3. Leseabschnitt: Kapitel 11 bis 16 (Seite 134 bis 197)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
In diesem Abschnitt weckt die Autorin die schlimmsten Befürchtungen bei mir. Bedrohliches liegt in der Luft. Im Atelier handhabt man mit pflanzlichen Giften.

Während Eve nun zu Fuß weiter durch London streift und uns dabei Einblicke in die Atmosphäre der Stadt gibt, breitet sich Luka im Atelier aus. Eve - Liebe macht blind - will oder kann nicht sehen, wie Luka die anderen Mitarbeiter moppt und allmählich vergrault. Er zieht alle Arbeiten an sich und ist unentbehrlich. Eve ist abhängig von ihm.

Schließlich hintergeht Luka Eve sogar und greift aktiv in das Kunsthandwerk als Akteur ein. Er will mit ihr zusammen das Kunstwerk erschaffen. Aber Luka ist bloss ein Kopist. Er hat keine eigenen Ideen. Wird er Eves letztes Kunstwerk stehlen?

In der Retrospektive steht wiederum Wanda Wilson im Zentrum von Eves Leben. Eve hat Wanda übel mitgespielt. Eigentlich ist sie die Eifersüchtige.


Die skeptischen Einwände zur Konzeptkunst teile ich durchaus, sie sind Teil des Reizes, den das Buch der Leserschaft gibt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Eve - Liebe macht blind - will oder kann nicht sehen
Verliebtheit macht blind. Eve, die sonst gnadenlos jede Schwäche bei ihren Mitmenschen entdeckt, ist hier so blauäugig. Sie ist trotz ihrer Abgebrühtheit noch verletzlich.
Dass sie so zynisch über andere herzieht, hat meiner Ansicht nach mit ihren Erfahrungen zu tun. Sie kam ja selbst als unbedarftes ,schüchternes Mädchen in die Szene rein. Die wilden Jahre beschreibt die Autorin sehr gut. Auch dass die Revolutionäre von damals heute in gutverdienenden Chefsessel sitzen. Wegen solchen Randbemerkungen gefällt mir das Buch nach wie vor sehr gut.
Ich bin gespannt, welche Mission Luka umtreibt. Was hat er vor? Dass er so verrückt nach Eve ist, kann ich nicht glauben.
Schließlich hintergeht Luka Eve sogar und greift aktiv in das Kunsthandwerk als Akteur ein. Er will mit ihr zusammen das Kunstwerk erschaffen. Aber Luka ist bloss ein Kopist. Er hat keine eigenen Ideen. Wird er Eves letztes Kunstwerk stehlen?
Außerdem ist er eifrig am Filmen. Er wird auf jeden Fall seine Rolle am Werk größer machen als sie ist. Eve ist für ihn das Sprungbrett als Künstler.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Am Anfang habe ich die Frage gestellt: Was will Luka von Eve? 30 Jahre sind kein Pappenstiel, die kann man nicht unter den Tisch fallen lassen. Eve bekommt einen jungen Körper und Luka....?
Nun wird es allmählich klarer. Er hat mit einer Karriere in der Kunstbranche eben doch nicht abgeschlossen. Er gibt Eve Sex und Leidenschaft zurück, die ihr sehr wichtig sind. Als Gegenleistung will er.... ja was? Wird er sich ihr Werk aneignen oder sie mit Hilfe des Videos bloßstellen? Er hat alle Zeugen vergrault. Eve hat jahrelange Loyalitäten sauen lassen, ihrem Lover bedingungslos geglaubt. Also spätestens beim dritten Fall hätte sie mal ins Nachdenken kommen müssen. Was weiß sie schon über Luka?

