Da muss ich an die türkische Community in Deutschland denken, die es den ab 2015 gekommenen Geflüchteten besonders schwer machen anzukommen und ihre eigenen Standards an diese neuen Zuwanderer anlegen.Schon faszinierend, wie schnell Menschen dich als Teil der Geschichte fühlten, französischer wurden als die Franzosen, Menschen, die immer noch voll der Frömmelei und der Traditionen ihrer alten Heimat waren, und wie sie mit derselben Inbrunst und Hartnäckigkeit all denen, die nach ihnen kamen, ein solches Recht verweigerten.
Auch ich finde, dass der Autor den Wandel des Vaters gut dargestellt hat. Als der Sohn schwer verletzt daliegt, funktioniert er erstmal nur. Möglicherweise sieht er den Überfall als “ gerechte Strafe“ an. Bei der ersten Gerichtsverhandlung steht er auch noch so unter Schock und ist noch so in seiner Wut und Enttäuschung über den Sohn gefangen. Erst später kommen die Bilder von früher und er sieht in Fus wieder den guten Jungen, der er einmal war. Deshalb ist er bereit, über das angespitzte Rohr zu schweigen. Für sich beschönigt er die Tat ja nicht, aber er versucht zu verstehen, wie aus seinem Jungen ein Mörder werden konnte. Fragt sich auch nach seinen eigenen Fehlern.Mich hat der Sinneswandel des Vaters nach dem Urteil und vor der Berufung überrascht. Aber gleichzeitig schafft es der Autor auch hier den Hintergrund des Sinneswandels vollkommen logisch herzuleiten. Durch den Schock des Vaters, sein Sohn könne im Gefängnis getötet wurden sein und die Erleichterung, dass es doch nicht so gekommen ist, wird ihm bewusst, dass er mehr an seinem abtrünnigen Sohn liegt, als er zunächst in sich selbst vermutet hat.
Es ist auch viel passiert seither. Vielleicht wurde ihm bewusst, dass mit Verschweigen und Abwarten nichts gewonnen ist.Denn zu dem sozialdemokratischen Vater, den wir zu Beginn kennengelernt haben, der lieber nichts sagt, als zu viel und das Falsche, ist hier doch ein ganz schöner Wandel drin.
Der Brief hat mich auch schockiert und ich habe mir dieselbe Frage gestellt. Ich fürchte, es ist ein endgültiger Abschied.So und nun dieser Brief. Ich muss fragen. Aber es ist ja eindeutig ein Abschiedsbrief. Ist es aber der Abschiedsbrief eines Selbstmörders? Es klingt fast so.
Es geht ihm um den Sohn und keinesfalls um die FN.Will der Vater dem Sohn wirklich nur helfen, möglichst schnell wieder ein normales Leben führen zu können, oder aber dient er jetzt auch "der Sache", sprich der Front National?
Was braucht man, wenn man ganz unten ist? Zuwendung, LiebeDer Zusammenhang zwischen Titel und Geschichte erschließt sich mir eigentlich noch nicht so richtig.
Das wiederum sehe ich überhaupt nicht so. Fus' Verletzungen waren schwer und dafür gibt es keine Entschuldigung - genausowenig wie es für Fus' Rachefeldzug eine Entschuldigung gibt. Ich finde es schon richtig, wenn der Vater in der Berufungsverhandlung klar zum Ausdruck bringen möchte, dass Fus' Tat nicht aus heiterem Himmel gekommen ist - oder andersrum gesagt: dass die andere Gruppe zur Antifa gehört und Fus zu den Nazis, führt für mich persönlich nicht dazu, dass ich solche Gewalttaten von vornherein unterschiedlich bewerte. Es ist eins wie das andere einfach eine unglaubliche Schweinerei, wenn man an die Folgen denkt.er vorab mit den Antifa-Leuten spricht und ihnen ein schlechtes Gewissen macht, um von dieser Seite eine Aussage herauszukitzeln und und und finde ich absolut krass.
Das finde ich auch. Für viele Fragen fallen mir keine Antworten ein. Vielleicht bewege ich mich auch nur in so gefestigten Kreisen, dass ich mich im Alltag wenig mit solchen Themen beschäftigen muss. Mich macht das Buch und manches im wirklichen Leben ratlos.Ein Roman, der viel Diskussionsstoff birgt.
