2. Story: "Die Mutterzelle" (Seite 125 bis 140)

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
848
3.402
44
Dabei fällt auf, dass Barbara die einzige ist, deren Tochter gemordet hat (129). Auf S. 139 ist dann aber von "ihm" die Rede, den sie auf die Felsen hätte fallen lassen sollen....
Barbara nimmt es vielleicht mit der Wahrheit nicht so genau? Denn sie ist es auch, die sich mit der Kreditkarte eines Unbekannten durchschlägt. Vielleicht ist ihre heutige Tochter auch ein Sohn gewesen?
Das ist ja eine interessante Beobachtung...Ist das eine Lüge oder ist sie leicht verwirrt?
Darüber habe ich auch noch nachgedacht. Mich würde da tatsächlich auch wieder das Original interessieren, weil das "ihn" auch ein "it" sein könnte und dann einfach nur die Übersetzung ungenau wäre. Das "it" ist zwar an der Stelle nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht völlig ausgeschlossen.
 

dracoma

Bekanntes Mitglied
16. September 2022
1.731
6.711
49
Die Kinder sind allesamt "berühmte Mörder",
Stimmt. Das waren alles sehr plakative Morde, und Williams erzählt da sehr bizarre Sachen.
Zum Beispiel die Interviews mit den Eltern. Eine der Frauen hatte sich sogar einen Sprecher genommen; die Mütter wurden also auch berühmt und waren der Presse ausgeliefert.
Sogar der Hund des Mörderkindes wird interessant und ist begehrt: nicht als Hund, sondern eben nur als "Mörder"-Hund. Dann die Sache mit dem Gipsabdruck, den man für gutes Geld bei ebay verkaufen könne: diese Bilder finde ich bizarr, sehr bizarr, aber es hat mir gefallen, mit wie wenigen Worten die Autorin diese Sensationsgier, diese Lust am Makabren (oder wie immer man das nennen will) anprangert.
 

luisa_loves-literature

Aktives Mitglied
9. Januar 2022
848
3.402
44
Dann die Sache mit dem Gipsabdruck, den man für gutes Geld bei ebay verkaufen könne: diese Bilder finde ich bizarr, sehr bizarr, aber es hat mir gefallen, mit wie wenigen Worten die Autorin diese Sensationsgier, diese Lust am Makabren (oder wie immer man das nennen will) anprangert.
Das ist auch ein ganz böser Kommentar auf unsere Gesellschaft, finde ich - leider zutreffend, aber furchtbar.

Für mich herrscht da auch eine seltsame Sicht der Mütter auf ihre Kinder - so als ob im Mutterherz doch ein Fitzelchen Stolz auf die Berühmtheit und abstruse Popularität der Kinder besteht.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.098
49
Das "it" ist zwar an der Stelle nicht sehr wahrscheinlich, aber auch nicht völlig ausgeschlossen.
Dass ein Säugling als "it" bezeichnet wird, der vorher schon als Tochter eingeführt wurde, klingt für mich komisch.
Wenn, dann ist es ein Übersetzungsfehler. Da der Tochter Barbaras zuvor aber einige Sätze gewidmet waren, hätte in dem Fall auch das Lektorat geschlafen. Es tröstet mich, dass auch ihr keinen tieferen Sinn darin seht;)
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.702
22.127
49
Brandenburg
Dass ein Säugling als "it" bezeichnet wird, der vorher schon als Tochter eingeführt wurde, klingt für mich komisch.
Wenn, dann ist es ein Übersetzungsfehler. Da der Tochter Barbaras zuvor aber einige Sätze gewidmet waren, hätte in dem Fall auch das Lektorat geschlafen. Es tröstet mich, dass auch ihr keinen tieferen Sinn darin seht;)
Wäre es ein moderner Roman, hätte "it" sein Geschlecht gewechselt ;-).
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.556
24.676
49
66
Ich kenne mich da nicht aus - ich habe das so verstanden, dass das die hippen lesbischen Paare sind, die sich dort treffen, so eine Art Insider-Treff.
Wikipedia weiß auch hier Genaueres:
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.639
16.697
49
Rhönrand bei Fulda
Mich hat das Motiv mit dem Flussgott neugierig gemacht, deshalb habe ich mal angefangen zu googeln, aber besonders schaurige Flussgötter nicht gefunden. Typisch ist die Darstellung eines halb liegenden monumentalen Mannes. Es gibt eine Darstellung (der Gott des Flusses Tyne in Newcastle), die ich gruselig finde, aber das ist eine moderne Statue. Bild hier .
Das Motiv der vergessenen Götter im Exil ist nicht neu, in Jean Rays Roman "Malpertuis" ist es das Hauptthema. Götter, die in einer Art Hospiz leben und in Demenz versinken, weil sich niemand mehr um sie kümmert. Diese Geschichte, die Pam erzählt, hätte ich wirklich gern gelesen (wenn es sie gibt). Sie wäre ganz nach meinem Geschmack.

