2. Leseabschnitt: Zweiter Teil (vierte bis sechste Rolle), Seite 101 bis 162

alasca

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13. Juni 2022
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Eine politische Fehlentscheidung des städtischen Aegils führt dazu, dass Josse zur bekannten Figur wird und seinen Investor Polybius kennenlernt. Auch der Aegil eine Witzfigur - wie er sich, auch vor sich selbst, mit einer Bildung brüstet, die er nie genossen hat (das römische Recht).

Polybius ein Selfmademan mit Geschäftssinn. Die verätzten Füße! Ruge ist ein Meister der Charakterisierung. Der auktoriale Erzähler zeigt dieselbe leicht überlegene Haltung wie die höheren Bürger, zu denen Polybius keinen Zugang bekommt.

Wie alle verleugnen, dass sie auf einem Vulkan leben! Je mehr Besitz in Pompeji sie haben, umso unwahrscheinlicher erscheint ihnen die Existenz des Vulkans. Kommt uns das nicht bekannt vor?

(Ich habe neulich im Radio ein Feature über die Tipping Points der Klimafaktoren gehört - furchterregend. Vor allem, wenn sie kaskadieren würden. Ich fühle mich vollkommen machtlos. Selbst wenn ich nie wieder Autofahren würde, China treibt den Bau von Kohlekraftwerken stetig voran.)

Dann die Enteignung der Kommune am Strand durch geschickte Intrige. Am Ende mal in den nächsten LA gespinxt: Hier bekomme ich wohl endlich meine weibliche Protagonistin. :joy
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Wie @alasca schon schrieb, sorgt Fabius Rufus mit seinem Halbwissen und hartnäckigen Vorurteilen für zahlreiche Fehler bei der Verhaftung Josses und letztendlich für die Aufmerksamkeit dieses Falls, so dass Polybius, ganz und gar Geschäftsmann, mit Josse den idealen Partner findet.

Polybius hat eine wirklich interessante Karriereleiter bestiegen, weiß aber auch wie wackelig sein Stand ist und arbeitet unermüdlich an weiteren Veränderungen. Im Prinzip möchte er auch hinaus aus dem eingefahrenen Sumpf von Standesdünkel und Korruption in Pompeji. Er agitiert, oder lässt agitieren, er ist stiller Teilhaber an der Agitation, die Josse übernimmt. Aber auch Josse gibt das umstürzlerische Gedankengut lieber weiter und lässt für sich bei Maras murren und beschweren. Er schreitet dann lieber als strahlender Versöhnungsheld in die Manege und hält seine dritte Rede.

Als Maras endlich weg ist, beginnt die schleichende Enteignung am Fenster zum Meer.

Der Erzähler ist zwar ein auktorialer, aber steckt im 1.Jhdt nach Christus fest (glaubt, dass die Christen nur eine Modeerscheinung, und bald wieder verschwunden sind) und verliert während seiner erklärenden Abschweifungen die Handlung aus dem Blick (S.139), das finde ich sehr witzig.
 

Bücherfreundin

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6. November 2022
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Was die Sorge vor dem Klimawandel angeht, da bin ich ganz bei dir. Unter anderem dieses bedrohlichen Szenarios wegen hat Eugen Ruge das Buch ja vielleicht auch geschrieben. Ich tue dennoch, was immer ich kann: mein Garten ist inzwischen ein Paradies für Vögel, für einheimische Insekten und Pflanzen - ich weiß, global ändert das wenig und doch: selbst in der heißesten Nacht des Jahres wird es in meinem Garten gegen Morgen kühler als im toten Kiesbeet meines Nachbarn…Damit will ich mich nicht als Heldin hinstellen, bestimmt nicht. Es soll nur bedeuten: Viele kleine Dinge können auch etwas Größeres werden .
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Was die Sorge vor dem Klimawandel angeht, da bin ich ganz bei dir.

Wobei wir es heute auf Klimawandel beziehen. Die Veränderungen die den Pompeijaneren ins Haus standen beziehen sich auf den Vulkan, den imperialistischen Römern und dem Beben, das ein Großteil der Infrastruktur zerstört hat, die nur schleppend wieder gerichtet wird.
Ich finde es von Ruge sehr, sehr geschickt, nicht einmal in unsere Gegenwart auszurutschen und doch denke ich als Leser mit jedem Satz daran und vergleiche ständig.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Was die Sorge vor dem Klimawandel angeht, da bin ich ganz bei dir. Unter anderem dieses bedrohlichen Szenarios wegen hat Eugen Ruge das Buch ja vielleicht auch geschrieben. Ich tue dennoch, was immer ich kann: mein Garten ist inzwischen ein Paradies für Vögel, für einheimische Insekten und Pflanzen - ich weiß, global ändert das wenig und doch: selbst in der heißesten Nacht des Jahres wird es in meinem Garten gegen Morgen kühler als im toten Kiesbeet meines Nachbarn…Damit will ich mich nicht als Heldin hinstellen, bestimmt nicht. Es soll nur bedeuten: Viele kleine Dinge können auch etwas Größeres werden .
Das würde ich gern glauben. Aber wir drehen das nicht mehr; zu spät, zu halbherzig. Die Klimakatastrophe wird kommen.
 

