2. Leseabschnitt: VIER bis ACHT (Seite 71 bis 146)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
warum die Frauen in personaler Erzählperspektive und die Männer/Jungs in Ich-Perspektive gezeigt werden.
Lars und der Junge haben eine eigene Stimme.Vllt weil sie jeweils einen aktiveren Part im Buch und im Leben haben? Dann hängen sie auch noch innerlich zusammen als Vater und Sohn, sozusagen die Blutsbande. Kann es sein, dass wir die hören?
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich habe gerade das Kapitel gelesen, in dem sein Essen mit Yvonnes Familie beschrieben wird, und danach die Schilderung der Hochzeit. Da fand ich mehrmals, dass die Form nicht zum Inhalt passt.
Kann ein introvertierter Seemann nicht auch so sein? Ich finde gar nicht, dass er ein grober, ungehobelter Kerl ist, er hat eine weiche Seite. Deswegen ist er auch so von Yvonne angezogen. Er sagt nicht viel, denkt aber eine Menge. Und er bringt Bücher !!! mit nach Hause.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Theoretisch habt ihr da vollkommen recht. Allerdings stört mich die Ähnlichkeit der Stimmen in diesem Roman gar nicht. Gegen den Trend gefällt mir diese raue, poetische, bildhafte Sprache sehr gut. Sie transportiert die Gefühle der Protagonist:innen und die Atmosphäre ausgezeichnet, lässt viel Raum zwischen den Zeilen.
Da gehe ich mit.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
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Brandenburg
Denn nachdem Lars bei Yvonne ist, wirkt er auch nicht glücklich, vermisst die Insel, vermisst Jon, vermisst er Lise auch?
Erst nach einer ganzen Weile. Ich denke mir das so: Lars wollte immer schon ein bisschen mehr als die anderen; darum geht er zum Handeltreiben nach England. Dann verliebt er sich und die Kombination schöne junge (neue!) Frau plus Welt schlägt ihn in den Bann.
Bezeichnend aber. Die Heimat lässt ihn nicht los. Das erinnert an viele andere Auswanderer, die von der Heimat nicht loskommen.
Er kommt so wenig von der Heimat los, dass er Y. dazu drängt, heimatähnlich zu leben, das kleine grüne Häuschen am Meer. Damit aber ist auch ein Teil des Reizes weg, der ihn erst hergezogen hat. Er ist ein Mensch zwischen den beiden Welten. Ein zerrissener Mensch. Und das bleibt er auch, selbst wenn er M. vergewaltigt hat, eine Theorie, der ich ebenfalls mehr und mehr zuneige. Aber wer weiß, was er Lise darüber erzählt hat, ihr hat er vllt erzählt, Martha wäre immer schon hinter ihm her gewesen, desegen mag Lise Martha nicht. Sie weiß, dass da "was" ist zwischen den beiden.
Lise vermisst er auch, aber nicht so heftig wie die Insel. Lise ist die, die alles kann. Y. kann nichts, ausser Sein (was jetzt in meinen Augen nicht nichts ist).

