3. LA: "Mein Leben": Seite 139 bis 202

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
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So, diesen Teil habe ich eben in einem Rutsch durchgelesen.
Wir bekommen hier dieselbe ? Geschichte von einem der Hauptbeteiligten erzählt.
Es ist das noch nicht vollständige Manuskript von Andrew Bevel, in dem wir unschwer unseren Benjamin wiedererkennen.
Einiges ist allerdings anders als im vorangegangenen Roman, die Kindheit z.B. , die Krankheit Helens usw.
Man fragt sich, was näher an der Wahrheit liegt. Schließlich geht es bei einer Autobiographie in der Regel darum, sich selbst in einem guten Licht zu zeigen.
Anfangs geht dieser Mr. Bevel stark auf seine Ehe mit Mildred ( Helen ) ein. Er betont, wie sehr er sie geliebt hat und was für eine wundervolle Frau sie war.
Aber mehr noch geht es ihm darum, seine Philosophie zu verbreiten und seinen Ruf reinzuwaschen. Wir sollen ihm glauben, dass es ihm nicht um die Vergrößerung seines Reichtums ging, das zwar auch, aber immer stand das Wohl der Nation im Vordergrund. „ Unser Wohlstand ist Beleg unserer guten Taten.“
Bei so viel Lobhudeleien über sich selbst werde ich misstrauisch.
Er ist ein Wirtschaftsliberaler, der in der Einmischung des Staates die Ursache allen Übels sieht und die Selbstregulierung des Marktes propagiert.
Viel Eitelkeit im ganzen Text.
Ich frage mich, ob diese ganze Geschichte mit Mildred nicht dazu dient, ihn in ein besseres Licht zu rücken. So wie ganzen Home - Stories von Politikern kurz vor der Wahl.

Die Sprache hier ist die eines kultivierten Geschäftsmannes, der viele Analogien zur Wirtschaft im täglichen Leben sieht. Dazu kommen faktengestützte Erläuterungen zur Finanzwelt.
Raffiniert gemacht ist, dass der Text viele Lücken aufweist. Da stehen dann nur Stichpunkte, was noch zu ergänzen ist.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich bin etwas durcheinander. Ich hatte gestern diesen Leseabschnitt beendet und fühlte mich etwas vor den Kopf gestoßen. Erst diese wunderbare Sprache in den ersten beiden Leseabschnitten/dem ersten Buch und dann dieser Bruch. Diese fehlende Absätze. Diese Bruchstücke. Keine Ahnung wie ich dies bewerten möchte. Ich kann nur sagen, gefallen hat mir dieser Abschnitt leider gar nicht. Ansonsten kann ich noch nichts sagen, denn mir fehlt noch der Sinn, der hinter diese Abschnitt steckt. Denn einen solchen gibt es, da bin ich sicher.

Natürlich fallen die Parallelen zwischen dem ersten Buch und dem zweiten Buch auf. Und es sind zu viele Gleichnisse, dass es sich um einen Zufall handeln kann. Also wird dieselbe Geschichte erzählt. Mit anderen Namen und der Erzähler versucht sich besser darzustellen, seine Schuld weiter zu reichen, andere verantwortlich zu machen, sich selbst reinzuwaschen. Auch keine besonders schöne Sache. Aber im menschlichen Tun ist dies immer wieder zu beobachten. Also wirkt dies recht real. Auch die Erkrankung der Ehefrau ist eine andere. Aber möchte man eine psychiatrische Erkrankung zugeben, möchte man seinen Ehepartner damit bloßstellen, oder gibt es gar Schuldgefühle? Denn die Wahl der Behandlung traf der Ehemann und diese Behandlung war ja am Tod der Ehefrau schuld und damit auch der Mann. Vielleicht ist so eine Information zu einer Rehabilitierung in den Augen des Autors ungeeignet.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
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Mir gefiel auch dieser Teil sehr gut, gerade das Fragmentarische.
Das erste Buch scheint ein Schlüsselroman zu sein und die dahinter stehende Figur will sich mit seinem Buch die Deutungshoheit über sein Leben zurückholen bzw. manches richtigstellen. Dabei merkt er in seiner Eitelkeit garnicht, dass Benjamin wesentlich sympathischer rüberkommt als er selbst. Doch, wie er gleich zu Beginn schreibt, will er manches in Bezug auf seine Frau richtigstellen.
Dabei greift der Autor ein oft behandeltes Thema der Literatur auf: Was ist Wahrheit? Wem kann man Glauben schenken?
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Das finde ich ja mal cool. Man kennt es ja schon, in einem Roman ein und dieselbe Szenerie aus verschiedenen Perspektiven erzählt zu bekommen. Dass aber innerhalb eines Romans durch verschiedene Arten der schriftlichen Darstellung auch die Inhalte veränderlich sind, habe ich noch nicht gelesen bisher. Es ist aber nur allzu menschlich.
Meine Vermutung bisher: Der erste Roman "von" Harold Vanner könnte sozusagen von einem Autor spekulativ über das Leben von Andrew Bevel geschrieben worden sein. Dabei hat er seine Fantasie spielen lassen und natürlich um keinerlei Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen zu riskieren, hat er die Namen geändert.
Ebenso seine Fantasie spielen lassen hat dann Andrew Vanner, als er seine eigene Autobiografie geschrieben (oder vielmehr entworfen!) hat. Denn es wird schon im Vorwort deutlich, dass er auf die pathetische, heroische Schiene gehen wird. Alles scheint hier geschönt und zu seinem Vorteil ausgelegt. Auch hier wissen wir nicht, ob wir seinen Beschreibungen trauen können. Wahrscheinlich nicht.

