3. Leseabschnitt: "Das Messer und die Pistole" (S. 63 bis S. 94)

Literaturhexle

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Jetzt komme ich nicht mehr so recht mit. Was ist real, was ist Legende oder wurde erfunden?

Bereits in den vorherigen Kapiteln war des Öfteren von Toto, dem Räuber (und Retter) die Rede. Mimmo hat ihn auserkoren, seinen Freund vor dem prügelnden Vater zu retten. Toto ist nicht nur gut, er beraubt auch arme Rentner. Er treibt sein Unwesen im Borgo Vecchio, das in der Nacht einem rechtsfreien Raum gleich kommt, weil niemand gegen den Helden ankommt.

In diesem Kapitel kriegen wir eine Art Heldenlegende über Toto aufgetischt: der omnipotente Räuber, der schneller ist als er Wind, selbst schneller als sein eigener Geruch, der Räuber, den die Polizei nicht zu fassen kriegt, weil er klüger ist als sie und viele Freunde hat...

Alle Jungen wollen Toto zum Vater haben. Früher hatte er ein Messer, damit hat er aber einen unschuldigen Matrosen umgebracht. Carmela hat ihn getröstet, sie haben sich wirklich geliebt... Ist der Räuber der Vater ihrer Tochter? Sind das alles nur Gespinste und Kinderphantasien?

Auf alle Fälle benutzt Toto kein Messer mehr, sondern nur noch eine Pistole. Mimmo wollte ein Wettrennen organisieren: Sollte sein Pferd gegen Toto gewinnen, würde dieser Cristofaros Vater töten. Toto hat zunächst abgelehnt.

So würde ich das Kapitel zusammenfassen, bin mir aber absolut nicht sicher. Wahrheit, Legende, Traum werden bewusst vermischt. Ich glaube, ich habe den Faden verloren und hoffe, ihn wiederzufinden.
 

ElisabethBulitta

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Ich finde es jetzt ungemein beruhigend, dass andere auch zu kämpfen haben. Ich muss gestehen: Als ich mich für die LR gemeldet habe, dachte ich: "160 Seiten liest du so nebenbei." Aber nichts da. Das Buch hat's eindeutig in sich.

Interessant finde ich, dass bei Totos (irgendwie kriege ich den Akzent auf dem zweiten "o" nicht richtig hin) Vorstellung vom "Sündenfall" die Rede ist. Wieder etwas Religiöses, was man allerdings auch aus dem Alltag kennt. Toto kam schon unter widrigen Umständen zur Welt, d.h. die "Sünden" seines Vaters (also die sozialen Umstände) beeinflussten sein Leben. Seine Geschichte erklärt, warum er so geworden ist, wie er ist, aber sie entschuldigt nichts. Jedenfalls sehe ich es so. Irgendwann muss man erwachsen werden und sein Leben in die Hand nehmen. Ich denke mal, dass auch der Autor, der anfangs diese mitleidserregende Historie bringt, diese bewusst relativiert, indem er eben auch von den Überfällen auf Rentner erzählt. Nichts mit Robin Hood. Nichts mit einer Legende.
Dass die "Kinder des Borgo Vecchio" ihn als Idol sehen, ist nachvollziehbar, denn aufgrund seiner "Schnelligkeit" und "Kaltblütigkeit" kommt er scheinbar doch gut durchs Leben. Dass Toto nach dem Mord mittels Messer jedoch lieber zur Pistole greift (die Pistole ist nicht ein so unmittelbare Mordinsturment wie das Messer), zeigt m.E. allerdings, dass er selbst schon so seine Probleme mit seinem Leben hat und nicht ganz so kaltblütig ist, wie die anderen vermuten. Der letzte Satz dieses Abschnitts, Toto hoffe, die Welt verändern zu können, sollte er Cristofaros' Vater töten, impliziert auf der einen Seite Hoffnung: Hoffnung, sein eigenes Leben in den Griff zu kriegen, durch das Wort "Welt" jedoch auch die Gesellschaft, aber ist - obgleich der Vater ein Unmensch, eine Bestie ist - dieses der rechte Weg. Moralische Fragen ...