Über diesen Roman könnte ich stundenlang reden.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Kann ein introvertierter Seemann nicht auch so sein? Ich finde gar nicht, dass er ein grober, ungehobelter Kerl ist, er hat eine weiche Seite. Deswegen ist er auch so von Yvonne angezogen. Er sagt nicht viel, denkt aber eine Menge. Und er bringt Bücher !!! mit nach Hause.
Um "ungehobelt" oder nicht ging es mir auch nicht. Ich fand, für den Grad an Introspektion, den er in diesen Szenen an den Tag legt, mutet es ein bisschen komisch an, dass er seine eigene Verantwortungslosigkeit so wenig hinterfragt.
Allerdings wissen wir ja inzwischen, dass das später noch kommt. Und vermutlich denke ich da auch zu schematisch. Im Nachhinein beurteilt man manches anders.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Es mag auch sein, dass die Vergewaltigungssache mit dazu beigetragen hat, dass er die Insel verlässt ... je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher wird es. Wer will seinem Opfer Tag für Tag in die Augen schauen. Dazu die Angst vor Offenbarung.
heute abend lese ich weiter. Mal gucken.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Kannst du mal ein Beispiel geben?
Da ich wirklich die Menge im gesamten Buch meine, wird das schwer. Mir hätte ein tolles, poetisches Bild pro Kapitel gereicht, an dem man sich dann laben kann. Aber es gibt manchmal Sätze mit mehreren verschiedenen Bildern drin.
Hab mir nicht alle markiert, aber hier ist mal einer, der für mich sehr herausstach bzgl. „der Gießkanne“:
S. 52: „Es wird Oktober, der Frühling flimmert, das Tussock-Gras flattert im Wind wie die Haare eines Riesen (Nr. 1). Martha kneift die Augen zusammen und sieht vor sich die Zukunft als Augenblicke, die dicht nebeneinander leuchten wie Perlen (Nr. 2) - sie wird sie von Bert bekommen, sie wird von ihm alles bekommen, und die bösen Träume werden tief in den Bauch des Vulkans rinnen (Nr. 3). Dort werden sie verbrennen, sich an den Rändern ringeln wie alte Fotos (Nr. 4), die niemand mehr anschauen will. Martha wird den Kopf ihres Kindes streicheln, weich wie Schafwolle (Nr. 5).“
Innerhalb dieses Absatzes kommen hintereinander 5 poetische Sprachbilder vor. Dieses Übermaß ist es, was mich vor allem stört. Da hätte es mir besser gefallen, wenn die Autorin mit einem geglänzt hätte und den Rest hätte bleiben lassen. Nicht weil ich in dem obigen Beispiel die Bilder einzeln für sich genommen schlecht finde, aber es ist mir zu viel des Guten.

Aber es gab auch genügend Bilder, die ich eher sehr gewollt und schräg (im Sinne von nicht so recht passend, sehr weit aus dem Fenster gelehnt - ich finde grad nicht die richtige Formulierung) empfinde. Diese habe ich mir aber leider nicht extra markiert, sodass ich dir jetzt kein Beispiel bringen kann.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Da ich wirklich die Menge im gesamten Buch meine, wird das schwer. Mir hätte ein tolles, poetisches Bild pro Kapitel gereicht, an dem man sich dann laben kann. Aber es gibt manchmal Sätze mit mehreren verschiedenen Bildern drin.
Hab mir nicht alle markiert, aber hier ist mal einer, der für mich sehr herausstach bzgl. „der Gießkanne“:

Innerhalb dieses Absatzes kommen hintereinander 5 poetische Sprachbilder vor. Dieses Übermaß ist es, was mich vor allem stört. Da hätte es mir besser gefallen, wenn die Autorin mit einem geglänzt hätte und den Rest hätte bleiben lassen. Nicht weil ich in dem obigen Beispiel die Bilder einzeln für sich genommen schlecht finde, aber es ist mir zu viel des Guten.

Aber es gab auch genügend Bilder, die ich eher sehr gewollt und schräg (im Sinne von nicht so recht passend, sehr weit aus dem Fenster gelehnt - ich finde grad nicht die richtige Formulierung) empfinde. Diese habe ich mir aber leider nicht extra markiert, sodass ich dir jetzt kein Beispiel bringen kann.
Ja, das stimmt. An dieser Stelle ist es too much. Wobei mich nur das "wie xy" stört, man kann so ein Bild einkürzen.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich habe an solchen Stellen immer das Gefühl, die Autorin breitet eine Menge Symbolismen aus, verbirgt aber das wirkliche Innere der Menschen, um die es geht, vor uns.
Ich schrieb es schon im Fazit, für mich ist insoweit das Umschlagbild sehr treffend - das Innere verbirgt sich in Schwärze, an den Rändern ist alles aufgewühlt.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Das ist auch ein Kritikpunkt von mir. Bei vier verschiedenen Perspektiven müssten die Stimmen anders klingen, v.a. auch, wenn aus der Ich- Perspektive geschrieben wird
Hier gebe ich Euch komplett recht. ich finde die Autorin verstrickt sich etwas zu sehr in ihrer komplex-lyrischen Ausdrucksweise und verliert damit etwas die Personen aus dem Blick! So bleiben sie den Lesern fern und etwas unverstanden, oder?
 
