2. Teil: Städte + Wasser

MRO1975

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11. August 2018
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Langsam gewöhne ich mich an den Stil. Die Verwirrung löst sich etwas auf.

Auch im 2. Abschnitt gibt es wieder zwei Handlungsfäden, die sich abwechseln. Auf der einen Seite wird erzählt, wie die Mutter Penelope in Polen aufwächst und von ihrem Vater Klavier spielen lernt, später anlässlich eines Konzerts nach Wien ausreisen darf und flieht und schließlich in Portugal? landet, wo sie sich mit Putzarbeiten über Wasser hält.

Auf der anderen Seite wird erzählt, dass der Mörder/Vater nach Hause gekommen ist, um seine Söhne zu bitten, ihm beim Bau einer Brücke zu helfen. Alle lehne an und schicken ihn fort. Clay überlegt es sich anders und trifft Vorbereitungen zu seinem Vater zu gehen. Er verabschiedet sich.

Im englischen Original heißt das Buch ja Bridge of Clay - eine schöne Doppelbedeutung: Die Brücke aus Lehm oder Die Brücke des Clay (im Sinne von gebaut von Clay).

Ich frage mich allerding immer noch, worauf die Geschichte hinausläuft... Was ist diese weltverändernde Handlung, die Clay vollbringt und die alles verändert? Er wird ja wohl nicht nur eine Brücke bauen und den Mörder/Vater mit seinen Söhnen versöhnen, oder? Wen hat der Vater überhaupt getötet? Die Mutter?

Das ganze Gepräge erinnerte mich an Die allertraurigste Geschichte. Da hat der Erzähler auch immer ganz furchtbar traurige Andeutungen gemacht und ist mit der Story nicht richtig rüber gekommen. Wobei ich Zusak keineswegs mit Ford vergleichen will. Zusak schreibt Welten besser, ich versteh ihn leider nur langsam.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Etwas besser hat mir der zweite Abschnitt schon gefallen, besonders weil Penelope ihre Geschichte erzählt, die schon sehr melancholisch ist, aber doch auch hoffnungsvoll. Was muss es ihren Vater emotional gekostet haben, sie wegzuschicken und wahrscheinlich zu wissen, dass es kein Wiedersehen gibt.
Wieso wusste Matthew übrigens, dass Clay gehen würde? Er hat ihm sogar den Zettel mit der Anschrift wieder zusammen geklebt.
Und schon wieder gibt es einen Abschied. Clays Freundin hat auch die Größe ihn fortzulassen, obwohl sie ihn nicht missen möchte.
Ich vermute und wünsche mir, dass sich die Geschichten zu einem sinnvollen Ganzen formen und dann auch gefallen.
Doch bis jetzt ist das Buch zwar schon schön geschrieben, aber ein wenig konfus und deshalb nicht so gut zu lesen.
:)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich bin erst auf Seite 107, habe aber im 2. Abschnitt den Eindruck, es mit einem anderen Buch zu tun zu haben. Auf einmal kann ich der Geschichte folgen !
Sehr emotional die Lebensgeschichte Penelopes. Der Vater scheint von ihrer Geburt an geplant zu haben, das Kind außer Landes zu schaffen. Akribisch hat er auf dieses Ziel hingearbeitet und sie zur Pianistin ausgebildet.

Die Jungen und ihr gespaltenes, ablehnendes Verhalten dem Vater gegenüber. Die Brücke, die ja große Bedeutung haben muss, ist sie im Titel des englischen Originals enthalten...
Clay ist verschlossen, redet eigentlich nie. Sein "Hi, Dad", hat die Jungen geschockt.

Jetzt kann ich auch die wunderschönen Sprachbilder erkennen, die @Renie und @MRO1975 weiter oben gelobt haben:rolleyes:
Ehrlicherweise hatte ich im ersten Abschnitt sprachlich wenig Schönes entdecken können. (Müsste ich ihn noch einmal lesen?)
Das Buch gefällt mir jetzt gerade RICHTIG gut :) Nur weiter so!!!
 

