3. Leseabschnitt: Kapitel 10 bis 14 (Seite 178 bis 261)

Bibliomarie

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10. September 2015
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Mir gefällt auch Lehrer Govinski. Ist er wirklich so viel jünger als Hannes Mutter? Schon komisch, dass er an diesem Nachmittag gleich mitkommt, um das Buch abzuholen.

Ich glaube nicht, dass er viel jünger ist. Die Mutter ist doch sicher auch erst Ende Dreißig. Sie wirkt älter, aber da ist der Zeit und dem Dasein als Bäuerin geschuldet.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Hannes reflektiert selbst, dass ihm der Überblick fürs große Ganze fehlt. Woher soll er den auch haben? Der Vater hat entschieden, Hannes nur hier und da selbst gedacht, wenn es nötig war.

Wo soll er die Übersicht auch her haben. Der Vater hätte allzu viel Eigeninitiative auch nicht geduldet. Acker, Viehhaltung, Hofarbeit, Schule, das ist alles ganz schön viel für einen Jungen, auch wenn man berücksichtigt, dass vor hundert Jahren Jugendliche schon sehr viel früher erwachsen werden mussten.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Die Trauer der Mutter erscheint mir auch unrealistisch. Ich habe zwar schon öfter erlebt, dass Witwen ihre Ehemänner glorifizieren, aber diese Lethargie der Mutter gefällt mir nicht. Es gibt den Sohn und den Hof und da sollte sie pragmatisch genug sein . Mag ja sein, dass sie ihren Mann anders erlebt, trotzdem sollte sie nicht vergessen, wie er seinen Sohn behandelt
Richtig, sie war nicht nur Ehefrau, sie ist auch Mutter, sollte Hannes daher zur Seite stehen. Vielleicht hängt es mit dem Umstand zusammen, dass Hannes der Tod des Vaters nicht so nah geht, oder auch mit der Tatsache, dass das Pferd durch Hannes auf den Hof gelangt ist. Wobei sie ihm nie Vorwürfe gemacht hat, was auch gut so ist, denn wer hätte so etwas ahnen können?
Aber durch die Besuche des Lehrers bin ich sehr zuversichtlich, dass die Mutter bald wieder lachen kann. Ihr Leben liegt noch vor ihr, und sicher war es in diesen rauhen Zeiten nicht ungewöhnlich, dass Frauen früh zur Witwe wurden und wieder heirateten.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Aber nun beginnt die Umkehr, Hannes scheint den Vater ein wenig zu verklären – das hätte ich nie erwartet. Die Mutter leidet unter dem Verlust, zieht sich zurück. Hannes macht sich ernsthafte Sorgen um sie. Dabei zeigt er eine erstaunliche Reife und Einfühlungsvermögen.
Nach diesem Hass den Hannes an den Tag legte, war ich auch erstaunt. Allerdings hört man das häufiger, dass nach dem Tod eines Menschen eher die guten Dinge bleiben. Hinzu kommt,dass die Mutter, wenn sie über den Vater spricht, auch nur alte Geschichten erzählt, in denen er Gutes tat. Dies wird Hannes sicher zusätzlich geprägt haben. Im Grunde nutzt es ja auch niemandem mehr den Zorn aufrechtzuerhalten, aber etwas mehr Objektivität wünscht man sich schon an dieser Stelle
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Wo soll er die Übersicht auch her haben. Der Vater hätte allzu viel Eigeninitiative auch nicht geduldet. Acker, Viehhaltung, Hofarbeit, Schule, das ist alles ganz schön viel für einen Jungen, auch wenn man berücksichtigt, dass vor hundert Jahren Jugendliche schon sehr viel früher erwachsen werden mussten.
Wie alt ist Hannes jetzt eigentlich mittlerweile? Wieviel Zeit ist seit Anfang des Buches vergangen? Zu Beginn war er 15, also könnte er nun durchaus 16 sein. Da er keine anderweitige Ausbildung anstrebt, wird er den Hof übernehmen, denke ich. Im Idealfall wäre ein Vater da, der ihn anleitet, den gibt/gab es nicht. Die Mutter wird von vielem auch keine Ahnung haben, also bleibt ihm leider nur ausprobieren und dazu lernen. Ja, es ist eine gewaltige Aufgabe!
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Die Wendung kam überraschend, ich habe nicht damit gerechnet, dass der Vater stirbt. Allerdings eröffnet dies auch eine neue Richtung.
Mir gefällt, dass Hannes sich bemüht auf dem Hof alles zu erledigen. Rückschläge sind zu erwarten, aber Hannes ist schlau, ich traue ihm durchaus zu, dies nach einer gewissen Zeit zu meistern.
Seine Mutter macht ihm Sorgen, doch auch da wird sich schon alles in eine gute Richtung entwickeln, bin da zuversichtlich.
Mehr Sorge macht mir die politische Situation, das könnte etwas werden, was noch haarig wird.
 

