3. Leseabschnitt: „Affen“ bis „Unfreiwillige Fleischwerdung“ (S. 162 bis S. 209)

otegami

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17. Dezember 2021
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Diese 9 Kurzgeschichten fallen durch ihre Kürze auf!

Bei 'Affen' gab ich dem Krankenpfleger Recht mit seiner Meinung, dass man Affen doch nicht auf der Straße kauft.' Und dachte mir 'arme Lisette'!

Huiiii, bei 'Die Lösung' wird's ja richtig blutrünstig! Almira konnte ich da gut verstehen, dass sie ausrastete. (Na gut, die Gabel hätte ich jetzt nicht verwendet! ;) ) Und auf die Verbindung mit den Elefanten wäre ich ich auch nicht gekommen! Aber offensichtlich ist für Almira der Gefängnisaufenthalt nicht der Weltuntergang.

Mit 'Eröffnungrede' konnte ich so gar nichts anfangen! 'Hauptsache was gesagt' fiel mir dazu ein!

Meine Lieblingsgeschichte war dann 'Heimliches Glück'! Und ich denke, wir Leseratten können das alle nachvollziehen und empfanden die Buchhändlerstochter als Miststück!
Sehr gut empfand ich die Reaktion der Mutter! (Ihr Entsetzen über das Verhalten ihrer Tochter ist gut beschrieben!)

'Rest vom Karneval': ich konnte sooo gut nachfühlen, wie es der Ich-Erzählerin ging - diese Enttäuschung und danach dieses reuige Denken an den schlimmen Zustand der Mutter. Und dann als 'happy end' der 12-Jährige! Mir ging das Herz auf!

Auweia, 'Gott vergeben' war nichts für mich! Und mit dem Philosophieren über die Liebe konnte ich auch nichts anfangen: "Ich wusste nicht, dass man erst wahrhaft liebt, wenn man zusammenzählt, was man nicht versteht.' :monocle

Bei 'Hundert Jahre Ablass' fragte ich mich, ob die Mutter nichts gemerkt hat, dass ihre Tochter da eine wunderschöne Rose im Zimmer (?) stehen hatte. Und offensichtlich immer wieder!

Putzig fand ich die Doppeldeutigkeit bei 'eine Hoffnung'! Einfach nur schön und herzerwärmend!

'Unfreiwillige Fleischwerdung : *hüstel* nein, das war nichts für mich! Dafür bin ich zu handfest! Stehe dafür zu sehr auf dem Boden!
 

Emswashed

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Die Herausforderungen mehren sich (in immer kürzeren Abständen;)).

Bei Affen musste ich an unseren Welpen- und Kittenhandel denken, nur dass es eben in Südamerika kleine Äffchen waren, die man sich besorgen konnte. Dieser Gedanke war erst einmal gewöhnungsbedürftig, aber den gleichen Text mit einem Hund, oder einer Katze, wäre mir wahrscheinlich völlig normal vorgekommen.

Die Lösung war wieder einer Geschichte, die mir in ihrer Art gefallen hat. Zwei sehr unterschiedliche Menschen, Almira und Alice, die zusammenhängen, wie Siamesische Zwillinge. Almira erträgt Alices Erniedrigungen, bis es eines Tages aus ihr herausbricht und sie ohne Vorwarnung zuschlägt. Etwas "handgreiflicher" als in Alles Gute zum Geburtstag, aber ebenso unerwartet.
" Niemand erinnerte sich daran, dass Elefanten, den Fachleuten zufolge, außerordentlich empfindlich sind, selbst an ihren dicken Beinen.", ein schönes Zitat! Natürlich kann kein Richter alle Beleidigungen, die im Leben vorangegangen sind, mit berücksichtigen und muss sein Urteil fällen. Aber Almira scheint Genugtuung bekommen zu haben.

Tja, die Eröffnungsrede war leider ungenießbarer Tobak für mich. Ich habs nicht kapiert und meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um die Entwicklung eines Weltraumfahrstuhls (was aber wohl nicht im Sinne Lispectors war). Vergänglichkeit alles Lebendigen ist vielleicht auch eine Assoziation, aber hier schnall ich eigentluch gar nichts.