MRO1975

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11. August 2018
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Sehr emotional die Lebensgeschichte Penelopes.
Die Geschichte von Penelope fand ich auch berührend. Ihre Kindheit in Polen vor der Wende hat in mir viele Erinnerungen geweckt. Ich kann noch gut nachfühlen, dass man sich trotz der Beschränkungen und dem Mangel, dem Schlangestehen usw. als Kind nicht unglücklich gefühlt hat. Man kannte ja nichts anderes und hat sich eben mit den Gegebenheiten arrangiert. Penelopes Vater war da schon weitsichtiger.
 

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich bin jetzt in dem Buch angekommen und bin gefesselt. Die Symbolik überfordert mich zwar noch das eine oder andere Mal. Aber vermutlich ist es wie mit dem Anfang. Erst im Nachhinein wird man verstehen, was an manchen Stellen gemeint ist.
Sehr schick finde ich die bedeutungsschwangeren letzten Sätze eines Kapitels. Im ersten Moment sind sie irritierend. Da man jedoch spürt, dass sie auf irgendetwas hindeuten - was auch immer - erhöhen sie die Spannung ungemein.
päter anlässlich eines Konzerts nach Wien ausreisen darf und flieht und schließlich in Portugal? landet, wo sie sich mit Putzarbeiten über Wasser hält.
Ich frage mich generell, wo die Reise am Ende hingeht. Im ersten Moment dachte ich, dass der Handlungsstrang um die Dunbar-Brüder in Amerika spielt. Doch mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie in Australien oder Neuseeland leben. Den Februar als Sommermonat zu bezeichnen, war für mich der Hinweis. Hinzu kommt, dass Zusak selbst in Australien lebt. Wie kommt also Penelope von Europa nach Australien? Oder befindet sie sich bereits in Australien, als sie ihren Mann kennenlernt? Portugal hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm.
Im englischen Original heißt das Buch ja Bridge of Clay - eine schöne Doppelbedeutung: Die Brücke aus Lehm oder Die Brücke des Clay (im Sinne von gebaut von Clay
Wenn ich den englischen Titel vorher gekannt hätte, wäre mir einiges klarer gewesen. Ich hätte nämlich nie gedacht, dass Clay zum Hauptcharakter wird. Im ersten Teil war er für mich einer von 6 Brüdern. Aber mittlerweile sieht die Situation natürlich anders aus. Er ist auch nicht geistig zurückgeblieben, wie ich im vorherigen Teil angenommen hatte. Er ist einfach nur anders als seine Brüder.
Sein Abschiednehmen, zunächst von Carey, dann von allen anderen inkl. Viehzeug, hat mich sehr berührt. Das war so wundervoll formuliert, dass ich nur noch mit "Kloß im Hals" gelesen habe. Für solche Textpassagen kann ich auch großzügig über die teilweise verwirrende Symbolik hinwegsehen :);) ... wobei ich mich auch frage, welchen Anteil der Übersetzer bei diesen manchmal merkwürdigen Formulierungen hat.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Ich bin erst auf Seite 107, habe aber im 2. Abschnitt den Eindruck, es mit einem anderen Buch zu tun zu haben. Auf einmal kann ich der Geschichte folgen !
Mir geht es ähnlich wie Dir @Literaturhexle . Der Einstieg war gewöhnungsbedürftig. Wie @Renie frage ich mich auch, wo Markus Zusak uns hinlotsen will. das kann ich beim besten Willen noch nicht erkennen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Portugal hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm.
Es war von der Portugiesischen Galeere (blaue Flaschen) die Rede. Das ist eine Quallenart, die besonders im Pazifik anzutreffen ist, nur vereinzelt in Europa (Portugal).
Ich war auch von USA ausgegangen, hatte aber mit den Jahreszeiten meine Probleme. Insofern könnte Neuseeland ja zutreffen.
welchen Anteil der Übersetzer bei diesen manchmal merkwürdigen Formulierungen hat.
Auf Facebook in meiner Stammtischrunde hat jemand den Roman im englischen Original gelesen und als "Flop des Jahres 2018" bezeichnet. Insofern denke ic, hat es nichts mit dem Übersetzer zu tun: Der Stil ist besonders und experimentell. Entweder du magst das, lässt dich drauf ein oder eben nicht.
 
