3. Leseabschnitt: Kapitel 17 - 26 (Seite 126 - 188)

Emswashed

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9. Mai 2020
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Das kurze, aber intensive Rätselraten um "Renates Kind" wird gelöst und gleichzeitig Kähtes unzuverlässsiges Gedächtnis rehabilitiert. Aber warum geht das nicht ohne Zitrone. Zitrones "Oberflächlichkeit", von Jesko abfällig als Krankenschwester mit Helfersyndrom bezeichnet, bekommt mindestens 2 Kellergeschosse Tiefgang dazu und Ansgar wird gleich mit hinabgerissen.
Und kurz vor knapp schleicht sich Jeskos Tochter als rettender Engel in die Geschichte.... was für eine Verdichtung, welch eine Spannung!

Was hält euch im Zaum?
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Der 3. LA bringt uns die Erkenntnis: Es war umsonst. die Rückenmarksspende der Mutter wird es nicht geben können. Die ganze Figurenkonstellation, die im Roman nur aus diesem Grund herbeigeführt wird, müsste es also eigentlich gar nicht geben. Die Familie hätte in ihren Einzelteilen weiterhin aneinander vorbei bzw. ohne einander leben können. Aber was hätten wir - die Leser - dann für ein Vergnügen verpasst ;).
In diese Szenerie herein platzt nun auch noch die Kleinfamilie von Jesko: Frau und Kind. Die Frau (Mara) spiet dabei so gar keine Rolle. Sie verschwindet sehr schnell wieder und ihr Verhältnis zu Jesko scheint vollkommen ausdruckslos. Die Tochter Charlotte ist ihm da schon wichtiger. Beide bleiben aber im Vergleich zu den bisher kennengelernten Familienmitgliedern eher farblos. Und zwar wohl dadurch, dass der Erzähler Jesko mit ihnen wesentlich milder und vorsichtiger umgeht und sie nicht so sehr dem Leser "vorführt". Hier sind jedenfalls nicht so viele negative Emotionen im Spiel wie gegenüber den von Solms.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Wenn man kritisch ist, werden hier allerlei Klischees bedient. Die Fabrikantenfamilie von Solms: Einer so unsympathisch, überheblich und verlogen wie der andere.
Mutter Käthe verwand die Trennung nicht und rutschte so tief, dass es tiefer nicht mehr geht. Zudem ist sie völlig durchgeknallt. Sie stammt aus dem ländlichen Raum, der Vater Bauer, der ihr die Schauspielkarriere verwehrte (sehr wahrscheinlich sowas;)).
Zitrone, die bislang Netteste im Buch, hat einen verlausten Freund und ist sexsüchtig (!).
Nun hat auch noch Ansgar, der der minderbegabte der beiden Brüder war, ein Problem mit der hemmungslosen Gewalt...
Jesko selber eine gescheiterte Existenz, der der eigenen Tochter auch kein Zuhause bieten kann, noch dazu krebskrank, fast unheilbar.
Diese Familie ist ein Zunderhaufen gebündelter Probleme aus der Klischeekiste. Auch die neue Verlobte passt wunderbar ins Bild.

Warum stört mich das alles kein bisschen???
Weil die Geschichte einfach gut und rasant erzählt wird. Dazu hat sie Tiefgang. Immer wieder kommen sehr weise und gut beobachtete Sentenzen des Ich-Erzählers, die dem Geschehen trotz allem eine ungemeine Tiefe geben.
[zitat]Das Schlimmste ist, wenn du zu Pudding wirst, wenn sie dich weglöffeln können, weil du einfach keine Kraft mehr hast. S. 147[/zitat]
[zitat]Der ganze Aufwand umsonst.Der Pudding merkte plötzlich: Er wird schon ausgekratzt. S.160[/zitat]
Manchmal kommt hinter dem ganzen Sarkasmus, hinter der Fassade aus Galgenhumor und zelebrierter Distanz der Mensch Jesko zum Vorschein, der verletzlicher ist, als er glauben machen will.

Daneben unheimlich spannend erzählte, filmreife Szenen. Wie z.B. die in der Bibliothek. Warum ist das Buch blutverschmiert? Was hat die Eidechse für eine Bedeutung? Warum ist Renate so ein großes Geheimnis, dass der Vater ausrastet und Jesko verstößt? Hat Ansgar wirklich alles gewusst?