Mich hat seine direkte Fragerei über Wanda irritiert. Eve hat ihr ja wirklich übel mitgespielt. Aus reiner Selbstsucht spannte sie ihr den Freund aus, ohne Skrupel und öffentlich! Wanda hatte in Folge einen sechsmonatigen Zusammenbruch (!). Auch in der Rückschau fühlt sich Eve im Recht, hat keine Gewissensbisse der ehemaligen Freundin gegenüber. Altersmilde ist ihr fremd.
Ist Luka vielleicht Wandas verlängerter Arm, eine späte Rache? Schließlich weiß Wanda, wie Eve tickt. Kennt deren Horror vor dem Alter, ihre Oberflächlichkeit, Eitelkeit, Sexsucht und so weiter. Luka spielt ja genau die Saiten, die Eve zum Schwingen bringen. Er schmeichelt ihr, lobt sie, steht im Bett zu Diensten. (Ob er was einwirft? Denn als er den von den Kollegen Gemobten gegeben hat, war es ja nix mehr mit der Potenz...:p)

Für Eve ist Luka eine starke Energiequelle, die sie blind für alles andere macht. Luka drängt sich in ihre Arbeit, ihr Heiligtum.
In Gedanken spricht sie von "dem Jungen". Das zeigt ebenfalls, dass sie ihn unterschätzt. "Nutze den Jungen." Wenn sich das mal nicht genau umkehrt und sie zum zweiten Mal von einem Mann richtig ausgenutzt wird.

Eve gibt selbst preis, dass sie keine Menschenkenntnis besitzt. Pflanzen waren schon immer die bessere Wahl für sie (S. 171). Lukas Manöver wirken unglaublich durchsichtig. Aber Eves Verstand ist vor lauter Leidenschaft im Keller, außerdem ist sie fest auf ihre Arbeit fixiert. Für Zwischenmenschliches hat sie generell nicht viel übrig. Ihre lebenslange Angewohnheit, vorsichtig zu sein, hätte sie mal beibehalten sollen...

Nancy war ungewollt. Das dachte ich mir schon.
Sie beklagt sich über Kristofs mangelndes Interesse an ihrer Kunst, ist aber iimmerhin so ehrlich, einzugestehen, dass sie sich für sein Schaffen auch nicht interessiert.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Am Anfang habe ich die Frage gestellt: Was will Luka von Eve? 30 Jahre sind kein Pappenstiel, die kann man nicht unter den Tisch fallen lassen. Eve bekommt einen jungen Körper und Luka....?
Das ist völlig stimmig. Allerdings ... haben alte Künstler doch auch ihre jungen Frauenkörper, Eve war selbst einer davon. Beiruhm hat man davon. Es ist so ne Groupiesache. Allerdings ... in diesem Buch wohl nicht.

What? What is that? RAIN. Aber das Regenradar hat nix davon angezeigt. Doofes Regenradar.
 
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Literaturhexle

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Eve, die sonst gnadenlos jede Schwäche bei ihren Mitmenschen entdeckt, ist hier so blauäugig
Tut sie das wirklich? Ich habe eher den Eindruck, dass sie jedem Künstler, der erfolgreicher als sie ist, seinen Erfolg neidet- auf eine niederträchtige, böse Art in Wandas Fall.
Sie hat ein schlechtes Verhältnis zur eigenen Mutter, macht bei Nancy gravierende Fehler, die sie sich nicht eingesteht. Es sind immer die anderen, die schuldig sind. Auch Mara hat sie "den perfekten Sohn" nicht gegönnt.
Eve redet aus meiner Sicht Schwächen herbei, macht sich die Rede Recht, nur um selbst keine Fehler eingestehen zu müssen. Sie gibt selbst zu, keine Menschenkenntnis zu haben. Auf Florian Kris war sie auch reingefallen.
Dass sie so zynisch über andere herzieht, hat meiner Ansicht nach mit ihren Erfahrungen zu tun. Sie
Sie tut es nicht nur im Kopf. Wanda hat sie ganz übel mitgespielt. Und ob sie im Fall von Maras Sohn nicht auch die Fäden gesponnen hat, erfahren wir vielleicht noch. Ich traue Eve nicht, sie erzählt uns nur, was in ihr Weltbild passt, was sie erzählen will. Aber das Buch ist hervorragend!