Irgendeine Mitleserin sagte schon im 1. LA, dass "Trust" als Titel auch darauf anspielen könnte, welchem: Erzähler:in wir hier vertrauen können oder nicht. Das macht richtig Spaß zu lesen.

Auch die Form, die Diaz hier gewählt hat, ist in sich interessant. So schreibt er keine fertige Autobiografie, sondern er lässt uns daran teilhaben, wie eine solche entsteht. An welchen Stellen noch Lobpreisungen eingefügt werden sollen, an welchen verständliche Erklärungen der Finanzwelt für die Leserschaft hinsollen. Das ist erfrischend.

Richtungsgebend für dieses "Buch" finde ich folgende Passage S. 183:
"Der Wert eines Mannes misst sich an der Zahl dieser definierenden Umstände, die er sich selbst erschaffen kann. Dabei muss er nicht immer erfolgreich sein, denn es liegt zuweilen große Ehre in einer Niederlage. Doch er sollte der Hauptakteur der Schlüsselszenen seiner Existenz sein, ob diese nun epischer oder tragischer Natur sind."
Krass fand ich hier zum einen die starken fast schon militant neoliberalen Einstellungen zur damaligen Zeit von Andrew. Wie er meint, der Staat dürfe nie regulieren und die Märkte regulierten sich schon von allein. Wie toll es war, dass der Spitzensteuersatz von 77% auf nur 20 % gesenkt wurde für die Unternehmer.
Zum anderen die Abwertung der Frauen, obwohl er die Intelligenz seiner Frau Mildred doch angeblich so schätzte, auf S. 192:
"Gegen Ende waren es beinahe 40 Prozent [Frauen der dilettantischen Teilnehmer an der Börse]. Hätte es einen klareren Indikator für die bevorstehende Katastrophe geben können?"
Tja, an allem sind die Frauen schuld... :smilehorn
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Ich frage mich, ob diese ganze Geschichte mit Mildred nicht dazu dient, ihn in ein besseres Licht zu rücken. So wie ganzen Home - Stories von Politikern kurz vor der Wahl.
Das kann sein. Sie soll ihn als liebenden Ehemann dastehen lassen. Und wer ein liebender Ehemann ist, kann gar nicht hinterhältig sein. Beides gleichzeitig geht ja gar nicht... So die Meinung der potentiellen Autobiografie-Lesenden. ;)
Dabei greift der Autor ein oft behandeltes Thema der Literatur auf: Was ist Wahrheit? Wem kann man Glauben schenken?
Und das ganz toll gemacht bisher, wie ich finde.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Das ist ja spannend.
Glaubte ich anfangs noch an eine parallele Geschichte eines "Mit-"Geschäftmannes, war bald schon klar, dass es zuviele Parallelen zu Benjamin und Helen gibt. Trotzdem passt die Geschichte nicht eins zu eins aufeinander.
Andrew Bevels Memoiren sind im Stil eines Entwurfs festgehalten, mit Lücken und Anmerkungen, wie diese zu einem späteren Zeitpunkt zu füllen seien.
Nicht nur die Krankheit seiner Frau weicht von der ersten Geschichte ab, sondern auch das Haus am Central Park (es wurde erst später gebaut und nicht schon von seinen Eltern).
Auch erscheint mir Andrew nicht so autistisch, wie im ersten Abschnitt. Erst auf dem zweiten Blick schimmert der Benjamin durch, weil er sich in seiner Biografie zunächst einmal auf seine Fähigkeiten als Finanzjongleuer beruft und verteidigt. Aber!, ich glaube ihm seine geschäftlichen Absichten an der Börse (obwohl ich sein Frauenbild ablehne, aber so war es wohl). Seltsam kurz und lückenhaft, ja fast wie eine Sequenz, fügt er sie in sein Leben. Er zollt ihr Respekt und beteuert seine Liebe, aber es scheint ihm nicht wirklich das Herz gebrochen zu haben.