"Das Leben war wie ein Spiegel, der nicht wusste, was er reflektierte." Was für ein herrlicher Satz! Und auch auf der nächsten Seite: "Im zarten Mondlicht sah alles tödlich aus", sogar so triviale Dinge wie angemalte Zehennägel. Vermutlich können diese armen Mütter nichts von dem, was sie sehen und was ihnen begegnet, jemals wieder in einem anderen Licht sehen als von persönlichem Schuldgefühl und der Begegnung mit tödlicher Gewalt "beleuchtet". Ich stelle mir vor, dass es ihnen ähnlich geht wie tatsächlichen Gewaltopfern; das ganze Leben zerfällt in ein Davor und ein Danach. Das Danach ist verdunkelt und auch das Davor hat seinen Glanz verloren, weil es sich als Illusion entpuppt hat.
Dass ein Säugling als "it" bezeichnet wird, der vorher schon als Tochter eingeführt wurde, klingt für mich komisch.
Wenn, dann ist es ein Übersetzungsfehler. Da der Tochter Barbaras zuvor aber einige Sätze gewidmet waren, hätte in dem Fall auch das Lektorat geschlafen. Es tröstet mich, dass auch ihr keinen tieferen Sinn darin seht;)
Es steht ja ausdrücklich da "ihn als Säugling". Dafür gibt es keine Entschuldigung, selbst wenn es korrekt "der Säugling" heißt, würde man sich an ein weibliches Baby nicht mit den Worten "ihn als Säugling" erinnern. Kann wohl nur ein Übersetzungsfehler sein, obwohl es natürlich naheliegt, dahinter einen tieferen Sinn sehen zu wollen ... geht mir nicht anders ...

Das Ende der Geschichte hat mir sehr gefallen. Das ist echte Resilienz, die wir da zu sehen bekommen. Etwas ähnliches klingt ja schon vorher an, wenn eine der Frauen sagt, dass auch eine Baumkrankheit wie Pflanzengalle für die Erde nützlich sein könnte.

Die Geschichte hat mir besser gefallen als "Im Zug", aber das kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass es darin um alte Weiber geht.

ps. Ich habe übrigens auch nach dem Motiv der überdachten Brücke gegoogelt, weil mir das so fremdartig vorkam: Der Teil in uns, der nie gesündigt hat, ist "derselbe Teil, der nie geboren wurde und nie sterben wird, folglich war er belanglos" und man könnte genausogut einen Teller "mit dem Motiv einer überdachten Brücke drauf anreden". Die überdachte Brücke spielt eine wichtige Rolle in dem Film "Die Brücken am Fluss", nämlich die "Cedar Bridge", auf der sich Meryl Streep und Clint Eastwood geküsst haben. Könnte die Autorin an diese Brücke gedacht haben? Sie ist übrigens 2002 abgebrannt, anscheinend durch Brandstiftung. Sehr symbolträchtig!
 
Zuletzt bearbeitet:

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.556
24.676
49
66
Ich stelle mir vor, dass es ihnen ähnlich geht wie tatsächlichen Gewaltopfern; das ganze Leben zerfällt in ein Davor und ein Danach. Das Danach ist verdunkelt und auch das Davor hat seinen Glanz verloren, weil es sich als Illusion entpuppt hat.
Sehr gut formuliert. Diese Mütter sind ebenfalls Opfer von Gewalttaten und kommen ihr Leben lang nicht davon los.
Die Geschichte hat mir besser gefallen als "Im Zug", aber das kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass es darin um alte Weiber geht.

Mir auch. Glaube aber nicht, dass es an unserem Alter liegt.
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.639
16.697
49
Rhönrand bei Fulda
Äh, äh, kannst du mir diesen herrlichen Satz erklären?
Ich würde es so interpretieren, dass wir dazu tendieren, im Leben einen "Sinn" zu suchen in der Bedeutung einer Absicht, dass diese Absicht aber richtungslos ist.

