3. Leseabschnitt: Kapitel 12 bis Kapitel 19 (S. 135 bis S. 215)

parden

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13. April 2014
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Joseph Schmidt geht es richtig schlecht. Antisemitismus gibt es eindeutig auch in der Schweiz - der Chefarzt im Züricher Hospital mag hier als Beispiel genügen. Verweigert die lebensnotwendige Untersuchung, glaubt eher an Simulantentum denn an eine Krankheit. Da hat er seinen hippokratischen Eid wohl hintenan gestellt. Unglaublich. Schmidt weiß selbst, wie es um ihn steht, ihm kommen immer dunklere Gedanken. Der Brief der Mutter war ihm nur kurz ein Trost...

Die Besuche von Selma wirken auf mich so pflichtschuldig, ohne erkennbares Gefühl - auch wenn sie sich jeden Tag für die Besuche bei Schmidt schminkt. Berührend fand ich den Besuch der beiden Sänger - als sie noch einmal zurückkamen, um ihrem Kollegen ein aufmunterndes Ständchen zu bringen. Zum Nachdenken brachte mich das Zitat von Professor Barth:

[zitat]Die Flüchtlinge tun uns die Ehre an, in unserem Land einen letzten Ort des Rechts und des Erbarmens zu sehen... (S. 194)[/zitat]

Tatsächlich hat Schmidt viele Fürsprecher, von denen er selbst aber nichts weiß. Und die, die über sein Schicksal entscheiden dürfen, gehören offensichtlich nicht dazu. Vermutlich ist dies sein Todesurteil...
 

KrimiElse

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Es hat mich gepackt, und ich konnte heute morgen den dritten Abschnitt zuende lesen...

Schmidt findet Hilfe und Ablehnung. Hilfe von anderen Häftlingen, insbesondere von einem Komparsen aus einem seine Filme, und vom Sanitäter Storch. Beide setzen sich trotz der vielen Vorbehalte der Lagerleitung und des antisemitischen Korporal Röthermund bewundernswert für ihn ein.

Die schlimmste Abfuhr bekommt er vom Professor des Züricher Spitals, der ihn zurück ins Internierungslager schicken möchte, ihn als Simulant abstempelt. Wie verantwortungslos!
Schuld ist so persönlich und damit eindringlich beschrieben in diesem Abschnitt. Im Zwischenstück um den Mitarbeiter der Eidgenössischen Fremdenpolizei verweigert eben der Mann, der zuvor für Prüfung jedes Einzelfalles gemahnt hatte, genau dies, als er darum von einem Pastor gebeten wird. Er wendet sich ab, beruft sich auf seine Juristenpflicht, trägt dem Fall Joseph Schmidt nich5 einmal dem Leiter seiner Behörde Dr. R. vor.

Ein Lichtblick für Schmidt ist der Brief von seiner geliebten Mutter, allerdings kann man ihren Beteuerungen, es gehe ihr gut, wohl keinen Glauben schenken. Schmidt versinkt in angenehme Erinnerungen an seine Familie...

Selma ist mir ein kleines Rätsel. Tut sie einfach kalt ihre Pflicht gegenüber Schmidt, mag sie ihn oder möchte sie ihm zeigen, dass sie, die er zurück gelassen hatte, jetzt besser dran ist als er, der berühmte Sänger, der sich ursprünglich an der Grenze mehr Chancen ohne sie erhoffte?
 

KrimiElse

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Tatsächlich hat Schmidt viele Fürsprecher, von denen er selbst aber nichts weiß. Und die, die über sein Schicksal entscheiden dürfen, gehören offensichtlich nicht dazu. Vermutlich ist dies sein Todesurteil...
Da bin ich ganz bei dir. Viele versuchen ihm zu helfen, aber die die es könnten, verweigern ihm die eingeforderte oder erbetene Hilfe.
 
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Renie

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Es hat mich gepackt
Mich noch nicht. Und ich befürchte, dass ich mit diesem Roman auch nicht richtig warm werde, was an dem Charakter Joseph Schmidt liegt. Obwohl ich ja die These vertrete, dass man mit einem Charakter nicht sympathisieren muss, stelle ich bei diesem Roman bei mir fest, dass mich die Aversion gegen diesen schwächlichen Menschen beim Lesen beeinträchtigt. :confused:Stimme ist halt nicht alles.
 
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Berührend fand ich den Besuch der beiden Sänger - als sie noch einmal zurückkamen, um ihrem Kollegen ein aufmunterndes Ständchen zu bringen.