Harold Vanners Identät bleibt aber nich im Dunkeln.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Ich bin Hernan Diaz sehr dankbar, dass er uns lediglich einen Einblick in die noch unvollständigen Memoiren von Andrew Bevel zumutet. Ich fand seine Ergüsse einfach nur langweilig :rolleyes:. Was mich bei der Stange gehalten hat, sind die signifikanten Übereinstimmungen, aber auch die zahlreichen Abweichungen zur Geschichte von Rask und Helen. Es ist naheliegend, dass wir hier dieselbe Geschichte aus einem anderen Blickwinkel präsentiert bekommen. Umso neugieriger bin ich, wer sich hinter dem Autorennamen Harold Vanner verbirgt (ist es vielleicht sogar das Pseudonym einer Frau (?) - ich weiß nicht warum, aber irgendwie blitzte dieser Gedanke bei mir auf.)
Obwohl ich diesen Abschnitt zäh zu lesen fand, ist er in meinen Augen sehr stimmig.
Nun bin ich gespannt auf den nächsten Abschnitt und hoffe, dass dieser wieder packender sein wird.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Obwohl ich an sich einen Zugang zu wirtschaftlichen Zusammenhängen und Finanzmärkten habe, bin ich hier bei Irisblatt. Mich hat der Abschnitt über weite Strecken gelangweilt.

Die Parallelen zu Benjamins/Helens Geschichte sind natürlich augenfällig, aber ich habe diese Autobiografie nicht als dieselbe Geschichte gelesen. Ich hatte eher einen Geschäftsfreund, einen anderen Agitateur im Hinterkopf. Fragt mich nicht, warum.

Bevel will sich und seine Familie in herrlichem, menschenfreundlichen Licht erstrahlen lassen. "Persönlicher Vorteil sollte auch der Öffentlichkeit dienen", dieses Familiencredo wird mir zu oft bemüht, als das es große Glaubwürdigkeit auf mich ausstrahlte.

Überaus positiv wird Mildred geschildert. Diese Frau verkörpert alles: Weisheit, Klugheit, Schönheit, Liebe zur Literatur, zu den Künsten. Sie hat ein großes Herz und glänzt durch ihre Mildtätigkeit. Will hier jemand etwas gutmachen? Eine Scharte auswetzen?
Ihre Krankheit (Krebs) bremst sie aus, schließlich stirbt sie stilvoll, als ihr Mann im Ausland weilt.

Bevels Wirtschaftsliberalismus erscheint mir sehr naiv. Heute wissen wir, dass es zu viele finanzstarke Spekulanten gibt, die mit Leergeschäften und auf Pump den Markt in utopische Höhen treiben und manipulieren können - ohne Regulierungen wären die Risiken um ein Vielfaches höher. Nicht jeder Marktteilnehmer hat das Bevel´sche Credo inhaliert;).

Einerseits wird die Klugheit Mildreds übersteigert, andererseits war der hohe Anteil an (dummen) Aktienkäuferinnen ein möglicher Indikator für den Crash... Meine Herren!

Seine eigenen Deals scheint sich Andrew fast selbst schön zu reden. Er ist ein Segen für die Gesellschaft und dabei ein Kapitalist erster Güte: "Wir streben alle nach größerem Wohlstand."

Erzählen hier wirklich zwei Geschichten dieselbe Story? Oder sind es nur zwei verwandte Schicksale? Da ich doch zur ersten Frage tendiere: Wem ist zu glauben? In wesentlichen Bereichen gibt es große Unterschiede, insbesondere, was die Krankheit der Frau betrifft und die Rolle ihres Gatten beim Tod.