Heimliches Glück konnte ich dagegen wieder vollumfänglich nachvollziehen. Allerdings lag mein Mitleid auf beiden Seiten. Das kleine, dicke, vollbusige Mädchen mit dem viel zu krausen Haar, hat ihre Macht als Buchhändlerstochter ausgenutzt, um täglich besucht zu werden. Das ist schlau und gleichzeitig ein großer Hilfeschrei um Aufmerksamkeit. Aber gleichzeitig erniedrigt sie sich, eine Lesesüchtige im Staub kriechen zu lassen. Die andere Partei ist nicht viel besser, dieses Machtspielchen mitzuspielen und nicht zu versuchen, einen Zugang zum Gegenüber zu finden. Es hätte eine wunderbare Freundschaft werden können, wenn nicht die Mutter dazwischen gekommen wäre.
 

Literaturhexle

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Affen
Hier sehe ich den tieferen Sinn in der Parallele zum großen ungewollten Affen. Der Sohn erpresst die Mutter, indem er sagt: "Würdest du ihn behalten, wenn ich dir verspreche, dass er bald stirbt?" Das bringt die Mutter in einen Gewissenskonflikt, eine Freundin hilft...

Später kauft die Mutter das kleine Äffchen, das herausgeputzt ist wie ein Mensch, um ihren Jungen eine Freude zu machen. Dieses Tier jedoch ist ohne fremden Sauerstoff nicht lebensfähig. Es war zudem nur so zahm, weil es krank war. Eine traurige Geschichte. Allerdings wirkt der mit Schmuck behangene Affe etwas surreal auf mich.

Die Lösung
Almira ist eine klassische Außenseiterin, die sich mit Essen Ersatzbefriedigung zu verschaffen scheint. Sie betrachtet Alice als ihre beste Freundin, der es nicht gelingt, sich trotz Widerwillen von der ungeliebten Kollegin zu distanzieren.
Almira wird sehr negativ beschrieben. Die Autorin beschreibt ihr unattraktives Äußeres und legt einen ebenso unattraktiven Charakter nahe (z.B. schlaffe Nerven in einem schlafen Körper).

Beim gemeinsamen Mittagessen kommt es zum Eklat. Ständig heruntergeschluckte Konflikte brechen auf beiden Seiten raus. Zequinha ist übrigens ein berühmter brasilianischer Fußballspieler gewesen (geb. 1934)

Das Zitat mit den Elefanten finde ich despektierlich: warum sollten Dicke weniger empfindsam sein als Schlanke? Sie sind genauso empfindlich wie andere Menschen auch. In der Regel haben sie sich vielleicht an ein gewisses Maß an Piesackereien frühzeitig gewöhnt.

Im Grunde endet die Geschichte versöhnlich, weil es Almira offenbar im Gefängnis besser ergeht als zuvor.

Eröffnungsrede
Gerade fing der LA mir zu gefallen an, da kommt dieser Rückschlag. Metallschnur als Lebenslinie, die es zu füllen gilt? Ab und zu ein verständlicher Satz (meinte ich), der sofort wieder durch das Folgende unverständlich wird. Ein Text für Spezialisten. Ich bin raus!
 

Literaturhexle

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Heimliches Glück
Allmählich habe ich den Eindruck, dass hier Dicke gemobbt werden. Erst war es die dicke Kollegin, jetzt die dicke, teuflische, hässliche Schulkameradin. Die Autorin kreiert ein Stereotyp, rote Haare willkommen.

Gut transportiert wird die Bücherliebe der Protagonistin. Die kann man sehr gut nachvollziehen: "Glück sollte für mich immer etwas Heimliches bleiben."

Reste vom Karneval
Die Geschichte scheint leicht verständlich. Der Reiz der Verkleidung, das Annehmen einer anderen Identität hat Reiz für die meisten Kinder. Der Straßenkarneval in Brasilien wohl besonders.
Die Krankheit der Muttrr kommt dazwischen und entzaubert die Verwandlung. Ein versöhnendes Ende. Nett.