Renie

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Es ist ein Heimatroman. Selbst im unrosigen Heimatroman hat man Idylle.
Warum um alles in der Welt muss ein Roman, der auf dem Land spielt, in dem es um Dorfleben und Landwirtschaft geht, in dem die Natur beschrieben wird, den Stempel "Heimatroman" erhalten?
Dann müssten der "Halbbart" oder Schillers "Wilhelm Tell" genauso als Heimatroman/-drama durchgehen.
 

Wandablue

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Warum um alles in der Welt muss ein Roman, der auf dem Land spielt, in dem es um Dorfleben und Landwirtschaft geht, in dem die Natur beschrieben wird, den Stempel "Heimatroman" erhalten?
Dann müssten der "Halbbart" oder Schillers "Wilhelm Tell" genauso als Heimatroman/-drama durchgehen.

Das hab ich auch überlegt. Nicht notgedrungen. So bezweifle ich, dass Unterleuten und Altes Land Heimatromane sind.

Aber dieser Roman ist ein Heimatroman. Und das liegt am Inhalt. Aber näher möchte ich mich an dieser Stelle nicht darüber auslassen.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Es war ein anspruchsvoller Film, liebe Hexe. Ich mochte ihn. Ich wollte damit sagen, was ich anscheindend aber nicht tat, dass ich nicht weiß, ob Kronsnest an Hansen heranreicht. Weil ihm vllt die Originalität fehlt.
Vergleichen ist schwer und ungerecht. Wir können das Thema höchstens am Ende nochmal aufgreifen. Müssen es aber nicht.

Ob der Autor wohl eines Morgens aufgewacht ist und sich gesagt hat: "Heute schreibe ich einen Roman wie den von der Hansen."?
Das wäre für mich der einzige Grund, beide Romane miteinander zu vergleichen.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Zunächst eskaliert die Situation zwischen Vater und Sohn, wobei Hannes den Kürzeren zieht.

Da hab ich mich ja gefragt, wie das passieren konnte, denn Hannes ist doch ein talentierter Boxer. Vielleicht ist er doch etwas erstarrt und hat nicht direkt zugeschlagen, weil es sein Vater war. So ganz unbewusst.

Man sollte meinen, dass das Pferd frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" gehandelt hat.

Ja, kann man dem Pferd nicht verübeln, das hat sicher schnell gelernt, dass es nichts Gutes bedeutet, wenn der Vater auftaucht.

Dieses Umdenken von Hannes ist für mich nicht stimmig. Ich könnte noch verstehen, wenn die positiven Seiten seines Vaters zu dem bisherigen Bild, das Hannes von ihm hatte, dazukommen. Aber auf mich wirkt es, als ob die positiven Seiten die negativen Erinnerungen an den Vater ersetzen.

Das habe ich im ersten Moment auch gedacht. Aber Kinder wollen eigentlich ihre Eltern lieben. Auch Kinder von in unseren Augen furchtbaren Eltern hängen an denen.

Damit tue ich mich auch schwer. Ich kann zwar RuLekas Argument nachvollziehen, dass Kinder ihre Eltern lieben WOLLEN, aber kurz vorher wurde Hannes brutalst zusammengehauen (er hätte tot sein können!) und hatte selbst Mordphantasien....

Aber nun beginnt die Umkehr, Hannes scheint den Vater ein wenig zu verklären – das hätte ich nie erwartet.

Ich musste da an "Wut" von Harald Martenstein denken, das ich vor kurzem gelesen habe.

