2. Leseabschnitt: Vater und Sohn (Seite 35 bis 70)

Literaturhexle

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Puh! Der Abschnitt las sich schwer für mich. Er ist überschrieben mit "Vater und Sohn" - das Thema kommt aber nur am Anfang und Ende vor. Klement will seinen willensschwachen Söhnen Führer sein und Orientierung geben. Beim gemeinsamen Ausritt (angeblich zu einem Wasserfall) geht das mit der Orientierung gründlich schief und ob sein Roman dazu geeignet sein sollte, darf auch bezweifelt werden. Mit ihm will er den Söhnen erklären, was unum er etwas getan hat. Ich hatte gehofft, etwas mehr über Eichmann als Vaterfigur zu erfahren. Bezeichnend, dass doch von einem Schuldgefühl gesprochen wird, weil Eichmann den Sohn an diesen "ungastlichen Arsch der Welt" geführt hat.

Stattdessen erleben wir den Delinquenten in verschiedenen Situationen, die uns weiteren Einblick in seine unverbesserliche Denke geben, aber auch deutlich machen, dass Perón sich offensichtlich hat korrumpieren lassen, um den deutschen "Ratten" eine neue Heimat zu geben. Bezeichnend diese offiziellen Treffen, bei denen die ehemals mächtigen Nazis wie selbstverständlich teilnehmen und Häppchen muffeln durften. Es scheint fast üblich gewesen zu sein, dass hochrangige Nazi-Schergen aus der Haft entwischten und nach Südamerika auswanderten. Ein Skandal!
Bezeichnend die Bemerkung: "Wer mit Hitler ins Bett geht, steht mit Perón auf." 55
Auch Klement hält Perón nicht für seriös (kann er eigentlich ja auch nicht sein). Er seziert seine so genannten "Freunde", erkennt, dass kaum jemand etwas mit ihm zu tun haben will- nicht zuletzt, weil er in der Hierarchie der Kriegsverbrecher sehr weit oben steht und viel Dreck am Stecken hat.. Unter dem Strich will eben jeder primär den eigenen Hintern retten.
Berthold Heilig/Hans Richwitz widerstrebt Eichmann nicht zuletzt wegen dessen polygamen, indiskreten Lebenswandels. Eichmann hält sich zugute, die Vielweiberei diskreter zu betreiben. Auch in dieser Beziehung hat er keine moralischen Grundsätze. Eichmann argumentiert immer wieder mit dem natürlichen Lauf der Dinge, um sein Wirken zu rechtfertigen. Er hat keine Schuldgefühle, strotzt noch immer vor Selbstbewusstsein.

Einziger Vertrauter scheint der Arzt Claudio Denis zu sein. Die Liebe zum Bauen verbindet die beiden.Doch auch im Gespräch mit ihm, begibt sich Klement aufs Glatteis, rechtfertigt die Grundsätze der Euthanasie, während der Arzt sein Haus eben jenen zur Verfügung stellen will (auch weil seine Schwester selbst psychisch erkrankt ist).

Weiterhin werden zahlreiche zynische Bonmots eingestreut, die Eichmann als unbelehrbare Person charakterisieren:
Nichtwissen über etwas vorzutäuschen, von den er wohl wusste, dass er es gerade tat - war seine Spezialität.
als arbeitsloser Deportologe
als wüssten sie (die Bremsen), dass durch den anderen Körper verschmutztes, blutbeflecktes Blut floss
Nun hat sein Arbeitgeber Konkurs angemeldet und die Eichmann/Klements müssen in die Hauptstadt übersiedeln. Offenbar scheint es kein Problem für den Deutschen zu sein, Arbeit zu finden. Irgendeine einflussreiche Größe wacht über ihn (Perón???).
 

ThomasWien

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Es scheint fast üblich gewesen zu sein, dass hochrangige Nazi-Schergen aus der Haft entwischten und nach Südamerika auswanderten. Ein Skandal!
Das war damals tatsächlich üblich. Auch in Chile haben sie sich feige verkrochen. Ein fast noch größeren Skandal finde ich das sogenannte Dreher Gesetz, das 1968 die Morde von den Kriegsverbrechern auf Totschläge herabstufte, die nach 20 Jahren verjährten und viele von diesen geflüchteten Nazis straffrei blieben.
 

ThomasWien

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Für mich ist noch immer auffallend, wie sehr er sich über alle Dinge stellt. Er hat das Recht die Natur zu verändern, benutzt hierfür sogar Sprengstoff um seinen Sohn zu imponieren. Er sieht ja auch seine Taten als natürlich an.
 

