Zunächst eskaliert die Situation zwischen Vater und Sohn, wobei Hannes den Kürzeren zieht.
Da hab ich mich ja gefragt, wie das passieren konnte, denn Hannes ist doch ein talentierter Boxer. Vielleicht ist er doch etwas erstarrt und hat nicht direkt zugeschlagen, weil es sein Vater war. So ganz unbewusst.
Man sollte meinen, dass das Pferd frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" gehandelt hat.
Ja, kann man dem Pferd nicht verübeln, das hat sicher schnell gelernt, dass es nichts Gutes bedeutet, wenn der Vater auftaucht.
Dieses Umdenken von Hannes ist für mich nicht stimmig. Ich könnte noch verstehen, wenn die positiven Seiten seines Vaters zu dem bisherigen Bild, das Hannes von ihm hatte, dazukommen. Aber auf mich wirkt es, als ob die positiven Seiten die negativen Erinnerungen an den Vater ersetzen.
Das habe ich im ersten Moment auch gedacht. Aber Kinder wollen eigentlich ihre Eltern lieben. Auch Kinder von in unseren Augen furchtbaren Eltern hängen an denen.
Damit tue ich mich auch schwer. Ich kann zwar RuLekas Argument nachvollziehen, dass Kinder ihre Eltern lieben WOLLEN, aber kurz vorher wurde Hannes brutalst zusammengehauen (er hätte tot sein können!) und hatte selbst Mordphantasien....
Aber nun beginnt die Umkehr, Hannes scheint den Vater ein wenig zu verklären – das hätte ich nie erwartet.
Ich musste da an "Wut" von Harald Martenstein denken, das ich vor kurzem gelesen habe.
Da ist es die Mutter, die den Sohn prügelt, verhöhnt, bespuckt, bis der lernt, ihr in kaltem Hass jede Reaktion zu verweigern. Dann kann er nicht mehr, schlägt zu, verletzt die Mutter, springt aus dem Fenster, bricht sich die Beine und kehrt erstmal nicht mehr zurück nach Hause. Und als Erwachsenen sehen wir ihn dann, wie er sich um die alte, demente Mutter kümmert und irgendwie gerne verstehen will, warum sie so war, wie sie war.
Und das Buch beruht wohl zumindest zum Teil auf eigenen Erlebnissen des Autors mit seiner eigenen Mutter, die ihn misshandelt hat, ist also wohl nicht so weit hergeholt.
Warum wollen Kinder trotz allem ihre Eltern lieben? Warum kehren Frauen zurück zum prügelnden Freund oder Mann?
Anders ist er, wenn er mit Mara zusammen ist. Da entwickelt er sich auf einmal zu einem wortgewandten Charmeur.
Wenn Hannes unter anderen Umständen aufgewachsen wäre, hätte ein echter Poet oder Schriftsteller aus ihm werden können. Naja, kann ja vielleicht noch, wer weiß.
Heimatroman? Bei Nesthäkchen ist das auch bisschen so. Die rührende Dohlengeschichte, die Pferdchen.
Nur dass Nesthäkchen nicht von ihrem Vater misshandelt wird, da werden auch keinen Hunden die Beine gebrochen und sie hat auch keinen Freund, der zum Nazi wird...
Hier in Kronsnest fühle ich mich wohl. Wäre die Geschichte wortreicher erzählt (Prange
), wäre das nicht der Fall. Heimatroman an sich ist doch nichts Schlechtes.
Kommt für mich halt schwer drauf an, ob Heimatroman mit oder ohne Kitsch. Dieser hier ist meines Erachtens ohne, und das ist auch gut so.
Es ist eine Geschichte, die sehr grundlegende Beziehungen im Leben eines jungen Mannes in den Fokus stellt. Zum Vater, zur Mutter, zu sich selbst, zur ersten Liebe. Vor allem zu sich selbst. Ich weiß nicht, ob das wirklich origineller sein kann oder sein muss.
Man könnt platt sagen, da fehlt die Tiefe. Alles ist nur äußerlich.
Was mir fehlt, ist, dass ich nicht in die Gedanken der Figuren komme, alles ist Mutmaßung, überall sieht man nur von außen drauf.
Was innen abgeht, wird selten kommuniziert, auch nicht unbedingt reflektiert. Der Leser muss aus dem, was sie tun und den paar Brocken, die sie von sich geben, auf ihr Seelenleben schließen. Für mich passt das nach wie vor zum Setting.
Ja, ich sehe es wie RuLeka, für mich passt das. Und ohne einen allwissenden Erzähler lässt sich das doch auch kaum anders schreiben, denke ich? Ein allwissender Erzählte hätte hier meines Empfindens auch nicht gepasst.
Man hat das Gefühl, dass der Roman nicht nur von 1928ff handelt, sondern auch damals geschrieben worden sein könnte. Deshalb auch der Eindruck von Idylle. Und mein Eindruck wechselweise von Nesthäkchen und Ganghofer.
Nur, dass darunter noch was Eigenes ist. Aber wieviel?
Jetzt, wo du's sagst... Stimmt! Ist für mich aber eher ein Pluspunkt, denn so passt alles zusammen, das Setting und der Stil.
Da ist mir ein bisschen viel Theatralik drin, denn diese Ehe war nicht glücklich, da muss man als Witwe keine Selbstmordgedanken hegen.
Ich hab immer den Eindruck, uns fehlt noch ganz viel Wissen über die Vergangenheit der Mutter. Möglicherweise könnte das viel in ein anderes Licht rücken.
Auf Seite 181 bezeichnet er seinen Sohn aber noch als Missgeburt. Für mich ein Hinweis, dass die Erzeugerschaft zumindest noch im Unklaren ist
Inzwischen würde mich schwer wundern, wenn sich NICHT irgendwann rausstellt, dass der Vater gar nicht der Vater war...
Hannes reflektiert selbst, dass ihm der Überblick fürs große Ganze fehlt. Woher soll er den auch haben? Der Vater hat entschieden, Hannes nur hier und da selbst gedacht, wenn es nötig war. Vielleicht konnte er sich auch stets die Arbeit ein bisschen aussuchen - je nach Interesse und Anlage?
Hmm, das kann ich mir nicht vorstellen, dass der Vater zugelassen hat, das Hannes sich selber was aussucht... Aber wahrscheinlich hat der auch nicht zugelassen, dass Hannes wirklich einen guten Überblick übers Ganze bekommt, denn das hätte ihn selbst ja mehr und mehr entbehrlich gemacht.
Der Mob macht sich bemerkbar. Im Landvolk werden nationalsozialistische Tendenzen spürbar, die Vereinigung mit der NSDAP scheint nur eine Frage der Zeit. Thies scheint diesen Ideen sehr aufgeschlossen gegenüber zu stehen, im Gegensatz zu Hannes, der hinter die Fassade schaut.
Ich hab den Eindruck, dass Thies noch auf der Kippe steht. Der kann noch in beide Richtungen fallen, aber ich befürchte das Schlimmste.