantische Illusion weniger. Mir war überhaupt nicht klar, dass die Viecher stinken. Obwohl: logisch. Muss wirklich furchtbar sein. Der letzte Satz des Walkapitels hat mich aus den Socken gehauen. Da musste ich erstmal tief durchatmen, als hätte man mir in den Solarplexus geboxt.

Dass Jens einfach wieder bei Hanne einzieht, ist schon krass. Hansens Analyse der Gründe auch, aber wie einleuchtend das ist! Sie haben sich verschwommen, und das hat sie 20 Jahre ihres Lebens gekostet.

Toll die Passage auf S. 172 über die Inselmaler, die "nur das malten, was sie glauben wollten: dass die Frauen wie gekappte Marionetten in den Inselhäusern hingen, wenn die Seeleute auf ihren Schiffen waren. Und dass das Stück erst weiterging, wenn nach der Rückkehr jeder Mann in seinem Hause die Fäden wieder in die Hände nahm. Als würde auf der Insel in der Zwischenzeit nur ausgeharrt und nicht gelebt."

Wie soll eine Ehe sowas aushalten?
Wale stinken wahrlich mehr als extrem…auch Seehunde müffelt nicht nur, die stinken auch. Ist immer ganz furchtbar wenn so etwas passiert und betrübt mich immer sehr.
Hansen hat das wunderbar beschrieben und ich denke, Du weißt jetzt was ich manchmal so meine…Vielleicht ist das ja so ein Ding hier oben im Norden. Ein Relikt aus der Zeit als die Männer auf See waren und die Frauen alles allein wuppen mussten. Das ist heute auch oft noch so der Fall und dennoch trennt sich keiner so leicht. Dieses verschwimmen und vielleicht wieder ankommen ist eine 50/50Chance siehe Jens und Hanne. Ich war auch überrascht aber über ihr ganzes Gebaren nicht. Leben zusammen wie damals - nur etwas stiller und mit mehr Verständnis füreinander. Was aber nicht heißt, dass man alles akzeptieren muss…
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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TOLL: „Erholungsfischerei mit Anschubfinanzierung der EU“.
Auf der Insel sind die früher übliche Seefahrt und der Fischfang vom Tourismus abgelöst worden und die Bewohner leben von Dienstleistungen. Aus den Fischern sind Bootsführer für Touristen zum Angeln und zu Aussichtsfahrten geworden. Der Ex-Kapitän Ryckmer findet, nachdem der Alkohol ihn fast zugrunde gerichtet hat, eine neue erfüllende!? Aufgabe.

Von der Weißen Wand=Monsterwelle hatte ich schon gehört. Dass der Schwarze Schwan als Metapher etwas Unheilvolles bedeutet, musste ich erst nachsehen.
 

wal.li

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Der Wal, der Symbol für so vieles ist.
Die Beschreibung hat mich doch etwas mitgenommen. Erst das wenn auch nicht total romantische Dahinscheiden des Wales und dann die prosaische Beschreibung der "Verwertung". Und dann wieder, wie schnell die Touristen da sind, um alles zu bezeugen. Dass Wale so stinken, wusste ich auch nicht. Man sieht sie ja sonst nur im TV oder beim Whale-Watching, wenn sie denn auftauchen.
 

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Sicher beschreibt Hansen das Inselleben mit allen Facetten und Widersprüchlichkeiten sehr gut. Das finde ich sehr informativ.
Am meisten beschäfttigt hat mich in diesem Abschnitt aber, dass Jens nach seiner langen Abwesenheit einfach so wiedr auftaucht und quasi neben Hanne herlebt. Es ist irgendwie auch seltsam. Ich wüßte sehr gerne mehr darüber, warum die Beziehung zwischen den Eheleuten so ist wie sie ist. Ich hoffe, dass da noch eine Erklärung kommt.
Ansonsten bin ich zwar nicht ganz so begeistert wie manch Andere/r hier, aber lese das Buch dennoch ganz gerne.
 

Kristall86

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An der Nordseeküste
Sicher beschreibt Hansen das Inselleben mit allen Facetten und Widersprüchlichkeiten sehr gut. Das finde ich sehr informativ.
Am meisten beschäfttigt hat mich in diesem Abschnitt aber, dass Jens nach seiner langen Abwesenheit einfach so wiedr auftaucht und quasi neben Hanne herlebt. Es ist irgendwie auch seltsam. Ich wüßte sehr gerne mehr darüber, warum die Beziehung zwischen den Eheleuten so ist wie sie ist. Ich hoffe, dass da noch eine Erklärung kommt.
Ansonsten bin ich zwar nicht ganz so begeistert wie manch Andere/r hier, aber lese das Buch dennoch ganz gerne.
Wir nennen solche Menschen hier oben gern „Zugvögel“. Das würde eben auch zu Jens passen der ja bei der Vogelwarte war - Metapher eben. Er geht für eine Zeit seinen Weg und kommt irgendwann wieder…Zugvögel bleiben auch irgendwann dauerhaft wenn die Umgebung sich verändert hat und sie ihnen genehm ist…
 

Kristall86

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Die Beschreibung hat mich doch etwas mitgenommen. Erst das wenn auch nicht total romantische Dahinscheiden des Wales und dann die prosaische Beschreibung der "Verwertung". Und dann wieder, wie schnell die Touristen da sind, um alles zu bezeugen. Dass Wale so stinken, wusste ich auch nicht. Man sieht sie ja sonst nur im TV oder beim Whale-Watching, wenn sie denn auftauchen.
Wenn Wale platzen, weil sie nicht aufgestochen werden, rummst das nicht nur gewaltig, dass ist die größte und ekelhafteste Sauerei die es gibt. Ich hab das mal in Grönland gesehen…das haut selbst gestandene Seeleute um. Da liegen die Innereien bzw. das was von ihnen übrig ist, überall verstreut umher. Vom Gestank ganz zu schweigen…Der Magen und Darm-Bereich gärt ha munter vor sich dahin wenn nichts passiert. Bei Kühen ist das auch nicht anders, mal so nebenbei.
 

