3. Leseabschnitt - 2. Teil, Kapitel 7 und 8 (Seite 160 bis 229)

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Renie

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Mich wundert mittlerweile, dass sich die Indianer, mit denen wir es hier zu tun haben, von dem Katholizismus vereinnahmen ließen. Im vorherigen Leseabschnitt hatte ich angenommen, dass sich die Indianer das Christentum aufs Auge drücken lassen, sie aber insgeheim an ihren alten Traditionen festhalten. Doch scheinbar haben sie sich die "neue" Religion zu Eigen gemacht. Und einige von ihnen scheinen dabei päpstlicher als der Papst zu sein, wenn ich den Fanatismus betrachte, mit denen sie die Religion ausüben.
Der Roman ist daher nicht mehr das, was er für mich am Anfang war (ein kritischer Roman über das Leben der Indianer im Reservat). Mittlerweile verkommt er zu einer Aneinanderreihung von Episoden, in denen die Darstellung der Protagonisten ins Lächerliche abdriftet. Das ist nicht gut.:(
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Das geht mir genauso. Diese Weitschweifigkeit wird durch die episodenhafte Art des Erzählens hervorgerufen. Es gibt keinen fortlaufenden Handlungsstrang, sondern immer nur einzelne Erlebnisse oder Anekdoten aus dem Leben der Protagonisten. Und selbst die Protagonisten sind schwer zu greifen. Ich erwähnte schon, ich weiß nie um welche Generation es gerade geht bzw. welche Person im Besonderen. Die Charaktere bleiben für mich daher fremd. Gut, man kann sagen, dass sie skurril und dadurch speziell sind. Doch dadurch, dass jede(r) ihre/seine persönliche skurrile Macke hat, kann ich sie schon wieder nicht auseinanderhalten. Louise Erdrich erweckt bei mir den Eindruck, dass jeder aus dem Reservat einen an der Klatsche hat. Das kann doch nicht gewollt sein.
Ich finde es etwas eigenartig, dass du das hier als so empfindest. Denn mir ergeht es so anders. Ich frage mich wo da die Gründe sind, denn wir lesen den gleichen Text/das gleiche Buch. Noch dazu wo du nicht alleine mit deiner Meinung stehst. Ich empfinde das Gelesene als skurril, vielleicht auch etwas überzeichnet. Aber vollkommen verrückt kommt mir hier nur ein Charakter vor. Liegt es daran, dass ich mich schon sehr lange mit der Völkerkunde befasse und ich daher andere Auffassungen habe, d. h. die Eigentümlichkeiten sehe/lese und mich nicht mehr wundere. Denn man darf meines Erachtens nicht vergessen, in den subarktischen Regionen herrscht eine andere Kultur, andere Lebens-/Lichtverhältnisse und die indianischen Bewohner wurden schon öfters als verschroben empfunden/gezeichnet und von vielen Seiten auch so beschrieben. So empfinde ich dies hier nur als eine reale Wiedergabe existierender Verhältnisse. Auch durch die Witterungsverhältnisse könnte ich mir erklären, dass durch Nahrungsknappheit verfeindete Sippen nicht ganz so leger betrachtet werden, wie in unseren gesicherten Lebensverhältnissen. Wobei ich mir hier auch nicht sicher bin ob die Familiennahmen vielleicht auch eine andere Bedeutung haben, vielleicht auch clanartige Strukturen besitzen und zwischen verfeindeten Clans gab es natürlich auch kriegerische Auseinandersetzungen, noch dazu in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit. Die Namensvergabe erfolgte ja über die Weißen, die Indianer kannten ja keine Nachnamen und vielleicht erklärt eine falsche, auch durch ein Sprachbarriere verursachte Namensvergabe fast feindliche Verhältnisse innerhalb der Familien/Clane. Und auch in den Reservationen war anfangs keine geregelte Nahrungsversorgung gegeben. Am Anfang des Buches war da die Rede davon.
Ich bin wirklich am Überlegen. Ich mag eigentlich sonst auch abgeschlossene Texte, ihr kennt ja mittlerweile einige meiner Vorlieben. Aber, hier. Das hat mich richtig angezündet! Hhmmm … Schade, dass es Dir/Euch nicht so geht! Aber wir empfinden unterschiedlich. Und dass ich dieses Buch so liebe, liegt sicher noch an anderen Faktoren. Maybe ...
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Mich wundert mittlerweile, dass sich die Indianer, mit denen wir es hier zu tun haben, von dem Katholizismus vereinnahmen ließen. Im vorherigen Leseabschnitt hatte ich angenommen, dass sich die Indianer das Christentum aufs Auge drücken lassen, sie aber insgeheim an ihren alten Traditionen festhalten. Doch scheinbar haben sie sich die "neue" Religion zu Eigen gemacht. Und einige von ihnen scheinen dabei päpstlicher als der Papst zu sein, wenn ich den Fanatismus betrachte, mit denen sie die Religion ausüben.
Der Roman ist daher nicht mehr das, was er für mich am Anfang war (ein kritischer Roman über das Leben der Indianer im Reservat). Mittlerweile verkommt er zu einer Aneinanderreihung von Episoden, in denen die Darstellung der Protagonisten ins Lächerliche abdriftet. Das ist nicht gut.:(
Das mit den Episoden kann ich vollkommen nachvollziehen. Dadurch dass ich gerade eben den Liebeszauber gelesen habe und die Familien darin auch vorkommen, ist dieser episodenhafte Charakter bei mir etwas verändert, nicht mehr ganz so störend.
 
