3. Leseabschnitt: Kapitel 25 bis Kapitel 33 (S. 153 bis S. 217)

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.640
4.803
49
62
Essen
Im 3. LA kommen Vater und Sohn Kadoke in Israel an, beziehungweise in einer Siedlung im besetzten Gebiet. Diese Siedlung trieft nur so vor Schäbigkeit und hat so überhaupt nichts vom "Gelobten Land". Vater und Sohn sind erwartungsgemäß komplett enttäuscht und auch Kadokes erhoffte/erwartete Perspektive einer Liebesbeziehung mit Anat scheint zum Scheitern verurteilt. Skurile Szenen spielen sich ab in dieser schäbigen Siedlung, wenn etwa ostjüdisches Essen auf den Tisch gebracht wird zu Ehren der europäisch-jüdischen Gäste, die mit den Ostjuden einfach komplett gleichgesetzt werden, wenn etwa die neue Krankenpflegerin sich um einen Ausschlag des Vaters an intimsten Stellen bemüht, wenn Kadoke Anat seine Liebe gesteht oder dieser als "Verlobter" zum Wunder im Dorf wird und als solches gefeiert wird.
Wenn ich das jetzt hier so alles lese, kommt es mir wirklich ziemlich "drüber" vor, und das ist es wohl auch, und dennoch bleibt bei mir der Spaß beim Lesen. Irgendwie hat der Autor für mich eine stimmige Ebene von Übertreibung, Humor, Skurrilität, Typisierung usw. gefunden. Ich bin selber überrascht.
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.743
9.827
49
Wenn ich das jetzt hier so alles lese, kommt es mir wirklich ziemlich "drüber" vor, und das ist es wohl auch, und dennoch bleibt bei mir der Spaß beim Lesen.

Das besetzte Gebiet, der Caravan, hat mich auch ziemlich erschreckt und dass Anat auch im Schmutz lebt, war der Tropfen, der das Fass zwar nicht zum überlaufen, aber doch bedrohlich voll gemacht hat.
Schließlich hat Kadoke sich selbst eingeladen, sich keinerlei Gedanken um "Eventualitäten" gemacht und das Schicksal seines Vaters gleich in die Hände von Unbekannten gelegt.
Der Höhepunkt seiner Unüberlegtheit allerdings, war die behauptete Verlobung mit Anat. Dass sie sauer ist, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Wieder einmal sind es die Frauen, die Kadokes Leben so vollständig bestimmen. Er redet sich zwar ein, dass er gerade seinem Ruf folgt (einem sexuellen, keinem religiösen), aber er überlässt alle Alltagsproblematiken den Frauen. Er steht nur daneben und macht sich seine opportunistischen Gedanken.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.558
24.681
49
66
Kadoke scheint eh ein Typ zu sein, dem alles geschieht und der dem Ganzen fassungslos/ voller Wut/ ratlos - also, je nachdem- gegenübersteht. Die Frauen sind hier diejenigen, die handeln. Wobei es schon sehr resolute Frauen sind. Liegt es hier an diesem speziellen Typ Mann, dass er auf solche Frauen trifft?
Das Frauen- und Männerbild von Grünberg wäre schon zu hinterfragen.
Wenn ich das jetzt hier so alles lese, kommt es mir wirklich ziemlich "drüber" vor, und das ist es wohl auch, und dennoch bleibt bei mir der Spaß beim Lesen. Irgendwie hat der Autor für mich eine stimmige Ebene von Übertreibung, Humor, Skurrilität, Typisierung usw. gefunden. Ich bin selber überrascht.
Die Geschichte selbst ist sehr schräg, normalerweise nicht so mein Ding. Aber zwischen Kopfschütteln und Ekeln muss ich doch ständig laut lachen.
Grünberg hat eine Schwester, die in Israel lebt . Aber für ihn wäre das nichts, wie er in einem Interview irgendwo erklärt hat. Wenn es dort so zugeht, wie in dieser Siedlung, wundert mich das nicht.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.558
24.681
49
66
Ein Zitat aus dem Wikipedia- Eintrag von dem Autor.
Grünberg besuchte zunächst die Amsterdamer Montessori-Schule und von 1982 bis 1988 das Vossius-Gymnasium in Amsterdam. Von diesem wurde er als „asoziales Element“ verwiesen, und er beendete daher seine Schullaufbahn.
Ich habe ihn vor vielen Jahren mal live erlebt bei einer Literatursendung mit Thea Dorn in Baden- Baden. Da fand ich ihn ganz sympathisch.
 

