2. Leseabschnitt: Vater und Sohn (Seite 35 bis 70)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich bin mir nicht sicher, ob die Motivation für AEs Handeln ausschließlich auf seine Ideologie zurückzuführen ist. Der Kerl wirkt so selbstherrlich und skrupellos. Er stellt sich selbst in den Mittelpunkt des Universums. Die Ideologie und der Nationalsozialismus könnten Mittel gewesen sein, um sein übergoßes Ego im Scheinwerferlicht erstrahlen zu lassen.
Wahrscheinlich ist da eine Wechselwirkung zu sehen. Einerseits bestätigt diese Ideologie seine Welt- und Eigenansicht und verstärkt sie aber gleichzeitig. Eigentlich gab es in seiner schulischen und beruflichen Laufbahn keinen Grund für ihn, so von seinem Können überzeugt zu sein. Er ist ja überall gescheitert. So einen dann als Vertreter der Herrenrasse zu betrachten, ist schon gewagt. Aber genau in dieser Ideologie der Überlegenheit finden die sich wieder.
Oder ist er ihnen nicht geheuer, weil er die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben will und immer noch an seinen Überzeugungen festhält?
Das sind alles immer noch Nazis. Im Grunde saßen da manche im Ausland sozusagen auf Abruf. Sobald ihre Gesinnungsfreunde in Deutschland wieder Oberhand bekämen ( und davon gingen manche noch lange aus ), kämen sie wieder aus ihren Löchern gekrochen.
Manches Mal taucht im Text Vokabular auf, dass Fachjargon in dem Berufsleben der Nazis zu sein scheint und somit Normalität suggeriert. "Deportologe" oder "endgelöst" sind solche Wörter. Das ist Zynismus pur.
Mit Sprache kann man wunderbar verschleiern. Endlösung klingt doch eigentlich positiv, doch wenn man weiß, was dahintersteckt, bekommt man das Grausen. Aber so ganz deutlich wollte man dem deutschen Volk nicht machen, was da tatsächlich vonstatten ging. Nicht umsonst waren die Vernichtungslager weit im Osten.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Da trifft sich ab und an ein grausiger Männerclub, es gibt keinen der gut wegkommt. Eichmann brüstet sich erst mit den 5-6 Millionen Juden, die er zu verantworten hat. Als er merkt, dass er nicht gut wegkommt, streut er das Gerücht von einer halben Million. Armselig, dass er zwar nach wie vor überzeugt ist von seinem tun, aber im entscheidenenden Moment dann noch lieber an seinen Vorteil denkt. Aber damit ist er nicht allein, wenn man sieht wie viele in Argentienen Unterschlupf gefunden haben.
Seine Ansicht zu Denis Plänen zeigt, dass er die Euthansie voll und ganz befürwortet, was allerdings kein Wunder ist. Trotzdem hätte ich gehofft, ab und an Zweifel bei ihm zu erkennen, doch zur Zeit ist da nichts von zu spüren
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Da trifft sich ab und an ein grausiger Männerclub, es gibt keinen der gut wegkommt. Eichmann brüstet sich erst mit den 5-6 Millionen Judenm die er zu verantworten hat. Als er merkt, dass er nicht gut wegkommt, streut er das Gerücht von einer halben Million. Armselig, dass er zwar nach wie vor überzeugt ist von seinem tun, aber im entscheidenenden Moment dann noch lieber an seinen Vorteil denkt. Aber damit ist er nicht allein, wenn man sieht wie viele in Argentienen Unterschlupf gefunden haben.
Seine Ansicht zu Denis Plänen, zeigt das er die Euthansie voll und ganz befürwortet, was allerdings kein Wunder ist. Trotzdem hätte ich gehofft, ab und an Zweifel bei ihm zu erkennen, doch zur Zeit ist da nichts von zu spüren
Er ist und bleibt ein Ekelpaket...
 

