3. Leseabschnitt: Kapitel 14 bis Ende (S. 203 bis Ende)

KrimiElse

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Mit Sicherheit ist er das: er hatte den Bruder ja sogar noch übermütig gekitzelt
Umgekehrt habe ich es verstanden...Jojo hat Michel unter die Achseln gefasst und gekitzelt, und Jojo fuhr.
Aber du hast recht, Michel ist schuld, er hat die Kontrolle über das Moped verloren.
Was mich nur verwirrte, irgendwo am Anfang glaube ich gelesen zu haben, dass Jojo auf dem Gepäckträger schlief? Und in Michels Erinnerung er aber gelacht und ihn gekitzelt. Aber vielleicht deutet das Schlafen auch auf den Unfall hin, den er verdrängt hatte.
 
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Literaturhexle

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Umgekehrt habe ich es verstanden...Jojo hat Michel unter die Achseln gefasst und gekitzelt, und Jojo fuhr.
Genau. Ich hatte ein " nicht" überlesen. Also ich bin der Meinung, dass Jojo die Schuld am Unfall trägt (zumindest die menschliche), zumal er den Bruder abgelenkt hat.
Und in Michels Erinnerung er aber gelacht und ihn gekitzelt.
Das hat bestimmt mit der Unzuverlässigkeit von Erinnerung zu tun. Außerdem strickt sich Michel ja manches zurecht, 100 %ig vertrauen kann man seinen Aussagen auch nicht.
 

Literaturhexle

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Wenn man an den Anfang der Geschichte denkt: wie vertraut die Geschwister miteinander waren. Michel hat sogar regelmäßig bei seinem Bruder und dessen Frau übernachtet...
Es lagen 14 Jahre zwischen den beiden. Im Grunde war es daher fast ein Vater-Sohn-Verhältnis, wodurch Jojo auch zum Helden für den Jüngeren mutierte.

Tragisch, dass die Eltern, obwohl sie von der großen Geschwisterliebe wussten, dem Jüngeren solch massive Vorwürfe nach dem Unfall machten. Das kann man kaum fassen! Sie brauchten einen Schuldigen: die Eltern greifen sich Michel, Michel den zuständigen Mann für Sicherheit auf der Zeche, Dravelle.
 

KrimiElse

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Wenn man an den Anfang der Geschichte denkt: wie vertraut die Geschwister miteinander waren. Michel hat sogar regelmäßig bei seinem Bruder und dessen Frau übernachtet...
Es lagen 14 Jahre zwischen den beiden. Im Grunde war es daher fast ein Vater-Sohn-Verhältnis, wodurch Jojo auch zum Helden für den Jüngeren mutierte.

Tragisch, dass die Eltern, obwohl sie von der großen Geschwisterliebe wussten, dem Jüngeren solch massive Vorwürfe nach dem Unfall machten. Das kann man kaum fassen! Sie brauchten einen Schuldigen: die Eltern greifen sich Michel, Michel den zuständigen Mann für Sicherheit auf der Zeche, Dravelle.
Richtig, wobei für mich im Buch gar nicht so recht greifbar gewesen ist, warum die Eltern sich letztlich so krass von Michel abwenden. Enttäuschung - Ja. Abe4 es gab für mich im Vorfeld nicht wirklich Anzeichen dafür. Verloren hatte de4 Vater beide schon, an die Zeche, als Jojo auszog und sein kleiner Bruder, der ihn wie du geschrieben hast, immer bewunderte, auch zur Zeche wollte. Habe ich da Zeichen überlesen, was den Vater anging? Oder ist es einfach nicht so wichtig...
 

Literaturhexle

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Habe ich da Zeichen überlesen, was den Vater anging? Oder ist es einfach nicht so wichtig...
Wenn, dann hätten wir beide was überlesen. Das Elternhaus war soweit ganz normal. Der Vater hatte sich ja auch schweren Herzens damit abgefunden, dass keiner die Landwirtschaft übernehmen wollte. Das spricht ja für.ihn.
Das Buch handelt ja von Michel und Jojo. Die Eltern sind - abgesehen von dem schlimmen Brief - nur Statisten.
 

Leseglück

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Habe ich da Zeichen überlesen, was den Vater anging? Oder ist es einfach nicht so wichtig...
Der Vater hat Michel die Schuld am Tod von Jojo gegeben. Das hat Michels Schuldgefühle, die auch so schon da waren, noch verstärkt. So "musste" er sie verdrängen. Insofern spielt es eine Rolle für die Dynamik des Romans glaube ich....aber richtig zentral scheint die Frage, wer nun Schuld am Unfall hat, in diesem Roman nicht zu sein, das sehe ich auch so wie @Literaturhexle
(Da hätte man sogar eine eigene Geschichte daraus machen können. Wie der erwachsene Michel sich von der Schuld ein Stück lösen kann, indem er auch die Schuld bei seinem erwachsenen Bruder sieht...Aber das ist hier wohl nicht das Thema.)
 

KrimiElse

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Der Vater hat Michel die Schuld am Tod von Jojo gegeben. Das hat Michels Schuldgefühle, die auch so schon da waren, noch verstärkt. So "musste" er sie verdrängen. Insofern spielt es eine Rolle für die Dynamik des Romans glaube ich....
Das meinte ich gar nicht, den Zettel als eindeutige Schuldzuweisung bei dem Selbstmord des Vaters, sondern andere Anzeichen, eventuell auch vorher, die es aber offenbar nicht gab.
..und ja, du hast recht, es gibt so vieles, das mit der Geschichte zwar verwoben, aber nicht näher beleuchtet und verfolgt wird.
 

