Die Polizisten, die durch ihre Intervention aus einem einvernehmlichen Akt eine Vergewaltigung machen, lösen das aus. Cholly lenkt den Hass, deren "richtiges" Ziel die Polizisten sein müssten, auf Darlene - wie wenn ein Fluss durch ein Hindernis umgelenkt wird.
Wieso "Polizisten"? Es ist "nur" von weißen Männern die Rede, die Gewehre haben. Wären es Polizisten, hätte der Akt eine andere, spezifiziertere Dimension, aber es sind einfach weisse Männer, die allein durch ihre Haufarbe und ihr Verhalten Autorität ausüben und nachhaltigen Einfluss auf Chollys Leben und dann auch auf das seiner Tochter haben. Es geht hier um weisse Maskulinität insgesamt, die negative, allumfassende Auswirkungen hat.
In einem Roman, der für Schwarze geschrieben wurde, und das ist die eigentliche Zielgruppe von Toni Morrison, darf das gerne so gehandhabt werden.
Ist er das? Ich meine, was die Zielgruppe anbelangt?
In diesem Kapitel ist eine Menge enthalten, dass in erster Linie schon sehr schmerzhaft auf den Leser einwirkt - obwohl doch eine eher nüchterne Sprache, auf den Punkt und emotional distanziert, verwendet wird.
Es ist ein Kapitel voller Enttäuschungen und Zurückweisungen, angefangen mit Paulines Entscheidung, sich mehr um das fremde, weiße Kind (das natürlich alle Schönheitsstandards erfüllt) zu kümmern, als um ihre eigene Tochter, die in der Situation nicht den Erwartungen an gutes Benehmen entspricht und Chaos verursacht.
Zu Pauline kommt die Enttäuschung als sie feststellt, dass das Leben und vor allem die Liebe nicht so sind wie das Hollywood-Kino es verspricht. Als Motiv ist ihre Flucht in die Kinowelt bezeichnend, weil es hier auch wieder um gesellschaftliche Standards von Schönheit und einem perfekten Leben geht.
Cholly - tja, das Kapitel ist schwer zu ertragen. Aunt Jimmy bereitet eigentlich einen guten Kindheitsbeginn, aber mit ihrem Tod und den Ereignissen mit Darlene am Tag der Beerdigung, bricht die positive Entwicklung ab und nimmt einen schrecklichen Verlauf. Cholly verstummt in gewisser Weise, bezeichnend fand ich auch seine Unfähigkeit, sich näher auf seinen Vater zu zubewegen, auch er wird hier zurückgewiesen, und das anschließende Malheur auf den Kisten. Cholly ist zwar ein Monster, aber zumindest in seiner ganz frühen Kindheit und Jugend auch immer wieder ein bedauernswertes.
Soaphead Church nutzt seine Zurückweisung durch Velma als Rechtfertigung für seine sexuellen Neigungen und auch sein sonstiges Verhalten. Berechtigung für sein Gefühl der Überlegenheit findet er in seiner helleren Hautfarbe (ähnlich wie auch Maureen), seinem britischen Akzent und seiner Bildung, die aber sehr selektiv ist (diese Einlassung fand ich äußerst amüsant). Auch wenn man dieser Figur nicht mit Sympathie begegnen kann, finde ich ihn gut und glaubwürdig konzipiert. Morrison gelingt es auf wenigen Seiten und vor allem auch durch den Brief von Church an Gott, für den er am liebsten Siegelwachs hätte - wie einer seiner britischen Vorfahren - seine Persönlichkeit schlüssig darzustellen.