Interview mit Joe R. Lansdale

Sebastian

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18. April 2014
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Ostharingen, Niedersachsen, Germany
(Dieses Interview erschien erstmals im Jahr 2014 auf meinem Blog Stuffed Shelves)

So lange ist es noch gar nicht her, dass die letzte Ausgabe von “All eyes on” mit Lutz C. Frey einen eher unbekannten Autoren ein bisschen in den Fokus gestellt hat. Nun ist es also wieder so weit – und heute mit einem Schriftsteller, über dessen Mitwirken ich mich besonders freue, da er es binnen kürzester Zeit zu einem meiner Lieblingsautoren geschafft hat. In kürzester Zeit ist übrigens auch das Stichwort, denn bislang war es bei keinem Interview so, dass ich für die Übersetzung länger gebraucht hätte als für die Antworten. Binnen drei Tagen waren Anfrage und Fragen gestellt und in einer sehr sympathischen Korrespondenz auch schon wieder beantwortet. Okay, genug gelabert, jetzt heißt es “All eyes on Joe R. Lansdale”.

Geboren wurde Joe Richard Harold Lansdale im Jahr 1951 in Gladewater/ Texas. Seine schriftstellerische Karriere begann im Jahr 1973, als er mit seiner Mutter zusammen einen sehr positiv aufgenommenen und sogar ausgezeichneten Artikel verfasste. Seitdem ist Lansdale nicht mehr zu bremsen und hat im Lauf seiner Karriere mehr als 30 Romane und unzählige Kurzgeschichten verfasst, von denen einige allerdings leider nach wie vor nicht auf Deutsch erhältlich sind. Dabei zeichnet er unter anderem verantwortlich für “Akt der Liebe” (1981), einen Roman der das moderne Serienkiller-Genre quasi mitbegründet hat, außerdem lieferte er die Vorlage für den Film Bubba Hotep, in dem der B-Movie-Gott Bruce Campbell die Hauptrolle spielt.

Lansdales Stil ist als geradeheraus und sehr temporeich zu bezeichnen. Er lebt von einem oftmals sehr bissigen Humor und einem hohen Grad an Gewaltdarstellungen, ohne dabei jedoch regelmäßig in Splatter-Orgien auszuarten. In vielen seiner Werke lassen sich zudem auch sehr emotionale und menschliche Aspekte entdecken, die in seinem Over The Top-Erzählstil aber gerne auch einmal aus dem Blickwinkel rutschen. Nichts desto trotz ist Joe R. Lansdale ein Autor, den auf dem Radar zu haben es sich vor allem für Action- und Krimifreunde lohnt, die auch gerne einmal ein Augenzwinkern oder brachialen Humor in ihren Büchern sehen.


Bibliografie (Auszug), Erscheinungsjahr bezieht sich auf die Original-Ausgabe:

Akt der Liebe (1980)
OT: Act of Love

Nightrunners (1983)
OT: The Nightrunners

Die Straße der Toten (1986)
OT: Dead in the West

Kalt brennt die Sonne über Texas (1989)
OT: Cold in July

Der Teufelskeiler (1998)
OT: The Boar

Die Wälder am Fluss (2000)
OT; The Bottoms

Sturmwarnung (2000)
OT: The Big Blow

Ein feiner dunkler Riss (2002)
OT: A Fine Dark Line

Kahlschlag (2004)
OT: Sunset and Sawdust

Der Gott der Klinge (2007)
OT: The God of the Razor

Blutiges Echo (2007)
OT: Lost Echoes

Gluthitze / Gauklersommer (2008) (Achtung, dieses Buch ist unter zwei unterschiedlichen Titeln in Deutschland erschienen!)
OT: Leather maiden

Dunkle Gewässer (2012)
OT: Edge of Dark Water

Die Hap & Leonard-Serie:

Bislang sind nur die ersten 6 Bände auf Deutsch erschienen, zuletzt “Machos und Macheten” im Februar 2014. Die restlichen Bände sollen nach und nach über den Golkonda Verlag veröffentlicht werden.

