Dorian will das verhängnisvolle Bildnis aus dem Weg schaffen, er will es nicht mehr sehen. Er sieht Verwesung und Fäulnis in ihm. Offenbar macht er gerne andere für seine Verfehlungen verantwortlich: So hätte Basil ihn vom Lord fernhalten müssen, dessen Einfluss ihm geschadet hat. Basil wird der tragische Sündenbock.
In diesem Kapitel taucht zum ersten Mal dieses seltsame Buch auf, das offenbar Anteil an Dorians Niedergang haben soll und ihn emotional in seinen Bann zieht. Wir haben bei Barnes schon einiges darüber gelesen. "Es war ein Buch, das Gift ausströmte."
"Es schien die Geschichte seines Lebens zu enthalten, noch bevor er gelebt hatte."
Dorian entwickelt immer mehr Lebenshunger. Er gerät auf die schiefe Bahn, zeigt sich in dubiosen Gaststätten, verkleidet sich, sucht nach Sinnesfreuden, die sich auch im Kaufrausch schöner Dinge ausdrücken (diese Seiten habe ich quer gelesen
). Er hat dramatisch schlechten Einfluss auf junge Menschen. Ursächlich für all das soll das Buch sein.
Im 12. Kapitel wird Dorian von Basil aufgesucht. Jener Maler will für längere Zeit nach Paris gehen. Vorher scheint er seinem einst geliebten Dorian die Leviten lesen zu wollen, um ihn anschließend vielleicht wieder auf den richtigen Weg zu führen. Basil kann nicht glauben, dass all die Schauergeschichten über Dorian wahr sein sollen, die man sich in der guten Gesellschaft erzählt.
Dorian will sich dazu nicht äußern, er beschließt, "dem Maler des Bildes, das der Ursprung seiner Schande gewesen war", das veränderte Bildnis zu zeigen. Naturgemäß ist Basil schockiert. Er sieht "das Gesicht eines Satyrs", sieht die aussätzige Sünde in ihrer ganzen Gestalt, was ihn mit großem Abscheu und Entsetzen erfüllt. Dorian wird zornig, hasserfüllt und sticht Basil mit dem Messer ab. Diese Szene ist sehr plastisch geschildert.
Dorian kann ziemlich schnell zur Tagesordnung übergehen. Während er auf seinen alten Freund Alan Campbell wartet, erinnert er sich an Verse und gute Zeiten in Venedig. Das nenne ich mal abgebrüht. Offensichtlich hatten die beiden keinen Kontakt mehr. Dorian bittet Alan zunächst im Guten, die Leiche zu entsorgen. Schließlich erpresst er ihn. (Ob es um eine homosexuelle Beziehung ging? Was könnte er in der Hand haben?). Alan lässt sich Hilfsmaterialien kommen und tut wie ihm geheißen.
Nun hat Dorian noch eine Seele mehr auf dem Gewissen. Ich bin sicher, dass Alan nicht gut damit zurecht kommen wird, dem Teufel einen Dienst erwiesen zu haben.
Das Buch nimmt eine ganz andere Richtung, als ich dachte. Bis auf die Längen, in denen philosophiert wird oder die Schönheiten irgendwelcher Edelsteine ausgebreitet werden, gefällt es mir sehr.