Neugierig stürze ich mich auf den Rest.
 

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Es ist eine, trotz des schönen Scheins für Außenstehende, extrem schwierige Familienkonstellation, dennoch bringen die punktgenauen Beobachtungen, die zwar charakterisieren, aber diese tiefen Graubereiche nicht in Gut und Böse bewerten, eine gewisse Leichtigkeit in die Geschichte. Trotz allem, dies erstaunt mich immer wieder. Dazu skurrile Szenen, die sich zunächst kaum zuordnen lassen. Man bleibt neugierig im Geschehen und hofft weiter für Jesko. Warum eigentlich leugnet sein Vater dieses dritte Kind vehement?
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Käthe ist für mich immer noch eine ganz interessante Figur. Damals hat sie ihre Kinder beinahe umgebracht. Warum das so war, ein paranoider Schub oder einfach nur die letzte Gehirnzelle weggesoffen, ist letztlich auch egal.

Aber ich halte sie heute für nur halb so irre wie sie alle sagen. Sie macht alles, wenn auch übersteigert, sehr bewusst: Das Rasen-Hakenkreuz. die "Rettung" von Herrn Weber. Und auch mit Renates Kind hat sie recht. Warum ihr Ex-Mann hier so vehement leugnet. Das muss ein gewisses Syndrom mächtiger Männer sein.

Witzig finde ich, dass Chris Kraus der Leserin die Charakterisierung des Protagonisten aus der Hand nimmt. Das kann nie zur Prüfungsfrage werden, steht alles auf Seite 143. ;)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Puh, ich hoffe das Ansgar nach dem Vorfall mit Schalke mal einen Therapeuten aufgesucht hat. Wobei ich das eher bezweifle, in dieser Familie wird alles durch Geld und Einfluss gerade gebogen, aufgearbeitet wird da wenig. Frage mich langsam, ob Gebhard damals nicht doch mehr Schuld an Käthes abgleiten hat, als es bisher den Anschein hatte.
Mara steht auf einmal mit Charlotte da, dabei hatte sie es Jesko doch mitgeteilt, dass sie kommen würden. Trotz der Tatsache, das er so etwas vergessen hat, merkt man allerdings, dass ihm seine Tochter wichtig ist. Auch die Beziehung zu Mara scheint mal gut gewesen zu sein.
Nur gegen die Mäuse scheint kein Kraut gewachsen
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Irgendwie kann ich Käthe und Jesko begreifen, das sie im Arbeitszimmer des Vaters, nachdem er den Krug gesehen hat, nach der Identität von Renates Kind suchen mussten. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum dies für Jeskos Vater so schlimm war? Warum verleugnet er seinen Sohn, wenn dieser vielleicht Jeskos Leben retten kann? Das Ansgar ihn dann verprügelt und sein Vater sogar auf die beiden mit dem Gewehr losgeht, fand ich schon heftig. Ich frage mich, was für eine chaotische Familie ist das?
Ich hatte vermutet, dass er mit Charlotte nur zu einer geht, nämlich zu Zitrone. Sie scheint inzwischen schon Jeskos Sympathie bekommen zu haben.

Dass seine Mutter ihre Erinnerungen nur wieder fand, wenn Zitrone da war, habe ich irgendwie nicht verstanden. Lag es daran, dass sie vielleicht sich selbst in ihr sieht?
Ich war froh, dass Charlotte im richtigen Moment zu ihrem Vater kam, den sonst hätte er sich wirklich mit Rattengift getötet. Kein schöner Tod soll das sein, habe ich mal gelesen. Dass Charlotte ebenfalls Mäuse mitbringt, fand ich dagegen lustig. Besonders da Jesko ja gerade versucht, alle Mäuse loszuwerden.
Aus der Internatsvergangenheit bin ich nicht ganz schlau geworden, was mir der Autor da sagen wollte. Heißt das etwas, das Jesko schwul ist oder gar Ansgar? Jedenfalls waren die Jungs da nicht gerade zimperlich, aber was Ansgar da getan hat, das fand ich schon extrem.

