3. Leseabschnitt: 2014 - Seite 137 bis 203

Irisblatt

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Ich bin erst auf S. 153.
Hier musste ich erst einmal ne ganze Menge googeln, um zu verstehen, was Juli beruflich macht bzw. welche Drogen sie außer Alkohol noch konsumiert. Sie hat auf alle Fälle im Bereich Mathematik (Robotik?) studiert, promoviert jetzt und hat offensichtlich auch einen Lehrauftrag an der Uni. Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin und Freundin hat sie den ersten Preis auf der Dubai Challenge gewonnen (da geht es um Robotik). Außerdem spielt sie inzwischen professionell im männlich dominierten Bereich e-sports - immer noch ihr Lieblingsspiel Counter Strike, ein Taktik-Shooter-Spiel. Sie nennt sich dort Jules (das war doch der Name, den Bruno ihr gegeben hatte, oder?)

Sie ist finanziell mehr als unabhängig. Mit ihrer Mutter hat sie zumindest telefonisch Kontakt, der sie aber verständlicherweise eher aggressiv zu machen scheint. Auf einem feministischen Workshop, für den Anikó sie beide angemeldet hat, lernt sie Sanyu kennen und lieben. Sanyu hat sie nach einem halben Jahr verlassen - auch in der Beziehung scheint sie sich Jules genannt zu haben.

Weiß Juli immer, was sie tut? Hat sie Blackouts? Sie behauptet im Gegensatz zu anderen, die Clubangestellte nicht geschlagen zu haben.

Heute Abend lese ich weiter …
 
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Literaturhexle

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Hier bekommen wir jetzt die psychischen Folgen präsentiert, die sich aus der dysfunktionalen Familie mit ihren Gewaltausbrüchen, Abhängigkeiten und Beziehungsstörungen ergeben. Obwohl Juli alles immer glasklar analysiert hat, kann sie nur die äußere Distanz vergrößern, innerlich hängt sie noch immer an den Eltern. Noch immer verhält sie sich absolut loyal, niemandem erzählt sie irgendwas von ihrer schwierigen Kindheit oder ihren Narben, auch ihren nächsten Freunden nicht. Sie hat keine Therapie gemacht, für die das Reden auch Voraussetzung wäre. Dadurch kann sie sich nicht befreien und ihre Dämonen brechen immer wieder durch. Das Ganze wird erneut sehr plastisch und nachvollziehbar geschildert.

Juli verliebt sich heftig in Sanyu, die zu ihrem Rettungsanker werden soll. Dabei klammert sie und überfordert ihr Gegenüber. Wie soll Sanyu das zerrissene Verhalten, die verstörende Bruderliebe verstehen? Geht kaum. Aber Sanyu ist auch tough: sie akzeptiert nicht, dass Juli andere für ihr verkorkstes Leben verantwortlich machen will. Tenor: irgendwann ist man erwachsen und musst selbst für dich gerade stehen. Sanyu spürt, dass etwas nicht stimmt mit Juli, kommt aber nicht an sie heran. Die Feedbackbögen beweisen eine offensichtliche Störung, Sanyu wirkt geschockt, die Distanz erweitert sich.

Nach dem Eklat beim Konzert und der Trennung ist Juli von der Rolle. Ihr Leben scheint jetzt völlig zu entgleiten. Ihr heiliger Bruder hat sie um 5000 Euro geprellt, sie hat Schulden und eine Anzeige am Hals. Trotz bester intellektueller Fähigkeiten, kann sie nichts aus ihrem Leben machen. Zu unzuverlässig ist sie und ihren Stimmungsschwankungen ausgeliefert, die sie mit Alkohol und Drogen zu kanalisieren versucht. Sie läuft Gefahr, beide Jobs zu verlieren.

