2. Leseabschnitt: von Seite 62 bis Ende des Zweiten Teils (S. 124)

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Der Erzähler hat offenbar erst nach dem Tod von Florence erfahren, dass diese mit Edward Ashburnham eine Affäre hatte. Wie er es erfahren hat, wissen wir noch nicht, oder habt ihr eine Idee? Von Leonora vielleicht, aber warum erst so spät?

Vielleicht von Edward selber, den das schlechte Gewissen plagt, jetzt, wo Florence tot ist?

Edward scheint ein wahrer Lüstling zu sein. Er hatte schon zahlreiche Liebschaften, die ihn den größten Teil seines Vermögens gekostet haben.

Mich erstaunt immer wieder, dass der Erzähler das Verhalten von Edward permanent entschuldigt und ihn sogar für einen aufrechten, guten Mann zu halten scheint!

Florence ist nicht viel besser. Offenbar um ihre verlorene Jungfräulichkeit zu verbergen, hat sie ihrem frisch angetrauten Mann die Mär von dem Herzleiden aufgetischt. Sie nutzt dies als Vorwand, ihren Ehemann aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Edward ist zudem nicht ihr erster Fehltritt.

Es ist kaum zu glauben, dass der Erzähler das so lange mitgemacht hat, ohne misstrauisch zu werden!
 
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Mikka Liest

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Ich tippe auch auf Leonora, und so spät deshalb, weil sie die Ehe als Katholikin aus Glaubensgründen ja unbedingt aufrecht erhalten wollte. Zur damaligen Zeit passt das ja gut - und auch zur Doppelmoral, wie Du schon geschrieben hast.

Das kann natürlich sein! Ich habe den Eindruck, die Doppelmoral ist das zentrale Thema des Buches.

Mich hat ja direkt erschüttert wie gezielt sie nach einem reichen Mann sucht - und Ansprüche stellt, die zu erfüllen sind, ehe sie ihr Jawort gibt. In dem Moment ist mir John schon etwas naiv vorgekommen, als er sich auch noch darüber freut, dass er nicht viele Konkurrenten haben wird.

Ja, es ist erstaunlich, wie naiv er wirkt! Außer, des kommt jetzt noch eine Wendung und es stellt sich heraus, dass er uns getäuscht hat.

Insgesamt finde ich sie überhaupt ganz schön anmaßend, diese Florence. Der Ehemann darf nicht mal ins gemeinsame Schlafzimmer, aber den aufwändigen Lebensstil zahlen darf er schon.

Oh ja! Was für ein Unterschied zu der armen zarten Frau, als die der Erzähler sie uns anfangs geschildert hat!

Mir ist bis jetzt von dem Quartett noch keiner so recht sympathisch. Ich verspüre zudem noch sehr viel Distanz, habe aber zumindest die beiden Frauen bildlich vor mir, wie die Filmstars aus den 1920-er Jahren. Hager, mondän gestylt, arrogant und kaltblütig. Beinahe hat man Verständnis für den armen Edward, der auch mal nette Dienstmädchen küssen will.

Ich hege eine vorsichtige Sympathie für den Erzähler (man weiß nie, was da noch kommt!), aber ich schüttele den Kopf über seine Naivität...
 
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Mikka Liest

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Ich werde mit der Geschichte auch nicht richtig warm. Warum nimmt John Edward immerzu in Schutz? Schließlich ist er der Liebhaber seiner Frau...

Das frage ich mich auch... Fast fragt man sich, ob der Erzähler womöglich eine homosexuelle Anziehung zu Edward verspürt. Das würde auch erklären, warum es ihn scheinbar gar nicht stört, das Bett nicht mit seiner Frau zu teilen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Florence wirkte am Anfang in seinen Erzählungen wie so ein zerbrechliches, naives Püppchen, aber jetzt stellt sich heraus, dass sie ziemlich skrupellos und intrigant war. Wer hätte es gedacht!
Wobei ich mich mittlerweile ständig dabei ertappe, mich zu fragen, ob der Erzähler uns bewusst in die Irre führen möchte. Zu Anfang bekommen wir das Bild des zarten Vögelchens präsentiert, damit wir ihm abkaufen, dass er Florence unbedingt heiraten will. Später stellt er sie als Intrigantin dar, macht es seinem Ego eventuell leichter die Tatsache des Betruges zu verdauen. Bin da wirklich hin und hergerissen.
Aber mal was anderes. Ist Maisie nun wirklich bei einem Herzanfall in den Koffer gestürzt, oder hat da jemand nachgeholfen, bin mir bei dieser Sache zum Beispiel auch nicht sicher.
 