Wilder Winter (1990)
OT: Savage Season

Texas Blues (1994)
OT: Mucho Mojo

Mambo mit zwei Bären (1995)
OT: Two-Bear Mambo

Schlechtes Chili (1998)
OT: Bad Chili

Rumble Tumble (1998)
OT: Rumble Tumble

Machos und Macheten (2001)
OT: Captains Outrageous

Vanilla Ride (2009)

Devil Red (2011)

Hyenas (2011)

So, nun aber genug der trockenen Fakten und meinen langweiligen Erläuterungen. Hier nun endlich das, worauf ihr als Leser euch sicherlich am meisten freut. Das (sehr umfangreiche) Interview mit Mr. Lansdale himself.

Wärst du so nett, dich kurz in eigenen Worten vorzustellen?

Joe R. Lansdale, Autor. Ich verkaufe meine Werke seit 1973 und bin seit 1981 Vollzeitschriftsteller. Ich habe Romane, Comics, Kurzgeschichten, Artikel, Essays, Artikel, Rezensionen sowie Drehbücher für Film und Fernsehen geschrieben. Ich bin seit 51 Jahren Kampfsportler und lehre zumindest in Teilzeit immer noch Kampfkunst. Derzeit arbeite ich an einer Filmproduktion und habe sogar darüber nachgedacht, selbst einmal Regie zu führen – aber wir werden sehen, was daraus wird.

Du hast über 30 Romane und unzählige Kurzgeschichten geschrieben. Es scheint fast so, als ob du süchtig nach dem Schreiben bist. Woher kommt diese Faszination? Und woher nimmst du deine Inspiration?

Seitdem ich alt genug bin, das Alphabet aufsagen zu können und Striche auf Papier zu machen, wollte ich Schriftsteller werden. Die Wahrheit ist, dass ich nicht einmal weiß warum. Ich denke, dass es da eine genetische Veranlagung zur Kreativität gibt und für mich war das Schreiben der Weg es zu erkunden. Mein Umfeld und besonders meine Mutter haben mich immer ermutigt zu lesen und zu schreiben.

Es ist ziemlich schwierig, das Genre zu definieren, in dem du dich bewegst. Du hast Horror- und Splatter-Sachen geschrieben. Es gibt in deinem Lebenslauf Westernromane, Thriller, Krimis, du hast Drehbücher für Zeichentrickserien geschrieben, dazu kommen noch Comics und Graphic Novels. Was ist dein persönlicher Favorit in diesem wilden Durcheinander? Und: Warum ist es dein Lieblingsgenre?

Ich habe immer nur für den Moment einen Favoriten. Der ändert sich auch abhängig von meiner Stimmung. Ich denke, ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, dass Krimi-, Horror- und humoristische Elemente schon immer der Motor waren, der meine Arbeit vorangetrieben hat, aber ich bin genauso glücklich mit historischem oder Mystery-Stoff.

Die Geschichten, die ich bislang von dir kenne, teilen sich ein ganz bezeichnendes Element: deinen Sinn für Humor. Eine sehr schwarze und sarkastische Art von Humor. Ist es wichtig für dich, dass deine Leser deine (manchmal sehr brutalen) Geschichten nicht zu ernst nehmen?

Nun, manchmal macht der Humor die Stories sogar ernster. Manchmal macht er sie sogar schrecklicher. Twain hat einmal gesagt “Es gibt keinen Humor im Himmel”. Was wohl bedeutet, dass so ziemlich jede Form von Humor sich auf dem Unglück oder Schmerz eines anderen begründet.

Bitte erzähl uns, wie deine Karriere begonnen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du eines Morgens aufgewacht bist und dir gedacht hast “Verdammt, das Wetter ist Mist. Heute schreibe ich einen Roman.”