Juli meint, ihren Bruder und ihre Mutter beschützen zu müssen. Das empfinde ich als krankhafte Abhängigkeit. Der Mutter gegenüber tritt Reue und schlechtes Gewissen hinzu. Juli fährt zu diesem vermaledeiten Geburtstag! Ich glaube nicht, dass das gut geht. Habe ich richtig gelesen? Max ist Bürgermeister im Heimatort? Hat der sein Leben tatsächlich hingekriegt und spielt die heile Familie weiter. Unglaublich! Vielleicht profitiert er sogar davon, dass Bruno und Juli "Gefallene" sind. Nun ist er das "Königskind".
 

Literaturhexle

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Nach wie vor gefällt mir der Schreibstil sehr. Auch wie diese neue Liebe zu Sanyu geschildert wird: zwischen Sanftheit, Verletzlichkeit, Leidenschaft, Unverständnis, Aggression und Streit werden die unterschiedlichen Phasen realistisch geschildert. Nach wie vor im rotzigen Juli-Ton. Dass sie älter geworden ist, merkt man an der Sprache nicht.
Die Vergleiche sind super! Bsp.: "Denn bei der Trennung sollten sie (die Beleidigungen) alle wieder aufrechte vor uns stehen wie verbeulte Büchsen in der zweiten Runde am Schießstand."184

Ich erwarte für den Heimatbesuch nichts Gutes. Lange habe ich kein Buch mehr als so fesselnd empfunden;)
 

Literaturhexle

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Weiß Juli immer, was sie tut? Hat sie Blackouts?
Offenbar scheint mit der Aggression ein Filmriss einher zu gehen, so dass sie ab einer bestimmten Stelle nicht mehr weiß, was sie gesagt oder getan hat. Ich kannte mal jemanden, der im Zorn geschrien hat wie ein Rohrspatz und wenn man sich später über das Geschrieene beschwert hat, wollte sie nichts mehr davon wissen. Ich habe das für eine dumme Ausrede gehalten, wenn ich ehrlich bin. Gibt es das wirklich?

auch in der Beziehung scheint sie sich Jules genannt zu haben.
Sie fragt sich ja selbst, warum sie beim Zusammensein mit Frauen immer den männlichen Part übernimmt (Tür aufhalten etc.). Fühlt sie sich als Beschützer?
 

Literaturhexle

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Juli ist in diesem negativen Beziehungsgeflecht total verfangen, möchte die Mutter nicht alleine lassen, fühlt sich verantwortlich, möchte sie da raus holen - sie fühlt sich verantwortlich
Diese emotionalen Verstrickungen hast du toll erklärt und zusammengefasst. Stimmt genau. Man macht sich ja gar kein Bild davon...

Sie wirkt auf mich weniger pubertär.
Da könntest du Recht haben. Trotzdem ist der Grundton noch Juli. Mit 25 muss man ja auch noch keinen Erwachsenensprech haben;)

Möglicherweise muss Juli jetzt mangels Geld ihren Vater um rechtlichen Beistanf bitten. Das dürfte ihr schwer fallen.


dass diese mächtige Position auch wieder perfekt für Vertuschung geeignet ist.
Interessanter Gedanke. Auf alle Fälle hat Max sich allem Anschein zum Trotz nicht aus dem Dunstkreis seiner Eltern befreien können.
 

Irisblatt

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Da könntest du Recht haben. Trotzdem ist der Grundton noch Juli. Mit 25 muss man ja auch noch keinen Erwachsenensprech haben;)
Der Grundton ist auf alle Fälle der gleiche! Ich bin nur über deine Anmerkung zur Sprache gestolpert, weil ich mir das Gegenteil notiert hatte - nämlich dass sich die Sprache verändert hat. Finde die Sprache absolut stimmig für Juli!
 