Das glaube ich auch. Gut fand ich, dass Fus es als gut empfand, was er mit Eltern und Bruder erlebt hat. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass er seine politische Einstellung nochmal überdacht hat.Der Brief hat mich auch schockiert und ich habe mir dieselbe Frage gestellt. Ich fürchte, es ist ein endgültiger Abschied.
Genauso sehe ich das auch und kann mich des leisen Gefühls nicht erwehren, dass der Vater in einer unbewussten Ecke seines Moralgerüsts den Gedanken hegte, dass sein Sohn bekommen hat, was er verdient. Die Schwere von Fus' eigenen Verletzungen ins Feld zu führen, fällt ihm jedenfalls erst viel später ein.Also das ist ja ein Buch über das man trefflich diskutieren kann! Ich habe es gerne gelesen. Aber....
Er redet sich selbst ein, keine Bindung mehr zu empfinden, in harten, deutlichen Worten. Klar, der Vater ist politisch links, der Junge rechtsextrem. Aber ihm wurde zuvor die Gesundheit ruiniert - wegen ein paar Flyern!
Ich kann mir vorstellen, dass Fus sich selbst als Opfer sieht.Der Brief am Ende lässt Fragen offen. Er klingt für meine Ohren aber sehr selbstlos und pathetisch. Er passt nicht zu einem, der brutalst jemanden totgeschlagen hat. Allerdings ist Fus ja die gespaltenste Figur des Buches, so passt der Brief zum Familien-Fus.
Wobei es irgendwo die Stelle gibt, an der er sinngemäß sagt: „Ich hatte schon ganz vergessen, dass es hier um Mord geht.“ Also verdrängt er schon ganz schön zeitweise.Für sich beschönigt er die Tat ja nicht, aber er versucht zu verstehen, wie aus seinem Jungen ein Mörder werden konnte. Fragt sich auch nach seinen eigenen Fehlern.
Das glaube ich tatsächlich nicht. Sondern eher dient er seinem Sohn.oder aber dient er jetzt auch "der Sache", sprich der Front National?
Das ist vollkommen richtig. Und trotzdem ist Fus ja nicht zur Polizei gegangen und hat die Leute angezeigt, sondern hat sich einen Racheplan ausgedacht. Ich weiß nicht, ob der Punkt im Buch, wo gesagt wird einer der Antifas hat ausgesagt und die anderen damit schwer belastet auch dazu geführt hat, dass diese aufgrund der Körperverletzung an Fus auch noch belangt worden sind. Das würde ich rechtlich richtig finden. Mir geht es aber tatsächlich um den Vater, weil mir alle seine Aktionen für das wiederaufgerollte Verfahren so überkompensiert wirken. Er will gefühlt alles nachholen/wieder gut machen, was er in den Jahren zuvor hat schleifen lassen.Es ist eins wie das andere einfach eine unglaubliche Schweinerei, wenn man an die Folgen denkt.
Ein interessanter Gedanke, an sowas hatte ich noch gar nicht gedacht.Welchen Gedanken ich noch hatte: Vielleicht geht er zur Fremdenlegion. Konnten sie dort nicht Strafen verkürzen? So ähnlich wie in Amerika?
Dieser Bruch in der Gefühlslage des Vaters wird überhaupt nicht begründet. Es passiert nichts, was diese Änderung hervorruft.
