3. Leseabschnitt: Kapitel 3 (Seite 111 bis 154)

missalissa

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23. Juni 2022
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Hier noch meine Gedanken zum dritten LA:

Ich überlege mir beim Lesen von Fiktion gerne, was die Leitfrage der Geschichte ist und hier glaube ich, dass die Leitfrage sein könnte: Schaffen es der Mann und die Frau ihre Beziehungsprobleme zu lösen?
Dabei stehen Beziehungsprobleme natürlich immer in Zusammenhang zu persönlichen Problemen, die sich auf die Beziehung übertragen. Interessant fand ich Folgendes: (Die Frau sagt: ) "Ich will dir nicht sagen müssen, wie du sein sollst, weil du dann nicht mehr du selbst bist, sondern so, wie ich es dir sage, und das ist dann bedeutungslos."
(Der Mann denkt: ) "Ihre Hartnäckigkeit, die er einst so bewundert hatte, weil es sich anfühlte, als wöge sie die Stärke auf, die ihm fehlte, überwältigte ihn jetzt." (S.98)
Meiner Meinung nach deutet dieser Dialogfetzen daraufhin, dass der Mann ein geringes Selbstvertrauen hat. Seine Art im Roman bisher zeigt, dass er immer versucht, es seiner Frau Recht zu machen und sich ihrem Willen unterordnet. Die Frau dagegen empfinde ich als eine sehr fordernde und egozentrische Persönlichkeit, die aggressiv reagiert, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie will. Der Mann scheint es ihr nie recht machen zu können.
Am Anfang sahen beide das Baby als eine Vision für eine glückliche gemeinsame Zukunft, aber das hat sich im dritten Kapitel nun geändert. Es steht nun auf der Kippe, ob es überhaupt eine gemeinsame Zukunft geben wird, finde ich, auch unabhängig vom Tod der Frau. Was wenn sie wirklich geheilt ist und sich von dem Mann trennt? Was wenn der Mann doch homosexuell ist und sein "wahres Selbst" aufdecken muss? Nach diesem Kapitel scheint mir alles möglich.
Ihre Andeutung, der Mann könne homosexuelle Tendenzen haben, passt dazu, dass er so bereitwillig mit Henk mitgegangen ist. Wichtig empfinde ich es für die Handlung allerdings nicht
Da würde ich mit Begründung der oben genannten überlegung widersprechen. Ich denke schon, dass die sexuelle Ausrichtung des Mannes für die Entwicklung der Figuren noch wichtig sein könnte.

(Wann hat er eigentlich seine Geldbörse wiederbekommen?)
Haha :rofl Das mit der Geldbörse fand ich auch sehr bemerkenswert. Nach dem Überfall geht niemand zur Polizei und der Mann kann im Laden Joghurt kaufen, als ob nichts gewesen wäre. Ich fand diesen Fakt irgendwie witzig und es ist auf jeden Fall eine Unterstreichung des Surrealen.
 

Literaturhexle

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Dabei stehen Beziehungsprobleme natürlich immer in Zusammenhang zu persönlichen Problemen, die sich auf die Beziehung übertragen. Interessant fand ich Folgendes
Ich denke, die Beziehung steht tatsächlich auch im Fokus, und zwar in jedem Leseabschnitt. Sie überdauert andere Themen. Allerdings setzt da gegen Ende auch meine Kritik an, weil die Wandlungen in der Beziehung für mich zunehmend launisch wirken und wenig nachvollziehbar. Ich bin sehr gespannt, wie du das lesen wirst.
 
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buchregal

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Es gibt nun einen Dreh, der wirklich verblüfft. Die Frau glaubt, dass sie geheilt ist und es scheint ihr auch besser zu gehen. Das Kind, auf das sie so hingearbeitet haben, interessiert sie nun nicht mehr. Sie denkt sogar darüber nach, schwanger zu werden, was bei ihr gar nicht möglich ist.
Im Waisenhaus verhält sich die Frau auch distanziert, fast schon lieblos.
Auch bei dem Ehepaar verändert sich einiges. Anfangs habe ich noch ihre Liebe gespürt, wie auf dem Bahnhof. Jetzt meine ich, dass da nicht mehr viel ist, was sie verbindet. Es sind eher Erinnerungen an das, was früher einmal war, z. B. Wenn der Mann seine schlafende Frau beobachtet.
Livia äußert sich immer wieder ziemlich kryptisch, während Henk geradeheraus zeigt, wo seine Interessen liegen.
Ich finde die Sprache immer noch toll, allerdings hat mich diese teils absurde Geschichte ziemlich verloren.
 

buchregal

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Überrascht hat mich dennoch die Entwicklung der Frau, die plötzlich neuen Lebensmut getankt hat und sogar selbst wieder schwanger werden möchte.

Was ja wohl kaum möglich ist nach ihrer OP.

Mit nun nicht einmal mehr die Hälfte des Buches vor mir, frage ich mich immer weiter zunehmend gespannt, wohin uns der Autor mit seiner Geschichte bringen wird.

Das frage ich mich auch die ganze Zeit.

Das fand ich krass. Ich hatte es so verstanden, dass sie die treibende Kraft war.

Ja, sie wollte, dass ihr Mann nicht alleine ist, wenn sie nicht mehr da ist.
 

Literaturhexle

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Auch bei dem Ehepaar verändert sich einiges. Anfangs habe ich noch ihre Liebe gespürt, wie auf dem Bahnhof. Jetzt meine ich, dass da nicht mehr viel ist, was sie verbindet. Es sind eher Erinnerungen an das, was früher einmal war, z. B. Wenn der Mann seine schlafende Frau beobachtet.
Sehr gut und treffend zusammengefasst! Es scheint mehr und mehr gerade um die Paarbeziehung zu gehen.
 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ich fand es für die Frau kennzeichnend, dass sie (S. 152) anscheinend ihre Chefs wegen Diskriminierung verklagt hat, weil sie sie nicht zur Sozia gemacht hatten: Man hätte ihr die Beteiligung anbieten müssen, obwohl sie sie krankheitsbedingt gar nicht angemessen ausfüllen kann. Mit anderen Worten, sie verlangte Sonderrechte aufgrund ihrer Erkrankung.
Für mich klingt das nach einer Instrumentalisierung ihrer Erkrankung - vielleicht wird das in den USA, wo man schnell mit Diskriminierungsklagen bei der Hand ist, anders gesehen.