Außerdem ist er eifrig am Filmen.
Gefährlich, ja!
Das Bild ist schräg, ich merk es gerade. Aber Du hast mich verstanden. ( Die Nacht war kurz, ich bin noch müde.)
Das Bild ist glockenklar. Ich hätte es überlesen. Warum viele Worte machen, wenn man auch so verstanden wird;)
 

Wandablue

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18. September 2019
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Gut verdienende Chefsessel ist lustig. Ich würde es sammeln, unsere besten Verschreiber ...
Im übertragenen Sinne könnte es sogar Kunst sein.
 
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Literaturhexle

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Nebenbei bekommen wir noch eine Führung durch "The streets of London". Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese gut gelungen ist. Wenn man wie Anjuta die Stadt auch abseitig der Tourismusmeile kennt, hat das bstimmt einen weiteren Reiz. Diese Verknüpfung der Ebenen ist gelungen, obwohl man innerhalb der kurzen Fahrzeit wohl kaum soviel denken und reflektieren kann;)
 

Wandablue

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Das Buch hat so viele Facetten: Alt jung. Kunstbessessenheit, was macht einen Künstler aus. Offene Ehe. Leidenschaft. Arbeit und Struktur. Der Kunstbetrieb wird gewaltig auf die Schippe genommen, sich diese Blumendingsbums auszudenken, ist doch eine Meisterleistung von Annalena. Streets of London. Genaue Beobachtungen. Man weiß nicht, wo anfangen und enden. Brillant?
 

Literaturhexle

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Das Buch hat so viele Facetten: Alt jung. Kunstbessessenheit, was macht einen Künstler aus. Offene Ehe. Leidenschaft. Arbeit und Struktur. Der Kunstbetrieb wird gewaltig auf die Schippe genommen, sich diese Blumendingsbums auszudenken, ist doch eine Meisterleistung von Annalena. Streets of London. Genaue Beobachtungen. Man weiß nicht, wo anfangen und enden. Brillant?
Ja. Wirklich gut!
Brillant? Da warten wir lieber noch ein bisschen;)
Aber das Buch hat Anspruch, ist wunderbar geschrieben und auch noch spannend. Das schaffen so viele nicht. Meine Erwartungshaltung auf den weiteren Verlauf ist nicht gerade bescheiden:p
 
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Anjuta

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8. Januar 2016
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Im 3. LA wandern und fahren wir nicht mehr durch London, sondern werden stationär. Wir haben uns mit Eve sozusagen in ihr Atelier eingeschlossen, wo sie sich ihrem Liebhaber und ihrem Werk widmet. Der Ehemann ist auf Dienstreise und so muss sie keine Zeit und Kraft mehr investieren in die Langeweile dieser Ehe. Kann sich ganz dem jungen Liebhaber widmen und dem Schaffensprozess, an dem er immer mehr Anteil gewinnt. Die weiteren Mitarbeiter werden weggeekelt und entlassen und man fragt sich: Welches Spiel spielt dieser Luka? Kein ganz ehrliches, da sind wir uns als Leser doch bestimmt einig. Ein irgendwie toxischer Charakter, den wir aber mit Eve auch noch nicht durchschauen. (Spannend!) Und in welcher Beziehung steht Luka zur Lieblingsfeindin Wanda? Da findet ein psychologisch sehr fein eingefädeltes Spielchen im Atelier statt, das Luka immer weiter an die Spitze befördert. Wie weit wird das gehen?
Zwischendurch bekommen wir als Leser zudem immer wieder interessante Einblicke in das Leben der Künstler im Heute und im Gestern.
In den meisten Bereichen kreativen Schaffens gibt es so was wie messbare Standards. Schriftsteller müssen vor allem die grundlegenden Sprachregeln kennen. Musiker bringen es nicht weit, wenn sie ihr Instrument nicht beherrschen. Nur im Bereich der bildenden Künste kann man sich ohne irgendeine Fähigkeit als Künstler etablieren, dicht gefolgt von der Schauspielerei als Forum für Stümper.
Puh, das ist aber ein hartes Urteil! Und Ausdruck der tiefgreifenden Selbsterniedrigung Eves!
 