Irisblatt

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Obwohl Juli alles immer glasklar analysiert hat, kann sie nur die äußere Distanz vergrößern, innerlich hängt sie noch immer an den Eltern. Noch immer verhält sie sich absolut loyal, niemandem erzählt sie irgendwas von ihrer schwierigen Kindheit oder ihren Narben, auch ihren nächsten Freunden nicht.
Es wird sehr deutlich, dass emotionale Verstrickungen nur bedingt durch den Verstand gelöst werden können.
Dass sie so loyal ist und noch nicht einmal mit ihren nächsten Freunden über ihre Familie spricht, zeigt wie weit sie von einer Verarbeitung entfernt ist. Die Beziehung zur Mutter empfinde ich fast noch dramatischer als die zum Vater. Beim Vater ist alles klar: er ist ein Psychopath, Tyrann, der die ganze Bandbreite an Gewalt an seiner Familie auslässt.
Die Mutter ist sowohl Opfer als auch Täterin. Sie überschüttet Juli in bestimmten Situationen mit Fürsorge, entzieht sich jeder Verantwortung, führt sich selbst teilweise wie ein verletztes Kleinkind auf, will die Wahrheit nicht sehen, spricht immer noch davon, ihren Mann zu lieben, bettelt bei den Kindern um Trost. Juli ist in diesem negativen Beziehungsgeflecht total verfangen, möchte die Mutter nicht alleine lassen, fühlt sich verantwortlich, möchte sie da raus holen - sie fühlt sich verantwortlich (Zusammenbruch während des Umzugs, S. 167)


Sanyu spürt, dass etwas nicht stimmt mit Juli, kommt aber nicht an sie heran. Die Feedbackbögen beweisen eine offensichtliche Störung, Sanyu wirkt geschockt, die Distanz erweitert sich.
Die Bewertungsbögen, die sie von ihren Student:innen erhalten hat, haben mich ebenso erschreckt wie Sanyu.

Nach dem Eklat beim Konzert und der Trennung ist Juli von der Rolle. Ihr Leben scheint jetzt völlig zu entgleiten. Ihr heiliger Bruder hat sie um 5000 Euro geprellt, sie hat Schulden und eine Anzeige am Hals. Trotz bester intellektueller Fähigkeiten, kann sie nichts aus ihrem Leben machen. Zu unzuverlässig ist sie und ihren Stimmungsschwankungen ausgeliefert, die sie mit Alkohol und Drogen zu kanalisieren versucht. Sie läuft Gefahr, beide Jobs zu verlieren.
Weder Juli noch Bruno bekommen ihr Leben auf die Reihe, neigen zu Gewaltausbrüchen, wenn es emotional schwierig wird. In diesem Abschnitt ist mir klar geworden wie viel Julis Eltern bei ihren Kindern zerstört haben. Juli ist nicht in der Lage, sich gut um sich zu kümmern (Alkohol, Überlastung ….). Es war nie wichtig wie sie sich fühlt - Leistung war entscheidend, ein kaputtes Knie wurde vom Onkel so lange mit Spritzen versorgt, bis gar nichts mehr ging. Wenn die Seele und der Körper täglich misshandelt werden, ist es unmöglich ein Gespür dafür zu entwickeln, wann etwas nicht gut tut oder eine Pause nötig ist.


Max ist Bürgermeister im Heimatort? Hat der sein Leben tatsächlich hingekriegt und spielt die heile Familie weiter. Unglaublich! Vielleicht profitiert er sogar davon, dass Bruno und Juli "Gefallene" sind. Nun ist er das "Königskind".
Das hat mich auch überrascht. Ich dachte sofort, dass diese mächtige Position auch wieder perfekt für Vertuschung geeignet ist. Ich bin gespannt auf das Familienfest.
Nach wie vor gefällt mir der Schreibstil sehr. Auch wie diese neue Liebe zu Sanyu geschildert wird: zwischen Sanftheit, Verletzlichkeit, Leidenschaft, Unverständnis, Aggression und Streit werden die unterschiedlichen Phasen realistisch geschildert.
Jaaa!
Nach wie vor im rotzigen Juli-Ton. Dass sie älter geworden ist, merkt man an der Sprache nicht.
Ich finde schon, dass sich die Sprache verändert hat. Sie ist immer noch unverkennbar Juli, aber die Schnoddrigkeit hat nach meinem Empfinden deutlich nachgelassen. Sie wirkt auf mich weniger pubertär.