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Reaktionen: RuLeka

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Interessant ist in diesem LA für mich die Rolle von Lars. Er ist nicht nur zwischen zwei Frauen hin und hergerissen, sondern verbunden damit auch zwischen zwei lebenswesen: der abgeschiedenen Inselwelt und der modern-lebendigen Stadtwelt von London. Entscheidet er sich für Yvonne, so bedeutet das Abkehr von der Insel. Entscheidet er sich für Lise, bedeutet das: ein Eingesperrtsein/-bleiben in dieser Inselwelt. Das vermittelt der Roman in diesem LA sehr anschaulich, interessant und lebendig.
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Theoretisch habt ihr da vollkommen recht. Allerdings stört mich die Ähnlichkeit der Stimmen in diesem Roman gar nicht. Gegen den Trend gefällt mir diese raue, poetische, bildhafte Sprache sehr gut. Sie transportiert die Gefühle der Protagonist:innen und die Atmosphäre ausgezeichnet, lässt viel Raum zwischen den Zeilen.
Mich stört es eigentlich auch nicht. Insgesamt mag ich die Sprache sehr. Die Vorzüge hat irisblatt meines Erachtens gut auf den Punkt gebracht.
Und der Vulkan wird mit der Gemeinschaft sicher auch noch etwas anstellen. Ich bin neugierig.
Das denke ich auch. Da liegt mächtig etwas in der Luft. Ich gehe davon aus, dass sich in dem Kontext auch die Beziehungsdynamik noch einmal verändern wird. Da bin ich sehr gespannt...
Martha hat also ein schlimmes Erlebnis hinter sich. Als ich dies gelesen habe, musste ich sofort an ihre Kinderlosigkeit denken. Ob da ein Zusammenhang besteht? Und es steht da nur, dass es das einzige Mal vor Bert war und es steht da, dass sie den Mann nicht daran hindern kann. Warum diese Formulierung?
Ich denke auch, dass da möglicherweise ein Zusammenhang besteht. Es liegt für mich sehr nahe.
Marthas Vergewaltigung wirft ebenfalls Fragen auf. Warum hat sie es niemandem erzählt? Scham, Angst das ihr niemand glaubt?
Missbrauch wird oft nicht "berichtet"; Scham und diverse Ängste spielen hker eine große Rolle. Es überrascht mich daher nicht, dass Martha es also mit sich selbst ausmacht.
S. 99 1961 zur Zeit des Vulkanischen Geschehens erinnert sich Martha, obwohl ich hier den Begriff tausend Jahre symbolisch verstehe, wie lange her, nicht mehr daran denken, ist lange vorbei
Diesen Gedankengang kann ich gut nachvollziehen. Es wäre für mich sehr logisch. Von daher denke ich auch, dass der Missbrauch nicht zwingend in der Kindheit stattgefunden haben muss.
Ich denke, hier deutet die Autorin bewusst nur an, setzt hier und da einen Hinweis. Es gelingt ihr, mich zu ködern und zum Nachdenken anzuregen. Ganz bewusst verzichtet sie darauf, immer Ross und Reiter zu nennen.
Ich fine, es gelingt ihr ganz gut. dennoch wird es sicher für manch Unklarheit noch eine Auflösung geben.
 

Lesehorizont

Bekanntes Mitglied
29. März 2022
2.572
9.726
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Mainz
Da das Buch mich sehr fesselt und fasziniert, habe ich nun auch schon den zweiten Leseabschnitt zügig gelesen. Es liegt Einiges in der Luft. Lars und seine Unentscheidenheit bezüglich der Frauen und auch seine Zerissenheit zwischen zwei Welten dominieren den Abschnitt. Wir erfahren aber auch viel mehr über Martha. Es wurde ja schon viel angemerkt und spekuliert bzgl. ihres Missbrauchs. Ich habe da keine konkrete Theorie und lasse mich ein Stück weit überraschen.
Etwas liegt in der Luft. Der Vulkanausbruch wird sicher vieles verändern.
Die Sprache gefällt mir nach wie vor sehr und ich freue mich, weiterzulesen.