Da muss ich widersprechen. Es ging bei der Szene nicht darum, dass die Berufung geklappt hat, sondern darum, dass der Vater zunächst der festen Überzeugung war, dass sein Sohn tot sei, nämlich im Gefängnis umgebracht. Und dann kam mit der Erleichterung, dass die Polizisten wegen der Berufung da sind auch das Erwachsen der väterlichen Gefühle. Ich vergleiche das mit einem Selbstmörder, der doch nicht erfolgreich war und im Krankenhaus aufwacht und froh ist, dass er noch lebt und ab diesem Zeitpunkt sein Leben anders gestaltet. (Das ist bei einer Vielzahl von Menschen nach Suizisversuch übrigens so. Nur die wenigsten ärgern sich, dass es nicht geklappt hat.) Die Möglichkeit, seinen Sohn für immer verloren zu haben, nämlich nicht an das Gefängnis sondern an den Tod, hat ihn zurückgeholt und seine Sichtweise auf sein Verhalten dem "gestorben geblaubten" Sohn gegenüber geändert. Er ist wie "aufgewacht". Quasi "wachgerüttelt" worden. Das war für mich schon glaubwürdig, wenn auch recht zügig erzählt, wie aber eigentlich das gesamte Buch zügig erzählt ist.Aus dem Nichts. Einfach so, weil es mit der Berufung geklappt hat.
Ich habe das so gedeutet, dass er vorhat sich umzubringen bevor er verlegt wird in ein anderes Gefängnis. Da muss er seine Möglichkeiten nutzen und hat eventuell tatsächlich keine Zeit mehr. Es gibt im Gefängnis nur kleine Zeitfenster, in denen ein Selbstmord versucht werden kann, bevor derjenige "zu früh" entdeckt und ggf. noch gerettet wird."Ich habe weder Mut noch Zeit..." - Letzteres ist gelogen.
Ich glaube dabei ging es auch darum die Sache mit dem Schicksal zu unterstreichen. Was wäre geschehen, wenn Krystyna Fus von der Schwangerschaft erzählt hätte, als sie ihn nach dem Krankenhausaufenthalt zuhause besucht hat? Vielleicht wäre er nicht den Schritt gegangen und hätte einen anderen Menschen getötet. So sentimental und kitschig habe ich das alles wirklich gar nicht gelesen. Aber so unterschiedlich lesen wir alle eben.Dann noch die Abtreibung just eine Woche nach dem Totschlag
Das bleibt offen. Und auch Fus weiß es ja nicht. Scheinbar hat Gillou dies seinem Bruder als erstes erzählt noch vor dem Vater (was zur engen Beziehung der beiden passen würde). Da Fus nur selten Besuch bekommt vom Vater, da sich alle abwechseln, kann es sein, dass er nicht weiß, ob Gillou die Nachricht schon an den Vater mitgeteilt hat.Müssen wir daraus schließen, dass der Erzähler das erst aus dem Brief erfahren hat?
Es ist aber schon reichlich merkwürdig, dass die Polizei mit Blaulicht vorfährt, um so eine Mitteilung zu machen. Bei uns in Deutschland würde die Polizei da gar nicht tätig werden, das erfährt man ganz normal aus einem Brief an den Rechtsanwalt, wenn er es nicht vorher schon per Flurfunk am Gericht erfahren hat.Da muss ich widersprechen. Es ging bei der Szene nicht darum, dass die Berufung geklappt hat, sondern darum, dass der Vater zunächst der festen Überzeugung war, dass sein Sohn tot sei, nämlich im Gefängnis umgebracht. Und dann kam mit der Erleichterung, dass die Polizisten wegen der Berufung da sind auch das Erwachsen der väterlichen Gefühle.
Aber er war doch vorher schon - über Monate - fertig mit dem Sohn... Er hat sich unväterlich verhalten. Und da bringt ein bisschen Blaulicht und ein Schreck in der Abendstunde eine solche Wende? Das glaube, wer will, auf mich wirkt das konstruiert in dem Sinne: Wie bekomme ich jetzt die gefühlsmäßige Vater-Wende hin?Und dann kam mit der Erleichterung, dass die Polizisten wegen der Berufung da sind auch das Erwachsen der väterlichen Gefühle.
Es gibt Hinweise, die für eine reine Verlegung sprechen und welche, die für einen Suizid sprechen. Für die inhaltliche Sentimentalität und Pathetik würde Letzteres sprechen. Es bleibt offen. Dennoch überzeugt mich das nicht, Ideal für unsere Diskussion allerdingsIch habe das so gedeutet, dass er vorhat sich umzubringen bevor er verlegt wird in ein anderes Gefängnis.
Ja, das könnte eine plausible Lesart sein. Ich empfand sie anders.Ich glaube dabei ging es auch darum die Sache mit dem Schicksal zu unterstreichen.