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Reaktionen: parden und Leseglück

Literaturhexle

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2. April 2017
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Du hast eine Facebook-Stammtischrunde :) Wie muss ich mir das vorstellen? Alle sind zur selben Zeit auf Facebook und zischen dabei ein Bierchen :D
Schlimmer: es handelt sich um eine mittlerweile geheime Runde :cool:.
Getrunken wird nichts, aber Süchtige gibt es auch...
Es nennt sich Leser-Stammtisch, ein netter Kreis mit nur 150 Mitgliedern, aber längst nicht so nett wie hier :D
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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So. Bin auch am Ende des Abschnitts. Vieles habt ihr bereits besprochen.

Dieser eigenwillige Stil - kennen wir ihn nicht doch aus der Bücherdiebin? Ein allwissender Erzähler, der mehr weiß, als ein Mensch wissen kann. Hier ein Beispiel:
[zitat]Während sie sang, wusste sie, dass es nicht so kommen würde.
Sie würde ihn (ihren Vater) nie wieder sehen.[/zitat]
Oder: [zitat]Seltsam, aber wahr; eines Tages würde ich diese Frau heiraten[/zitat]
Desgleichen beim Klavierkauf:
[zitat]wenn sie Tausend Dollar brauchte, würde sie zurückkommen, wenn sie Tausend Dollar hatte und erst dann würde sie ein Klavier ausprobieren. (...)
Und dieser Tag war heute. Auch wenn ihr 53 Dollar fehlten[/zitat]
Diese Formulierungen (gern auch am Ende eines Abschnittes wie @Renie festgestellt hat), haben eine Tiefe, die mir gefällt.

Die Brücke muss eine Metapher sein: die Brücke zur Wahrheit, Schulterschluss zwischen Gegenwart und Vergangenheit ...
Spannend. Auch was es nun mit dem "Mörder" auf sich hat und mit den Wäscheklammern...
Wir müssen wohl weiterlesen, um das zu ergründen ;)
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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im englischen Original gelesen und als "Flop des Jahres 2018" bezeichnet.
Ich habe mir die englischsprachigen Kritiken auch angeschaut. Da kommt der neue Zusak auf 3,5 Sterne im Schnitt. Hauptkritikpunkt: Unlesbarkeit.

Nach der Verwirrung der ersten Seite hat sich der Schreibstil normalisiert. Ich kann der Geschichte viel besser folgen. Die Geschichte Penelopes ist sehr beeindruckend. Wie schon bei der Bücherdiebin scheint Zusak hier Geschichten zu verarbeiten, die er von seinen Eltern über die Kriegszeit bzw. die Zeit nach Kriegsende gehört hat.

Die Erzählung hat grundsätzlich in jedem Fall das Zeug zu einem großen Familienepos. So ganz überzeugt bin ich aber immer noch nicht.
 

parden

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Wen hat der Vater überhaupt getötet? Die Mutter?
Das glaube ich nicht. Höchstens im Sinne von: Töten auf Verlangen. An einer Stelle stand ja, dass die Mutter zuletzt vollgepumpt mit Morphin auf dem Sofa lag - das klingt nach Krebs im Endstadium. Aber ich lasse mich überraschen, vielleicht ist es ja doch alles ganz anders.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Ich bin jetzt in dem Buch angekommen und bin gefesselt. Die Symbolik überfordert mich zwar noch das eine oder andere Mal. Aber vermutlich ist es wie mit dem Anfang. Erst im Nachhinein wird man verstehen, was an manchen Stellen gemeint ist.
Sehr schick finde ich die bedeutungsschwangeren letzten Sätze eines Kapitels. Im ersten Moment sind sie irritierend. Da man jedoch spürt, dass sie auf irgendetwas hindeuten - was auch immer - erhöhen sie die Spannung ungemein.

Sein Abschiednehmen, zunächst von Carey, dann von allen anderen inkl. Viehzeug, hat mich sehr berührt. Das war so wundervoll formuliert, dass ich nur noch mit "Kloß im Hals" gelesen habe. Für solche Textpassagen kann ich auch großzügig über die teilweise verwirrende Symbolik hinwegsehen
Das ergeht mir ganz ähnlich. Gerade diese wilden Zeitsprünge gelegentlich mehrfach auf einer Doppelseite verwirren mich doch sehr. Auf der anderen Seite gibt es tatsächlich berührende Passagen - und der Schreibstil ist trotz der Überfrachtung mit Bildern und Symbolen einfach wunderschön.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Der Stil ist besonders und experimentell. Entweder du magst das, lässt dich drauf ein oder eben nicht.
Ich habe beschlossen, mich darauf einzulassen, und bislang habe ich es nicht bereut. Es ist durchaus anstrengend, der Stil fordert die volle Aufmerksamkeit, aber ich finde, man wird auf jeden Fall mit einer ganz besonders erzählten Geschichte belohnt.
 