sursulapitschi

Aktives Mitglied
18. September 2019
645
1.568
44
Dieses Buch ist wirklich anstrengend. Diese ganzen überspannten Menschen, die sich ihre Realitäten zurechtbiegen. Sogar Anats durchgeknallte Mutter hat beschlossen, die wären polnische Juden, dann hat das auch so zu sein.
Seit wann ist denn Kadoke unsterblich in Anat verliebt. Das möchte er gerne, aber sie haben nichts gemein, gar nichts. Braucht er die vermeintliche Liebesgeschichte, um einen Grund für die Reise zu haben? Die Reise wollte er auch nicht wirklich.
Warum lässt er sich brav in diesem Container absetzen und sucht sich nicht ein Hotel?
Jetzt kommt er mit dieser Verlobungsgeschichte daher. Vielleicht ist er selbst verrückt und rückt sich seine persönlichen Wahrheiten selbst zurecht. Vielleicht hat ja Michette die Wahrheit gesagt.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.646
16.713
49
Rhönrand bei Fulda
Er könnte mal putzen. Kam mir in den Sinn. Nicht meckern, tun.

In einem fremden Haushalt ohne Aufforderung einfach drauflos putzen, das kann er natürlich nicht machen, egal wie es dort aussieht.

Ich finde den Zustand dieses Hauses, wie er geschildert wird, eigentlich sehr merkwürdig. Ein Bett, das riecht, als sei die Wäsche seit sechs Monaten nicht gewechselt worden, und er begehrt diese Frau immer noch? Törnt das nicht total ab, wie man in Neudeutsch sagt?
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.708
22.136
49
Brandenburg
In dieser Siedlung sind die Leute total ausgeflippt. Und das nicht, weil sie darum beten, dass Gott Anat einen Mann schickt. Kinderreichtum ist wohl wichtig bei einem Volk, von dem sich seine Nachbarn wünschen, dass es ausgelöscht würde.

Kadoke muss auch immer so übertreiben. Geschieht ihm natürlich ganz recht, dass er jetzt der Verlobte von Anat ist.

Aber warum muss es so dreckig, sprich asozial sein und die Mutter von Anat ist wirklich schlimm.

Noch keine zwei Tage da, schon richtet K. ein totales Kuddelmuddel an.

Ich habe einen politischen Halbsatz gefunden:
[zitat]Offenbar stehen die Türen hier immer offen, Feinde gibt es nicht, die sind da draußen, auf anderen Hügeln oder einfach geschlagen, besiegt, zur Abwechsung haben einmal die Juden gewonnen[/zitat]

Dann gefällt mir noch:
[zitat]Als jüdischer Vergewaltiger durch die Straßen von Amsterdam zu laufen, war schon kein Vergnügen, in einer Siedlung auf der Westbank als Wunder begrüßt zu werden, gefällt ihm aber ebenso wenig. [/zitat]

K. ist so ein bisschen wie eine Kafkafigur, er stolpert von einem Unglück ins nächste absurde Geschehen.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.646
16.713
49
Rhönrand bei Fulda
In seinem Caravan! aber.
Den ja, natürlich. Aber der scheint ja nicht ganz so verdreckt zu sein wie Anats Haushalt.
Ich finde diese ganze Umgebung derart entmutigend geschildert, dass ich mich wahrscheinlich schon am ersten Tag wieder vom Acker gemacht hätte. Und dafür, dass Kadoke seinen alten Herrn mitgeschleppt hat, habe ich auch nur wenig Verständnis.
Im Grunde ist die einzige Erklärung, dass er völlig aus der Bahn geschleudert ist und komplett unüberlegt handelt.