Ist der Räuber der Vater ihrer Tochter? Sind das alles nur Gespinste und Kinderphantasien?
Das habe ich mich beim Lesen auch gefragt (und den Abschnitt deshalb auch mehrmals gelesen), bin aber zu keiner abschließenden Meinung gekommen. Mal schauen, was die anderen dazu sagen/schreiben.

Auch ich fand es beim Lesen schwierig, die unterschiedlichen Eben auseinanderzuklamüsern. Alles in allem eine deprimierende Darstellung einer heruntergekommenen Welt. Und trotz allem hoffe ich, dass am Ende doch noch ein Lichtblick erscheint.
 

Literaturhexle

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Ich finde es jetzt ungemein beruhigend, dass andere auch zu kämpfen haben
Oh ja! Ich war schon verwundert, dass sich hier niemand geäußert hat zum 3. Teil. Eigentlich hinke ich ja etwas hinterher. Auch ich habe den Abschnitt doppelt gelesen, weil ich dachte, etwas übersehen zu haben...
Auch ich fand es beim Lesen schwierig, die unterschiedlichen Eben auseinanderzuklamüsern. Alles in allem eine deprimierende Darstellung einer heruntergekommenen Welt.
Im Moment weiß ich wirklich nicht, wo der Autor mit uns hin will. Das nächste (kurze) Kapitel ist leichter zu lesen, wirft jedoch neue Fragen auf.
Die Zustände im Borgo scheinen mir völlig überzeichnet. Die Prügel und das Schreien des Jungen als immerwährende Pein. Furchtbar!
 

ElisabethBulitta

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Die Zustände im Borgo scheinen mir völlig überzeichnet. Die Prügel und das Schreien des Jungen als immerwährende Pein. Furchtbar!

Wobei etwas zu überzeichnen auch eine Ausdrucksweise der Kunst ist und somit seine volle Berechtigung hat.

Es ist beruhigend zu wissen, dass das folgende Kapitel wieder einfacher wird, dennoch werde ich wohl noch weiter hinterherhinken, weil ich momentan nicht den Kopf zum Denken habe.
 

ulrikerabe

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Für mich liest sich das Kapitel zunächst so, als ob sich Kinder eine Abenteuergeschichte zurecht zimmern. Die Polizei, die sich im Viertel nicht asukennt, die aufgeregten Tiere, der Papagei, der vor "den Bullen von Ost" warnt.

Toto ist eine Legende Schon die Geschichte über seinen Vater, aber auch dass die Mutter verrückt im Kloster lebte, ist eine Räuberpistole. Gibt es den Begriff im Italienischen, frage ich mich gerade. Dann passt es genau zum Kapitel.(In der Übersetzung kommt es zumindest vor, S. 75)

Was ich nicht verstanden habe: Auf Seite 92 "Sie (Carmela) wusch ihm die Hand und versteckte das Messer unter Celestes Matratzenfedern....Bis zum fünften Schwangerschaftsmonat kehrte Toto jede Nacht zu ihr zurück." Wie jetzt?
 
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ElisabethBulitta

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Toto ist eine Legende Schon die Geschichte über seinen Vater, aber auch dass die Mutter verrückt im Kloster lebte, ist eine Räuberpistole. Gibt es den Begriff im Italienischen, frage ich mich gerade. Dann passt es genau zum Kapitel.(In der Übersetzung kommt es zumindest vor, S. 75)

Mmh. Ich habe den Begriff "Räuberpistole" eigentlich eher in Hinblick auf Totos "Abenteuer" bzw. seine tollen "Erfolge" (sprich: so schnell zu sein etc.) verstanden, nicht im Hinblick auf seine Familie und sein Leben allgemein.
 

ulrikerabe

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Mmh. Ich habe den Begriff "Räuberpistole" eigentlich eher in Hinblick auf Totos "Abenteuer" bzw. seine tollen "Erfolge" (sprich: so schnell zu sein etc.) verstanden, nicht im Hinblick auf seine Familie und sein Leben allgemein.
Räuberpistole im Sinne von konstruierter, übertriebener Geschichte. Totos Vater Opfer eines tragischen Irrtums, die Mutter im Kloster wahnsinnig. Das ganze Buch liest sich wie eine italienische Oper, besser noch wie die Karikatur einer italienischen Oper. Dann noch die pseudoreligiöse Symbolik (das steigert sich später noch).
 

claudi-1963

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Für mich liest sich das Kapitel zunächst so, als ob sich Kinder eine Abenteuergeschichte zurecht zimmern. Die Polizei, die sich im Viertel nicht asukennt, die aufgeregten Tiere, der Papagei, der vor "den Bullen von Ost" warnt.

