2. Leseabschnitt// Zweiter Teil: "Auf der Flucht" (S. 87 - 196)

Barbara62

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19. März 2020
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Stimmt, da hast du voll und ganz Recht. Generell scheinen sich Trinas Gefühle bezüglich Marica oft zu verändern. Dies ist wahrscheinlich teilweise den Geschehnissen geschuldet, es gibt gute und schlechte Tage.
Sie ist hin- und hergerissen zwischen Wut und Trauer.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Erich ist weitsichtig, er ahnt, dass die Nazis sich an denen rächen werden, die die Option nicht gezogen haben. Die Flucht ist furchtbar, im Schnee durch die Berge und immer die Angst im Nacken. Maria scheint eine Art Ersatztochter zu sein.
So ganz klar ist mir nicht, warum die Deutschen sich an den Dableibern rächen wollten. Immerhin waren doch die Italiener ihre Verbündeten - oder waren sie das zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr? Ich werde das noch genauer nachlesen müssen...
 
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Reaktionen: KrimiElse

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Was mich beschäftigt, ist die Ausweglosigkeit der Situation der Südtiroler. Sie hatten überhaupt keine Option für ein selbstbestimmtes Leben in Ruhe und Frieden. Kann man es Michael verübeln, dass er Nazi wurde? Er hatte so gut wie keine Schulbildung, konnte vermutlich kaum richtig lesen, wie hätte er sich über Hitler informieren sollen? Alles, was er kannte, war schlecht, da hat er das gewählt, was er am wenigsten kannte.
 

parden

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13. April 2014
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Der Roman entwickelt in der Tat einen ungeheueren Sog. Geschichtsunterricht in Romanform, verbunden mit (fiktiven?) persönlichen Schicksalen. Eine Chronologie der Entrechtung, der Entwurzelung. Erst überrannt von den italienischen Faschisten, den Schwarzhemden, dann von den braungewandeten deutschen Faschisten. Will man Würde und Menschlichkeit bewahren, bleibt nur die gefahrstrotzende Flucht...

Den einfachen Schreibstil finde ich passend zu den oft weniger gebildeten Bauersleuten, das wirkt irgendwie authentisch. Und obschon die Ereignisse episodenhaft und oft nur angerissen erzählt werden, fühle ich mich nicht außen vor gelassen. Die Charaktere kommen beim Lesen nicht wirklich nahe, und doch gelingt es dem Autor zu vermitteln, wie sich Ohnmacht, Wut, Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit anfühlen, aber auch Solidarität, wenn es darauf ankommt.