Ich habe schon als Kind angefangen zu schreiben. Meine Mutter sagt, ich war sehr jung. Ich habe versucht, Comics zu schreiben und zu zeichnen, als ich vier oder fünf war. Ich habe in diesem Alter tatsächlich Talent zum Künstler gezeigt, aber es hat sich nie verbessert. Ein Grund dafür war, dass ich das Schreiben immer vorgezogen habe. Ich weiß noch, dass ich mit neun ein Gedicht über meinen Hund geschrieben habe. Ich bin also schon ziemlich lange dabei. 1973 habe ich schließlich mit meiner Mutter zusammen einen Artikel als O’Reta Lansdale, also unter ihrem Namen, geschrieben. Er hat sich verkauft und wir haben sogar einen Preis für den besten Artikel gewonnen. Ich habe dann immer mehr geschrieben und kurioserweise kann ich deine Frage jetzt sogar passend beantworten: Ich habe in einem Rosenfeld als Helfer gearbeitet. Dann wurde das Wetter immer schlechter und sollte auch den Rest des Jahres dürftig bleiben. Meine Frau sagte zu mir “Nimm dir drei Monate Auszeit und schreib.” Das habe ich getan. Ich habe jeden Tag eine Geschichte geschrieben, etwa 90 Tage lang. Damals gab es noch einen großen Markt für solche Dinge. Die nächsten ein bis drei Jahre habe ich unzählige Absagen für jede Geschichte bekommen, alles in allem so um die 1000. Und nein, ich übertreibe nicht. Zwischenzeitlich habe ich neues Material geschrieben und immer mehr gelernt, wie ich eine Geschichte zum richtig funktioniert. Außerdem habe ich das getan, was ich immer schon getan habe. Ich habe gelesen. Eine Menge. Das tue ich immer noch. Ich habe in verschiedenen Jobs gearbeitet, während ich geschrieben habe, unter anderem als Hausmeister. Das war auch mein Job, als die Zeit reif war und ich Vollzeit zu schreiben begann. Ich musste etwa fünf Jahre hart kämpfen, dann entwickelten sich die Dinge zum Besseren und haben sich seitdem auch immer weiter nach oben bewegt. Bislang hatte ich eine wunderbare Karriere.

Du bist nicht nur ein bekannter Autor, sondern auch ein talentierter Kampfsportler. Wie bist du zur Kampfkunst gekommen? Hast du dir am Anfang deiner Karriere vorstellen können, dass du einmal dein eigenes System entwickeln würdest?

Mein Vater hat sich zur Zeit der Großen Depression ab und an als Ringer und Boxer auf Jahrmärkten etwas dazu verdient. Er hat in dieser Zeit zusammen mit den sportbezogenen auch eine Menge Selbstverteidigungstechniken aufgeschnappt. Mein Interesse an Kampfsport haben aber die Batman-Comics geweckt. Er hat immer Sachen wie Judo und Boxen, Ju Jitsu und so weiter eingesetzt und irgendwann habe ich realisiert, dass mein Dad auch Erfahrung in so etwas hatte. Als ich etwa elf, zwölf gewesen bin, hat er angefangen mir ein paar Dinge zu zeigen. Er hat damals als Mechaniker lange und hart gearbeitet, sich immer, wenn es ging, eine halbe Stunde bis Stunde Zeit für mich genommen und angefangen, mir ein paar Boxtechniken beizubringen. Ich habe einen alten Sandsack von meinen Brüdern, gefüllt mit alten Kleidungsstücken aufgehängt und angefangen, auf ihn einzuschlagen. Dad hat mir Ringergriffe beigebracht, mir gezeigt wie man einen Beinhebel ansetzt, jemanden wirft oder einen Take-Down ausführt. Mit der Zeit, etwa zwei Jahre später, hat er erkannt, dass ich sehr leidenschaftlich dabei war und mehr mit mir gearbeitet. Er wusste, was er wusste, allerdings waren das alles nur Grundlagen. Viele seiner Techniken beruhten auf Kraft. Noch bis er 60 war, war er erstaunlich stark. Unheimliche Stärke geradezu, aber die harte Arbeit und schlechte Ernährung haben angefangen, gegen ihn zu arbeiten. Er und meine Mutter haben mich zum Schwimmen beim YMCA angemeldet und vielleicht hätte auch die Möglichkeit bestanden, dort zu ringen. Ich habe jedoch herausgefunden, dass sie dort auch Judo lehren. Ich habe also mit Judo angefangen und, etwas später, mit Hapkido. Das war damals neu in den Staaten. Ich glaube, ich habe ’65 damit angefangen und in die USA ist es ’64 gekommen. Mein Lehrer war Duane Odom. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, aber er muss einer der Ersten gewesen sein, die Hapkido gelehrt haben. Dann ging es weiter mit Taekwondo, Kenpo, Thaiboxen, alle Arten von Kampfkunst eben. Ich glaube, unterbewusst habe ich schon daran gedacht, mein eigenes System auszuarbeiten, tatsächlich war es aber mehr ein Unfall. Ich habe ein paar Jahre Kickboxen gelehrt, bin dann für ein paar Monate ausgefallen und habe zu Hause zu trainieren begonnen. Habe mir Notizen gemacht. Eines Tages ist mir dann aufgefallen, dass ich eine Menge Notizen und Theorien zu dem hatte, was mir beigebracht wurde. Ich bin dann zurück zum Taekwondo gegangen, weil es das Einzige war, was ich in meiner Nähe verfügbar hatte. Es hat zwar Spaß gemacht, aber es hat nicht viel mit der Realität zu tun. Ich konnte es damals und bin immer noch ziemlich gut darin, aber es wurde in erster Linie für die Kids gemacht. Der Kram für die Erwachsenen war ziemlich dämlich, vor allem die Selbstverteidigung. Die eigentlich Überlegenen hatten nicht zwangsläufig eine Chance gegen einen Angreifer. Ich habe es gemacht, um wieder in Form zu kommen, schließlich habe ich mit Ju Jitsu/ Aikido und japanischem Karate angefangen. Ich habe auch ein bisschen Sparring in Kickboxer-Manier gemacht, aber das war immer noch nicht sehr ergiebig. Ich bin dabei geblieben, habe eine Menge Lehrgänge in unterschiedlichen Künsten gemacht und schließlich habe ich eines Tages festgestellt, dass das, was ich gelehrt habe – ich war zu diesem Zeitpunkt Trainer -, so viel von mir selbst beinhaltete. Meine Schüler haben mich ermutigt, es weiter auszuarbeiten, besonders Eugene Frizzell. Großmeister, die ich getroffen habe, mochten, was ich tat und letztlich gipfelte das Ganze in Shen Chuan. Es ist ein chinesischer Name, aber kein chinesisches System. Ich habe ihn gewählt, weil es sehr von chinesischen Künsten geprägt ist, aber auch weil China eines der großen Kampfkunst-Länder ist. Shen Chuan hat eine Menge japanische und philippinische Techniken, amerikanisches Boxen und auch Ringertechniken. Ich habe das System begründet, als ich 42 war. Ich habe hier eine beachtliche Anzahl an Schülern und einige von denen haben es ebenfalls zum Meister gebracht. Ich gebe Lehrgänge und veranstalte Camps. Das war jetzt vielleicht mehr, als du eigentlich wissen wolltest – aber du hast gefragt!

