3. Leseabschnitt: Apologoi (S. 167 bis S. 233)

Literaturhexle

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Leider kann ich euch keine Zusammenfassung liefern. Der Autor behält seinen Erzählmodus bei: er erklärt uns die Odyssee, indem er ins Seminar zurückkehrt. Die Diskussionen sind sehr erhellend. Spannend die Situation, als die Studenten neue Wege der Interpretation beschreiten und Dan damit vor das Problem stellen, dass er vor seinem Vater gut aussehen will, und nicht so souverän agiert wie gewöhnlich.

Im Kern beschäftigt sich dieser Abschnitt aber mit der gemeinsam unternommenen Kreuzfahrt auf Odysseus' Spuren. Hier kommen sich Vater und Sohn sehr nah. Daniel hat seinen Vater noch nie so entspannt und humorvoll erlebt, er mutmaßt sogar, dass "dies der Vater ist, der er immer hatte sein wollen". Jay genießt die Reise sichtlich, erfreut sich an den alten Melodien des Pianisten, geht aus sich raus, ist gesellig.

Rührend, wie er seinen Sohn bei einer Höhlenbesichtigung an die Hand nimmt, um ihn vor seiner Klaustrophobie zu schützen. Die Gespräche über den schwulen Freund, über den Tod und die Angst vor dem Sterben....
Man möchte jedem noch so eine private Reise mit einem alten Elternteil wünschen, bevor der Tod anklopft.

Am Ende erreichen sie das Ziel Ithaka aufgrund eines Streiks nicht. Hier darf unser Erzähler stattdessen einen Vortrag über weitergehende Texte zur Odyssee und Ithaka halten. Man kommt zu der Erkenntnis, dass der Weg wichtiger ist als das Ziel. Es schließt sich ein weiteres tiefgreifendes Vater-Sohn-Gespräch an, das zu großer Übereinstimmung in Sachen Zielerreichen/Neues ausprobieren/Leben gestalten führt.
"Heimkehr ist in gewisser Weise ein Tod. "
Am Ende freut sich der Ältere: er sieht seine Aussage erneut bestätigt: "Das Gedicht ist realer als der Ort!"
 

