3. Leseabschnitt: Kapitel 18 bis Ende (Seite 101 bis 157)

Emswashed

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9. Mai 2020
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Empfindet ihr diese Beschreibung als ironisch gemeint, als zynisch?
Nein, nicht zynisch! Das ganze Buch ist ja eher wie ein Tagebuch des Vaters aufgebaut und er schweift in diesem Moment wahrscheinlich mit seinen Gedanken ab. Schließlich war er ja mal selbst stolz auf seine Söhne und hat gerade einen verloren. Er "träumt" vor sich hin... auch ein Ausweichen vor der eigentlichen Situation.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das glaube ich auch. Gut fand ich, dass Fus es als gut empfand, was er mit Eltern und Bruder erlebt hat. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass er seine politische Einstellung nochmal überdacht hat.
Welchen Gedanken ich noch hatte: Vielleicht geht er zur Fremdenlegion. Konnten sie dort nicht Strafen verkürzen? So ähnlich wie in Amerika?
Das habe ich auch so herausgelesen, er scheint, was das politische angeht, nichts im Nachhinein anders machen zu wollen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das ist vollkommen richtig. Und trotzdem ist Fus ja nicht zur Polizei gegangen und hat die Leute angezeigt, sondern hat sich einen Racheplan ausgedacht
Es wäre sicher das vernünftigste gewesen. Was hat ihn daran gehindert? Wahrscheinlich wäre er bei seinen Kumpels, die ihn zwar auch nicht gerecht haben, unten durch gewesen. Oder hat er damit gerechnet, dass die Polizei sich seiner Sache nicht ausreichend annimmt?
 
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Reaktionen: Emswashed und GAIA

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Auf eine völlig nebenbei erzählte Tatsache ist glaube ich noch niemand hier eingegangen, oder mir ist es bei der Vielzahl der Beiträge entgangen: Krystyna hat ihn zur Rache angestiftet...
Stimmt, das kann bei Fus den zusätzlichen Ausschlag gegeben haben, die Tat zu begehen. Auch ihre Vehemenz bei der Gruppe, als sie sie zum Gegenschlag überreden wollte, empfand ich sehr ausgeprägt
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mir geht bei diesem Roman oft durch den Kopf wie schnell sich das Leben ändern kann. Die Mutti stirbt, der Vater steht allein da, bemüht sich alles hinzubekommen, leidet aber unter den Umständen.
Der Sohn lernt die falschen Leute kennen und schließt sich einer Gruppierung an, die es dem Vater nicht mehr möglich macht mit ihm persönlich zu kommunizieren.
Dann die Situation mit den Flyern, ich kann teilweise nachvollziehen, dass dem Vater diese Willkürlichkeit Nahe geht. Er wünscht sich die Zeit umkehren zu können und alles ungeschehen machen zu können.
Das er im ersten Prozess so kalt wirkt, habe ich darauf geschoben, dass er sich noch nicht wirklich mit allem auseinandergesetzt hat. Er wahr wohl noch sehr betäubt von dem Ärger, das sein Sohn überhaupt zu den Rechten gegangen ist, und dann selbst fast gestorben wäre, um dann sogar aus Rache jemanden zu töten. Wirkt vielleicht wie Selbstmitleid, doch ich stelle mir das ganz schrecklich vor. Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich würde mich ernsthaft fragen, wenn eins meiner Kinder vergleichbares durchmacht, ob ich indirekt verantwortlich bin. Vielleicht hat er aus diesen Schuldgefühlen dicht gemacht, am Anfang mit der Absicht, durch das Schweigen Fus zur Vernunft zu bringen., damit er den "Fus" zurückbekommt, den er liebt.