Nachdem wir jetzt über deinen Werdegang als Kampfsportler gesprochen haben, bringt mich das auch direkt zu “Blutiges Echo”, speziell zu Tad. Wie viel Joe Lansdale steckt in dieser Figur?

Eine Menge meiner persönlichen Philosophie über die Künste ist in Tad eingeflossen.

Wie sieht ein normaler Tag in deinem Leben aus?

Normalerweise stehe ich auf und trinke erstmal einen Kaffee, beantworte Emails oder Interviewanfragen, so wie jetzt. Dann versuche ich, nicht weniger als drei bis fünf Seiten zu schreiben. Manchmal schaffe ich mehr, manchmal weniger. Geht eigentlich ganz schnell. Den Rest des Tages trainiere ich, lese, schaue mir Filme an und hänge mit meiner Frau rum, mache Besuche und gehe ab und an essen und Kaffee trinken. Es ist ein angenehmes Leben. Wir reisen viel, vorwiegend wegen meiner Bücher. Touren in Italien, Deutschland, manchmal auch England und Frankreich. Überall in den USA. Ab und an planen wir sogar richtige Roadtrips. Wenn ich unterwegs bin, habe ich meinen Laptop zum Schreiben dabei. Ich habe versucht, nur zu Hause zu schreiben und ziehe es auch immer noch vor, aber ich habe auch gelernt, auf Reisen zu schreiben, denn wir sind wirklich viel unterwegs.

Wie arbeitest du? Von zu Hause aus oder in einem Büro? Oder klemmst du dir Block und Stift unter den Arm und gehst zum Schreiben in den Park?