Sassenach123

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Das sind alles immer noch Nazis. Im Grunde saßen da manche im Ausland sozusagen auf Abruf. Sobald ihre Gesinnungsfreunde in Deutschland wieder Oberhand bekämen ( und davon gingen manche noch lange aus ), kämen sie wieder aus ihren Löchern gekrochen.
Ja, da hast du wohl leider recht. Unvorstellbar eigentlich, dass man an diesen Machenschaften so lange festhalten konnte
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Ein fast noch größeren Skandal finde ich das sogenannte Dreher Gesetz, das 1968 die Morde von den Kriegsverbrechern auf Totschläge herabstufte, die nach 20 Jahren verjährten und viele von diesen geflüchteten Nazis straffrei blieben.
Dazu kam erst vor kurzem der wirklich tolle Film 'Der Fall Collini', der auf dem gleichnamigen Buch von Ferdinand von Schirach beruht. Sehr sehr sehenswert!
Buchinformationen und Rezensionen zu Der Fall Collini: Roman von Ferdinand von Schirach
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Die Ideologie und der Nationalsozialismus könnten Mittel gewesen sein, um sein übergoßes Ego im Scheinwerferlicht erstrahlen zu lassen.
Ich habe das anders empfunden. Es wird ja immer wieder deutlich gemacht, dass Eichmann ein richtig armes Würstchen war, das nichts zustande brachte, was vermutlich nicht dazu führte, dass er ein allzu großes Ego hatte. Erst die Nazis haben ihm die Chance gegeben, jemand zu werden, woraufhin er sich derart mit ihren Überzeugungen und Zielen identifiziert hat, dass er der 150%-Nazi wurde. Ich kann mir vorstellen, wenn es ihm so unter Stalin ergangen wäre, hätte er ein ebensolch überzeugter Kommunist werden können.

Ja, anstrengend zu lesen und vom Thema gelegentlich so widerlich (also die Gedanken und Worte), dass ich nicht allzu viel am Stück lesen konnte. Dieser spöttische Unterton ist zwar noch immer vorhanden, aber er reicht für mich nicht mehr aus, über das Gräßliche hinweg zu lesen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Erst die Nazis haben ihm die Chance gegeben, jemand zu werden, woraufhin er sich derart mit ihren Überzeugungen und Zielen identifiziert hat, dass er der 150%-Nazi wurde. Ich kann mir vorstellen, wenn es ihm so unter Stalin ergangen wäre, hätte er ein ebensolch überzeugter Kommunist werden können.
So wird ein Schuh draus. Er spannt sich vor den Karren, übernimmt die Ideologien der anderen und arbeitet vom Schreibtisch aus.
Das hat ja System. Bei den Nazis kamen ja viele Würstchen weit nach oben, denn eigenes Denken war komplett unerwünscht.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Ich muss mich gerade echt zusammenreissen, das ich mich nicht über jeden Abschnitt ärgere. Klement spielt sich auf wie er es auch schon sicher zu Kriegszeiten getan hat. Also ein Vorbild für seinen Sohn ist er nicht gerade. Man hat nicht den Eindruck, das er froh ist das er in Argentinien einen Unterschlupf gefunden hat, sondern eher das sich Argentinien freuen soll, das er in ihr Land gekommen ist.

Mit manchen Sätzen tue ich mich recht schwer und ich hatte mir nach der Leseprobe irgendwie ein einfacheres Buch erhofft. Auch das Vater Sohn Kapitel empfand ich viel zu schnell abgehackt, ich dachte das dort mehr Gespräche zwischen ihm und seinem Sohn ablaufen.

Das Denken, das er den Juden noch was Gutes getan hat, das finde ich unfassbar.
Da kreidet er Hans Richwitz an, weil er eine Beziehung hatte während seine Frau nicht da war und selbst hat er es nicht besser gemacht. Vielleicht sollte er erst mal seine Sünden anschauen bevor er andere verurteilt.