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Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich bin gespannt, welche Mission Luka umtreibt. Was hat er vor? Dass er so verrückt nach Eve ist, kann ich nicht glauben.
Wer kann das schon? Luca treiben ganz andere Motive um, als die Liebe zu Eve. Wenn er eines an ihr liebt, dann sind es die Perspektiven hinsichtlich seiner künstlerischen Ambitionen bzw. dem Erfolg, der daraus resultiert. Luca ist berechnend und treibt Psychospielchen. Erst ekelt er die anderen Mitarbeiter raus und macht sich dadurch für Eve unverzichtbar. Dann lotet er aus. wie weit er bei ihr gehen kann. Und ich wundere mich, wie weit sie das zulässt.
Allem Anschein zum Trotz entpuppt sich Eve als sehr unsicherer Mensch, die ihren Beruf nutzt, um sich in Szene zu setzen. Sie definiert sich über ihren Beruf. Doch das ist alles nur Fassade. Am Ende ist sie für mich eine alternde Frau, die nach Aufmerksamkeit und Bestätigung sucht, für das, was sie bisher im Leben erreicht hat. Sie will als Frau wahrgenommen werden, was ihr Göttergatte nicht mehr tut, womit Luca ins Spiel kommt. Als Mutter hat sie auch versagt, und bei Luca kann sie dann auch noch ein paar mütterliche Instinkte raushauen. Denn im Umgang mit Luca, also wie sie ihn häufig betrachtet oder in Schutz nimmt ... das hat schon etwas Mütterliches.
Irgendwie scheint Luca die Allzweckwaffe zu sein, um ihre Probleme zu beheben.
Eve hat ihr ja wirklich übel mitgespielt.
Das ist für mich interessant. Bisher habe ich Wanda immer als schräg und durchgeknallt wahrgenommen, natürlich durch die Brille von Eve betrachtet. Aber mittlerweile sehe ich Wanda als Opfer von Eves Neid und Missgunst. Eve konnte und kann nicht ertragen, dass Wanda (und andere?) Erfolg haben und sie somit in den Schatten stellen könnten.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Eine sehr treffende Analyse von dir, @Renie!
Eve japst nach Aufmerksamkeit und kennt da wenig Skrupel. Es gibt so ein Sprichwort:
"Man muß nicht unbedingt das Licht des Nächsten ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen."
Daran muss ich bei Eve denken.

Auch das Thema Mütterlichkeit. Passt. Sie denkt selbst oft an "den Jungen."

Je mehr sie sich von anderen isoliert, desto abhängiger wird sie von Luka.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Als Gegenleistung will er.... ja was? Wird er sich ihr Werk aneignen oder sie mit Hilfe des Videos bloßstellen? Er hat alle Zeugen vergrault.
Der Zusammenhang zwischen dem Hantieren mit wirklich giftigen Chemikalien (Chromdioxid etc.) und Lukes Psychospielen ist wirklich gut arrangiert. So wie die Farben "vergiftet" er die Atmosphäre im Atelier und gerade die, die sich am meisten schützen will, geht als erste. Dass Eve das mit sich machen lässt, habt ihr ausreichend erläutert. Wie @Anjuta schon beobachtet hat, sind die Passagen im Präsens nur noch stationär und bieten immer wieder Anlass an die Zeit im Atelier (vor 6 Monaten zurückzudenken). Da braut sich etwas sehr Bedrohliches auf, so habe ich das empfunden. Luke nutzt Eve definitiv aus, die Sache mit dem Filmen ist offensichtlich...

Nebenbei bekommen wir noch eine Führung durch "The streets of London".
Der Roman ist wirklich facettenreich. Kein Zufall, dass Eve neben ihren zersetzenden Gedanken Bilder von giftigen Pflanzen malt. Das passt zu ihr.