3. Leseabschnitt: Kapitel 11-14 (S. 160 bis S. 229)

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Du liebe Güte, welch Intrigantenstadl! Damit kritisiere ich nicht das Buch, sondern die handelnden Figuren. Jeder gegen jeden und irgendwo dazwischen die arme Nelly, die in alle Richtungen schlichten muss und in ihren Handlungen eine zentrale Rolle des Geschehens einnimmt. Vielleicht sogar die zentrale Rolle überhaupt, denn ohne sie würde fast nichts funktionieren.

So kann ich ihre Meinung von S. 177 durchaus teilen, in der sie sich fragt, ob sie nicht die "einzige vernünftige Seele" beim ganzen Geschehen sei. Einen offensichtlichen Fehler begeht sie aber, indem sie Catherines Krankheit offenbar falsch einschätzt. Ich muss gestehen, dass auch ich glaubte, Cathy würde hier ein persönliches Drama abziehen. Doch tatsächlich leidet sie unter einer Gehirnentzündung. Das musste ich erst einmal nachlesen, weil ich zwar so etwas wie Hirnhautentzündung kannte, aber nicht die Gehirnentzündung. Vorher glaubte ich, sie sei manisch-depressiv wie Werther...

Besonders gut gefallen hat mir in diesem Abschnitt der Brief Isabellas - und zwar als erzählerisches Stilmittel, aber auch, weil ich ihn und die geschilderte Atmosphäre auf den Heights als sehr spannend empfunden habe. Wahnsinnig eindringlich, wie Isabella den dortigen Verfall schildert. Beim Haus, aber auch bei den Menschen dort.

Heathcliff wird immer negativer dargestellt. Ehrlich gesagt dachte ich vor Beginn der Lektüre, Cathy und er wären die Helden dieses Romans, weil diese Namen so präsent sind. Doch nun entpuppt er sich als klassischer Antiheld, der Nelly sogar erpresst, um an seine Ziele zu kommen. Hier bin ich sehr gespannt darauf, wie und ob sich diese Figur noch entwickelt. Denn zu Beginn hatte Heathcliff durchaus meine Sympathien, weil er als Kind und als Jugendlicher von vielen Personen doch sehr schlecht behandelt wurde.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Wirkliche Sympathieträger finden sich wenige im Buch. Alle erscheinen wie Getriebene, getrieben von ihren Leidenschaften.
Heathcliff kennt nur noch seine Liebe zu Catherine. Erst gekränkt durch ihre Zurückweisung, dann überzeugt davon, dass sie ihn genauso liebt wie er sie. Sie zurück gewinnen, das ist sein Ziel. Alle anderen verfolgt er mit seinem gnadenlosen Hass.
Emotionen wie in einem klassischen Drama.
Cathy hätte auch besser zu ihm gepasst als der langweilige Linton. Warum hat sie sich für diesen entschieden? Wegen seiner gesellschaftlichen Position?
Und auch Isabella verfällt Heathcliffs Anziehungskraft. Reizt sie seine animalische Wildheit? Das brave bürgerliche Mädchen, das den Ausbruch wagt und bitter enttäuscht wird. Denn für Heathcliff ist sie nur Mittel zum Zweck, Werkzeug seiner Rache an Linton.
Schaurig ihr Einzug in das heruntergekommene Haus mit seinen rauen Bewohnern. Kann sie tatsächlich nicht weg oder will sie nicht?

Heathcliff wird immer negativer dargestellt. Ehrlich gesagt dachte ich vor Beginn der Lektüre, Cathy und er wären die Helden dieses Romans, weil diese Namen so präsent sind. Doch nun entpuppt er sich als klassischer Antiheld, der Nelly sogar erpresst, um an seine Ziele zu kommen. Hier bin ich sehr gespannt darauf, wie und ob sich diese Figur noch entwickelt. Denn zu Beginn hatte Heathcliff durchaus meine Sympathien, weil er als Kind und als Jugendlicher von vielen Personen doch sehr schlecht behandelt wurde.
Eine spannende Figur. Anfangs habe ich seine Wut noch verstehen können, schließlich wurde er nach dem Tod des alten Earnshaw wie Dreck behandelt. Doch sein Hass und seine Rachegedanken haben mittlerweile Dimensionen angenommen, die nicht mehr verständlich sind.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Noch eine Frage zur Einteilung.
Bei mir beginnt nach dem 14. Kapitel das zweite Buch und es beginnt mit Kapitel 1. Bei euch nicht, oder?
Die Seitenzahl ist bei mir natürlich auch eine andere.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Schade, dass hier noch keine richtige Diskussion stattfindet. Christian ist der eifrigste Leser hier. Ich versuche heute Abend mal aufzuholen.
 