Mikka Liest

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Da frage ich mich, was genau Florence eigentlich zu bieten hat. So viele reiche Bewerber gab es auch nicht. Warum war John so vernarrt in sie?

Ich habe den Eindruck, es ging gar nicht um sie als Person. Irgendetwas verkörpert sie für ihn. Wenn man mal von meinem Verdacht ausgeht, dass der Erzähler homosexuell sein könnte, dann ist sie vielleicht sein Ticket in ein nach außen "normales" Leben.
 

Mikka Liest

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Wenn man es mal ganz realistisch betrachtet, ist dieser John nichts anderes als der Betreuer seiner (angeblich) herzkranken Frau, der nur nach ihrer Pfeifer tanzt, ihre Liebhaber duldet und alles finanziert.
Von einer normalen Ehe ist das für mich alles meilenweit entfernt. Oder werden noch große Geheimnisse gelüftet?

Eigentlich ist es ein Wunder, dass sie noch nicht schwanger geworden ist! Das war ja damals noch nicht soooo einfach mit der Verhütung.
 

Mikka Liest

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Puh! Langsam ernährt sich das Eichhörnchen. Zum Pageturner taugt der Roman nicht, ich kann ihn nur im schneckigen Schneckentempo verdauen und bin erst auf S. 77, muss aber was loswerden: unser Erzähler hat uns im ersten Abschnitt die Anständigkeit des Ehepaars Ashburnham ausgiebigst gepriesen...
Nun entwirft er ein Bild, das mich an einen Baron Münchhausen erinnert: er trägt so dick auf, dass ich es nicht mehr glauben kann! Eine Geliebte nach der anderen, von der Magd bis zur Adligen aufsteigend....
Dazu völlig hemmungslose Schulden, zu deren Begleichung Geldhaie engagiert werden... mir alles zuviel. Da ist was faul :D

Interessanterweise scheint das für ihn kein Widerspruch zu sein. Trotz seiner vielen Affären ist Edward für ihn ein anständiger Mensch, der einfach nicht anders kann...
 

Mikka Liest

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Jetzt im zweiten Abschnitt werden die Ungereimtheiten immer deutlicher. Das Buch liest sich als ob man von einem hinterhältigen Bergführer durch unwegsames Gelände geführt wird ;) Mir macht es trotzdem oder vielleicht deshalb Spaß das Buch zu lesen.

Ich liebe sowas. Unzuverlässige Erzähler werden mir nie langweilig! :)

Ein bisschen stört mich, dass Alle Protagonisten fiese Charakter zu sein scheinen.

Vor allem die Frauen, die sind hier schon eine Nummer für sich!

Auf S.113 beschreibt der Erzähler wie er seinen Diener Julius verprügelt. Hier zeigt John zum ersten Mal ein anderes Gesicht von sich. Ansonsten stellt er sich ja als duldsamen Narren dar. Seine Frau hat Angst, dass er sie ermorden könnte! Dafür muss sie ja auch einen Grund haben...

Jetzt frage ich mich zum ersten Mal: war ihr Tod wirklich Selbstmord?

Bisher habe ich nicht verstanden, warum John Florence geheiratet hat. Welche Interessen verfolgt er eigentlich in dem ganzen Spiel? Ich bin gespannt ob es Klarheit geben wird an Ende, ich denke aber eher nicht.

Ich halte jetzt erstmal an meiner Theorie fest, dass er homosexuell ist und sie als Alibi geheiratet hat.
 
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Irgendwie traue ich diesem Erzähler überhaupt nicht mehr. Hat er es wirklich erst nach ihrem Tod erfahren, oder doch nicht vorher schon etwas geahnt.

Das ist es, was das Buch für mich so interessant macht! :)

Das wirkt sehr berechnend und die Frage, warum John sie geheiratet hat, stellt sich mir immer dringlicher. Warum betont er, dass er nichts zu tun hat? Sein Reichtum ist die eine Seite, aber er könnte doch einer Tätigkeit nachgehen.

Ich glaube, in gewissen reichen Kreisen war das damals so, dass man nicht selber arbeitete sondern höchstens seine Angestellten für sich arbeiten ließ?
 

Mikka Liest

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Einerseits absolute Ergebenheit:
S. 101 "Das ist mir gleichgültig. Auch wenn Florence eine Bank ausgeraubt hätte, würde ich sie heiraten und mit nach Europa nehmen."