Die Vergleiche sind super! Bsp.: "Denn bei der Trennung sollten sie (die Beleidigungen) alle wieder aufrechte vor uns stehen wie verbeulte Büchsen in der zweiten Runde am Schießstand."184
Ich finde die Bilder, die sie schafft einfach nur großartig - das mit den verbeulten Büchsen ist dermaßen ausdrucksstark - da braucht es keine ausschweifenden Beschreibungen.

Ich erwarte für den Heimatbesuch nichts Gutes. Lange habe ich kein Buch mehr als so fesselnd empfunden;)
Selbst Juli erwartet nichts Gutes! Ich auch nicht. Mich fesselt das Buch auch ... leider stehen jetzt erst einmal andere Dinge an ...
 

Literaturhexle

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Die Beziehung zur Mutter empfinde ich fast noch dramatischer als die zum Vater.
Deine ganze Analyse empfinde ich als sehr zutreffend und stimmig. Die Auswirkungen der Gewalt durchwabern das ganze zukünftige Leben. Gut, dass es solche Bücher gibt, die die Problematik so glaubwürdig transportieren.
 

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29. März 2022
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Sieben Jahre sind vergangen, seit Juli das "Geisterhaus" verlassen hat. Doch die gewaltvolle Kindheit und Jugend ist, wie sich hier deutlich zeigt, nicht spurlos an ihr vorbei gegangen. Sie tut sich sehr schwer, ihren Platz im Leben zu finden. Der Klassiker: Beziehungen sind für sie schwierig. Früher Erlebtes spielt hier mit rein und bewirkt Verhaltensmuster, die ein Anderer nicht verstehen kann und möglicherweise auch nicht muss. Juli hat ein Agressionsproblem, wie wohl auch Bruno. Max ist inzwischen Bürgermeister. Erstaunlich.

Richtig lossagen von der Familie und deren schädlichen Einflüssen konnte Juli sich nicht. Sie ist zumindest über Telefonate mit der Mutter in Kontakt geblieben und nun, da beim Vater ein runder Geburtstag ansteht und sich die Mutter wünscht, Juli beim Fest dabei zu haben, begibt diese sich auf die Reise in die alte Heimat. Da liegt wohl etwas in der Luft...

Das ist aber nicht Julis einziges Problem.
Immernoch lese ich den Roman sehr gerne. der sprachliche Stil scheint sich Julis Entwicklung zur Erwachsenen hin angepasst zu haben. Mir gefällt der Schreibstil aber immernoch sehr und es finden sich immer wieder sehr ausdrucksstarke Bilder und Metaphern.
 

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Weiß Juli immer, was sie tut? Hat sie Blackouts? Sie behauptet im Gegensatz zu anderen, die Clubangestellte nicht geschlagen zu haben.
Sie scheint mitunter Aussetzer zu haben, wo sie nicht weiß, was sie tut, und im nachhinein auch keine Erinnerung an das Geschehene hat.

Sie hat keine Therapie gemacht, für die das Reden auch Voraussetzung wäre. Dadurch kann sie sich nicht befreien und ihre Dämonen brechen immer wieder durch. Das Ganze wird erneut sehr plastisch und nachvollziehbar geschildert.
Ja, das stimmt. Juli macht alles mit sich selbst aus. Ob aber eine Therapie sie hätte befreien können, ist sdehr die Frage, finde ich. Ich denke, dass es bei massiven Gewalterfahrungen insbesondere in der Kindheit eher darum geht, besser mit den Folgen leben zu können. Ich denke, es gibt Dinge, die wird man NIE los und da kann auch die beste Therapie nicht helfen.