Querleserin

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Mir hat dieser Abschnitt außerordentlich gut gefallen. Die gemeinsame Reise, die Dan völlig neue Perspektiven auf den Vater eröffnet. Er scheint auf Reisen ein anderer Mensch zu sein - wahrscheinlich ist er Fan auch dankbar für diese Gelegenheit gemeinsam die "Odyssee" zu erleben.
Bei der Interpretation fand ich beeindrucken, wie sehr sich Fan von seinen Student* innen anstecken lässt- aber der Text lässt diese letztlich nicht zu...Da müsste ich auch schmunzeln. Berufsalltag ;)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Rührend, wie er seinen Sohn bei einer Höhlenbesichtigung an die Hand nimmt, um ihn vor seiner Klaustrophobie zu schützen.
Ich empfand dies auch als sehr berührend, diese Innigkeit zu spüren zwischen zwei Personen/engen Familienmitgliedern, bei denen sonst nicht unbedingt eine große Innigkeit zu spüren ist. Und gleichzeitig dazu auch die Mitteilung, dass Daniels sechsjähriger Sohn Thomas seinen Vater nach dem simulierten Raumflug in Disneyland auch in die Arme nimmt um ihn zu beruhigen. Und ebenso die Behauptung von Daniels Vater, dass er die Grotte der Kalypso auf Gozo nur durch die Hilfe von seinem Sohn geschafft hatte, der Vater schützt seinen Sohn. Wunderschön! Dies musste ich schonmal loswerden. Bin noch mitten im Abschnitt. :)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Und auch hier muss ich mich sofort melden. Als der Vater seinem Sohn von seinem schwulen Freund Joopy erzählt und seinem ihm von diesem Freund verliehenem Spitznamen Loopy. Der Sohn daraufhin etwas irritiert reagiert und fragt warum er ihm, seinem schwulen Sohn, nicht eher davon erzählt hat. Die Antwort des Vaters ist soooo schön "Es ist eine Odyssee-Kreuzfahrt. Jeder hat eine Geschichte zu erzählen. Und jeder … jeder hat eine Schwäche." Wunderschön!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Bin jetzt durch diesen Abschnitt durch und hier hat mir die Art der Erzählung besonders gefallen. Vielleicht um auf die Erzählungen, die Apologoi, einzugehen, verändert sich hier die Erzählart, es existieren drei Ebenen. Nicht mehr zwei wie in den vorangegangenen Kapiteln. Einmal sind wir auf der Kreuzfahrt mit Vater und Sohn im Mittelmeer unterwegs, zeitlich im Juni verortet, einmal sind wir beim Seminar bei den Studenten, zeitlich im März verortet und dann kommen als drittes die Rückblicke in die Vergangenheit. Gut gemacht! Und immer noch sehr interessant.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Man möchte jedem noch so eine private Reise mit einem alten Elternteil wünschen, bevor der Tod anklopft.
Definitiv. Dies wirkt wie ein Neuentdecken eines Menschen. Der Vater gibt sich auf dieser Reise ganz anders, dem Sohn viel näher, aber auch viel menschlicher, hat den Sockel abgebaut, auf dem er bisher stand, erscheint nahbarer.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Am Ende erreichen sie das Ziel Ithaka aufgrund eines Streiks nicht. Hier darf unser Erzähler stattdessen einen Vortrag über weitergehende Texte zur Odyssee und Ithaka halten. Man kommt zu der Erkenntnis, dass der Weg wichtiger ist als das Ziel. Es schließt sich ein weiteres tiefgreifendes Vater-Sohn-Gespräch an, das zu großer Übereinstimmung in Sachen Zielerreichen/Neues ausprobieren/Leben gestalten führt.
"Heimkehr ist in gewisser Weise ein Tod. "
Am Ende freut sich der Ältere: er sieht seine Aussage erneut bestätigt: "Das Gedicht ist realer als der Ort!"
Diese Betrachtungen, durch das Nichterreichen von Ithaka hervorgerufen, empfand ich auch sehr bedeutsam. Das Sinnieren halt. ;)
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich stimme euch zu. Dieser Teil ließ sich sehr flüssig lesen. Mendelsohn gelingt es spielerisch uns die verschiedenen Abenteuer des Odysseus und ihre Bedeutung zu vermitteln. Mal werden die Geschehnisse im Seminar erörtert, mal werden sie beim Besuch des Ortes im Rahmen der Kreuzfahrt miterzählt.

Schön fand ich auch, wie Vater und Sohn sich auf der Kreuzfahrt näher gekommen sind. :)
 

Renie

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Im Kern beschäftigt sich dieser Abschnitt aber mit der gemeinsam unternommenen Kreuzfahrt auf Odysseus' Spuren. Hier kommen sich Vater und Sohn sehr nah. Daniel hat seinen Vater noch nie so entspannt und humorvoll erlebt, er mutmaßt sogar, dass "dies der Vater ist, der er immer hatte sein wollen".
Ich finde es erstaunlich, dass aus diesem verschlossenen und ernsthaftem Mann, vor dem sein Sohn als Kind vielleicht ein bisschen Angst hatte, solch ein liebenswürdiger und weiser Mensch geworden ist. Noch schöner, finde ich, dass Dan diese Wendung in der Persönlichkeit seines Vaters wahrnimmt. Teilweise ungläubig, genießt er am Ende doch seinen "neuen" Vater.