Da ist es die Mutter, die den Sohn prügelt, verhöhnt, bespuckt, bis der lernt, ihr in kaltem Hass jede Reaktion zu verweigern. Dann kann er nicht mehr, schlägt zu, verletzt die Mutter, springt aus dem Fenster, bricht sich die Beine und kehrt erstmal nicht mehr zurück nach Hause. Und als Erwachsenen sehen wir ihn dann, wie er sich um die alte, demente Mutter kümmert und irgendwie gerne verstehen will, warum sie so war, wie sie war.

Und das Buch beruht wohl zumindest zum Teil auf eigenen Erlebnissen des Autors mit seiner eigenen Mutter, die ihn misshandelt hat, ist also wohl nicht so weit hergeholt.

Warum wollen Kinder trotz allem ihre Eltern lieben? Warum kehren Frauen zurück zum prügelnden Freund oder Mann?

Anders ist er, wenn er mit Mara zusammen ist. Da entwickelt er sich auf einmal zu einem wortgewandten Charmeur.

Wenn Hannes unter anderen Umständen aufgewachsen wäre, hätte ein echter Poet oder Schriftsteller aus ihm werden können. Naja, kann ja vielleicht noch, wer weiß.

Heimatroman? Bei Nesthäkchen ist das auch bisschen so. Die rührende Dohlengeschichte, die Pferdchen.

Nur dass Nesthäkchen nicht von ihrem Vater misshandelt wird, da werden auch keinen Hunden die Beine gebrochen und sie hat auch keinen Freund, der zum Nazi wird...

Hier in Kronsnest fühle ich mich wohl. Wäre die Geschichte wortreicher erzählt (Prange:confused:), wäre das nicht der Fall. Heimatroman an sich ist doch nichts Schlechtes.

Kommt für mich halt schwer drauf an, ob Heimatroman mit oder ohne Kitsch. Dieser hier ist meines Erachtens ohne, und das ist auch gut so.

Es fehlt Originalität.

Es ist eine Geschichte, die sehr grundlegende Beziehungen im Leben eines jungen Mannes in den Fokus stellt. Zum Vater, zur Mutter, zu sich selbst, zur ersten Liebe. Vor allem zu sich selbst. Ich weiß nicht, ob das wirklich origineller sein kann oder sein muss.

Man könnt platt sagen, da fehlt die Tiefe. Alles ist nur äußerlich.

Was mir fehlt, ist, dass ich nicht in die Gedanken der Figuren komme, alles ist Mutmaßung, überall sieht man nur von außen drauf.

Was innen abgeht, wird selten kommuniziert, auch nicht unbedingt reflektiert. Der Leser muss aus dem, was sie tun und den paar Brocken, die sie von sich geben, auf ihr Seelenleben schließen. Für mich passt das nach wie vor zum Setting.

Ja, ich sehe es wie RuLeka, für mich passt das. Und ohne einen allwissenden Erzähler lässt sich das doch auch kaum anders schreiben, denke ich? Ein allwissender Erzählte hätte hier meines Empfindens auch nicht gepasst.

Man hat das Gefühl, dass der Roman nicht nur von 1928ff handelt, sondern auch damals geschrieben worden sein könnte. Deshalb auch der Eindruck von Idylle. Und mein Eindruck wechselweise von Nesthäkchen und Ganghofer.
Nur, dass darunter noch was Eigenes ist. Aber wieviel?

Jetzt, wo du's sagst... Stimmt! Ist für mich aber eher ein Pluspunkt, denn so passt alles zusammen, das Setting und der Stil.

Da ist mir ein bisschen viel Theatralik drin, denn diese Ehe war nicht glücklich, da muss man als Witwe keine Selbstmordgedanken hegen.

Ich hab immer den Eindruck, uns fehlt noch ganz viel Wissen über die Vergangenheit der Mutter. Möglicherweise könnte das viel in ein anderes Licht rücken.

Auf Seite 181 bezeichnet er seinen Sohn aber noch als Missgeburt. Für mich ein Hinweis, dass die Erzeugerschaft zumindest noch im Unklaren ist

Inzwischen würde mich schwer wundern, wenn sich NICHT irgendwann rausstellt, dass der Vater gar nicht der Vater war...