Dieser Abschnitt war in der Tat sehr lang, aber da sich die Erzählung flüssig liest, fiel mir das nicht so arg auf...
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Trina muss durch den Brief erfahren, dass ihre Tochter aus freien Stücken mit dem Onkel und der Tante mitgehen wollte, mehr noch, es war ihre Idee. Michael und Erich hilft dies ein wenig mit der Sache abzuschließen, bei Trina scheint dies anders aussehen. Wie alt war Marica als sie fortging? 9- 10 Jahre etwa? Sie wollte vorankommen, sah in Graun wenig Möglichkeiten, und hat das in diesem Alter schon erkannt. Oder wurde sie da vielleicht doch seitens des Onkels und der Tante beeinflusst. Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, das ein Kind in dem Alter so berechnend und weitsichtig ist.
Die Handlung scheint sich sehr nah an historischen Fakten zu orientieren, auch der Staudamm gehört zur Geschichte des Dörfchens dazu.
Und es kommt wie es kommen muss, Erich wird eingezogen. Das Leben von Trina und ihrer Mutter, die ihren Mann verloren hat, ist hart mit vielen Entbehrungen. Der Autor beschreibt dies sehr glaubhaft.
Interessant finde ich dass Trina durch die Arbeit auf dem Hof sich nun dem Land auch mehr verbunden fühlt. Schön sind auch die Treffen am Mittwoch mit Maja, ein Stückchen Unbeschwertheit in dieser harten Zeit.
Als Erich zurückkehrt ist Trina froh. Doch der Krieg hat etwas mit ihm gemacht, er will das nicht noch einmal erleben, will lieber desertieren. Als sein Sohn Michael ihm mitteilt, dass er sich den Deutschen anschließen will, wird er wütend. Er hat erlebt wie die Nazis sich im Krieg verhalten haben, verabscheut dies.
Dann die Flucht, Erich und Trina fliehen. Diese Kapitel waren sehr heftig, vor allem diese unnötigen Tode am Ende, der Krieg war ja eigentlich schon vorbei. Maria, die Trina oft an Marica erinnert, hat nun außer Erich, Trina und dem Priester niemanden mehr.
Dieser Roman reißt mich richtig mit. Zur Zeit rangiert er eindeutig unter meinen Lesehighlights für dieses Jahr.
Da geht es mir wie dir, ich wollte eben kaum aufhören um hier etwas zu schreiben, so sehr bin ich gefangen im Buch.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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So ganz eindeutig ist es nicht, ob Marica aus eigenem Antrieb wegging oder ob sie sich von Onkel und Tante so stark beeinflussen ließ. Für die Eltern und den Bruder ist es schon ein harter Schlag, sich mit dem Weggehen der Tochter/ Schwester abfinden zu müssen. Es verändert letztendlich die Familie.
Da bin ich ganz bei dir, denn Trina rätselt auch, ob ihre Tochter tatsächlich freiwillig mitging oder ob sie überredet / gezwungen wurde.ich finde es äußerst eindrucksvoll, wie die Lähmung durch den Verlust des Kindes beschrieben wird, bei Trina und bei Erich. Der Alltag hat beide verloren, nichts zählt mehr, und ohne viele oder pathetische Worte schafft es der Autor, das zu vermitteln.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Für Trina wird es immer schwieriger. Ihr Mann wird eingezogen, der geliebte Vater stirbt, der Sohn wird zum Nazi.
Viel mehr Schlimmes hätte ihr nicht passieren können, ich denke, dass sie deshalb eine Härte gewinnt, die sie sonst nicht gehabt hätte, und sie kann die beiden Deutschen, die Erich auf der Flucht verhören, töten.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Erich ist einer der wenigen, der eigentlich keinen Unterschied in der Gesinnung der italienischen Schwarzhemden und der deutschen Nazis sind. Trina denkt bald genauso [zitat]dass dies meine Heimat war, dass niemand mich verjagen konnte und dass ich nicht tatenlos zusehen konnte. Dass die Faschisten Schweine waren, weil sie uns ertränken wollten, uns in den Krieg hineingezogen und Barbara verschleppt hatten. Und dass die Nazis genauso Schweine waren, weil die uns gegeneinander aufgehetzt hatten und unsere Männer bloß als Kanonenfutter wollten.[/zitat]

[zitat]»Nur weil sie uns nicht ertränken, kann ich es noch lange nicht gutheißen, was sie machen!«[/zitat] sagt Erich

Trina sieht aber auch die Schönheit der italienischen Sprache
[zitat]Hätte ich es nicht automatisch mit diesen auf‌trumpfenden Faschistenschweinen in Verbindung gebracht, hätte ich vielleicht weiterhin die Lieder vor mich hin geträllert, die ich von Barbaras Grammophon kannte – un bacio ti darò / se qui ritornerai / ma non ti bacerò / se alla guerra partirai –, und vielleicht hätte Maja es ebenso gemacht und auch die Bauern, und das ganze Tal wäre im Lauf der Zeit ein Ort der Begegnung für Leute geworden, die sich auf mehrere Arten verständigen können, und nicht ein Problemherd Europas, wo sich alle schief ansehen.[/zitat]
Zur Sprache habe ich mir eine Stelle im Buch markiert, die bezeichnend für die Spaltung ist:

[zitat]Die Sprachen waren zu Rassenmerkmalen geworden. Die Diktatoren hatten sie in Waffen und Kriegserklärungen verwandelt.[/zitat]