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Renie

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19. Mai 2014
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Ich finde es etwas eigenartig, dass du das hier als so empfindest. Denn mir ergeht es so anders. Ich frage mich wo da die Gründe sind, denn wir lesen den gleichen Text/das gleiche Buch.
Nicht wundern. So ist das nun mal. Das ist nicht der erste Roman, bei dem ich mich frage, ob ich ein anderes Buch als die anderen lese.;)
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Siehst du, und für mich ist das ein erster Louise Erdrich. Beim nächsten würde es mir leichter fallen.
Man hört ja immer, dass sie auch sehr unterschiedlich sein kann. Am Ende habe ich einige Bücher angehängt, die alle von diesen genannten Familien handeln (Kashpaw, Nanapush, Lazarre usw.)
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Interessant finde ich auch die immer wieder kehrenden Unterschiede in den Betrachtungen, die die Welt/die Indianer/das Leben betreffen, die sich zwischen den Nonnen und Father Damien zeigen. Auch hier zeigt sich wieder dass der empathische und sehr menschliche/menschelnde Blick des Fathers Zustimmung bei den Indianern finden wird.
Father Damien legt die kirchlichen Regeln nicht streng aus, er behält immer sein Bauchgefühl im Blick wie mir scheint, und entscheidet so oft menschlicher als die Doktrin der Kirche es täte. Ich habe oft das Gefühl, dass beide profitieren. Die Indianer hätten es mit einem anderen Geistlichen sicher schwerer gehabt, und Agnes scheint sich wohl zu fühlen, ihr scheint die Aufgabe ans Herz gewachsen zu sein.
 

Sassenach123

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Mir gefällt der Roman ganz gut, allerdings eher aus dem Antrieb heraus, zu erfahren was Agnes alias Father Damien erlebt hat in den ganzen Jahren.
Das Father Damien sich nun mit Father Jude auseinandersetzen muss, ist teilweise schon ein wenig skurill. Seine Eingebung eine alte Greisin in Damien zu sehen empfand ich als übertrieben, aber nun gut. Der Strang um Leopolda ist interessant - Father Jude wird auf eine harte Probe gestellt, er muss sich nun ein Urteil bilden zwischen den Erzählungen, die wahrscheinlich nicht immer korrekt sind. Viel mystisches fließt mit ein, einiges lässt sich kaum fassen. Mal sehen wohin uns dies alles noch treibt.
 

Sassenach123

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Interessant, dass du dieses Buch so auffasst. Als so verrückt kommen mir die meisten Figuren gar nicht vor. Eigenartig, verschroben, skurril ja, aber verrückt ist hier in meinen Augen nur ein Charakter. Aber gut, wir sind unterschiedlich und nehmen anders wahr.
Interessant ist hier auch, dass von vielen indianischen Personen berichtet wird, dass sie die Weißen in ihrem Land als verrückt bezeichnet haben. Und wenn ich mir ansehe was zum Beispiel damals mit den Büffeln gemacht wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Amerikanischer_Bison#Menschen_und_Bisons
Dann kann ich diese Sicht durchaus verstehen.
Dumm scheint nur zu sein, dass wir nichts daraus gelernt haben. Denn unser Verhalten der Natur gegenüber hat sich nur geringfügig geändert. Und damit nehme ich mich nicht heraus. Auch mein Kaufverhalten würde ein Indianer vielleicht als verrückt einstufen. :);)
So unterschiedlich sind halt verschiedene Blicke auf das Verrücktsein. :p:D:cool:
Ich denke vieles wirkt nur verrückt, da es für uns und unsere Gepflogenheiten fremd erscheint. Du scheinst ja wirklich sehr bewandert zu sein, was die Bräuche und Ritten der Stämme angeht, echt klasse. Danke auch für die Hinweise. Sie sind sehr i Formativ.
Als verrückt würde ich es auch nicht bezeichnen, das meiste wirkt auf mich eher entrückt. Die Indianer sahen ja in vielen Handlungen etwas anderes als wir. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Naturverbundenheit. Sie töteten immer nur das notwendigste, ihr Denken ist ganz anders als das der modernen Bevölkerung. Gibt es keinen Regen muss der Gott des Regens erzürnt sein, also wird ihm gehuldigt. Mit unserem Wissen muss dies komisch wirken.
 