Toto ist eine Legende Schon die Geschichte über seinen Vater, aber auch dass die Mutter verrückt im Kloster lebte, ist eine Räuberpistole. Gibt es den Begriff im Italienischen, frage ich mich gerade. Dann passt es genau zum Kapitel.(In der Übersetzung kommt es zumindest vor, S. 75)

Was ich nicht verstanden habe: Auf Seite 92 "Sie (Carmela) wusch ihm die Hand und versteckte das Messer unter Celestes Matratzenfedern....Bis zum fünften Schwangerschaftsmonat kehrte Toto jede Nacht zu ihr zurück." Wie jetzt?

Ja so hatte ich auch den Eindruck, das ganze Anhimmeln von Toto das Mimmo und Cristofaro haben erscheint mir zwar kindlich zu sein, aber ich empfand es auch etwas übertrieben.

So langsam weiß ich auch nicht worauf der Autor mit dieser Geschichte hin möchte. Will er uns ein übertriebenes, drastisches Kinderbild darstellen?

Auch Totos Leben ist ja nicht gerade nacheifernswert, er scheint ja ständig auf der kriminellen Bahn zu sein. Das Mimmo ihn sogar am liebsten zum töten von Cristofaros Vater anheuern möchte kann ich gerade noch so nachempfinden.

Jedenfalls habe ich das Gefühl, das es keine normale Kindheit in diesem Dorf gibt.
 

claudi-1963

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Auch ich fand es beim Lesen schwierig, die unterschiedlichen Eben auseinanderzuklamüsern. Alles in allem eine deprimierende Darstellung einer heruntergekommenen Welt. Und trotz allem hoffe ich, dass am Ende doch noch ein Lichtblick erscheint.

Ja gerade bei Toto da vermischte sich immer mal die Vergangenheit und die Gegenwart miteinander, das fand ich auch etwas irritierend.

Jedenfalls ist dieses Buch keine leichte Lektüre.
 
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Ja so hatte ich auch den Eindruck, das ganze Anhimmeln von Toto das Mimmo und Cristofaro haben erscheint mir zwar kindlich zu sein, aber ich empfand es auch etwas übertrieben.

Critofaros Vater ermorden lassen zu wollen, enthält trotz allem viel (kriminelles) Potenzial und ich weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Aber dass die Jugendlichen Toto als Vorbild sehen, ist für mich realistisch. Sie leben in einer bestimmten Welt, die sie halt für "die" Welt halten. Dieser Effekt begegnet uns auch im alltäglichen Leben zur Genüge. Man braucht sich ja nur die sozialen Netzwerke anzuschauen. Ich wundere mich jedenfalls immer wieder darüber, was wahr halten oder als rechtens empfinden.

Ich habe übrigens mal gegoogelt: Toto ist die Abkürzung für den lateinischen Namen "Salvatore", was eben Erlöser, Retter bedeutet.
 

ElisabethBulitta

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Apropos Name:

Auf Mimmo/Domenico und Cristofaro wurde ja schon eingegangen, auch was Celeste bedeutet, war mir klar (himmlisch/himmelblau). Und Carmela ist "Carmen", bedeutet "Sternenhimmel". Letzteres musste ich allerdings auch googeln. Zuerst hatte ich ja Karmliter assoziiert, was, wie ich auch nachschauen musste, "Weingarten Gottes" bedeutet. Ich muss ja gestehen, dass ich mich um die Namen bisher kaum geschert habe, da heute Namen ja oft beliebig benutzt werden, aber auch hier haben sie alle eine (tiefere) Bedeutung.
 

claudi-1963

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Critofaros Vater ermorden lassen zu wollen, enthält trotz allem viel (kriminelles) Potenzial und ich weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Aber dass die Jugendlichen Toto als Vorbild sehen, ist für mich realistisch. Sie leben in einer bestimmten Welt, die sie halt für "die" Welt halten. Dieser Effekt begegnet uns auch im alltäglichen Leben zur Genüge. Man braucht sich ja nur die sozialen Netzwerke anzuschauen. Ich wundere mich jedenfalls immer wieder darüber, was wahr halten oder als rechtens empfinden.