Das Ende ist mir nahe gegangen, es wird für den Vater und Gillou nicht leicht werden, egal ob er nun Abstand möchte, oder tatsächlich ein Selbstmord dahintersteckt
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Es wäre sicher das vernünftigste gewesen. Was hat ihn daran gehindert? Wahrscheinlich wäre er bei seinen Kumpels, die ihn zwar auch nicht gerecht haben, unten durch gewesen. Oder hat er damit gerechnet, dass die Polizei sich seiner Sache nicht ausreichend annimmt?
Zumal er scheinbar mehrfach von der Polizei dazu befragt worden ist, wer es denn gewesen sei. Eine Vermutung ist, dass er es zu dem Zeitpunkt vielleicht so gesehen hat, dass man, komme was wolle, „die Bullerei“ nicht informiert. Dass einfach die Polizei gemeinsamer Feind von Rechts und Links ist. Man klärt das eben unter sich und hält die Justiz da raus. Und es kam ja dann auch zur Selbstjustiz.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich habe eben den Abschiedsbrief am Ende noch einmal durchgelesen.
Es gibt einiges darin, was für Selbstmordabsicht spricht. So vor allem, dass der Vater der Mutti auf dem Friedhof Adieu sagen soll - und die Behauptung, die ich reichlich merkwürdig fand, dass Fus "keine Zeit hat", Jacky und Jérémy zu schreiben.
Gegen eine Selbstmordabsicht spricht die Formulierung "die Reißleine ziehen", das tut man ja, um zu starten, nicht um abzuschließen - dann hätte er eher "einen Schlussstrich ziehen" geschrieben. Außerdem schreibt er "der Abstand wird uns guttun". Das passt eher zu einem Plan, wie erwähnt wurde, dass er in die Fremdenlegion gehen will o.ä. (wenn die ihn da überhaupt nehmen würden, bei seinem gesundheitlich angeschlagenen Zustand - ich finde es etwas merkwürdig, dass man darüber gar nichts mehr hört ...)
Vermutlich lässt der Autor bewusst offen, was Fus vorhat.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Es wäre sicher das vernünftigste gewesen. Was hat ihn daran gehindert? Wahrscheinlich wäre er bei seinen Kumpels, die ihn zwar auch nicht gerecht haben, unten durch gewesen. Oder hat er damit gerechnet, dass die Polizei sich seiner Sache nicht ausreichend annimmt?
Die Rechtsradikalen trauen der Polizei nicht, sie ist ja Vertreterin des Staates, den sie bekämpfen.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.885
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich habe eben den Abschiedsbrief am Ende noch einmal durchgelesen.
Es gibt einiges darin, was für Selbstmordabsicht spricht. So vor allem, dass der Vater der Mutti auf dem Friedhof Adieu sagen soll - und die Behauptung, die ich reichlich merkwürdig fand, dass Fus "keine Zeit hat", Jacky und Jérémy zu schreiben.
Gegen eine Selbstmordabsicht spricht die Formulierung "die Reißleine ziehen", das tut man ja, um zu starten, nicht um abzuschließen - dann hätte er eher "einen Schlussstrich ziehen" geschrieben. Außerdem schreibt er "der Abstand wird uns guttun". Das passt eher zu einem Plan, wie erwähnt wurde, dass er in die Fremdenlegion gehen will o.ä. (wenn die ihn da überhaupt nehmen würden, bei seinem gesundheitlich angeschlagenen Zustand - ich finde es etwas merkwürdig, dass man darüber gar nichts mehr hört ...)
Vermutlich lässt der Autor bewusst offen, was Fus vorhat.
Für mich stand es ganz außer Frage, dass er Suizid begeht. Von alleine wäre ich nicht auf eine andere Idee gekommen.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Der Zusammenhang zwischen Titel und Geschichte erschließt sich mir eigentlich noch nicht so richtig.

Mir, ehrlich gesagt, auch nicht. Klang vielleicht einfach gut?

Zum Ende hin kommt der kleine Roman mächtig ins Schlingern. Auch die Abtreibung von Krystyna: warum? Um die Tränendrüsen zu strapazieren? Damit Vater sich seinen Enkel immer wieder vorstellen kann? Gewollt wirkt das auf mich.

DAS finde ich auch zu viel. Dieses Detail hätte man sich meiner Meinung nach sparen können.

Ich empfand sein Denken und Handeln während des ersten Prozesses herzlos. Er war noch nicht einmal in der Lage, dem Gericht die schwierige Lage seines Sohnes durch die frühe Mutterlosigkeit zu schildern, was eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre. Ich habe seinen Gedanken geglaubt, weil sein Verhalten dazu passte. Er war völlig unsentimental. Hat sich einen Ersatzsohn genommen und den echten kalt gestellt, weil ihm sein Verhalten nicht passte.

Dass er zuerst nicht für ihn eintrat, schreibe ich der oft erwähnten Scham zu, ein übermächtiges Gefühl beim Vater.

Der Vater ist für mich eine ganz, ganz schwierige Figur. Er wird seiner Rolle, seiner Verantwortung größtenteils nicht gerecht. Erst vernachlässigt er die Kinder bzw. sucht keine adäquate Betreuung usw., wenn er beruflich zu tun hat. Als der eine Sohn dann politisch in die falschen Kreise gerät, schweigt er ihn nur noch an und ignoriert ihn weitestgehend. Und dann als ebendieser Sohn eine schwere Straftat begeht, unternimmt er zuerst viel zu wenig für seine Verteidigung. Es fällt mir daher schwer, Mitgefühl für ihn zu empfinden. Seine Scham ist für mich keine Entschuldigung.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
1.803
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Ich finde das letzte Drittel fast am besten, zumindest am kurzweiligsten und definitiv recht dramatisch. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Geschichte emotional etwas bei mir bewegt. Das war leider nur sehr eingeschränkt der Fall.

Ich empfinde allerdings die Protagonisten allesamt als problematisch: der Vater, der seinen Sohn wegen einer politischen Gesinnung wie eine heiße Kartoffel fallen lässt; der Bruder, der kritiklos seinen rechtsextrem gewordenen Bruder weiter anhimmelt, und der Faschist. Zum Schluss macht der Vater noch eine Veränderung durch, allerdings viel zu spät.

Das klingt nun alles negativer als ich den Roman tatsächlich finde. Aber komplett überzeugt hat mich der letzte Teil auch nicht.
 

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