Rezension (3/5*) zu Taliel: Erwachen von Sascha Schröder

M

Mikka Liest

Gast

Fantasybüchern, in denen es um Engel geht, habe ich lange sehr skeptisch gegenübergestanden. In den wenigen Büchern, die ich gelesen hatte, schienen Engel immer entweder putzig und harmlos zu sein - oder verboten gutausehende, romantische Traummänner, und beides sprach mich nicht sonderlich an! Aber so nach und nach stellte ich fest, dass auch Engelsbücher großartiges Lesefutter sein können, unter anderem durch Susan Ees großartiges "Angelfall".

Deswegen habe ich dann doch nach "Taliel" gegriffen, und es (trotz kleinerer Schwächen) nicht bereut.

Catheryne wird überzeugend als typischer Teenager geschildert: sie hat Schwierigkeiten damit, ihren Weg in der Welt zu finden, sie lehnt sich gegen Autoritätspersonen auf, sie ist oft unsicher und voller Weltschmerz, denn sie wird gnadenlos gemobbt. Manchmal ist sie ein bisschen begriffsstutzig und naiv, manchmal ist sie zickig, aber ich fand gar nicht schlecht, dass sie nicht perfekt ist. Deswegen fand ich es dann später im Buch auch sehr schade, dass sie plötzlich etwas unglaublich Besonderes und Einmaliges sein soll...

Ihre Mutter scheint eine liebevolle Frau zu sein, die ihre Tochter aber dennoch sehr darauf drängt, einen hervorragenden Schulabschluss an einer elitären Schule zu machen, obwohl Cat offensichtlich darunter leidet. Ein bisschen unglaubwürdig fand ich, wie schnell sie bereit ist, Dinge einfach zu akzeptieren, die das Leben ihrer Tochter gravierend beeinflussen! Sogar dann, wenn Catheryne sich dadurch in Gefahr begibt. Da habe ich mich manchmal gefragt: welche Mutter tut das?

Dann gibt es da noch Stella und Lily, die beiden neuen Mitschülerinnen von Catheryne, mit denen sie sich anfreundet. Beide sind nicht, was sie zu sein scheinen, und ich fand beide auf ihre Art interessant und auch irgendwie sympathisch.

Und natürlich gibt es die Engel, und zwar eine ganze Menge davon! Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten damit, mir die Namen zu merken und ein Gespür für die verschiedenen Persönlichkeiten zu gewinnen, aber das gab sich schnell. Mein Lieblingscharakter war Auriel, die noch in der Engelausbildung ist, aber schon sehr viel Mut, Einfallsreichtum und Loyalität beweist.

Sehr gut gefallen hat mir, dass man nicht direkt von Anfang an weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind! Viel wird ganz bewusst so beschrieben, dass man die gerade handelne Person nicht mit Sicherheit einem Namen zuordnen kann, so dass offen bleibt, wer Cathryne/Taliel Gutes will und wer Böses. Ich hatte zwar schnell einen Verdacht (der sich auch als richtig herausstellte), aber dennoch war ich mir nicht 100%-ig sicher. Das hat die Spannung für mich deutlich erhöht, denn ich wollte dieses Rätsel unbedingt so schnell wie möglich lösen!

Es gibt viele unerwartete Wendungen, die die Geschichte auflockern und keine Langeweile aufkommen lassen - leider aber auch viele inhaltliche Ungereimtheiten und logische Widersprüche, über die man zwar relativ leicht hinweglesen kann, die mich aber trotzdem ein bisschen gestört haben. Manche Nebenhandlung fand ich auch eher verwirrend und nicht unbedingt eine Bereicherung der Geschichte. Über die Schule hätte ich dagegen gerne noch viel mehr gelesen!

Der Schreibstil liest sich flüssig und unterhaltsam, und man kann sich alles wunderbar bildlich vorstellen. Gestört hat mich jedoch, dass die Perspektive oft unklar ist und man nicht direkt weiß: wer ist hier "er" und "sie"? Auch wenn man sich das aus dem Zusammenhang rasch erschließen kann - im ersten Moment stockt da immer wieder der Lesefluss.

Der Autor neigt auch stark zu Wiederholungen - Wörter und Phrasen kommen auffällig oft mehrfach im gleichen Absatz vor.

Die Dialoge bewiesen meist ein gutes Gespür für Tempo, Rhythmus und "Stimmen" der Charaktere. Nur manchmal fand ich den ein oder anderen Dialog etwas hölzern, und gelegentlich hatte ich auch Schwierigkeiten damit, dass altehrwürdige Engel sprachen wie moderne Teenager.

Andererseits: die Geschichte wird eben mit einer Prise Humor erzählt, und besonders witzig fand ich, wie wenig die Engel dem Klischee entsprechen. Sie benutzen modernste Technik (wobei WLan- und Handynetze den telepatschien Austausch stören) und müssen sich mit Engelsbürokratie herumschlagen... Außerdem stellen sie sich manchmal ganz schön ungeschickt und chaotisch an!

Noch gibt es nicht allzuviel Romantik, aber die Grundlagen werden für spätere Bände gelegt.

Fazit:
Das Autorenehepaar verbindet hier auf originelle Art biblische Mythologie mit ganz eigenen Ideen, und verpackt das Ganze in einer jugendlich-modernen Fantasy-Geschichte, in der ein himmliches Internat für angehende Engel im Mittelpunkt steht.

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