Rezension (3/5*) zu Das Leben drehen: Roman von Nicole Walter

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Marlene, glücklich verheiratet, arbeitet als erfolgreiche Ärztin im Krankenhaus auf einer Station für Onkologie. Mit dem Gefühl, ihr Leben sei im Lot, betritt sie ihr Arztzimmer - und sieht sich unversehens einer jungen Frau mit auffälligem Hut gegenüber. Amelie stellt sich ihr vor - und bittet sie um ihren Mann. Allerdings nicht für lange, da sie Krebs hat und sterben wird.
So skurril die Situation auch anmutet: von dem Moment an verändert sich alles. Dinge, Menschen, Überzeugungen, die sicher geglaubt schienen, werden nun in Frage gestellt und stürzen Marlene in ein Chaos. Doch ausgerechnet Amelie, die sich zwischen sie und ihren Mann drängt, führt sie zu den wichtigen Fragen im Leben, und so begibt sich Marlene auf die Suche...

Seltsamerweise waren alle alten Menschen auf ihren Jugendfotos irgendwie schön. Vielleicht, weil man sie nicht mehr mit anderen verglich, sondern nur noch mit sich selbst. (S. 30)

Der Leser begleitet Marlene durch ihr Gefühlschaos und beginnt zunehmend, hinter ihre Fassade zu schauen. Eine eher oberflächliche, dem Alltagstrott zum Opfer gefallene Ehe, seit Jahren kein Kontakt mehr zu ihrem Vater, keine Freunde, Erinnerungen, die nur im Keller aufbewahrt werden... Ausgerechnet als Ärztin blendet sie dazu noch das Thema Tod kategorisch aus. Ein Feind, den es zu bekämpfen gilt, vor dem man aber wegläuft oder die Augen schließt, wo es nur geht.
Trotz der besonderen Umstände beschließt Marlene, Amelie zu helfen und wird ihre behandelnde Ärztin, schließlich ihre Freundin. Amelies lebensbejahende Art und ihre Wege des Denkens und Fühlens führen Marlene vor Augen, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Sie muss sich den Gespenstern ihrer Vergangenheit stellen...

Ich werde für immer vermissen, was ich mit dir war.

Leider konnte mich das Buch nicht so überzeugen wie manch anderen Leser. Die Sätze oft abgehackt, gerade zu Anfang, ließen keinen rechten Lesefluss aufkommen. Dazu erschien mir die Geschichte selbst sehr konstruiert, teilweise überaus unglaubhaft. Wieviel "Gutmensch" muss man sein, um wie Marlene solche Verletzungen und die Gefährdung ihrer Ehe wegzustecken und zu vergeben und immer noch an Amelies Seite zu sein?
Nichtsdestotrotz gerät man mit Marlene ins Nachdenken. Über das Leben, die Liebe, den Mut zu Veränderungen, Krankheit und Tod. Die immer wiederkehrende Einsicht Marlenes: "Wenn du dich anlehnen möchtest, dann lehn dich an die Wand und nicht an Menschen" (S. 124) zeugt von der großen Mauer, die sie zwischen sich und anderen errichtet hat - und als Leser würde man sie gerne einreißen helfen.

Wenn Menschen schweigen, hört man oft mehr, als wenn sie reden.

Insgesamt ein emotionales Buch, das mich jedoch nicht wirklich überzeugen konnte. Allerdings bleibt die simple Erkenntnis: "Leben kann man nicht wiederholen" - und so gilt: Lebe Dein Leben - jetzt!

© Parden

parden

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