Aber Sanyu ist auch tough: sie akzeptiert nicht, dass Juli andere für ihr verkorkstes Leben verantwortlich machen will. Tenor: irgendwann ist man erwachsen und musst selbst für dich gerade stehen. Sanyu spürt, dass etwas nicht stimmt mit Juli, kommt aber nicht an sie heran. Die Feedbackbögen beweisen eine offensichtliche Störung, Sanyu wirkt geschockt, die Distanz erweitert sich.
Ich denke, das ist sehr realistisch dargestellt. Von Außen gibt es IMMER die Erwartung, man müsse sich Hilfe suchen und in Therapie begeben. Es stimmt natürlich schon, dass man für das eigene Handeln und Verhalten selbst die Verantwortung übernehmen muss, was immer man auch erlebt hat. Oft zerbrechen Beziehungen daran, dass die Last für Partner zu groß ist. Sie wollen und können die Last ihres Partners / ihrer Partnerin nicht tragen.

Juli meint, ihren Bruder und ihre Mutter beschützen zu müssen. Das empfinde ich als krankhafte Abhängigkeit. Der Mutter gegenüber tritt Reue und schlechtes Gewissen hinzu. Juli fährt zu diesem vermaledeiten Geburtstag! Ich glaube nicht, dass das gut geht
Abhängigkeit zum einen, aber eben auch Ausdruck des Grundbedürfnisses nach Liebe, Anerkennung und Geborgenheit. Egal, was passiert ist, Familie ist und bleibt Familie. Dort wünscht man Halt zu finden, und für Familienmitglieder fühlt man sich oft auch noch dann verantwortlich, wenn einem geschadet wurde.

Die Vergleiche sind super! Bsp.: "Denn bei der Trennung sollten sie (die Beleidigungen) alle wieder aufrechte vor uns stehen wie verbeulte Büchsen in der zweiten Runde am Schießstand."184
Eine ganz große Stärke der Autorin"

Ich erwarte für den Heimatbesuch nichts Gutes. Lange habe ich kein Buch mehr als so fesselnd empfunden;)
Ich bin da auch gespannt, was passieren wird. Mein Bauchgefühl verheißt auch nichts Gutes... Und ja: mich fesselt das Buch auch enorm.

Interessanter Gedanke. Auf alle Fälle hat Max sich allem Anschein zum Trotz nicht aus dem Dunstkreis seiner Eltern befreien können.
Mal sehen, welche Rolle Max als amtierender Bürgermeister noch spielen wird. Bislang war er ja eher im Schatten von Bruno und Juli...
 

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Ich glaube eigentlich nicht, dass sie das tut - lieber würde sie ins Gefängnis gehen.
Das ist auch mein Gefühl. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr Stolz ihr verbietet, den Vater um Hilfe zu bitten.

Dass sie so loyal ist und noch nicht einmal mit ihren nächsten Freunden über ihre Familie spricht, zeigt wie weit sie von einer Verarbeitung entfernt ist. Die Beziehung zur Mutter empfinde ich fast noch dramatischer als die zum Vater.
Auf jeden Fall. Beim Vater ist schon klarer, dass er ein Täter ist. Die Mutter ist zum einen "Tatortreinigerin", zum Anderen aber ja auch selbst betroffen. Letztlich hat Juli aber zu beiden eine ambivalente Beziehung. Sie berichtete ja im vorigen Abschnitt, dass immer ein Elternteil, durch ein plötzliches "süßliches" Auftreten es ihr unmöglich machten, nur gegen sie eingestellt zu sein. Da beschrieb sie auch, dass dann das Schuldgefühl für viel Gewaltvolles letztlich wie ein Bumerang auf sie selbst zurückfalle.
 