Mir scheint, in dieser Familie gibt es keinen, der wirklich normal ist. Der geballte Haufen zusammen ist im Grunde wie eine Bombe, was wir ja im Arbeitszimmer gesehen haben. Ansgar scheint mehr nach seinem Vater und Jesko mehr nach der Mutter zu kommen. Aber nach der ganzen Reaktion des Vaters frage ich mich, warum hat er dann Jesko und seine Mutter geholt, um Jeskos Leben zu retten? Den inzwischen scheint sein Sohn ihm ja total egal zu sein, im Gegenteil, er schmeißt ihn sogar raus. Klar war es nicht ok, dass sie in seinem Zimmer heimlich gesucht haben. Doch wenn er selbst alles verleugnet, dann müssen sie das ja tun. Jesko hat ja nur noch die eine Chance, dass ihm jemand helfen kann und ich denke, seit Charlotte da ist, scheint sein Lebenswille ebenfalls wieder da zu sein.
 
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claudi-1963

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29. November 2015
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Puh, ich hoffe das Ansgar nach dem Vorfall mit Schalke mal einen Therapeuten aufgesucht hat. Wobei ich das eher bezweifle, in dieser Familie wird alles durch Geld und Einfluss gerade gebogen, aufgearbeitet wird da wenig.
Ja vor allem wie soll da ein Jugendlicher mitbekommen, das es nicht in Ordnung ist was er da getan hat. Ob er vielleicht auch Zitrone geschlagen hat?
Ich finde seine Verlobte passt gar nicht zu ihm, wenn er sie heiratet, dann hat definitiv sie die Hosen an. Ich denke das ist so eine Art Vernunftehe was da stattfindet, aus Liebe jedenfalls definitiv nicht.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Käthe ist für mich immer noch eine ganz interessante Figur. Damals hat sie ihre Kinder beinahe umgebracht. Warum das so war, ein paranoider Schub oder einfach nur die letzte Gehirnzelle weggesoffen, ist letztlich auch egal.
Ja so ganz werde ich aus Käthe auch nicht schlau, ob es der Alkohol war der sie so kaputt gemacht hat oder ob da noch mehr im Argen lag? Jedenfalls hat das Aus ihrer Ehe Käthe nicht gutgetan.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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Es ist eine, trotz des schönen Scheins für Außenstehende, extrem schwierige Familienkonstellation, dennoch bringen die punktgenauen Beobachtungen, die zwar charakterisieren, aber diese tiefen Graubereiche nicht in Gut und Böse bewerten, eine gewisse Leichtigkeit in die Geschichte.
Ja, manche Situationen sind durchaus amüsant und witzig, dann bleibt einem aber doch wieder das Lachen im Halse stecken.
Die Familienkonflikte finde ich dagegen nur noch tragisch. Am besten wäre, sich sehr sehr weit aus dem Weg zu gehen!
 

nellsche

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1. September 2018
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Renate war also ein Verhältnis von Jeskos Vater und hatte einen Sohn. Ob er noch lebt? Kennt Jesko ihn vielleicht?
Was für eine heftige Szene die Familie sich da im Arbeitszimmer leistet.... obwohl ich bei einigen Sprüchen schon etwas grinsen musste...
Ansgar hat jetzt ein ganz anderes Gesicht bekommen. Er ist extrem gewaltbereit und hat Freude daran, andere zu verletzen.
Käthe tut mir inzwischen sehr leid. Sie hätte Schauspielerin werden können, aber ihr Vater war zu engstirnig. Und dass ihr Mann sie immerzu betrogen hat, ist sie scheinbar zugrunde gegangen und hat sich dem Alkohol zugewandt.
Erschreckend fand ich, dass Jesko sich umbringen wollte und es nur nicht getan hat, weil seine Tochter und Exfrau überraschend vorbei kamen.
 
