2. Leseabschnitt: Zweiter Teil - Weit weg (Seite 75 bis 158)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Gesellschaft.

Was denkt ihr, warum Daniela nicht zu der Selbsthilfegruppe unter psychologischer Aufsicht will? Dort würden ihr keine Vorwürfe gemacht, sie bekäme im Gegenteil moralische Unterstützung.
Ich denke, dass sie zum einen nicht genau weiß, wie es dort verläuft. Vielleicht rechnet sie mit Vorwürfen. Ihr ist es jetzt wichtiger bei ihrem Sohn zu sitzen und versucht zunächst für sich selbst und im „ Gespräch“ mit Manuel mit allem klarzukommen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich denke, dass sie zum einen nicht genau weiß, wie es dort verläuft. Vielleicht rechnet sie mit Vorwürfen. Ihr ist es jetzt wichtiger bei ihrem Sohn zu sitzen und versucht zunächst für sich selbst und im „ Gespräch“ mit Manuel mit allem klarzukommen.
So seh ich das auch. Sie hat im Moment einfach keinen Kopf für sich selbst.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Entscheidet man sich für eine Pflegekraft, hat sie in der Regel keinerlei Ausbildung in pflegerischer Hinsicht und vielleicht noch nicht einmal Erfahrung. Mein
Die Pflegekräfte sind aufgrund dessen auch sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die sich völlig bemühen und andere, die auch gerne schlampern. Soweit mir bekannt, wird alle 3 bis 4 Monate gewechselt, dann gehen Sie erstmal wieder heim.

Im Grunde kann man das Pflegemodell daheim nur fahren, wenn der betreute Mensch noch Herr der Lage ist und selbst Wünsche äußern kann. Demenzpatienten sind vielleicht wirklich im Heim besser aufgehoben. Gut, dass ich diese Entscheidung nicht habe treffen müssen. Schwierig. Die perfekte Lösung gibt es nicht.
Auch in Heimen arbeiten übrigens immer mehr osteuropäische Kräfte. Will in Deutschland keiner mehr machen. So richtig verstehen tue ich das nicht. Mit Sicherheit kann es nicht nur mit der Bezahlung zusammenhängen. Das greift zu kurz.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausgedrückt habe.
Hast Du :)
Hätte hätte Fahrradkette...
Ja, schon klar ;) Es war eher so vor mich hingesagt, da dieses Nicht-Miteinanderreden so oft der Grund für Zerwürfnisse, Streitereien usw. ist. 'Alle' wissen es, aber trotzdem reden die Menschen nicht miteinander offen und ehrlich.
Seine Mutter war als Pflegerin in Polen. Und wir holen Polinnen nach Deutschland. Ist das nicht irre?
Wohl wahr. Folge der Spur des Geldes ...
Jetzt gibt es ein Gerichtsurteil in Deutschland, das Mindeststandards setzt, höchste Zeit!
Die Frage ist, wer diese Standards überprüft. Ich kenne mich ein bisschen mit der Vermittlung von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft aus und auch dort gibt es Standards. Nur haben sie häufig nichts mit der Realität zu tun.
Mit Sicherheit kann es nicht nur mit der Bezahlung zusammenhängen. Das greift zu kurz.
Wie kommst Du darauf? Drastisch ausgedrückt: Für vergleichsweise wenig Entgelt machst Du Dir den Rücken kaputt (schwere Lasten heben usw.), musst Dich auch mit ausgesprochen unangenehmen Menschen abgeben, die nur im seltensten Fall ansehnlich sind und gut riechen, hast Schicht- und Wochenendarbeit und vielleicht sogar Nachts - da lässt sich das Geld mit Sicherheit bequemer und einfacher verdienen. Frag Dich doch mal, ob Du, 20 Jahre jünger, diese Arbeit auf Dauer machen möchtest. Und nicht schummeln ;)
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Der Perspektivwechsel hat mich nicht überrascht, heutzutage ja fast schon ein gängiges Stilmittel. Dennoch halte ich ihn für recht gelungen, insbesondere weil Marco Balzano es gelingt, dass die Erzählstimmen tatsächlich unterschiedlich klingen. Sogar ziemlich.