otegami

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Ich bin erst auf S. 153.
Hier musste ich erst einmal ne ganze Menge googeln, um zu verstehen, was Juli beruflich macht bzw. welche Drogen sie außer Alkohol noch konsumiert. Sie hat auf alle Fälle im Bereich Mathematik (Robotik?) studiert, promoviert jetzt und hat offensichtlich auch einen Lehrauftrag an der Uni. Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin und Freundin hat sie den ersten Preis auf der Dubai Challenge gewonnen (da geht es um Robotik). Außerdem spielt sie inzwischen professionell im männlich dominierten Bereich e-sports - immer noch ihr Lieblingsspiel Counter Strike, ein Taktik-Shooter-Spiel.
*Schmunzel* das waren auch lauter 'böhmische Dörfer' für mich - muss auch erstmal googlen! ;)
 
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Nach wie vor gefällt mir der Schreibstil sehr. Auch wie diese neue Liebe zu Sanyu geschildert wird: zwischen Sanftheit, Verletzlichkeit, Leidenschaft, Unverständnis, Aggression und Streit werden die unterschiedlichen Phasen realistisch geschildert.
Die Beziehung zu Sanyu fand ich auch ganz toll geschildert - so realistisch!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Juli meint, ihren Bruder und ihre Mutter beschützen zu müssen. Das empfinde ich als krankhafte Abhängigkeit.
Und ich habe das starke Gefühl, dass auch Bruno manipuliert! (Er hat's ja auch bestens gelernt in dieser Familie! :mad: ) Die 5.000,- € ließen bei mir diesen Verdacht aufkommen!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Sie ist zumindest über Telefonate mit der Mutter in Kontakt geblieben und nun, da beim Vater ein runder Geburtstag ansteht und sich die Mutter wünscht, Juli beim Fest dabei zu haben, begibt diese sich auf die Reise in die alte Heimat. Da liegt wohl etwas in der Luft...
Oh ja, ich habe das Gefühl, da können wir uns auf einiges gefasst machen! ;)
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Offenbar scheint mit der Aggression ein Filmriss einher zu gehen, so dass sie ab einer bestimmten Stelle nicht mehr weiß, was sie gesagt oder getan hat.
Das erinnert mich sofort an "Eine Laune Gottes" - da funktionierte es bei Rachel doch auch so.
Die Beziehung zur Mutter empfinde ich fast noch dramatischer als die zum Vater. Beim Vater ist alles klar: er ist ein Psychopath, Tyrann, der die ganze Bandbreite an Gewalt an seiner Familie auslässt.
Die Mutter ist sowohl Opfer als auch Täterin.
Das empfinde ich auch so. Die Beziehung zur Mutter ist "trickreicher", weniger eindeutig und deshalb von einer stärkeren Verstrickung gekennzeichnet. Da findet sich eine ganz seltsame Beziehung von Beschützen und Abhängigkeit, während sie den Vater für sich klar einordnen kann und so Distanz erzeugt.

Ich lese den Roman weiter gern - habe diesen Abschnitt jedoch als leicht schwächer empfunden. Es braucht erst einmal etwas, sich im Leben der älteren "Jules" zurecht zu finden. Sprachlich ist der Ton noch da, mir ist er aber fast zu schnoddrig für die gereiftere 25jährige, die Promotionsstudentin ist und Tutorien gibt. Auf der anderen Seite: ihr Verhalten ist vielfach ja auch alles andere als reif und erwachsen, insofern passt es gut zusammen. Ich lese diese klammernden Liebeseinheiten, die blauäugige Vergötterung des Bruders und den ungezügelten Selbstzerstörungstrip nicht mit Freude, auch wenn er fesselnd ist. Einen solchen Verfall zu verfolgen, vor allem weil von Juli auch kaum Gegenwehr zu spüren ist, ist schon sehr unbequem...aber so soll es ja auch sein. Manchmal fehlte mir irgendwie die Familie als Belastung und beständiges, bedrohliches Summen im Hintergrund (bis auf Bruno), aber vermutlich wird diese jetzt beim großen 65. wieder eingebunden.