Das war wirklich eine wunderschöne Szene, ein Symbol der Menschlichkeit inmitten der Ablehnung, die Schmidt erfährt.

Im Zwischenstück um den Mitarbeiter der Eidgenössischen Fremdenpolizei verweigert eben der Mann, der zuvor für Prüfung jedes Einzelfalles gemahnt hatte, genau dies, als er darum von einem Pastor gebeten wird. Er wendet sich ab, beruft sich auf seine Juristenpflicht, trägt dem Fall Joseph Schmidt nich5 einmal dem Leiter seiner Behörde Dr. R. vor.

Das hat mich wirklich gewundert, da er sich so viele Gedanken über die inhumanen Gesetze gemacht hat und sich jetzt bewusst entscheidet, Schmidt nicht zu helfen, obwohl sogar seine Frau von ihm begeistert ist. So scheint es, dass Schmidt keine Chance haben wird...
 
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KrimiElse

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Mich noch nicht. Und ich befürchte, dass ich mit diesem Roman auch nicht richtig warm werde, was an dem Charakter Joseph Schmidt liegt. Obwohl ich ja die These vertrete, dass man mit einem Charakter nicht sympathisieren muss, stelle ich bei diesem Roman bei mir fest, dass mich die Aversion gegen diesen schwächlichen Menschen beim Lesen beeinträchtigt. :confused:Stimme ist halt nicht alles.
Ich meine gepackt im Sinne von Spannung, und ich möchte wissen, wie die Geschichte ausgeht. Weniger als so richtig grandioses Buch.
 

kingofmusic

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Ich meine gepackt im Sinne von Spannung, und ich möchte wissen, wie die Geschichte ausgeht. Weniger als so richtig grandioses Buch.
Als "grandios" würde ich den Roman jetzt auch nicht bezeichnen. Aber er hat mir einen mir bis dato unbekannten Sänger "näher" gebracht, so dass ich großes Interesse daran habe, seine Biografie zu lesen.
 

Literaturhexle

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Im zweiten Abschnitt war ich schon mal mehr infiziert von diesem Buch. Im dritten Abschnitt haben mich die Innensichten des Protagonisten mitunter gelangweilt, es war mir zuviel, auch zuviel Wiederholung.
Mal zieht ihn Selma an, mal "ist sie nicht attraktiv genug" (wie oberflächlich ist das?), mal empfindet er nichts ...
Desgleichen gilt für seine Liebe zum Applaus, er mochte es, im Mittelpunkt zu stehen und bewundert zu werden. Das habe ich jetzt auch oft genug gelesen.

Unsympathisch ist er mir nach wie vor nicht. Seine oberflächliche Einstellung Frauen gegenüber, dass er sie regelrecht "konsumiert" hat und sich nie fest binden wollte (Ausnahme Mary), verzeihe Ich, weil er einigermaßen selbstkritisch darüber reflektiert.

Er ist mit der Musik liiert. Vielleicht ist er auch eine Art Genie, denn eine richtige musikalische Ausbildung hat er nicht genossen. Er hat sich von Onkel Leo komplett lenken lassen. Sind nicht viele Genies naiv, schwach und lebensuntauglich? Man denke an Mozart, an Schubert, an Kafka, an van Gogh,...
Die Schwäche an sich nehme ich nicht krumm, er bleibt ja dankbar und freundlich in seiner Not.

Das politische Drama habt ihr schon umfassend herausgearbeitet. Diese Einschübe gefallen mir nach wie vor. Es ist tragisch, mit welcher Distanz der Professor die Untersuchung vornimmt.
Schmidt scheint sich selbst des Ernstes seiner Lage bewusst zu werden, empfindet die Gewissheit, unheilbar krank zu sein.

Sehr rührend fand ich den Brief der Mutter, aus dem der Sänger herausliest, dass sie ihn nur beruhigen will über ihre Situation. Wie schlimm waren diese Zeiten, in denen man keinen Bescheid über die liebsten Menschen bekam !?
 

Literaturhexle

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Selma ist mir ein kleines Rätsel. Tut sie einfach kalt ihre Pflicht gegenüber Schmidt, mag sie ihn oder möchte sie ihm zeigen,
Ich sehe sie als treue Freundin und erkenne keine Hinweise, dass sie noch was von ihm will. Die Tatsache, dass er sie damals zurückgelassen hat, scheint sie nicht übel zu nehmen. Sie tauchte ganz selbstverständlich wieder auf und half ihm. Vielleicht ist er auch für sie ein Idol?
Aus meiner Sicht ist nur Schmidt es, der immer wieder über eine leidenschaftlichere Beziehung nachdenkt.
Und ich befürchte, dass ich mit diesem Roman auch nicht richtig warm werde,
So richtig warm werde ich auch nicht, aber es liest sich recht flüssig und ich möchte nun erfahren, wie die Sache im Detail (dass er stirbt, weiß ich schon) ausgeht.
 