RuLeka

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Sprachen und Dialekte verschwinden, der Wohnraum wird durch Hotels und Ferienhäuser für Touristen zugebaut und der Charme, die Geschichte der Insel verschwindet langsam immer mehr. Und das ist alles hausgemacht
Das finde ich auch so schrecklich. Hier passt der Spruch von Enzensberger „ Der Tourist zerstört, was er sucht, in dem er es findet.“
Es sind nicht nur die Inselbewohner, die hier Schuld tragen, sondern unsere Gesellschaft, die sich beinahe nur noch über das Reisen definiert.
 

RuLeka

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Dass Jens einfach wieder bei Hanne einzieht, ist schon krass.
Es war ja ein schleichender Prozess. Erst sein langsames Verschwinden, nun sein sukzessives Zurückkommen. Die neue/ alte Wohnung langsam sich wieder aneignen. Hätte Hanne ihn garnicht mehr gewollt, hätte sie darauf reagieren können.
Möglicherweise brauchen sie einander wieder. Er mit seiner Krankheit, sie mit ihren Kindern. Gemeinsam schaffen sie den betrunkenen Ryckmer ins Bett.
 

RuLeka

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Ich glaube eher, Hanne lässt es einfach so über sich ergehen. Aber vielleicht brodelt es unterschwellig und das Fass läuft noch über?
Glaube ich nicht. Hanne würde sich mittlerweile wehren, wenn ihr was nicht passt.
Wenn Wale platzen, weil sie nicht aufgestochen werden, rummst das nicht nur gewaltig, dass ist die größte und ekelhafteste Sauerei die es gibt. Ich hab das mal in Grönland gesehen…das haut selbst gestandene Seeleute um. Da liegen die Innereien bzw. das was von ihnen übrig ist, überall verstreut umher. Vom Gestank ganz zu schweigen…Der Magen und Darm-Bereich gärt ha munter vor sich dahin wenn nichts passiert. Bei Kühen ist das auch nicht anders, mal so nebenbei.
Mit Dir haben wir hier eine richtige Fachfrau an Bord. Das ist sehr gut. Wir müssten sonst oft nur mutmaßen oder googeln.
 

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29. März 2022
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Mainz
Wir nennen solche Menschen hier oben gern „Zugvögel“. Das würde eben auch zu Jens passen der ja bei der Vogelwarte war - Metapher eben. Er geht für eine Zeit seinen Weg und kommt irgendwann wieder…Zugvögel bleiben auch irgendwann dauerhaft wenn die Umgebung sich verändert hat und sie ihnen genehm ist…
Hier ist das Bild der Zugvögel wirklich sehr treffend.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Das finde ich auch so schrecklich. Hier passt der Spruch von Enzensberger „ Der Tourist zerstört, was er sucht, in dem er es findet.“
Es sind nicht nur die Inselbewohner, die hier Schuld tragen, sondern unsere Gesellschaft, die sich beinahe nur noch über das Reisen definiert.
Ich finde schon, dass die Insulaner ihre Insel aus eigenem Willen ausverkauft haben. Ist auf Sylt ja auch so. Aber wenn man danach ausgesorgt hat - braucht es schon sehr viel Charakterstärke, das NICHT zu machen. Auch Hanne denkt drüber nach.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Starke Szenen fand ich wieder in diesem Leseabschnitt:

Das Zerteilen des Wals. Klar war mir bewusst, dass die Tiere irgendwie vom Strand weggebracht werden müssen. Aber dass so ein Aufwand dahinter steckt! Wahnsinn! (Wieder was Neues erfahren!)

Das 'Einschleichen' von Jens. Ich denke, das konnte auch nur geschehen, weil die Beziehung auch nicht mit einem Riesenkrach oder 'Wumms' auseinanderging, sondern schleichend. Und offensichtlich können sie deshalb auch wieder 'zusammenleben'. Das gemeinsame 'Ins-Bett-Bringen' von Rykmer wurde ja schon mal positiv gesehen! *gg*
Was mich jedoch total erstaunte: sie saßen bis es dunkel wurde zusammen und redeten nicht miteinander (weil sie keinen Anfang fanden). Nachdem in unserer Beziehung die Kommunikation eines der tragenden Säulen ist, wirkt diese Szene auf mich total surreal. Aber o.k., jede Ehe ist anders! *Schultern zuck*
'Nichts, was er für sie hatte, schien ihr je zu passen' ist offensichtlich Hannes Erkenntnis über ihr ganzes Eheleben! So, so: 'sie fechten stille Kämpfe aus'. *Augenverdreh* Aber Kommunikation muss halt auch gelernt sein und geübt werden - sie können es nicht! Beide nicht!

Die Beziehung von Henrik ist auch wieder mal zu Ende. Diesmal nicht lautlos! :rofl
Mein Eindruck: alle Sander-Kinder haben Probleme, langfristige Beziehungen zu führen. Wahrscheinlich sind sie durch das negative Vorbild ihrer Eltern geprägt. (Haben sie Angst davor, sich total auf eine Beziehung einzulassen? Weil das nur Schmerzen bringt?)

Und dann noch die Entwicklung der Touristen: diese Anspruchshaltung! (Findet man aber nicht nur da!) Aber sehr gut beschrieben!