Ja, aber ich finde es ein wenig schräg, dass sie Manuel direkt anspricht und dann mehrfach von Schäferstündchen mit ihrem Mann erzählt. Welche Mutter berichtet ihrem Sohn vom Sex mit dessen Vater? Bin ich da zu prüde? Ich finde, an diesen Stellen passt es nicht ganz.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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musst Dich auch mit ausgesprochen unangenehmen Menschen abgeben, die nur im seltensten Fall ansehnlich sind und gut riechen,
Das lasse ich nur zum Teil gelten. Im einem gut geführten Heim stinken die Leute nicht und es gibt auch sehr dankbare alte Menschen.

Am Bau oder als Schreiner, Metzger etc. muss man auch heben. Man muss es mit Lehrberufen vergleichen. Auf alle Fälle ist es ein Beruf mit Zukunft, der tendenziell aufgewertet wird. Auch gibt es viele Hilfsmittel, die den Rücken entlasten.
Ich will es nicht schön reden. Aber du darfst jetzt auch keinen akademischen Beruf mit dem Pflegeberuf vergleichen. Ich persönlich finde den Friseurberuf z.B. unattraktiver.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Tatsächlich habe ich in den letzten Jahren von Freunden, die meist polnische Pflegekräfte für ihre Eltern engagiert hatten, viel über diese Frauen gehört. Es ist eine echte Sklavenarbeit mit wenig Freizeit, unterbrochener Nachtruhe, oft sehr nörgeligen Senioren, die die Frauen beschimpfen. Dabei waren sie nicht illegal beschäftigt wie Daniela. Jetzt gibt es ein Gerichtsurteil in Deutschland, das Mindeststandards setzt, höchste Zeit! Allerdings gibt es wohl noch Übergangsfristen.

Das ändert nichts an der Wurzel des Übels: Pflege im Alter muss für alle bezahlbar und verfügbar sein. Warum werden ausländische Kräfte denn engagiert? Weil die deutschen Heime voll sind, Fachkräfte fehlen oder ein Heimplatz finanziell nicht zu leisten ist für die Betroffenen. Nicht weil die Angehörigen bloß geizig wären. Das Gerichtsurteil bringt die Betroffenen weiter in Schwierigkeiten und ändert nichts daran, dass die Politik das Kernproblem nicht anpackt. Genauso wie das Rententhema. Das macht mich wütend.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich war auf Danielas Perspektive sehr gespannt. Nach der ersten Hälfte des zweiten Teils habe ich aber einige Fragen. Ich weiß noch nicht so recht, was ich von Daniela halten soll. Ihr Schritt ist durchaus nachvollziehbar. Aber mir fehlt noch zu viel, um beurteilen zu können, ob das alles richtig abgelaufen ist. Und habe ich es korrekt verstanden, dass sie überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann hatte? Dass sie ihn nicht mehr liebt, ist in Ordnung. Aber müssten sie sich nicht über die Kinder unterhalten? Wie gesagt, ich habe noch Fragezeichen im Kopf und bin gespannt, wie sich das eine und andere noch klärt.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Das ändert nichts an der Wurzel des Übels: Pflege im Alter muss für alle bezahlbar und verfügbar sein. Warum werden ausländische Kräfte denn engagiert? Weil die deutschen Heime voll sind, Fachkräfte fehlen oder ein Heimplatz finanziell nicht zu leisten ist für die Betroffenen. Nicht weil die Angehörigen bloß geizig wären. Das Gerichtsurteil bringt die Betroffenen weiter in Schwierigkeiten und ändert nichts daran, dass die Politik das Kernproblem nicht anpackt. Genauso wie das Rententhema. Das macht mich wütend.
Im Prinzip gebe ich dir recht. Mit Geiz der Angehörigen hat das eher nichts zu tun. Es ist aber leider oft so, dass die alten Menschen sich weigern, in ein Heim zu gehen, obwohl die Pflege zuhause nicht adäquat nicht möglich ist. In der Not werden dann von den Angehörigen die meist polnischen Hilfskräfte engagiert, die aber nicht pflegerisch ausgebildet sind. Pflege ist nicht umsonst eine dreijährige Ausbildung.
 