Bücherfreundin

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Wobei wir es heute auf Klimawandel beziehen. Die Veränderungen die den Pompeijaneren ins Haus standen beziehen sich auf den Vulkan, den imperialistischen Römern und dem Beben, das ein Großteil der Infrastruktur zerstört hat, die nur schleppend wieder gerichtet wird.
Ich finde es von Ruge sehr, sehr geschickt, nicht einmal in unsere Gegenwart auszurutschen und doch denke ich als Leser mit jedem Satz daran und vergleiche ständig.
Das stimmt natürlich - wir lesen es aus heutiger Sicht, wir interpretieren unsere Erfahrungen da hinein : Maras als Querdenker, Josse als Populist, die Clique, die sich am Fenster zum
Meer niederlässt, als Aussteiger. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass der Autor genau dies beabsichtigt hat…
 

Bücherfreundin

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Mich beschäftigt während der Lektüre übrigens immer mal wieder die Frage, ob „im alten Rom“ die tägliche Plage einer Berufstätigkeit eine genauso starke Rolle spielte wie heutzutage. Die Aussteigerclique am Meer zeigt, das es eigentlich nicht so richtig klappt: ohne Moos nichts los, vor allem im Winter, wenn es kalt und nass ist. Zu der Frage, wie in der großen Zeit der Römer der Arbeitsalltag aussah, findet man hier ein paar Antworten:
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die Klimakatastrophe wird kommen
Sie ist bereits da. Bei uns noch etwas abgeschwächt, woanders schon stärker spürbar.
Unser letzter Sommer war furchtbar und es wird schlimmer. Trockenheit und Überschwemmungen…
Aber wir leben weiter wie zuvor. Reisen, essen zu viel Fleisch, jammern, dass wir nun eine neue Heizung brauchen.
Und die Politik bewegt sich im Schneckentempo.
Ich billige die Methoden der Letzten Generation nicht, aber ich verstehe ihre Wut.
 

RuLeka

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Mich beschäftigt während der Lektüre übrigens immer mal wieder die Frage, ob „im alten Rom“ die tägliche Plage einer Berufstätigkeit eine genauso starke Rolle spielte wie heutzutage. Die Aussteigerclique am Meer zeigt, das es eigentlich nicht so richtig klappt: ohne Moos nichts los, vor allem im Winter, wenn es kalt und nass ist. Zu der Frage, wie in der großen Zeit der Römer der Arbeitsalltag aussah, findet man hier ein paar Antworten:
Danke für den Artikel.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Dann die Enteignung der Kommune am Strand durch geschickte Intrige.
Das war super , wie Ruge das dargestellt hat. Auch hier kommt einem vieles bekannt vor.
endlich meine weibliche Protagonistin
Da bin ich gespannt.
Ich finde es von Ruge sehr, sehr geschickt, nicht einmal in unsere Gegenwart auszurutschen und doch denke ich als Leser mit jedem Satz daran und vergleiche ständig.
Das ist doch wohl die Intention Ruges.
Die Sprache ist allerdings sehr heutig.
 

Bücherfreundin

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Sie ist bereits da. Bei uns noch etwas abgeschwächt, woanders schon stärker spürbar.
Unser letzter Sommer war furchtbar und es wird schlimmer. Trockenheit und Überschwemmungen…
Aber wir leben weiter wie zuvor. Reisen, essen zu viel Fleisch, jammern, dass wir nun eine neue Heizung brauchen.
Und die Politik bewegt sich im Schneckentempo.
Ich billige die Methoden der Letzten Generation nicht, aber ich verstehe ihre Wut.
Ich verstehe Ihre Emotionen auch…
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Befragen wir doch mal die Hühner? Schon lustig was die Menschen damals teilweise für Bräuche hatten….
Das Josse hier quasi zum Rädelsführer wird und mit Polybius zusammenarbeitet wird sicher noch problematisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alles rund laufen wird. Polybius ist ein interessanter Charakter, sicher kam es nicht oft vor, dass Menschen aus seiner Stellung so ein Imperium geerbt haben.
Die Handlung gefällt mir bislang außerordentlich gut. Mir gefällt auch die neckische Art die manchmal einfließt, wenn der Autor den Leser direkt anspricht, dass ihm dies oder jenes beim lesen sicher schon bewusst wurde. Habe ich so in der Form noch nicht allzu oft erlebt, es gefällt mir aber gut
 