...und ich sehe gerade, dass es fast unmittelbar an dein Zitat anschließt.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Viel mehr Schlimmes hätte ihr nicht passieren können, ich denke, dass sie deshalb eine Härte gewinnt, die sie sonst nicht gehabt hätte, und sie kann die beiden Deutschen, die Erich auf der Flucht verhören, töten.
Ich denke auch, dass ein Mensch, der einen geliebten Menschen verloren hat, viel dafür tun wird andere nicht auch noch zu verlieren. Hier war es noch leichter, da Erich ansonsten sicher auch getötet oder gefangen genommen worden wäre
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Erich ist aus meiner Sicht sowieso eine interessante Figur. Anfangs war er nur Trinas Schwarm, der Kühe zur Weide trieb und gerne Zeit mit ihrem Vater verbracht hat, der sie gerne mit ihr verheiratete.
Er hat stets eine klare politische Position. Erst gegen die italienischen Faschisten, dann gegen Hitler. Er muss in den Krieg, beschließt aber bereits bei der Rückkehr, nicht wieder an die Front zu gehen - und zieht das eisenhart gegen alle Widerstände durch. Ebenso positioniert er sich gegen den Staudammbau. Sein Zitat wurde oben schon erwähnt. Mit seinem Sohn bricht er, weil sich jener den Nazis anschließt. Erich ist extrem konsequent.
Stimmt, er ist eigentlich derjenige, der Trina letztlich prägt. Auch wenn sie handelt, er gibt den wesentlichen Anstoß dazu.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Dazu passt ein Zitat, das ich mir auf Seite 129 markiert habe: "Stattdessen waren Italienisch und Deutsch Mauern, die immer höher wurden. Die Sprachen waren zu Rassenmerkmalen geworen. Die Diktatoren hatten sie in Waffen und Kriegserklärungen verwandelt."

P.S. Tut mir leid, liebe @RuLeka, ich habe erst später gesehen, dass du diese Stelle auch schon zitiert hattest!
Oh, das scheint unser aller Markierung zu sein, ich habe sie weiter unten auch schon geschrieben und später erst deinen Post und das Zitat von @RuLeka gelesen
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Ich habe tatsächlich 100 Seiten gebraucht, bis ich mich mit der Sprache arrangieren konnte, aber inzwischen gefällt sie mir auch.
Mir ging es mit meinem ersten Banzano auch so, aber die Geschichte war damals auch mitreißend, so dass ich irgendwann sprachlich hineingefunden hatte. Hierhin es ganz schnell für mich.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Am Ende sagt sie irgendwo, dass das offensichtlich ihre Art ist, mit Dingen fertigzuwerden: es aufzuschreiben und dann zu vernichten/verbrennen.
Das kann ich nachvollziehen. Manchmal reicht es , Dinge auszuformulieren. Dadurch, dass man Worte dafür findet, klärt sich manches. Es braucht nicht immer einen fremden Adressaten.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mich hat gewundert, dass sie die Bauarbeiter nicht als Soldaten brauchten. Ich hätte eher erwartet, dass die Arbeiten bei Kriegsbeginn eingestellt werden.
Es ist nicht immer alles rational nachvollziehbar, was getan wird. In Nazi- Deutschland hat man z.B. auch unendlich viele Menschen und Ressourcen gebraucht, um die Judenvernichtung zu perfektionieren, während daneben Deutschland überall an seinen Kriegsschauplätzen mit Niederlagen zu kämpfen hatte.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Hier muss ich gleich nach der Lektüre des ersten Kapitels des zweiten Teiles etwas loswerden.

Was für eine intensive Schreibe!!! :heart
 

Zunderköchin

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22. Januar 2020
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Leipzig
Ich habe bereits mit dem zweiten Teil begonnen und bin fast am Ende. Hier nimmt das Buch wirklich Fahrt auf und man bekommt etwas Einblick in das Seelenleben der Protagonisten. Allerdings finde ich nach wie vor, dass es noch etwas mehr sein könnte.
Interessant fand ich, dass Trina fast erschrocken war, dass sie über den Briefen an und von Erich ihre Tochter fast verdrängt hat.
Erich wartet nicht mehr auf seine Tochter, aber auf seine Schwester. Das tat schon weh.
Ich kann schon verstehen, dass alle noch in Graun, Valentin und Reschen verbliebenen kein Interesse am Kampf gegen den Staudamm haben. Wenn man so viele Fronten hat, an denen man kämpfen muss, fehlt an irgendeiner Stelle die Kraft.