Gott vergeben
Nee, sorry. Die Philosphiererei über die gefühlte Mutter Gottes, Gott und tote Ratten ist mir zu abgehoben und hat einen predigthaften Klang. Zu hoch für mich;)

Hundert Jahre Ablass
Wieder tauchen Rosen auf. Sie sind eine beliebtes, wiederkehrendes Motiv in Lispectors Erzählungen (ebenso wie die hässlichen Dicken;)). Das Ich Stahl als Kind Rosen und erzählt uns davon. Es wollte etwas von der Schönheit dieser Gärten abbekommen. An sich habe ich einen Zugang zum Text. Nur der letzte Satz mit dem Ablass ist wieder zu hoch für mich. Könnt ihr helfen?

Eine Hoffnung
Die Hoffnung kann sich in unterschiedlicher Gestalt zeigen, hier als Grashüpfer. Sie hat natürliche Feinde (Spinne). Eine kleine poetische Fabel, die mir gut gefällt.

Unfreiwillige Fleischwerdung
Hier meine ich, einen fein ziselierten Humor wahrgenommen zu haben. Das Ich schlüpft in verschiedene Menschen, um sie besser kennen zu lernen, identifiziert sich, ahmt sie nach. Dabei sucht sie sich einmal Moral/Unschuld in Form einer Nonne aus, Später wird sie von Prostituierten in ihren Bann gezogen - allerdings ohne Erfolg: Der DICKE (mal wieder) Mann nimm die Avancen nicht zu Kenntnis.

Meistens enden die Geschichten mit einem markanten, bedeutungsschweren Satz.
 

Renie

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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Die Geschichten dieses Leseabschnittes sind deutlich kürzer, als diejenigen, die wir bis jetzt gelesen haben. Doch sind sie auch besser?:think So pauschal lässt sich das nicht sagen. Es gab Höhen und Tiefen:
Affen
Symbolik, Symbolik, Symbolik! Ich sehe nur Symbole in dieser Geschichte, bin mir aber nicht sicher, wofür sie stehen. Alles andere wäre aber auch zu einfach und Clarice-untypisch.
Der Gorilla vom Anfang der Geschichte könnte für einen Mann bzw. Männer stehen.
Lisettes Leben entspricht dem einer Ehefrau
Sauerstoff steht für das Besondere im Leben, quasi das Salz in der Suppe, das Sahnehäubchen
Und Lisette beim Krankenpfleger könnte auf einen Seitensprung im faden Ehealltag einer Ehefrau hindeuten.

Die Lösung
das war mal eine gute Geschichte, die eine "Freundschaft" unter zwei Mädchen beschreibt, wie sie häufig vorkommt : die Schöne und die Hässliche, wobei die Schöne die Hässliche benötigt, um neben ihr noch schöner wahrgenommen zu werden, und die Hässliche ein bisschen vom Glanz der Schönen abbekommen möchte; irgendwann kommt der Moment, da durchschaut die Hässliche das egoistische Spiel, beendet es und lebt von da an glücklich und zufrieden.
Zugegeben, in diesem konkreten Fall finden Glück und Zufriedenheit im Gefängnis statt, was für sich genommen fragwürdig ist. Aber die Hässliche scheint sich wohl zu fühlen.

Eröffnungsrede
Metallschnur? Ach, du meine Güte. Diese Geschichte habe ich nach wenigen Sätzen abgebrochen.

Heimliches Glück
Als Buch-affiner Mensch kann man diese Geschichte nur mögen.

Rest von Karneval
Eine berührende Geschichte: ein 8-jähriges Mädchen, das gern am Karneval teilnehmen möchte und nicht kann, weil die Krankheit der Mutter den Familienalltag dominiert. Endlich hat das Kind Gelegenheit Karneval zu feiern - dank der freundlichen Unterstützung der Mutter einer Freundin.
Manche würden sagen, dass der Wunsch des Kindes und sein Verhalten ganz schön egoistisch sind. In ihr findet ein Kampf statt: Anteilnahme und Pflichtgefühl versus egoistischem Spaß und Lebensfreude. Am Ende siegt der Egoismus, und das ist gut so.