Der fragmentarische Stil hat mich zugegeben etwas irritiert, ebenso die abgerissenen Sätze. Gleichwohl finden sich auch in diesem Abschnitt schöne Formulierungen, z.B.:
"Weiterhin hatten die harten Prüfungen ihrer Jugend und ihre stets delikate Gesundheit ihr die unschuldige und doch tiefe Weisheit verliehen, die wie kleinen Kindern und Greisen jenen zueigen ist, die sich näher an den Rändern der Existenz befinden." S. 269

Wie mag es nun weiter gehen?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Bei so viel Lobhudeleien über sich selbst werde ich misstrauisch.
Viel Eitelkeit im ganzen Text.
Jawoll! Da werde ich auch skeptisch.
Ansonsten kann ich noch nichts sagen, denn mir fehlt noch der Sinn, der hinter diese Abschnitt steckt.
Ja. Der Sinn erschließt sich auch mir noch nicht.
Dabei greift der Autor ein oft behandeltes Thema der Literatur auf: Was ist Wahrheit? Wem kann man Glauben schenken?
Genau. Man erinnere sich an die Matroschka-Puppe: Eine Geschichte in der Geschichte?
Auf alle Fälle ein interessantes Spiel mit uns Lesern!
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ja. Der Sinn erschließt sich auch mir noch nicht.
Wer sagt die Wahrheit? Der Autor, der aus dem Leben des Paares einen Roman geschrieben hat oder einer der Beteiligten, der seine Autobiografie verfasst. Man müsste meinen, dass letzterer eher das tatsächlich Geschehene beschreibt, als einer, der mit Fiktion arbeitet.
Doch vielleicht gibt es noch eine andere Wahrheit? Wir werden sehen, was die letzten beiden Bücher bringen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Noch ein Investor, noch eine sieche Ehefrau, die im Schweizer Sanatorium verstirbt. Was bringt mir diese Doppelung? Bisher erschließt es sich mir noch nicht. Vielleicht kommt die Erkenntnis später. Ich bin gespannt, war aber von diesem LA eher etwas gelangweilt muss ich sagen. Und ich habe mich erstmal auch gestört an der "Unfertigkeit" des Textes. Immer wieder kommen wie "Autorenanweisungen" Stichworte, die mir irgendwie sagen, was noch fehlt und was der Autor eigentlich noch vorhat/vorhatte, zu ergänzen und einzubauen. So jedenfalls verstehe ich diese Stichworte. Was soll ich als Leser damit anfangen?
Also alles in allem: viele Fragezeichen zu diesem LA, ich hoffe, dass ich Antworten finden kann auf diese Fragen bei dem, was jetzt noch kommt.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Also, mich hat dieser Abschnitt nicht gelangweilt, er ist ja auch deutlich kürzer als der erste Text. Und so schnell langweile ich mich nicht.
Anders als bei Text 1 hat Text 2 bei mir von Anfang an Alarm ausgelöst, "Achtung, unzuverlässiger Erzähler". Text 2 ist natürlich auch viel unpersönlicher, - was als langweilig empfunden wird. Aber der Icherzähler beruft sich mehr auf Fakten als auf Gefühle. Also auf SEINE Fakten.
Es ist eine Autobiografie und zwar eine rechtfertigende Autobiografie.
"Ich bin eigentlich ein Wohltäter der Menschheit, warum erkennt ihr das nicht, ihr Idioten?" Ich kann mir mit spielender Leichtigkeit vorstellen, dass sehr viele Leute, die mit anrüchigen, moralisch zweifelhaften Geschäften, unermesslich reich geworden sind, so denken.
Schon seltsam, dass der Mensch immer das Bedürfnis hat, seine (und wären sie noch so schlimme) Taten zu rechtfertigen, zumindest vor sich selbst.
Ich habe noch den Satz im Ohr "wenn es für die Wirtschaft gut ist, ist es auch für dich gut" - der bei uns wahrscheinlich noch heute auf ungeteilten Beifall trifft.
Insgesamt: Trump und Co, kann ich da nur sagen.
Es gibt in der Tat immer Menschen, die von Krisen profitiern. Wie ist das zu werten. Der Icherzähler sagt, "ja, super ist das, wie denn sonst!"
Mein schönster Satz "Der feine Herr von heute ist der Emporkömling von gestern". Wie wahr.

Wie @Literaturhexle kam ich nicht im Entferntesten auf die Idee, die beiden Erzähler wären diesselben Menschen, genau dieselben Schicksale, obwohl die Parallelen mir natürlich nicht entgingen. Aber ich war da offen ... (Manchmal stört eine LR einen auch- man hört, was man nicht hören will). Dafür waren mir die Fakten zu unterschiedlich. Ich dachte lediglich, dafür also braucht der Autor (Diaz) die verschiedenen Autoren, damit er unterschiedliche Icherzähler ins Rennen schicken kann.

Anyway: wahrscheinlich habt ihr recht.