Barbara62

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Ja, aber ich finde es ein wenig schräg, dass sie Manuel direkt anspricht und dann mehrfach von Schäferstündchen mit ihrem Mann erzählt. Welche Mutter berichtet ihrem Sohn vom Sex mit dessen Vater? Bin ich da zu prüde? Ich finde, an diesen Stellen passt es nicht ganz.
Kann es sein, dass das erst in einem späteren Abschnitt kommt? Oder habe ich etwas überlesen? :oops:
 
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Christian1977

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Ja, aber ich finde es ein wenig schräg, dass sie Manuel direkt anspricht und dann mehrfach von Schäferstündchen mit ihrem Mann erzählt. Welche Mutter berichtet ihrem Sohn vom Sex mit dessen Vater? Bin ich da zu prüde? Ich finde, an diesen Stellen passt es nicht ganz.
Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht genau, welche Stellen du meinst?
 

milkysilvermoon

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Kann es sein, dass das erst in einem späteren Abschnitt kommt? Oder habe ich etwas überlesen? :oops:

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht genau, welche Stellen du meinst?

Ich meine Stellen wie „Ich musste an Filip denken. Wenn wir miteinander schliefen, setze er sich danach…“ (S. 146). Es gibt etwas weiter vorne noch eine ähnliche Stelle, die ich so spontan nicht finde.

Sie beschreibt zwar nicht den Akt an sich. Das wollte ich nicht behaupten. Aber würdet ihr so explizit eurem Kind beschreiben, in welchen Situationen und wann ihr Sex hattet? Ich jedenfalls finde das seltsam. Manuel ist schon ein Teenager, ja. Aber ich käme nicht auf die Idee…
 

milkysilvermoon

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Im Prinzip gebe ich dir recht. Mit Geiz der Angehörigen hat das eher nichts zu tun. Es ist aber leider oft so, dass die alten Menschen sich weigern, in ein Heim zu gehen, obwohl die Pflege zuhause nicht adäquat nicht möglich ist. In der Not werden dann von den Angehörigen die meist polnischen Hilfskräfte engagiert, die aber nicht pflegerisch ausgebildet sind. Pflege ist nicht umsonst eine dreijährige Ausbildung.

Stimmt. Das spielt auch oft eine Rolle. Es wäre aber theoretisch denkbar, dass auch gut ausgebildete Fachkräfte zu Hause pflegen. Nur stimmen dafür eben nicht die Rahmenbedingungen.
 

Christian1977

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Ich meine Stellen wie „Ich musste an Filip denken. Wenn wir miteinander schliefen, setze er sich danach…“ (S. 146). Es gibt etwas weiter vorne noch eine ähnliche Stelle, die ich so spontan nicht finde.

Sie beschreibt zwar nicht den Akt an sich. Das wollte ich nicht behaupten. Aber würdet ihr so explizit eurem Kind beschreiben, in welchen Situationen und wann ihr Sex hattet? Ich jedenfalls finde das seltsam. Manuel ist schon ein Teenager, ja. Aber ich käme nicht auf die Idee…
Die Perspektive im zweiten Abschnitt wandelt sich ja immer ein bisschen. Manchmal erzählt Daniela Manuel direkt etwas, manchmal erfahren wir einfach etwas über ihre Zeit in Italien. Erkennbar ja auch am "Du".