parden

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Ich mag diese episodenhafte Erzählung, auch wenn es mir wie anderen hier schwer fällt, die Charaktere auseinanderzuhalten. Auch ich blättere immer wieder zum Stammbaum am Anfang zurück. Ich finde die Indianer hier zwar auch zuweilen skurril dargestellt, aber als verrückt (außer Pauline natürlich... ;) ) kommen sie für mich nicht rüber. Eher als Opfer dessen, was man Entwurzelung nennt - sie werden ihrer traditionellen Identität beraubt, können den Stammesritualen nicht mehr wirklich folgen, sondern müssen sich nun irgendwie mit den Folgen arrangieren, die dem Überrennen durch die Weißen zuzuschreiben sind.

Ich bin wie andere hier auch wirklich gespannt, ob Agnes Identität noch ans Licht kommt - und ob das überhaupt von Belang ist.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wann fliegt die Geschichte auf?
Fliegt sie überhaupt auf?
Und spielt das in dieser Gesellschaft voller ungewöhnlicher Geschichten und Typen überhaupt eine Rolle?
Ich kann mir gut vorstellen, dass es für die Indianer tatsächlich unerheblich ist. Da stelle ich mir schon eher vor, dass es für die Katholische Kirche ein Problem darstellt, sollte die Geschichte "auffliegen".
 

milkysilvermoon

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Die ganze Zeit wundere ich mich, dass wir zwar immer von den zwei Figuren Damien/Agnes erfahren (wir hören einmal von der einen, dann wieder von der anderen), aber dass das "falsche" Geschlecht des Fathers und das Versteckspielen nie eine Rolle spielt. Nicht in der Wahrnehmung der Objiwe (wissen sie es oder wissen sie es nicht?), nicht in den Reflektionen, die wir von Agnes erfahren und lesen.
Wann fliegt die Geschichte auf?
Fliegt sie überhaupt auf?
Und spielt das in dieser Gesellschaft voller ungewöhnlicher Geschichten und Typen überhaupt eine Rolle?

Das frage ich mich auch. Ich würde es momentan so einschätzen, dass sich die Indianer vielleicht denken können, dass Damien tatsächlich eine Frau ist, dass sie es aber nicht ansprechen wollen - vielleicht aus Respekt, vielleicht aus Gleichgültigkeit. Schon bei Kashpaw im zweiten Abschnitt war ja eine entsprechende Passage, in der er erkennt, dass der Father sehr weiblich daherkommt.

Ich tue mich noch immer schwer mit diesem Buch und versuche herauszufinden, warum wohl.
Zum Teil liegt es sicher an der unglaublichen Weitschweifigkeit. Man hat das Gefühl, die Autorin ergötzt sich an all den absurden Begebenheiten und kostet das aus. Ja, sie erzählt toll und ihr Ideenreichtum ist unendlich, aber es dauert auch ewig, bis man vom Fleck kommt.
Und dann haben wir hier durch die Bank skurriles Personal. Ich mag skurrile Figuren, aber doch nicht ausschließlich. Man hat den Eindruck, alle Indianer sind halb oder ganz verrückt und selbst wenn dieses Volk sehr eigen sein mag, werden sie doch nicht alle verrückt sein.
Wenn wir hier etwas über indianisches Leben lernen, dann ist das wohl ein eher satirisches Bild der Wirklichkeit.

Mir gefällt es ähnlich. Mit solchen Ausschweifungen tue ich mich schwer. Und auch ich finde viele der Figuren etwas skurril. Ich denke aber nicht, dass es das Anliegen der Autorin war, ein verzerrtes Bild zu zeigen - im Gegenteil. Ich glaube, es geht ihr darum, Verständnis für ihre Lebensweise zu schaffen. Satirisch kommt es mir nicht vor.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich weiß immer noch nicht so ganz, was ich vom Roman halten soll. Einerseits finde ich ihn wunderbar: die tolle Sprache, das interessante Thema, die vielen berührenden Momente. Andererseits kommt die Handlung nicht so richtig vom Fleck und ein Lesefluss nicht so recht zustande. Ich finde den Roman definitiv nicht schlecht, aber fesseln kann er mich auch nicht. Ich kann das Buch gut zur Seite legen und habe nicht das Gefühl, dass ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht. Hinzu kommt, dass ich diese mystischen Momenten auch zwiespältig gegenüberstehe: Sie sind interessant und besonders, aber mir manchmal auch etwas zu viel.