Seine Frau scheint recht froh zu sein, das sie nun in die Stadt umsiedeln müssen, doch es könnte ein größeres Risiko für ihn sein, auch wenn er das bisher nicht so sieht.

Warum Peron diesen Menschen Unterschlupf gewährt hat kann ich heute noch immer nicht verstehen. War er so blind, das er nicht wusste was sie getan haben?
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Das war damals tatsächlich üblich. Auch in Chile haben sie sich feige verkrochen. Ein fast noch größeren Skandal finde ich das sogenannte Dreher Gesetz, das 1968 die Morde von den Kriegsverbrechern auf Totschläge herabstufte, die nach 20 Jahren verjährten und viele von diesen geflüchteten Nazis straffrei blieben.
Das kann ich ehrlich gesagt auch nicht verstehen, das man dies getan hat. Ich habe den Fall Collini vor kurzem gesehen wo dieses Thema ja auch drin vorkommt. Ich hatte das zurvor nicht gewusst, das so ein Gesetz erlassen hatte.
 

Sassenach123

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Warum Peron diesen Menschen Unterschlupf gewährt hat kann ich heute noch immer nicht verstehen. War er so blind, das er nicht wusste was sie getan haben?
Zum einen änderten sie ihre Namen, so dass sie offiziell ja nicht mehr den Verbrechern zugeordnet werden konnten, zum anderen gab es eh schon viele Deutsche Auswanderer dort, warum jetzt damit aufhören. Und dann gab es noch den eigennützigen Aspekt. In Deutschland gab es damals schon qualifizierte Facharbeiter, wir waren Argentinien in vielen Bereichen voraus, das wollte Perón sich wohl zu Nutze machen. Wie man sieht spielt hier auch eher der Vorteil eine Rolle.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Warum Peron diesen Menschen Unterschlupf gewährt hat kann ich heute noch immer nicht verstehen. War er so blind, das er nicht wusste was sie getan haben?
Es war ihm bestenfalls egal. Er nutzte ihr Wissen, um sein Land aufzubauen. Nicht einmal die Amerikaner hatten damals Skrupel, als sie einen Mann wie Wernher von Braun für ihr Raumfahrtprogramm einzusetzen. Außerdem gab es Nazis ( z.B. Globke )in Adenauers engerem Umfeld.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ihr habt hier schon eigentliche alle Gedanken aufgeführt, die mir in diesem zweiten Abschnitt so durch den Kopf geschossen sind.
Der Text braucht wirklich Ruhe und Konzentration, die ich leider im Moment so gar nicht aufbringen kann.
Ich weiß nur, dass mir hier Großartiges entgeht. Ariel Magnus schreibt mit Sarkasmus und trockener Ironie, die ich sehr bewundere. Die schreiende Ungerechtigkeit, dass Kriegsverbrecher ungeschoren davonkommen, wird sanft zugedeckt von der Beschreibung der familiären Umstände, der Unannehmlichkeiten der Heimatabsenzen und AEs Gedankendschungel.
AEs Missmut allein schon mit dem Fehlen von Blumen für seine Frau zu beginnen und sich dann in die Vergeblichkeit, seinen Sohn zu beeindrucken, fallen zu lassen, angesichts der Ungeheuerlichkeiten seiner "Tätigkeiten" in Deutschland, das ist eine Art, Geschichte zu erzählen, die geradezu Empörung beschwört.

Die von @ThomasWien angesprochene Gesetzesänderung wurde ja von Ferdinand von Schirach mit seinem Buch "Der Fall Collini" auch sehr eindrücklich herausgearbeitet. Während Schirach immer sehr reduziert und sachlich schreibt, gewährt Magnus uns Zutritt zu AEs Gedankenwelt. Es macht zwar fassungslos, ist aber ein außerordentliches Psychogramm, dass man in dieser Art auch erst einmal "fiktionieren" muss.