Leseglück

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Richtig, wobei für mich im Buch gar nicht so recht greifbar gewesen ist, warum die Eltern sich letztlich so krass von Michel abwenden.
Noch eine Bemerkung dazu: Also warum sich die Eltern von Michel abgewendet hatte, da denke ich dass sie einen Sündenbock suchten für ihr Unglück wie @Literaturhexle schreibt.
Ob es außer dem Abschiedsbrief für die Schuldzuweisung einen Hinweis gab im Buch? Da denke ich an den Abschnitt, der im Buch wortwörtlich zwei mal vor kommt. Ein mal auf S. 68 :"Sein Körper war …" bis "Sie warfen mir vor, dass ich lebte." und ein mal auf S. 235.
Dort steht u.a.: Alle schauten....Als ob sie mich alle für schuldig hielten. Bestimmt waren sie mir böse...
Man liest den Abschnitt beim zweiten mal ganz anders. Beim ersten Mal glaubt man, dass sich Michel nur einbildet, dass die anderen ihm Schuld am Tod des Bruders geben...beim zweiten mal weiß man, dass seine Wahrnehmung ihn nicht getäuscht hatte.
 

Literaturhexle

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Da denke ich an den Abschnitt, der im Buch wortwörtlich zwei mal vor kommt. Ein mal auf S. 68 :"Sein Körper war …" bis "Sie warfen mir vor, dass ich lebte." und ein mal auf S. 235.
Das ist ja eine von den identischen Stellen, die jemand schon einmal bemerkt hatte!
Es stimmt, mit dem Wissen, dass Michel das Moped (zumindest offiziell) fuhr, lesen sich die Stellen völlig anders. Und auch den letzten Satz auf S. 69 "Zeuge nie ein Kind Michel. Bitte! Das tut einfach zu weh.", kann man jetzt ganz anders deuten: nämlich im Sinne des Vater-Briefes...

Im ersten Drittel des Buches hatte ich schon den Eindruck, dass Jojo der Kronsohn war. Der Ältere, der das Erbe vom Vater übernehmen soll. Mit ihm würde auch diskutiert. Der Nachzügler war für.die Eltern nicht so wichtig. Vielleicht hängte er sich auch deshalb an den Bruder. "Ein eigenes Zimmer" für den Bruder - bei einem jungen Ehepaar ist schon ungewöhnlich .
 
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Ja, jetzt ergibt alles ein stimmiges Bild.

Der 16-jährige Michel und der 30-jährige Joseph Flavent fahren zusammen am 26.12.74 Moped, am Tag davor. Am Tag vor dem Grubenunglück in Liévin. Sie haben beide getrunken und der 16-jährige Michel fährt, sie albern herum, kommen auf eine vereiste Strecke und haben einen Unfall. An dessen Folgen der 30-jährige Joseph am 22.01.75 sterben wird.

Der 16-jährige Michel muss jetzt mit dieser Schuld leben, die ihm leider auch seine Eltern suggerieren, die er ja auch hat. Aber er war 16 Jahre alt und damit sicher nicht vollkommen schuldfähig. Und dies wird auch von den Eltern vergessen. Die Mutter raunt ihm zu besser keine Kinder zu bekommen und der Vater bringt sich ein Jahr später um, mit dem Hinweis, dass der eine Sohn den anderen umgebracht hat und er damit nicht leben kann.

Somit muss der 16-jährige nicht nur mit dem Verlust des geliebten Bruders klarkommen, mit der eigenen Schuld daran, sondern auch noch mit veränderten Gefühlen in der eigenen Familie, ein Jahr später sogar noch mit dem Verlust des eigenen Vaters, der sich auch wegen des Handelns von Michel umbringt, und darüber vergisst, dass er noch einen Sohn hat.

Ganz schön viel für einen 16/17jährigen!

Weswegen eine Veränderung in der Wahrnehmung des jungen Menschen passiert. Diese veränderte Wahrnehmung lässt ihn nicht verzweifeln und weitermachen/weiterleben. Aber er vergisst nicht. Und als es für ihn Niemanden mehr auf der Erde gibt/er keinen Halt mehr hat, sucht er seine Verurteilung für seine Schuld.
 
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Ich gebe Dir da vollkommen Recht. Es fällt schwer, hier Recht und Unrecht für sich zu definieren. In der Gerichtsverhandlung hat jede der Seiten ihre guten Argumente und man ist als Leser hin und her gerissen. Wie oft im richtigen Leben und immer wieder ein Grund, warum ich froh bin, keine Juristin zu sein, sondern Geisteswissenschaftlerin.;)

Es gibt halt im Leben so wenig Schwarz und Weiß. Und Grau zu beurteilen/verurteilen finde ich sehr schwierig!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Die Reaktion des Steigers auf den Mordanschlag auf ihn muss man ja schon fast übermenschlich nennen. Es stellt sich heraus, dass auch er ein Leben lang unter der Schuld an dem Tod seiner Jungs gelitten hat und innerlich sogar gehofft hat, gerichtet zu werden.
Er kann auch den Druck, der von oben nach unten weitergegeben wurde klar erkennen. Er rechtfertigt sich nicht damit, dass er Befehle von oben befolgt hat, sondern nimmt seinen Schuldanteil auf sich.
Hier glaube ich auch den Autor zu hören: er will den sozialen Druck darstellen, unter dem alle Bergwergarbeiter auf allen Hierarchiestufen standen.

Berührt hat mich, dass Michel den Steiger um Verzeihung gebeten hat und dass dieser die Entschuldigung auch tatsächlich angenommen hat.

Beides hat mir auch sehr gut gefallen und mich tief berührt, ich dachte auch die ganze Zeit Joseph hat Dravelle geschätzt, sollte er so danebengelegen haben. Aber nein, hatte er nicht und das freut mich sehr.