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Christian1977

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8. Oktober 2021
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Warum hat sie sich für diesen entschieden? Wegen seiner gesellschaftlichen Position?
Ich glaube, auch Hindley hat seinen Teil dazu beigetragen, auch weil er Cathy nach deren Verletzung so lange bei den Lintons beließ und sie sich dort an den etwas feineren Umgang gewöhnte.
Doch sein Hass und seine Rachegedanken haben mittlerweile Dimensionen angenommen, die nicht mehr verständlich sind.
Das habe auch ich als nahezu fanatisch empfunden. Leider stellt das auch sein Verhalten als Jugendlicher oder Kind in ein anderes Licht und ich frage mich, ob Hindleys Hass nicht auch wegen Heathcliffs Verhalten zustande kam.
Bei mir beginnt nach dem 14. Kapitel das zweite Buch und es beginnt mit Kapitel 1. Bei euch nicht, oder?
Nein, bei uns gibt es keine Einteilung in unterschiedliche Bücher und die Kapitel sind fortlaufend.
Schade, dass hier noch keine richtige Diskussion stattfindet.
Es haben sich ja leider ohnehin nur fünf Personen angemeldet und einige von ihnen hatten schon angekündigt, das Buch erst im August lesen zu können. Ich freue mich umso mehr, dass du auch dabei bist.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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ob Hindleys Hass nicht auch wegen Heathcliffs Verhalten zustande kam.
Eine Wechselwirkung war da auf jeden Fall. Am Anfang aber stand auch das wenig pädagogische Verhalten des Vaters, der das Findelkind den eigenen Kindern vorzog. Dass das zu Eifersucht führt, ist zwangsläufig.
und sie sich dort an den etwas feineren Umgang gewöhnte.
Das klingt plausibel. Daheim lebten die beiden wie Halbwilde.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Wobei ich gestehen muss, dass ich ein Herz für die beiden hatte, wie sie ständig umherrasten und nur Blödsinn im Kopf hatten. Solche Kinder mag ich generell immer ganz gern.
Ja, ich auch. Die Autorin kontrastiert hier wilde Natur und gepflegte Kultur:
Da die ungezähmte Cathy und der Wilde Heathcliff, dort die blassen, verschüchterten Linton- Kinder.
Es heißt auch bei Isabellas Tod, dass alle Lintons von schwacher Gesundheit waren. Cathy stirbt dagegen an ihrer ungelebten Liebe.
Allerdings wirkt der ganze Earnshaw-Haushalt von Anfang an etwas verwahrlost.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Heathcliffs übermäßiger Rachefeldzug lässt sich nicht psychologisch erklären. Sicher, die Behandlung in der Kindheit und Cathys Zurückweisung sind Gründe, aber keine, die ein solches Verhalten wirklich begründen.
Immer wieder wird er als Teufel oder Sohn des Teufels bezeichnet. Vielleicht steht er einfach für das Böse.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Immer wieder wird er als Teufel oder Sohn des Teufels bezeichnet. Vielleicht steht er einfach für das Böse.
So sehen es zumindest die anderen Figuren, selbst Nelly, obwohl sie ihm manchmal hilft. Das liegt sicherlich auch an seinem "fremden" Aussehen. Ich habe mich vor zwei Tagen mal mit den Verfilmungen befasst. In einer neueren Version wird Heathcliff von einem Schwarzen gespielt, womit man dieses "Fremde" sicherlich noch einmal stärker hervorheben wollte.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Das „ fremde„ Aussehen ist auch ein wichtiger Aspekt. Rassismus möchte ich der Autorin nicht vorwerfen. Aber damals stand das Fremde auch für das Wilde, Ungebändigte, das einerseits Furcht auslöst, andererseits fasziniert.
Die Figur mit einem Schwarzen zu besetzen, halte ich für zu dick aufgetragen. Ich glaube nicht, dass in jenen Zeiten ein Engländer einen Schwarzen als Adoptivsohn angenommen hätte.
Sein dunkleres Aussehen gibt Anlass zu diversen Mutmaßungen: Stammt der Junge von „ Zigeunern“ ab, ist er das Ergebnis einer Liaison zwischen einem Engländer und einer schwarzen Frau aus den Kolonien oder ist er womöglich der uneheliche Sohn von Mr. Earnshaw?
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
In Charles Dickens' letztem unvollendetem Roman "Edwin Drood" kommt ein Junge aus (damals so genannt) Ceylon vor, der sich gegen offenen Rassismus wehren muss - die Hauptperson Edwin sagt einmal zu ihm, dass er "weiße Menschen nicht verstehen könne"!. Vielleicht ist Heathcliff indischer oder sonstwie "kolonialer" Herkunft.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Besonders gut gefallen hat mir in diesem Abschnitt der Brief Isabellas - und zwar als erzählerisches Stilmittel, aber auch, weil ich ihn und die geschilderte Atmosphäre auf den Heights als sehr spannend empfunden habe. Wahnsinnig eindringlich, wie Isabella den dortigen Verfall schildert. Beim Haus, aber auch bei den Menschen dort.
Ich finde es sehr interessant, wieviel die Erzählerin Nelly hier ausspart. Sie erwähnt das am Zaun aufgehängte Schoßhündchen Isabellas, das sie vorgefunden hat, offenbar in der Nacht, als die beiden gemeinsam verschwunden sind. Niemand scheint sich darüber Gedanken zu machen, weder Nelly noch der zuhörende Pächter Lockwood (ich hätte da vermutlich schockiert nachgefragt). Sollen wir annehmen, dass Heathcliff das Hündchen vor Isabellas Augen hingehängt hat, als er mit ihr das Haus verließ? Als erstes Ereignis ihres Zusammenlebens?
Isabella beginnt den Bericht in ihrem Brief mit dem Eintreffen auf Wuthering Heights. Die Zeit davor beschreibt sie nur mit einem Satz, dass sie schon nach den ersten vierundzwanzig Stunden im Geist nach Thrushcross Grange zurückgekehrt sei. Auch so ein ausgesparter Abgrund - ich vermute, er hat sie vergewaltigt. Sie hat kein Zuhause mehr.