Nun, einen Teil davon habe ich ja schon bei der letzten Frage beantwortet. Ich schätze, ich arbeite im Durchschnitt etwa drei Stunden am Tag. Ab und an mache ich auch eine Doppelschicht, selten auch eine dreifache. In den letzten drei Jahren habe ich außergewöhnlich lange geschrieben, aber immer noch nicht mehr als fünf oder sechs Stunden am Tag, am Wochenende eher weniger. Ich arbeite grundsätzlich sieben Tage pro Woche, nehme mir aber manchmal auch einen oder zwei Tage frei, manchmal auch mehr. Immer dann, wenn ich glaube, dass ich es brauche. Mein genereller Plan sieht aber drei bis fünf Seiten morgens vor, oder eben drei Stunden. Normalerweise schaffe ich diese Seitenanzahl deutlich schneller. Ich mache keinen Plan für die Handlung, das übernimmt mein Unterbewusstsein für mich. Und wenn ich morgens aufstehe, bin ich normalerweise auch bereit, loszulegen.

Wie lange brauchst du, um eine Geschichte fertig zu schreiben?

So lange, wie es dauert. Buch oder Geschichte, das macht schon einen Unterschied aus. Eine Woche für eine Kurzgeschichte ist nicht ungewöhnlich, zwei Wochen für eine Novelle, drei bis sechs Monate für einen Roman. Das ist aber natürlich nicht in Stein gemeißelt. Manche Romane haben mich Jahre gekostet, manche Geschichten mehrere Monate.

Würdest du sagen, dass du von anderen Autoren beeinflusst wurdest? Falls dem so ist, wer sind sie? Oder hast du vielleicht auch andere Idole?

Oh ja, sehr viele sogar: Jack London, Rudyard Kipling, Mark Twain, Edgar Rice Burroughs, Robert E. Howard, Ray Bradbury, Richard Matheson, William F. Nolan, Charles Beaumont, William Goldman, Ernest Hemingway, John Steinbeck, F. Scott Fitzgerald, Stephen Crane, Harper Lee, Raymond Chandler, Carson McCulers, ein bisschen Faulkner, James Cain, Dashiell Hammett, Chester Himes, Ralph Dennis mit seinen Hardman-Romanen. Im Moment noch viele andere, aber Momente vergehen auch schnell. Diese hier sind jedenfalls diejenigen, die mich dauerhaft und direkt beeinflusst haben. Es sind aber längst nicht alle. Wenn ich so eine Liste komplett und korrekt erfassen würde, wäre sie unglaublich lang, das kann ich dir versichern. Manchmal ist der Anlass schon eine einzige Geschichte, ein einziges Buch von einem Autor. Mein Lieblingsbuch ist zum Beispiel “To Kill a Mocking Bird” (dt: Wer die Nachtigall stört). Lee Harper hat nur dieses eine Buch geschrieben.

Dir wurden viele wichtige Auszeichnungen verliehen. Achtmaliger Stoker-Award-Gewinner, der British Fantasy Award und vor allem auch zwei Auszeichnungen für dein Lebenswerk. Ich denke, dass du jemand bist, den man “erfolgreichen Autor” nennen kann. Wie wichtig ist dieser Erfolg für dich? Und was ist dir wichtiger, die Auszeichnungen oder das Feedback deiner Fans?

9 Bram Stokers, eine der Auszeichnungen für das Lebenswerk ist ein Stoker, sie sind mir also schon bewusst. Aber ich kämpfe nicht darum, ich glaube nicht, dass es nur sie sind, die meine Karriere ausmachen. Natürlich, ich schätze sie und es gab ein paar Bücher, die mein Verleger für bestimmte Auszeichnungen eingereicht hat, aber ich habe mir nie Gedanken darum gemacht, ob ich gewinne oder nicht. Ich denke, dass man die Menschen dauernd darauf aufmerksam machen muss, dass man da ist, anderenfalls vergessen sie einen. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Wir vergessen schnell. Das ist es, warum Autoren wie Charles Beaumont nicht mehr gedruckt werden. So ist es nun einmal, aber er ist halt tot und kann nichts Neues mehr schreiben. Awards sind nett, aber ich habe nie verstanden, warum die Leute so heiß auf sie sind, warum sie ihnen so wichtig sind.

Gibt es noch Projekte, von deren Realisierung du träumst?

Ich habe gerade eines realisiert. Ich wollte schon seit Jahren eine epische Geschichte über einen schwarzen Cowboy im alten Westen schreiben. Das habe ich jetzt getan. Ist in diesem Jahr rausgekommen und heißt “Paradise Sky”.