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nellsche

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1. September 2018
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Ja so ganz werde ich aus Käthe auch nicht schlau, ob es der Alkohol war der sie so kaputt gemacht hat oder ob da noch mehr im Argen lag? Jedenfalls hat das Aus ihrer Ehe Käthe nicht gutgetan.
Ich denke, sie ist psychisch kaputt gegangen, weil sie ihren Mann geliebt hat und er sie betrog. Vielleicht war sie für ein psychisches Leiden grundsätzlich anfällig.
 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
@Emswashed⠀

Mich beschleicht der Eindruck, dass hinter Käthes Wahnvorstellungen und ihren erfundenen Karrieren zum Teil mehr Wahrheit hintersteckt, als man zunächst erwarten würde. ⠀

Ich dachte ja erst, Ansgar sei vielleicht impotent und Zitrone hätte ihn daher als Heilmittel für ihre Sexsucht gesehen. Aber dann ist es wohl eher was anderes... Sadismus, als Rückbleibsel seiner prägenden Jahre, in denen er von seiner Mutter geschlagen wurde?⠀

@Anjuta⠀

Charlotte gefällt mir total gut! Sie ist wohl wirklich ganz Jeskos Tochter – wenn man diesen Eintrag im Zeugnis betrachtet, scheint sie auch ein nicht ganz einfacher Mensch zu sein, oder zumindest einer, der sich nicht einfach anpasst.⠀

@Literaturhexle⠀

Ich denke ja die ganze Zeit, da kommt noch was. Da kommt noch was, das Käthes Absturz in den Wahnsinn beschleunigt hat, das erklärt, warum sie so fixiert auf die Nazivergangenheit der Familie ist... Mal schauen!⠀

Mit Sexsucht hätte ich auch nicht gerechnet! Aber ich hab mal eine Doku über Suchtverhalten gesehen, und da wurde klar, dass Sexsucht nicht halb so harmlos (und in den Augen mancher sogar geneidenswert) ist, wie man erwarten würde. Die Betroffenen sprachen von sozialer Isolierung, um der Sucht zu entgehen, und selbstverletzendem Verhalten.⠀

Ja, die Geschichte funktioniert immer wieder "obwohl". Obwohl dies, obwohl das, bei einem weniger begabten Autor wäre das eine Katastrophe!⠀

Jesko ist eine meinen Augen eine zutiefst verletzte Seele. Er ist mitten im Fall und hat niemanden, der ihn auffängt.⠀

Ich will auch wissen, was mit diesem Buch passiert ist!⠀

@Circlestones Books Blog⠀

Ich frage mich auch, was hinter dem dritten Kind steckt. Angesichts der Nazivergangenheit der Familie besteht natürlich die Möglichkeit, dass dieses Kind nicht in den blütenweißen Familienstammbaum passt. Dieser Sohn könnte eine Behinderung haben, vielleicht ist Renate Jüdin, irgendein "Mangel" in des Vaters Augen.⠀

@ulrikerabe⠀

Ich denke, sie hat paranoide Schübe und Wahnvorstellungen, aber auch klare Momente. Dahinter könnte eine Menge stecken, Schizophrenie würde zum Beispiel gut passen: die gestörte Ich-Wahrnehmung, die Käthe zeigt (sie erkennt ihre Handlungen zum Teil nicht als die ihrigen), Paranoia, Wahnvorstellungen, Stimmungsschwankungen, zum Teil "Affektverflachung", wenn ihr Gesicht ganz leer und gleichgültig wird, wirres Denken und und und.⠀

@Sassenach123⠀

Ich denke, in dieser Familie war noch keiner bei Therapeuten, obwohl sie es alle brauchen könnten... ⠀

@claudi-1963⠀

Ich denke, da kommt noch irgendwas, warum Renates Kind für die "Familienehre" nicht tragba war. Ich hoffe jedenfalls, dass das noch näher erläutert wird!⠀

Zitrone tut Jesko gut, ich hoffe, sie können sich vielleicht gegenseitig unterstützden.⠀

Ich habe den Rückblick so verstanden, dass Jeskos Vorhaut verwachsen war, so dass er sie beim Waschen nicht zurückstreifen konnte, was Ansgar dann aufgefallen ist und die folgende Operation verursacht hat. Ich denke nicht, dass Ansgar sexuelle Neigungen gegenüber Jesko hatte, aber vielleicht irre ich mich da!⠀

@nellsche⠀

Ansgar ist das Produkt seiner Kindheit... Er hat Gewalt als Opfer erlebt und den Spieß umgedreht, um seiner Machtlosigkeit zu entkommen, vermute ich. ⠀