Ich finde es unfassbar tragisch, was ihr widerfährt. Dass sie nicht die geringste Menschenkenntnis besitzt und aus reiner Verblendung mit ihm mitging, ist nicht ihre Schuld.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich finde es unfassbar tragisch, was ihr widerfährt.
Für mich ist Isabella bisher sogar die tragischste Figur eines an Tragödien wahrlich reichen Romans. Im Gegensatz zu allen anderen Figuren scheint sie als Einzige, ausschließlich Opfer zu sein. Und ein reiner Spielball der Intrigen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Sie erwähnt das am Zaun aufgehängte Schoßhündchen Isabellas, das sie vorgefunden hat, offenbar in der Nacht, als die beiden gemeinsam verschwunden sind. Niemand scheint sich darüber Gedanken zu machen, weder Nelly noch der zuhörende Pächter Lockwood (ich hätte da vermutlich schockiert nachgefragt). Sollen wir annehmen, dass Heathcliff das Hündchen vor Isabellas Augen hingehängt hat, als er mit ihr das Haus verließ?
Darüber bin ich auch gestolpert. Wie grausam! Wenn Tiere gequält werden, ertrage ich das kaum. Was für eine Ungeheuerlichkeit, um Isabella zu quälen, ihr Hündchen so umzubringen. Wobei Heathcliff Isabella nur quäkt, um Linton zu treffen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Cathy hätte auch besser zu ihm gepasst als der langweilige Linton. Warum hat sie sich für diesen entschieden? Wegen seiner gesellschaftlichen Position?
Gab es im ersten Abschnitt nicht eine Passage wo Cathy Nelly dies mehr oder weniger sagte? Sie wollte von Nelly wissen, ob es richtig war Linton zugesagt zu haben ihn zu heiraten. Sie sah das als das vernünftigeer an, und teilte gleichzeitig tiefe Gefühle für Heathcliff mit. Das war die Szene wo er gelauscht hat und verschwand.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Es ist kaum vorstellbar wie schrecklich es sein muss in dem Haus mit Heathcliff und den anderen zu leben. Das er nicht zimperlich ist, war mir klar, aber den armen Hund vor ihren Augen aufzuhängen um sie zu reizen, weil er anscheinend nur bei Menschen, die sich ihm wiedersetzen ohne Abscheu auf sie reagieren kann, ist schon heftig. Dieser Abschnitt ist angefüllt mit solchen Szenen. Um ehrlich zu sein, habe ich das erwartet.

Das Linton seine Schwester nun nicht mehr sehen möchte zeugt wohl mehr von gekränktem Stolz als von brüderlicher Liebe. Irgendwie sind wirklich fast alle Charaktere exzentrisch oder jähzornig. Nelly, die Angestellte, scheint die "normalste" in dem ganzen Haufen zu sein.

Trotz der Unruhen und Streiterein lese ich den Roman sehr gern.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Für mich ist Isabella bisher sogar die tragischste Figur eines an Tragödien wahrlich reichen Romans. Im Gegensatz zu allen anderen Figuren scheint sie als Einzige, ausschließlich Opfer zu sein. Und ein reiner Spielball der Intrigen.
Stimmt, sie war geblendet, sie war so verliebt und wird nun von Heathcliff für seine Zwecke ausgenutzt, und das auf sehr schlimme Art.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das „ fremde„ Aussehen ist auch ein wichtiger Aspekt. Rassismus möchte ich der Autorin nicht vorwerfen. Aber damals stand das Fremde auch für das Wilde, Ungebändigte, das einerseits Furcht auslöst, andererseits fasziniert.
Die Figur mit einem Schwarzen zu besetzen, halte ich für zu dick aufgetragen. Ich glaube nicht, dass in jenen Zeiten ein Engländer einen Schwarzen als Adoptivsohn angenommen hätte.
Sein dunkleres Aussehen gibt Anlass zu diversen Mutmaßungen: Stammt der Junge von „ Zigeunern“ ab, ist er das Ergebnis einer Liaison zwischen einem Engländer und einer schwarzen Frau aus den Kolonien oder ist er womöglich der uneheliche Sohn von Mr. Earnshaw?
Das alles hat mich am Anfang unter anderem bewogen mit Heathcliff auch Mitleid zu haben. Er hatte es nicht leicht. Doch mittlerweile sehe ich ihn mit anderen Augen. Er scheint ja gar keine Hemmungen mehr zu haben