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
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Niederrhein
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Verschiedene Zeitebenen, unterschiedliche Länder, Wechsel der Perspektiven - Zusak lässt hier nichts aus. Ein wenig ist das, als wenn man sich ein hochkkomplexes Musikstück anhört. Wenn man versucht, einer einzelnen Stimme zu folgen, bringt man sich um das Vergnügen des Großen Ganzen. Alle Stimmen zusammen aber sorgen für das sinnliche Erlebnis, die Harmonie, das berührende Erleben. Und hier ist es doch ähnlich. Wenn ich versuche, die einzelnen Details auf ihre Bedeutung hin zu sezieren, verliere ich mich in den Kleinigkeiten. Wenn ich mich aber durchs Buch treiben lasse und einfach auf den Autor vertraue, kann ich das Große Ganze erahnen und auf mich wirken lassen.

Herrje, Zusak verleitet einfach zu Bildern... ;)

Mit anderen Worten: ich verstehe vielleicht noch nicht alles, aber die Art der Geschichtenerzählung gefällt mir.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Auf der einen Seite wird erzählt, wie die Mutter Penelope in Polen aufwächst und von ihrem Vater Klavier spielen lernt, später anlässlich eines Konzerts nach Wien ausreisen darf und flieht und schließlich in Portugal? landet, wo sie sich mit Putzarbeiten über Wasser hält.

Das fand ich schon mal sehr interessant, und da hatte sie ja wirklich keine leichte Zeit... Wie traurig, dass sie ihren Vater zurücklassen musste, aber sehr selbstlos von ihm, dass er sie lieber aufgibt, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite wird erzählt, dass der Mörder/Vater nach Hause gekommen ist, um seine Söhne zu bitten, ihm beim Bau einer Brücke zu helfen.

Ich frage mich ja wirklich, was genau das Vater eigentlich getan hat. Ist er wirklich ein Mörder, oder hat er "nur" seine Familie im Stich gelassen? So oder so eigentlich ein starkes Stück, da aufzutauschen, um um Hilfe zu bitten. Andererseits gibt es da sicher eine Geschichte zu – vielleicht konnte er sich nicht mit seinen Söhnen in Verbindung setzen. Wenn er wirklich ein Mörder ist, vielleicht saß er im Gefängnis.

Ich frage mich allerding immer noch, worauf die Geschichte hinausläuft... Was ist diese weltverändernde Handlung, die Clay vollbringt und die alles verändert? Er wird ja wohl nicht nur eine Brücke bauen und den Mörder/Vater mit seinen Söhnen versöhnen, oder? Wen hat der Vater überhaupt getötet? Die Mutter?

Wenn er denn wirklich jemanden getötet hat, ich bin nicht sicher, ob das wörtlich zu verstehen ist, oder so in der Richtung, die Mutter ist wegen dem Vater an einem gebrochenen Herzen gestorben.

Das ganze Gepräge erinnerte mich an Die allertraurigste Geschichte. Da hat der Erzähler auch immer ganz furchtbar traurige Andeutungen gemacht und ist mit der Story nicht richtig rüber gekommen. Wobei ich Zusak keineswegs mit Ford vergleichen will. Zusak schreibt Welten besser, ich versteh ihn leider nur langsam.

Also, mir hat "Die allertraurigste Geschichte" ja sogar gefallen... ;-)
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Wenn ich mich aber durchs Buch treiben lasse und einfach auf den Autor vertraue, kann ich das Große Ganze erahnen und auf mich wirken lassen.
Genau so gehe ich auch vor. Man muss aufmerksam sein, reine Unterhaltung ist es nicht (aber wer will die schon :D).
Mit anderen Worten: ich verstehe vielleicht noch nicht alles, aber die Art der Geschichtenerzählung gefällt mir.
Genau :)