Gott vergeben
Mutter Erde, Mutter Gottes und eine tote Ratte ..... och nö!!!

Hundert Jahre Ablass
Ein Mädchen, das Rosen stiehlt, sehr poetisch geschrieben. Doch wo ist die Sinngebung in dieser schönen Geschichte?

Eine Hoffnung
Eine Heuschrecke namens Hoffnung ergibt eine hübsche Doppeldeutigkeit in dieser Geschichte. Doch leider bleibt die Bedeutung sehr diffus.

Unfreiwillige Fleischwerdung
Worum geht es hier? Jemand anderes sein zu wollen? In die Haut eines anderen zu schlüpfen?
Was ist die Moral von der Geschicht? Frau ist, wer sie ist?


Ich habe bisher selten das Bedürfnis verspürt, neben einem Buch begleitende Interpretationstexte zu lesen. Hier ist das der Fall. Ich steige kaum durch, und diese Ratlosigkeit ist schon frustrierend.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Wollen doch mal schauen, ob wir hier nicht ein Stückchen weiterkommen:

Reste vom Karneval
Ein Parfümzerstäuber und eine Tüte Konfetti mussten reichen, bis unser Mädel im Alter von 8 Jahren das erste Mal kostümiert zum Karneval gehen konnte. Ausgerechnet an diesem Tag geht es ihrer kranken Mutter schlechter: "Kennt das Würfelspiel des Schicksals keine Vernunft?"
Spiele kennen grundsätzlich keine Vernunft, vielleicht Absicht und Würfel sind besonders neutrale Täter ihrer Zunft.
Traurig finde ich auch, dass der Karneval einen derart hohen Stellenwert im Leben der Protagonistin einnimmt und sie sich scheinbar auf nichts anderes im Leben freuen kann.

Gott vergeben
Wie meine Vorgängerinnen schon bemerkten - auch mir ist diese Geschichte unverständlich. Für mich sind es eher Gedankenfetzen, die im Kopf der Verfasserin ihren Sinn haben mögen, uns Leser aber ziemlich ratlos zurücklassen. Etwas mehr Kontext, s'il vous plaît.

Hundert Jahre Ablass
Haben wir als Kinder nicht alle Pflaumen aus Nachbars Garten gestohlen? Rosen (da haben wir sie wieder) und Pitangabeeren (Surinamische Kirschen). Ich frage mich ernsthaft, in was für einer sittenstrengen und puritanischen Zeit Lispector aufgewachsen ist.

Eine Hoffnung
Haha! Also merke, Hoffnungen sind dünn und grün und manchmal dumm. Man muss über sie wachen, "wie man in Griechenland oder Rom über ein gerade entzündetes Herdfeuer wacht." Und Spinnen wollen sie fressen, also erschlägt man die Spinne. Ohje!

Unfreiwillige Fleischwerdung
Das hätte doch mal zur Abwechslung eine tolle Kurzgeschichte werden können, wenn Lispector ihre Protagonistin erst zur Nonne und dann zur Prostituierten mutieren lässt und ein verwirrter Ehemann die Welt nicht mehr versteht... oder so. Aber irgendwie ist die Geschichte nicht fertig. Ein kreatives Schreibseminar kann daraus bestimmt was basteln.

Ich hoffe wirklich, dass da noch ein, oder zwei gute Geschichten kommen. Der Anfang war doch so vielversprechend.
 