KrimiElse

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Ich sehe sie als treue Freundin und erkenne keine Hinweise, dass sie noch was von ihm will. Die Tatsache, dass er sie damals zurückgelassen hat, scheint sie nicht übel zu nehmen. Sie tauchte ganz selbstverständlich wieder auf und half ihm. Vielleicht ist er auch für sie ein Idol?
Aus meiner Sicht ist nur Schmidt es, der immer wieder über eine leidenschaftlichere Beziehung nachdenkt.
Du hast das besser im Blick als ich, deine Interpretation erscheint logisch.
 

ulrikerabe

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Joseph Schmidt geht es richtig schlecht. Antisemitismus gibt es eindeutig auch in der Schweiz - der Chefarzt im Züricher Hospital mag hier als Beispiel genügen. Verweigert die lebensnotwendige Untersuchung, glaubt eher an Simulantentum denn an eine Krankheit. Da hat er seinen hippokratischen Eid wohl hintenan gestellt. Unglaublich. .

Genau das dachte ich mir auch, als der Azt schlicht keine Untersuchung vorgenommen hat. In der tat unglaublich.
 
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ulrikerabe

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14. August 2017
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Mich noch nicht. Und ich befürchte, dass ich mit diesem Roman auch nicht richtig warm werde, was an dem Charakter Joseph Schmidt liegt. Obwohl ich ja die These vertrete, dass man mit einem Charakter nicht sympathisieren muss, stelle ich bei diesem Roman bei mir fest, dass mich die Aversion gegen diesen schwächlichen Menschen beim Lesen beeinträchtigt. :confused:Stimme ist halt nicht alles.
Mir geht es hier sehr ähnlich. Eigentlich lese ich nur aus Pflichtgefühl der Leserunde gegenüber weiter. Der Mensch Schmidt hat naürlich mein Mitgefühl. Niemand verdient es so leben zu müssen. Nicht Schmidt, nicht Sperber, nicht Strassmann, nicht Hinz und Kunz. Und trotzdem erweckt der Roman keine großen Emotionen in mir.

A propos Strassmann: Ich habe nachgelesen, es gibt eine Verfilmug aus dem Jahr 1958 unter dem Titel Ein Lied geht um die Welt, die Schmidts Lebensgeschichte zeichnet und Strassmann spielt sich selbst. Das Drehbuch stammt dazu von Ernst Neubach, das war derjeneige, den Schmidt aus der ersten Zugskalsse loswerden wollte.

Irgendwie interessieren mich die sekundären Informationen zu Schmidt mehr als dieses Buch.

Ich kann ja auch verstehen, dass Schmidt so desperat ist. Ohne seiner Stimme ist er nichts, ein Niemand.
 
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ulrikerabe

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14. August 2017
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Das war wirklich eine wunderschöne Szene, ein Symbol der Menschlichkeit inmitten der Ablehnung, die Schmidt erfährt.



Das hat mich wirklich gewundert, da er sich so viele Gedanken über die inhumanen Gesetze gemacht hat und sich jetzt bewusst entscheidet, Schmidt nicht zu helfen, obwohl sogar seine Frau von ihm begeistert ist. So scheint es, dass Schmidt keine Chance haben wird...
Stellt er sich nicht die Frage, warum gerade diesen einen Meinschen retten, nur weil er berühmt ist.
Ich stelle mir die Frage, wenigstens einen Menschen retten als gar keinen?

Was ich auch so bizarr finde, ist dass es ja offensichtlich schweizerische Juden gabe, die ihr Leben normal geführt haben, Sänger, Ärzte, Zigarrenerzeuger... und die Flüchtlinge wertet man ab.
Die einfache Bevölkerung dürfte es ja weniger Ressentiments gehabt haben, wie man bei den Leuten aus dem Dorf sieht.

Ich glaube, ich muss Melnitz wieder hervorkramen, das hat mich vor Jahren sehr beeindruckt. Da geht es um Juden in der Schweiz.
Buchinformationen und Rezensionen zu Melnitz: Roman von Charles Lewinsky
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