Bücherfreundin

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6. November 2022
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Befragen wir doch mal die Hühner? Schon lustig was die Menschen damals teilweise für Bräuche hatten….
Das Josse hier quasi zum Rädelsführer wird und mit Polybius zusammenarbeitet wird sicher noch problematisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass alles rund laufen wird. Polybius ist ein interessanter Charakter, sicher kam es nicht oft vor, dass Menschen aus seiner Stellung so ein Imperium geerbt haben.
Die Handlung gefällt mir bislang außerordentlich gut. Mir gefällt auch die neckische Art die manchmal einfließt, wenn der Autor den Leser direkt anspricht, dass ihm dies oder jenes beim lesen sicher schon bewusst wurde. Habe ich so in der Form noch nicht allzu oft erlebt, es gefällt mir aber gut
Das gefällt mir auch, Ruge macht das mit einem Augenzwinkern, finde ich. In älteren Romanen taucht der Erzähler, der den Leser bei der Hand nimmt und durch die Handlung führt, öfter auf, glaube ich. Aber inzwischen geschieht das nur noch selten…
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Was die Sorge vor dem Klimawandel angeht, da bin ich ganz bei dir. Unter anderem dieses bedrohlichen Szenarios wegen hat Eugen Ruge das Buch ja vielleicht auch geschrieben.

Wobei wir es heute auf Klimawandel beziehen. Die Veränderungen die den Pompeijaneren ins Haus standen beziehen sich auf den Vulkan, den imperialistischen Römern und dem Beben, das ein Großteil der Infrastruktur zerstört hat, die nur schleppend wieder gerichtet wird.
Ich finde es von Ruge sehr, sehr geschickt, nicht einmal in unsere Gegenwart auszurutschen und doch denke ich als Leser mit jedem Satz daran und vergleiche ständig.

Ich muss zugeben, dass ich die Bedrohung des Vulkanausbruchs gar nicht direkt mit dem Thema Klimawandel verknüpfe. Ich weiß auch nicht, ob ich dem Autor unterstellen möchte, dass er das wollte. In erster Linie, behaupte ich, interessiert sich Ruge für Vulkane (siehe Bio in der Innenklappe). Mehr will ich nicht hineininterpretieren, zumindest vorerst.

Das gefällt mir auch, Ruge macht das mit einem Augenzwinkern, finde ich.

So empfinde ich das auch. Die Perspektive ist zunächst ungewohnt, gefällt mir aber sehr gut.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Mich hat es gesundheitlich mal wieder außer Gefecht gesetzt und damit auch lesetechnisch aus der Bahn geworfen. Allerdings konnte ich hier wieder ganz einfach anknüpfen.

Die weitere Entwicklung Josses hat sich ja grob bereits angedeutet. Insofern hat mich dieser zweite Abschnitt nicht allzu sehr überrascht. Erwartbar war für mich auch, dass der drohende Ausbruch negiert wird. Dennoch langweilt mich die Lektüre nicht.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Ich bin ja so erleichtert, dass Pompeji jetzt Fahrt aufnimmt. Der erste Abschnitt hat mich ja kaum begeistern können, umso gelungener finde ich den Weg, den der Roman nun geht und durch die genauere Beleuchtung verschiedener Figuren mehr Einblick in die Gesellschaft und die Eigeninteressen eines jeden gewährt. Polybius hat mich sehr fasziniert, aber auch das Kapitel zu Fabius hat mir sehr gefallen. Das, was ich am ersten Abschnitt also bemängelt hatte, wird hier komplett aufgehoben und der Roman beginnt mir, nicht zuletzt auch wegen des von euch schon so ausgiebig gewürdigten Erzählers, sehr viel Spaß zu machen. Das "Kaltstellen" von Maras war doch "House of Cards" nach allen Regeln - da werden politische Intrigen mal sehr eindrücklich dargestellt. Köstlich doch auch das offizielle wöchentliche Treffen mit Stalles und das eigentlich wesentliche ohne ihn.
Der Roman langweilt mich nun gar nicht mehr, alles sehr unterhaltsam - ich hoffe, es bleibt so.