Und ich bin auch neidisch. Denn ich finde diese Reise vom Thema her genial. Das wäre etwas für mich.:)
 

Renie

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Es gibt in diesem Abschnitt eine Stelle, da wollen die Studenten nicht so, wie Dan gern möchte. Sie haben andere Interpretationsansätze, die irgendwie nicht mit seinen eigenen übereinstimmen.
Da musste ich doch glatt an meine Schulzeit denken. Denn dieses Nicht-Zulassen von anderen Denkweisen ist mir bei Interpretationen immer gegen den Strich gegangen. Vielleicht war das auch der Grund, warum mir viele Bücher im Unterricht verleidet wurden.:rolleyes:
 

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Es gibt in diesem Abschnitt eine Stelle, da wollen die Studenten nicht so, wie Dan gern möchte. Sie haben andere Interpretationsansätze, die irgendwie nicht mit seinen eigenen übereinstimmen.
Da musste ich doch glatt an meine Schulzeit denken. Denn dieses Nicht-Zulassen von anderen Denkweisen ist mir bei Interpretationen immer gegen den Strich gegangen. Vielleicht war das auch der Grund, warum mir viele Bücher im Unterricht verleidet wurden.:rolleyes:
Ich nehme mal kurz die Gegenposition ein ;). Wenn man selbst von einer Interpretation überzeugt ist, sie schlüssig findet, ist es wirklich schwer da gedanklich flexibel zu bleiben. Bewundernswert, dass Dan sich auf seine Student*innen einlässt und die neue Sichtweise prüft.
 

Renie

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Ich nehme mal kurz die Gegenposition ein ;). Wenn man selbst von einer Interpretation überzeugt ist, sie schlüssig findet, ist es wirklich schwer da gedanklich flexibel zu bleiben. Bewundernswert, dass Dan sich auf seine Student*innen einlässt und die neue Sichtweise prüft.
Zack, und schon ist meine Rechnung aufgegangen. Ich war mir sicher, dass du antworten wirst. :p
Und natürlich hast Du Recht. Lehrer sind auch nur lesende Menschen.;)
 

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Zack, und schon ist meine Rechnung aufgegangen. Ich war mir sicher, dass du antworten wirst. :p
Und natürlich hast Du Recht. Lehrer sind auch nur lesende Menschen.;)
Da bin ich ja schön in deine Falle getreten :D. Letztlich sind auch wir auf Expert*innen angewiesen. Ich versuche zumindest auch andere Denkrichtungen zuzulassen;)
 

Bibliomarie

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Ein sehr schöner Abschnitt, die gemeinsame Kreuzfahrt ist ein Höhepunkt des Abschnitts. Dan lernt seinen Vater von einer ganz neuen Seite kennen. Vielleicht so, wie er als Vater hätte sein mögen und so hätte sich ihn Dan wohl gewünscht. Eine große Nähe entsteht, auch wenn man spürt, dass das Ende nahe ist. Nicht nur das Ende der Reise, sondern auch Jays Leben nähert sich dem Ende.
So ist letztlich das Nichterreichen Ithakas auch etwas Positives - es gibt noch ein Ziel. Sehr schön wird das auch durch die Einbeziehung des Werks von Kavafis und Tennyson illustriert.

Aber es bietet auch wieder Gelegenheit zum Schmunzeln, so wenn gleich zu Beginn das braunglänzende Polyesterhemd des Vaters über Bord geht. (Haben wir nicht schon genug Plastik im Meer ?;))

Auch der von Dan im Seminar gefürchtete Beginn eines Einwurfs von Jay: "bin ich der Einzige, der...." fällt. Es nicht zu übersehen, dass Jay nicht sehr viel von Odysseus hält. Zu oft nimmt er Hilfe der Götter in Anspruch oder agiert mit Listen und Verstellungen. Etwas, was dem gradlinigen alten Mann gegen den Strich geht.

Im Seminar merke am Umgang mit den Einsprüchen der Studenten, dass Dan auch offen für andere Meinungen ist, auch wenn es ihn etwas aus dem Konzept brachte, dass das unter den Augen seines Vaters geschah.
Aber man eben "immer alles lesen", wie an anderer Stelle mal gesagt wurde.

Auch ich war sehr berührt vom Ausflug auf Malta, hier hat der Vater den Sohn buchstäblich an die Hand genommen. Ein Augenblick von Innigkeit, Nähe und Verständnis.