Wer eine solche "Absicht" im Leben nie gesucht oder vermutet hat, für den ist der Satz natürlich bedeutungslos - aber wer irgendwann angenommen hat (wir werden ja dazu erzogen oder viele von uns jedenfalls), dem wird diese Illusion genommen. Oder auch nicht, aber der "ältesten Mutter", die in diesem Fall die Sprecherin ist, wurde er jedenfalls genommen. Der Blick in den Spiegel: Die Spuren des Kummers in ihrem Gesicht nimmt sie zwar wahr, aber da sie sich im ersten Moment nicht selbst erkennt, weiß sie nicht, welches Kummers; sie registriert nur die Spuren, kann ihnen keinen Sinn geben und empfindet Mitleid. Vielleicht ist das die Art, wie wir einander betrachten sollten. (Was wohl niemandem möglich ist.)
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.702
22.127
49
Brandenburg
@Die Häsin : na ja, na ja, .. ein Spiegel weiß gar nichts. Er tut einfach was. Er reflektiert. Und er reflektiert auch nicht DAS Leben, sondern nur einen Ausschnitt davon.
Und das Leben weiß nicht, was es reflektiert? Das Leben reflektiert doch gar nichts, es ist ein abstrakter Begriff. Wir reflektieren oder sinnen nach ÜBER ein Spiegelbild. Das Leben ist nicht wie ein Spiegel!
Tut mir leid, ich verstehs nicht - und ich fürchte, da gibt es auch nichts zu verstehen.
 

Federfee

Bekanntes Mitglied
13. Januar 2023
2.164
8.962
49
"Das Leben war wie ein Spiegel, der nicht wusste, was er reflektierte." Was für ein herrlicher Satz! Und auch auf der nächsten Seite: "Im zarten Mondlicht sah alles tödlich aus", sogar so triviale Dinge wie angemalte Zehennägel.
Zwar verstehe ich den Satz mit dem Spiegel nicht, aber diese Gegensätze von hoch Philosophischem und sehr Alltäglichem sind bemerkenswert. Diese Nebeneinanderstellungen kommen öfters vor.
Ich stelle mir vor, dass es ihnen ähnlich geht wie tatsächlichen Gewaltopfern; das ganze Leben zerfällt in ein Davor und ein Danach. Das Danach ist verdunkelt und auch das Davor hat seinen Glanz verloren, weil es sich als Illusion entpuppt hat.
Notierenswerte Sätze von dir!
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.098
49
Notierenswerte Sätze von dir!
Wahnsinn,was unsere Häsin immer zu Papier bringt. Vielleicht solltest du als "Altes Weib" doch doch unter die Schriftsteller gehen? Aber nur, wenn du uns nicht untreu wirst :rofl

Es ist hier wieder ganz beachtlich, was ihr alles an Ergänzungen zusammentragt. Ich genieße in diesem Fall einfach mal:helo
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.639
16.697
49
Rhönrand bei Fulda
@Die Häsin : na ja, na ja, .. ein Spiegel weiß gar nichts. Er tut einfach was. Er reflektiert. Und er reflektiert auch nicht DAS Leben, sondern nur einen Ausschnitt davon.
Und das Leben weiß nicht, was es reflektiert? Das Leben reflektiert doch gar nichts, es ist ein abstrakter Begriff. Wir reflektieren oder sinnen nach ÜBER ein Spiegelbild. Das Leben ist nicht wie ein Spiegel!
Tut mir leid, ich verstehs nicht - und ich fürchte, da gibt es auch nichts zu verstehen.
Wie gesagt, viele Menschen (wenn nicht die meisten) werden so sozialisiert, dass sie in ihrem Leben einen Sinn und eine Richtung vermuten, unabhängig von dem, was sie bewusst dafür tun oder nicht tun. Die anonyme "Macht des Schicksals". Das hängt wohl damit zusammen, dass wir gewohnt sind, in Kausalzusammenhängen zu denken.
Unser Glaube an einen Sinn des Lebens ist so verfestigt, dass manch einer sogar in der Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Lebens einen Sinn suchen will. Anders ist ein Satz "der Spiegel wusste nicht, was er reflektierte" nicht zu erklären. Der Spiegel kann dergleichen gar nicht wissen, weil er weder weiß noch tut, sondern einfach nur "ist".
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.702
22.127
49
Brandenburg
Dann meinst du es so: der Spiegel wusste nicht, was er reflektiert, weil er kein Leben erkennen kann oder es sich verändert oder er /oder die Hineinsehende keine Ahnung hat, was das Leben ist?
Immer noch ein schräger Satz. Aber egal. Ich hab mit Spiegelsätzen immer Probleme und finde sie meistens falsch.
Was du vorher sagst, unterstreiche ich natürlich, nur fällt es mir schwer, gerade den Spiegel miteinzubeziehen;-).