Hannes reflektiert selbst, dass ihm der Überblick fürs große Ganze fehlt. Woher soll er den auch haben? Der Vater hat entschieden, Hannes nur hier und da selbst gedacht, wenn es nötig war. Vielleicht konnte er sich auch stets die Arbeit ein bisschen aussuchen - je nach Interesse und Anlage?

Hmm, das kann ich mir nicht vorstellen, dass der Vater zugelassen hat, das Hannes sich selber was aussucht... Aber wahrscheinlich hat der auch nicht zugelassen, dass Hannes wirklich einen guten Überblick übers Ganze bekommt, denn das hätte ihn selbst ja mehr und mehr entbehrlich gemacht.

Der Mob macht sich bemerkbar. Im Landvolk werden nationalsozialistische Tendenzen spürbar, die Vereinigung mit der NSDAP scheint nur eine Frage der Zeit. Thies scheint diesen Ideen sehr aufgeschlossen gegenüber zu stehen, im Gegensatz zu Hannes, der hinter die Fassade schaut.

Ich hab den Eindruck, dass Thies noch auf der Kippe steht. Der kann noch in beide Richtungen fallen, aber ich befürchte das Schlimmste.
 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Vielleicht hängt es mit dem Umstand zusammen, dass Hannes der Tod des Vaters nicht so nah geht, oder auch mit der Tatsache, dass das Pferd durch Hannes auf den Hof gelangt ist.

Ich habe den Eindruck, dass Hannes sich seiner Mutter gegenüber auch verschließt. Er sagt sich, dass er ihr nicht helfen kann, weil ihm der Tod des Vaters nicht nahe geht, und deswegen versucht er es nicht, tröstet sie zum Beispiel nicht, wenn er sie weinen hört.

Da sind Mutter und Sohn beide nicht ganz willens und fähig, aufeinander zuzugehen. Verbunden hat sie anscheinend doch irgendwie der Vater.

Im Idealfall wäre ein Vater da, der ihn anleitet, den gibt/gab es nicht. Die Mutter wird von vielem auch keine Ahnung haben, also bleibt ihm leider nur ausprobieren und dazu lernen. Ja, es ist eine gewaltige Aufgabe!

Ich befürchte ja immer mehr, dass das für einen Jugendlichen nicht zu stemmen ist, nicht ohne Hilfe. Hoffentlich führt das nicht im Endeffekt dazu, dass er sich Hilfe bei den falschen Leuten sucht...
 

FlorianK

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12. Februar 2021
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Aber auf mich wirkt es, als ob die positiven Seiten die negativen Erinnerungen an den Vater ersetzen.
Bei vielem in deinem längeren Statement stimme ich dir zu, aber werden die negativen Erinnerungen wirklich ersetzt? Ich meine mich zu erinnern, dass ich auf ein Nebeneinander von negativ und neu-positiv geachtet habe, bis dann das Positive überwiegt, weil er gezwungen ist, sich mit diesem Unerwartet-Positiven auseinanderzusetzen. Denn sonst findet er ja keinen Zugang zur Mutter.
Aber vielleicht hätte ich das mehr betonen sollen.
 

FlorianK

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Was mir fehlt, ist, dass ich nicht in die Gedanken der Figuren komme, alles ist Mutmaßung, überall sieht man nur von außen drauf. Außer bei Hannes, da können wir ein bisschen mehr hineinhören.
Das liegt an der gewählten Erzählform. Ein allwissender Erzähler hätte mehr ausholen können. Aber ich weiß es nit.
Es ist wirklich eine interessante Frage, die nach der Erzählhaltung. Der allwissende hätte Vorteile gehabt, aber dann hätte ich einen komplett anderen Roman geschrieben, mit einem ganz anderen Erzählton. Und es gefällt mir auch, auf Hannes beschränkt zu sein, weil es größere Nähe zu Hannes erzeugt und weil das Rätselhafte im Verhalten anderer Menschen für mich reizvoll ist, in meinem wirklichen Leben genauso wie im Schreiben.
 

FlorianK

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denn diese Ehe war nicht glücklich, da muss man als Witwe keine Selbstmordgedanken hegen.
Sie hat ihn geliebt. Gibt es solche Liebe nicht, wenn man mit einem zerrissenen Menschen zusammen ist? Man ist unglücklich, ist wütend, auch oft, aber man liebt ihn trotzdem, den anderen. Ich glaube, ich kenne sogar solche Liebenden.