Ich habe übrigens mal gegoogelt: Toto ist die Abkürzung für den lateinischen Namen "Salvatore", was eben Erlöser, Retter bedeutet.

Du meinst also auch das dies (Toto) eine Anspielung auf die Religion ist?
Den so ganz werde ich aus diesem Buch nicht schlau, irgendwie fehlt mir ein bisschen der rote Faden auf den der Autor hinauswill, aber vielleicht wird es ja noch was am Ende?
 

Bibliomarie

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Mit diesem Abschnitt hatte ich auch einige Schwierigkeiten. Er wirkt für mich isoliert. Schnell wie der Wind und schlau - die Polizei kann ihm nie etwas anhaben. Wie von Zauberhand ist er plötzlich drei Straßen weiter bei seinem nächsten Opfer.
Anfangs dachte ich, Toto wird als eine Art "Rächer der Armen" dargestellt, aber das ist er nicht. Er macht keinen Unterschied, wen er bestielt, die reiche Frau beim Einkaufsbummel oder den armen Rentner, der jetzt nicht weiß, wie er den Monat überstehen soll.

Aber für die Jungs ist er ein Held, er narrt die Polizei, prahlt mit Pistole und Messer und signalisiert Stärke. Das ist heute eigentlich nicht viel anders, wenn sich Jungs als Laufburschen bei Familienclans und Mafia hocharbeiten.
Aber ihre Hoffnung, dass der alte Klepper ein Rennen gewinnt und sie das Geld haben um Toto als Mörder zu engagieren, ist schon sehr weltfremd.

Bei der Erwähnung, dass die Mutter zu verrückt für das Irrenhaus war und in einem Kloster aufgenommen wurde, musste ich stutzen. Ist sie einem religiösen Wahn verfallen?
 

Bibliomarie

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In diesem Kapitel kriegen wir eine Art Heldenlegende über Toto aufgetischt: der omnipotente Räuber, der schneller ist als er Wind, selbst schneller als sein eigener Geruch, der Räuber, den die Polizei nicht zu fassen kriegt, weil er klüger ist als sie und viele Freunde hat...

Die Beschreibung klingt wirklich wie die sprichwörtliche Räuberpistole.
 
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Dass Toto nach dem Mord mittels Messer jedoch lieber zur Pistole greift (die Pistole ist nicht ein so unmittelbare Mordinsturment wie das Messer), zeigt m.E. allerdings, dass er selbst schon so seine Probleme mit seinem Leben hat und nicht ganz so kaltblütig ist, wie die anderen vermuten

Stimmt, ein Messer muss man führen. Man spürt den Widerstand des Körpers, man muss das Messer wieder aus dem Leib ziehen. Das ist bei einem Schuss anders, man ist einfach entfernter.

Aber ob er deswegen nicht so kaltblütig ist, mag ich nicht beurteilen.
 
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Bei der Erwähnung, dass die Mutter zu verrückt für das Irrenhaus war und in einem Kloster aufgenommen wurde, musste ich stutzen. Ist sie einem religiösen Wahn verfallen?

Das glaube ich nicht. Religiöser Wahn ist ein Wahn, also eine Krankheit, die behandelt gehört. Aber wenn man sich die Geschichte der modernen Krankenhäuser anschaut, ist es eine Geschichte des Christentums, denn diese Einrichtungen gab es vor allem in Klöstern. Wobei ich nicht weiß, wie es in Italien ist, wo die Antike natürlich eine andere Rolle spielt, und in der Antike gab es auch schon Krankenhäuser. Wenn ich mich richtig an Lütz' "Irre! Wir behandeln die Falschen" erinnere, waren auch Klöster die ersten, die sich um pychisch Kranke gekümmert haben. Zwar unter für heute indiskutablen Umständen, abgesondert von allen anderen, teils auch zum Arbeiten verdonnert, aber eben nicht im Straßengraben liegen gelassen. Vielleicht ein Bild dafür, dass sie so "irre" war, dass niemand sie wollte? Ach ja, schwierig alles.