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Reaktionen: GAIA und otegami

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
'Unfreiwillige Fleischwerdung : *hüstel* nein, das war nichts für mich! Dafür bin ich zu handfest! Stehe dafür zu sehr auf dem Boden!
Haha, oh ja, das kann ich nachvollziehen.
Die Herausforderungen mehren sich (in immer kürzeren Abständen;)).
Wie Recht du hast!
Bei Affen musste ich an unseren Welpen- und Kittenhandel denken, nur dass es eben in Südamerika kleine Äffchen waren, die man sich besorgen konnte. Dieser Gedanke war erst einmal gewöhnungsbedürftig, aber den gleichen Text mit einem Hund, oder einer Katze, wäre mir wahrscheinlich völlig normal vorgekommen.
Zusätzlich erschrocken hat mich diese Vermenschlichung mit Armbändchen, Schmuck und Allerlei am Äffchen. Tatsächlich macht für mich Welpenhandel und Äffchenhandel keinen Unterschied. Das liegt aber an eigener Tierschutztätigkeiten und ausschließlich und für immer alte Hunde aus dem Tierschutz in meinem Rudel.
Erst dachte ich, mit dieser Geschichte könnte ich gerade wegen dem oben genannten Umstand besonders viel anfangen. Zum Ende hin verflüchtigte sich aber dieses Gefühl. Vor allem mit den Schlusssätzen: "Eine Woche später sagte der Ältere: 'Du siehst Lisette so ähnlich!' - 'Ich habe dich auch lieb', erwiederte ich." ???

Das Ende der ersten Geschichte leitete ein, was sich durch diesen Leseabschnitt kürzester Kurzgeschichten für mich durchzog: Die drei Fragezeichen am Ende einer Geschichte. Wobei ich vielleicht bei der ein oder anderen sogar grob verstand, um was es gehen sollte, so hatte ich Fragenzeichen statt Antworten vor mir, was denn die jeweile Aussage der Geschichte sein sollte. Sie wirkten mir zunehmend wie Fingerübungen einer Literatin.

Eröffnungsrede
Gerade fing der LA mir zu gefallen an, da kommt dieser Rückschlag. Metallschnur als Lebenslinie, die es zu füllen gilt? Ab und zu ein verständlicher Satz (meinte ich), der sofort wieder durch das Folgende unverständlich wird. Ein Text für Spezialisten. Ich bin raus!
Da musste ich wieder an die Literaturwissenschaftler:innen und Philosoph:innen denken, die an diesem Text ihre reine Freude gehabt haben/haben werden. Aber auch für mich "Normalleserin" war das viel kluges Gequatsche, zu dem ich keinen Zugang finden konnte.
Heimliches Glück
Allmählich habe ich den Eindruck, dass hier Dicke gemobbt werden. Erst war es die dicke Kollegin, jetzt die dicke, teuflische, hässliche Schulkameradin. Die Autorin kreiert ein Stereotyp, rote Haare willkommen.
"Die Dicken" sind hier scheinbar eher "die Bösen" und "die Dünnen" sind "die Verrückten", oder? Die schmalen Mädchen/Frauen haben irgendwelche psychischen Ticks.
Gott vergeben
Nee, sorry. Die Philosphiererei über die gefühlte Mutter Gottes, Gott und tote Ratten ist mir zu abgehoben und hat einen predigthaften Klang. Zu hoch für mich;)
Zu dieser Geschichte habe ich mir mal exemplarisch ein paar Textstellen markiert (bei den anderen habe ich es mittlerweile aufgegeben). Im Großen und Ganzen habe ich auch keine Ahnung, was das alles soll, aber ich habe mal wieder eine wilde psychologische Theorie zum Text in Verbindung mit der Autorin. Aus dem Wikipediazitat des 2. LA von @Renie wissen wir, dass Lispektor depressiv war. Schon in ein, zwei Geschichten in den vorherigen LAen hatte ich Hinweise auf eine bipolaren Störung der Protagonistinnen hineininterpretiert. In diesem wilden Gottes-Glaube-Wirrwarr dieser Geschichte findet sich auf Seite 193:
"Ich weiß, es ist unedel, jemandem sehr nahe zu kommen und dann seine Geheimnisse zu verraten, aber ich tue es doch - nein, erzähl es nicht, nur um meinetwillen, erzähl es nicht, behalt für dich, was Ihm [Gott] Schande macht-, o doch, ich erzähle es, ich verbreite, was mir da widerfahren ist, diesmal bleibt das nicht ohne Folgen, ich erzähle jetzt, was Er getan hat, Seinen Ruf kann er vergessen."
(verdammt, war das jetzt ein langes Gelaber) Jedenfalls: Das ist ganz schön größenwahnsinnig, was die liebe Dame da erzählt. Als habe sie die Macht, den Ruf von Gott in dieser Entstehungszeit zu zerstören. Das passt in eine manische Episode.
Entweder im deutschen oder englischen Wikipediaeintrag las ich, dass Lispector mitunter an einem Tag sehr viele Geschichten auf einmal runtergeschrieben hat. So ist meine wilde Hypothese, dass wenn wir annehmen, dass Lispector in ihre Geschichten bzw. ihre Protagonistinnen auch die psychopathologischen Züge ihrer eigenen Erkrankung hat einfließen lassen, dass Lispector vielleicht nicht "nur" depressiv, sondern vielmehr manisch-depressiv gewesen ist. Solche arbeitsamen Tage, an denen die Betroffenen viel auf einmal schaffen, ohne Schlaf zu brauchen, um dann wieder in depressive, untätige Tage zu verfallen, sind sehr typisch für die Erkrankung. Warum steht das dann nicht so bei Wikipedia? Wikipedia weiß doch alles... Tja, noch heute werden bipolare Störungen eher übersehen, da zwar die depressiven Symptome mit Leidensdruck geschildert werden, aber die manischen hintenrunter fallen, weil das ja eigentlich "super gute" Tage sind. So könnte es sein, dass zwar überliefert ist, dass Lispector depressiv war, aber nicht, dass es sich um eine bipolare Störung gehandelt haben könnte. So, das war mein Exkurs in "nicht-beweisbare Hypothesen" von meiner Seite. ;)