Als ich mit ein paar Freunden darüber gesprochen habe, dass ich dieses Interview führen würde, wurde ich darum gebeten, Joe Lansdales dunkelste Geheimnisse aufzudecken. Nun … jetzt bist du an der Reihe, sie uns zu erzählen.

Eigentlich habe ich keine. Ich trinke nicht, rauche nicht und feiere keine Orgien. Ich bin eigentlich in erster Linie ein familiärer Mensch und ein Kampfsportler. Da gibt es nicht sonderlich viel Dunkles.

Was denkst du über die Verfilmung von Bubba Hotep? Warst du in die Produktion eingebunden? Und was ist mit den anderen Umsetzungen wie zum Beispiel für “Masters of Horror”?

Ich liebe Bubba Hotep. Don war so nett, mich in einigen Punkten nach meiner Meinung zu fragen, und er hat mich und meinen Sohn für eine Woche oder so ans Set eingeladen. Wir waren auch da, als Masters of Horror gedreht wurde, das hat mir auch sehr gefallen. Meine gesamte Familie war am Set zu “Christmas with the Dead”, zumindest für eine gewisse Zeit. Es basiert auf einer Geschichte, die ich geschrieben habe, mein Sohn hat das Script verfasst, meine Tochter hat ein paar der Songs mitgeschrieben und auf dem Soundtrack eingesungen, außerdem taucht sie auch im Film auf. Wir waren auch alle am Set von “Cold in July”, bei dem Jim Mickle Regie geführt hat. Das war spaßig. Michael C. Hall hatte die Hauptrolle und Sam Shepard, Don Johnson, Vinessa Shaw und Wyatt Russell waren auch mit dabei. Es war großartig. Echt toll, dabei gewesen zu sein. In diesem Jahr wird Bill Paxton “The Bottoms” verfilmen und ich habe vor, auch an diesem Set ein bisschen Zeit zu verbringen.

Die meisten deiner Romane sind ziemlich gewalthaltig. Sogar ein Buch wie “Ein feiner dunkler Riss” (welches ich sogar jüngeren Lesern als Lektüre empfehlen würde) kommt nicht ganz ohne aus. Würdest du sagen, dass Blutvergießen und Gewalt ein Markenzeichen deiner Arbeit sind? Könntest du dir vielleicht vorstellen, eine Geschichte komplett ohne Gewalt zu schreiben?

Ja, ich kann mir eine Geschichte ohne Gewalt vorstellen und ich würde drauf wetten, dass ich auch ein paar geschrieben habe. Ich plane nichts, sondern lasse es einfach geschehen. Es kommt immer auf die Geschichte an. Die Gewalt selbst ist eigentlich auch eine Metapher, wenn sie richtig eingesetzt wird.

Jeder kann sich heutzutage Autor nennen. Es ist einfach, seine Geschichten auf Amazon zu veröffentlichen, ohne einen großen Verleger zu haben. Und ohne Lektorat. Was denkst du darüber? Fluch oder Segen?

Ein bisschen von beidem. Meistens aber ein Fluch. Es hat aber seinen Platz. Ich denke, es ist eine gute Gelegenheit für etablierte Autoren, um ihre alten Bücher wieder in Druck zu bringen, oder um auch mal ungewöhnliche Arbeiten zu veröffentlichen, die der Verleger nicht mit der Kneifzange anfassen würde. Ich mag es, wenn ich geprüft werde. Es hat mich zu einem besseren Autor gemacht. Wenn alles, was man schreibt, gedruckt werden kann, dann wird alles gedruckt werden. Was bedeutet, dass eine Menge Scheiße veröffentlicht wird. Es gibt Mängel bei den konventionellen Verlagen, aber im Vergleich zu dem, was ich an Selbstveröffentlichtem zu lesen versucht habe (wobei es allerdings Ausnahmen gibt) liest sich sogar das Schlechteste von New York Publishing wie Tolstoi. Natürlich kommt aber auch dabei hier und da ein gutes Buch durch.

Ich denke, ich habe dich jetzt lange genug gelangweilt. Ich möchte mich noch einmal dafür bedanken, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Jetzt ist es Zeit für die berühmten letzten Worte. Gibt es noch etwas, was du deinen deutschen Fans sagen möchtest?

Danke.
 
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