Der Unterschied zwischen beiden Texten ist weniger ein stilistischer. Doch während Text 1 mit Leidenschaft erzählt wird und man gefühlsmässig mitgeht, lässt einen Text 2 emotional kalt. Man betrachtet und beobachtet eine Selbstinszensierung.

Das ist gut gemacht. Ich habe keine Ahnung, was da noch so auf uns zukommt. Wahrscheinlich die weibliche Seite.

Ach ja, zum ersten Mal kam mir der Gedanke, ob nicht ALLES ganz anders war, und ob nicht der Ehemann seine Ehefrau um die Ecke brachte, und nicht nur in die Schweiz. Also in Text 1 wurde Helen ja mittelbar von Benjamin ermordet.
In Text 2 siechte sie dahin, war überhaupt als schwache Person gezeichnet - passte zu den misogynen Ausfällen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.689
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Brandenburg
Mich hat der Abschnitt über weite Strecken gelangweilt.
Man muss ihn anders "lesen" als den ersten Text. So wie ein Kommentator im Sport sagt, ich lese das Spiel. So lesen wir Text 2. Wir gucken, was passiert, sind aber emotional unbeteiligt. /Das ist für mich nicht dasselbe wie langweilig. Aber Diaz hat diesen Teil mit Absicht kurz gehalten.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Und ich habe mich erstmal auch gestört an der "Unfertigkeit" des Textes. Immer wieder kommen wie "Autorenanweisungen" Stichworte, die mir irgendwie sagen, was noch fehlt und was der Autor eigentlich noch vorhat/vorhatte, zu ergänzen und einzubauen.
Das fand ich gut: erstens entstehen (fast alle (?) längeren) Texte auf diese Art und Weise. Wir erfahren quasi über Stichpunkte/Überschriften die Themen, die Andrew noch wichtig sind. Aber vor allem müssen wir das nicht alles lesen. Für mich hätte dieser etwas langweilige Teil nämlich nicht viel länger sein dürfen. Das Fragmentarische empfand ich als einen klugen Ausweg von Hernan Diaz uns viel über die Persönlichkeit Bevels zu vermitteln, uns in Unsicherheit bezüglich der Fakten zu wiegen und eine möglicherweise aufkommende Langeweile durch Inhalt und Form auf einen relativ kurzen Abschnitt zu begrenzen.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
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Noch ein Investor, noch eine sieche Ehefrau, die im Schweizer Sanatorium verstirbt.
Wie @Literaturhexle kam ich nicht im Entferntesten auf die Idee, die beiden Erzähler wären diesselben Menschen
Schön zu sehen, dass ich nicht die einzige bin, die die beiden Geschichten als eben das gesehen hat: ZWEI Geschichten einer ähnlichen Handlung;). Hier wurde so selbstverständlich von einer Identität ausgegangen, dass ich schon an mir gezweifelt habe. Mal gucken, was am Ende rauskommt. Ich glaube, diese Unsicherheit, die unterschiedlichen Einschätzungen, sind genau das, was der Autor beim Leser erzeugen will.
lässt einen Text 2 emotional kalt. Man betrachtet und beobachtet eine Selbstinszensierung.
Stimmt.
Aber vor allem müssen wir das nicht alles lesen.
Da war ich auch sehr erleichtert drüber. Es war mir so schon der Selbstbeweihräucherung genug.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.545
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Und ich habe mich erstmal auch gestört an der "Unfertigkeit" des Textes. Immer wieder kommen wie "Autorenanweisungen" Stichworte, die mir irgendwie sagen, was noch fehlt und was der Autor eigentlich noch vorhat/vorhatte, zu ergänzen und einzubauen
Gerade das hat mir gefalle, fand ich sehr amüsant. Der Ghostwriter soll dann noch ein bisschen Atmosphäre reinbringen, irgendwelche Details und Informationen nachreichen usw.
Mein schönster Satz "Der feine Herr von heute ist der Emporkömling von gestern". Wie wahr.
Da gab es bei mir auch ein dickes Ausrufezeichen.
Wahrscheinlich die weibliche Seite.
Darauf spekuliere ich auch. Beide Erzähler glorifizieren ja die Frau. Helen und Mildred, vollkommen - intelligent, gutherzig, großzügig usw. , aber trotzdem nur haben sie nur eine dekorative oder ergänzende Funktion . Bei Text 1 wird sie als Opfer dargestellt, bei Text 2 die angebetete Frau, die leider viel zu früh sterben musste.
die beiden Erzähler wären diesselben Menschen,
Nein, aber beide erzählen von denselben Menschen. Vanner hat einen fiktionalen Schlüsselroman über Andrew Bevel und dessen Ehefrau.