Nur der letzte Satz mit dem Ablass ist wieder zu hoch für mich. Könnt ihr helfen?
Die letzten Sätze hinterlassen bei mir derzeit immer wieder Fragezeichen, wie schon oben gesagt. Da werde ich keine große Hilfe sein können... :confused:
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Eröffnungsrede
Metallschnur? Ach, du meine Güte. Diese Geschichte habe ich nach wenigen Sätzen abgebrochen.
Gott vergeben
Mutter Erde, Mutter Gottes und eine tote Ratte ..... och nö!!!
@Renie spricht mir bei diesen beiden Geschichten aus der Seele. Damit konnte ich so gar nichts anfangen.

Sehr gelungen fand ich Eine Lösung, menschlich sehr nachvollziehbar, was sich hier abgespielt hat. In der Kürze der Geschichte überzeichnet zusammengefasst, wie Almiras Punkt erreicht ist. (und auch auch Alices Ausbruch ist für mich verständlich)

Heimliches Glück hat mich gleich mit dem ersten Absatz, der Vater ein Buchhändler, hach :) Der Moment wir der Ich-Erzäherin und der Mutter gleichzeitig die Augen öffnet, die eine belogen, die andere die Mutter der Lügnerin. Gut gemacht!

Reste vom Karneval ist berührend, das Motiv der Rose taucht auf, es geht hier schon ums Gesehen-, und Erwachsenwerden

Bei 'Hundert Jahre Ablass' fragte ich mich, ob die Mutter nichts gemerkt hat, dass ihre Tochter da eine wunderschöne Rose im Zimmer (?) stehen hatte. Und offensichtlich immer wieder!
Hundert Jahre Ablass: wieder die Rose, diese Erzählung fand ich wunderbar in ihrer Interpretationsmölichkeit. Das Mädchen sieht eine noch nicht erblühte Rose in einem fremden Garten und will diese unbedingt, so dass sie sie stiehlt. Das muss sie später immer und immer wieder machen. Es bleibt nicht bei Rosen, auch kleine Beeren werden gestohlen.
Ich weiß nicht, was Freud über diese Geschichte denken würde oder über mich, aber hier geht es um Sex, Erwachen weiblicher Lust, (Selbst)Befriedigung. Das Aufblühen "War das schön" und die Pitangabeeren "bis meine Finger das Feuchte der kleinen Frucht erspürten..." Weltklasse.
Ich glaube nach der Flucht mein zweiter Liebling hier in diesem Buch.