Diese Gedanken über Filip sind meiner Ansicht nach welche, die sie sich direkt in Italien machte, und es bleibt offen, was genau sie Manuel eigentlich erzählt. Wäre es in einem der "Du"-Teile so aufgetaucht, gebe ich dir aber recht, das wäre etwas seltsam.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Aber würdet ihr so explizit eurem Kind beschreiben, in welchen Situationen und wann ihr Sex hattet? Ich jedenfalls finde das seltsam. Manuel ist schon ein Teenager, ja. Aber ich käme nicht auf die Idee…
Man könnte nun sagen, dass hier das Erzählkonstrukt des Autors etwas knirscht.
Oder man erklärt sich das damit, dass das Ganze kein richtiges Gespräch ist zwischen den BeIden. Daniela spricht mit einem im Koma Liegenden. Da kommt keine Reaktion, d.h. man vergisst dabei, mit wem man eigentlich spricht. So gesehen betrachte ich Danielas Schilderungen eher als Selbstgespräch.
Balzano geht in einem späteren Abschnitt auf Deinen Einwurf ein.
 

Barbara62

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Stimmt. Das spielt auch oft eine Rolle. Es wäre aber theoretisch denkbar, dass auch gut ausgebildete Fachkräfte zu Hause pflegen. Nur stimmen dafür eben nicht die Rahmenbedingungen.
Man bräuchte rechnerisch mindestens vier Kräfte pro Pflegebedürftigem, drei mal acht Stunden plus eine im Urlaub/Freizeit, Krankentage nicht mitgerechnet. Das ist nicht machbar. Wir sollten mit unseren Forderungen auch nicht überdrehen. Ganz abgesehen davon, dass die alten Menschen mit Pflegekräften zuhause oft völlig vereinsamen. Und die ärztliche Versorgung ist zuhause auch schlechter. Kein Hausarzt kann so viele Hausbesuche machen. Im Pflegeheim ist mein Mann dagegen sehr oft und befindet sich im ständigen Austausch mit dem Personal.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Das hat man davon, wenn man verspätet in die Leserunde einsteigt . Ihr habt alles Wesentliche schon gesagt. Mir gefällt der Wechsel aus den Szenen im Krankenhaus und der Erzählung Danielas, was in Italien geschehen ist. Ich finde die Figur authentisch, und auch das, was sie in Italien erlebt hat. Ich glaube, wir können diese Entscheidung nicht nachvollziehen, weil unsere Lebensbedingungen völlig andere sind. Ich möchte nicht in Danielas Situation stecken.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Die Perspektive im zweiten Abschnitt wandelt sich ja immer ein bisschen. Manchmal erzählt Daniela Manuel direkt etwas, manchmal erfahren wir einfach etwas über ihre Zeit in Italien. Erkennbar ja auch am "Du".

Ich lese es so, dass Daniela alles (!) ihrem im Koma liegenden Sohn erzählt.

Man könnte nun sagen, dass hier das Erzählkonstrukt des Autors etwas knirscht.

Balzano geht in einem späteren Abschnitt auf Deinen Einwurf ein.

Ja, das meinte ich. Diese Bemerkungen passen für mich nicht zur Erzählperspektive. Aber wenn das noch erklärt wird, dann warte ich mal ab. Danke.
 
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Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Auch wenn es noch nicht konkret thematisiert wurde, glaube ich, dass Daniela ein Alkoholproblem aus Italien mitgebracht hat. Der Arzt wird nicht umsonst so vehement auf das Alkoholverbot im KKH hingewiesen haben.
Dafür sehe ich keine Anzeichen. Irgendwo gab es eine Stelle, kann sein, dass es im nächsten LA ist, wo Daniela erwähnt, dass alle Männer trinken. Es geht um ihr Heimatdorf, wo "abends alle Männer betrunken sind", so ähnlich war es formuliert. Vermutlich ist die Sauferei derart allgegenwärtig, dass der Arzt routinemäßig darauf hinweist. Daniela möchte sich immer wieder mal das Rauchen abgewöhnen, aber Alkohol scheint nicht ihr Problem zu sein.