Aber ist das wirklich Ergebenheit? Oder war ihm das gleichgültig, weil er sie ohnehin nur als Deckmantel brauchte, um seinem Leben einen respektablen Anstrich zu geben? Wenn ja, dann ist die Frage: was verbirgt sich dahinter? (Ich wiederhole mich, aber: ich vermute Homosexualität.)

Und dann sagt uns der Erzähler:
S. 122: "Ich glaube, ich habe es nun deutlich genug dargestellt."
Nein, hast Du nicht, du Halunke! Welche Ironie!
Ich muss sagen: Ich verfange mich weiterhin gern in diesem erzählten ironischen Spiel der "Dichtung und Wahrheit", auch wenn es an manchen Stellen doch auch etwas ermüdend ist.

Ja, allzu lange am Stück kann ich das auch nicht lesen, obwohl es mir gut gefällt!

Ich höre übrigens nebenher noch das englische Hörbuch, und der Sprecher ist absolut fantastisch, der bringt John perfekt rüber.
 
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Mikka Liest

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Auch wenn John erst spät von der Affäre erfahren haben sollte, ist alles was er erzählt nicht unbedingt das, was ich bei 2 befreundeten Paaren erwarten würde. Allerdings könnten seine Erinnerungen beeinflusst sein. Man kennt es ja selbst, die Sicht auf zurückliegende Dinge ändert sich gewaltig, wenn man etwas Neues, in dem Fall die Affäre von Florence, erfährt.

Nach dem jetzigen Stand sieht es ja so aus: er bewundert Edward, er hält große Stücke auf Leonora und er hasst seine Frau. Was die Frage aufwirft, ob ihr Tod wirklich Selbstmord war, oder ob er uns da anlügt.
 

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DAS habe ich mich auch gefragt! Ist schon erstaunlich, wie viele Menschen in diesem Roman angeblich ein dermaßen schwaches Herz haben, dass sie bei der leisesten Aufregung oder Anstrengen tot umfallen könnten.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Das frage ich mich auch... Fast fragt man sich, ob der Erzähler womöglich eine homosexuelle Anziehung zu Edward verspürt. Das würde auch erklären, warum es ihn scheinbar gar nicht stört, das Bett nicht mit seiner Frau zu teilen.
Diese Vermutung habe ich auch mittlerweile. Das wäre dann wohl der Knaller, der dieser Geschichte bislang fehlt.
 

Literaturhexle

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Warum nimmt John Edward immerzu in Schutz? Schließlich ist er der Liebhaber seiner Frau...
Das kann ich mir nir so erklären, dass er sie eben nicht liebt! Dieses ganze Ehe-Arrangement erschien mir schon extrem nüchtern zustande gekommen zu sein: sie hat Wünsche, er kann sie erfüllen: topp!
Dass er keinen Beischlaf mit seiner Frau haben kann- stört ihn nicht im Geringsten... Das ist ja keine normale Beziehung. Dieser John kommt mir so neutral seiner Frau gegenüber vor. Vielleicht ist er auch schwul?
 

Literaturhexle

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Die jungen Frauen tendieren heute ja wieder verstärkt zum heimischen Herd, während der Angetraute hinaus ins feindliche Leben geschickt wird.
Empfindest du das so? Ich habe eher den Eindruck, dass von den jungen Frauen erwartet wird, dass sie spätestens 6 Monate nach der Geburt wieder am Arbeitsplatz stehen und ihre Kinder in die Betreuung geben. Entschuldigung, das Thema gehört ja nicht hierher :D
 

Literaturhexle

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Oder werden noch große Geheimnisse gelüftet?
Darauf spekuliere ich noch!
Ich habe den Eindruck, die Doppelmoral ist das zentrale Thema des Buches.
Das kann sehr gut sein: Anspruch (nach außen) und Wirklichkeit (nach innen). Es soll bestimmt ein zeitkritischer Roman sein. Ich bin davon überzeugt, dass der Autor uns die Dekadenz der Oberschicht vorführen will. Und dekadent scheinen bislang ja alle Protagonisten zu sein. Mit ihren "Opfern" haben sie wenig und kurzes Mitleid.
 

Literaturhexle

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Aber mal was anderes. Ist Maisie nun wirklich bei einem Herzanfall in den Koffer gestürzt, oder hat da jemand nachgeholfen, bin mir bei dieser Sache zum Beispiel auch nicht sicher.
Ha! Ich habe das einfach mal so hingenommen. Irgendwie bin Ich dem Erzähler gegenüber noch zu blauäugig...
Wenn du mich aber so fragst: da könnte durchaus was faul sein. Zumal sich die Todesfälle ja noch zu häufen scheinen.