Literaturhexle

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Für mich ist noch immer auffallend, wie sehr er sich über alle Dinge stellt. Er hat das Recht die Natur zu verändern, benutzt hierfür sogar Sprengstoff um seinen Sohn zu imponieren. Er sieht ja auch seine Taten als natürlich an.
Sehr richtig! Mich stört ein wenig die verschwurbelte Ausdrucksweise. Ich muss zahlreiche Passagen wiederholt lesen, um den Sinn zu erfassen. Geht es euch auch so oder liegt es an meiner fast durchwachten Nacht;)
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Das war damals tatsächlich üblich. Auch in Chile haben sie sich feige verkrochen. Ein fast noch größeren Skandal finde ich das sogenannte Dreher Gesetz, das 1968 die Morde von den Kriegsverbrechern auf Totschläge herabstufte, die nach 20 Jahren verjährten und viele von diesen geflüchteten Nazis straffrei blieben.
Danke für diese Information! Schön, dass Du hier mitliest @ThomasWien ;).
 

Anjuta

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Das Positive an diesem abschnitt ist für mich, dass die Vater-Sohn-Kiste so gar nicht funktioniert. Die erwünschte Indoktrination seines Sohnes geht ja ziemlich daneben. Sie finden keinen Draht zueinander. Schlaues Bürschchen, dieser Klaus;), sich von diesem Vater eher fern zu halten und ihn höchsten weiterhin als Onkel zu akzeptieren und zu nehmen.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ein zäher Abschnitt. Ein paar interessante Passagen gibt es. Aber ich musste mich schon etwas durchkämpfen, weil mich einige Absätze etwas gelangweilt haben. Handlung gibt es wenig. Allerdings lernt man die Denkweise Eichmanns ganz gut kennen. Sechs Millionen Juden ermordet, ich denke, wir alle kennen die Zahl. Aber das sind Dimensionen, die man sich einfach nicht vorstellen kann.

Sehr richtig! Mich stört ein wenig die verschwurbelte Ausdrucksweise. Ich muss zahlreiche Passagen wiederholt lesen, um den Sinn zu erfassen. Geht es euch auch so oder liegt es an meiner fast durchwachten Nacht;)

Mir geht es genauso. Das ist mir schon im ersten Kapitel aufgefallen. In diesem noch mehr.
 

Sassenach123

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Ich bin erst ganz am Anfang des Abschnitts, halte mich mit euren Beiträgen also noch zurück.
Der Autor schafft es, fast auf jeder Seite Aufreger einzubauen. So überlegt Eichmann allen Ernstes, dass er als Deportologe leider zur Zeit wenig Beschäftigungsmöglichkeiten habe, es sei denn, die Araber entschließen sich ihre Juden loswerden zu wollen. Mir ist bewusst, dass der Autor dies absichtlich hervorhebt, dennoch lässt es mich beim lesen nicht kalt. Im Gegenteil, ich kann es nur dosiert lesen, ansonsten macht mein Blutdruck da nicht mit. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Buch mich so aufregen kann
 

RuLeka

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Ich hatte gehofft, etwas mehr über Eichmann als Vaterfigur zu erfahren.
Er hat seine Söhne jahrelang nicht gesehen. Für sie muss er ein Fremder sein, einen, den man vom Hörensagen kennt. Wahrscheinlich lebten sie auch lange im Glauben, er sei tot.
Bezeichnend die Szene am ersten Abend, als Eichmann sich zu erkennen gibt. Eigentlich wollte er jeden noch einen Kuss auf die Stirn geben, fand dann aber, dass es genügend Gefühlsduselei gewesen war.
Eichmann möchte als Vorbild, als Führer angesehen werden, will ihnen sich und sein Tun verständlich machen und so ihnen sein Weltbild einimpfen. Von Vatergefühlen spüre ich hier nichts.
Für mich ist noch immer auffallend, wie sehr er sich über alle Dinge stellt. Er hat das Recht die Natur zu verändern, benutzt hierfür sogar Sprengstoff um seinen Sohn zu imponieren. Er sieht ja auch seine Taten als natürlich an.
Für ihn und seinesgleichen ist das Gesetz der Natur, wonach der Stärkere überlebt, Richtschnur und Rechtfertigung. Juden z.B. waren Ungeziefer, wie Ratten, und deshalb gibt es keine moralischen Bedenken, sie auszurotten.

Auch hier wieder sein Gejammere: „ Jedes Mal, wenn ich irgendwo etwas anfange, muss ich es vorzeitig aufgeben. Alles, was ich mache, wird nur halb fertig.“
 

kingofmusic

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Puh! Der Abschnitt las sich schwer für mich. Er ist überschrieben mit "Vater und Sohn" - das Thema kommt aber nur am Anfang und Ende vor. Klement will seinen willensschwachen Söhnen Führer sein und Orientierung geben. Beim gemeinsamen Ausritt (angeblich zu einem Wasserfall) geht das mit der Orientierung gründlich schief und ob sein Roman dazu geeignet sein sollte, darf auch bezweifelt werden. Mit ihm will er den Söhnen erklären, was unum er etwas getan hat. Ich hatte gehofft, etwas mehr über Eichmann als Vaterfigur zu erfahren. Bezeichnend, dass doch von einem Schuldgefühl gesprochen wird, weil Eichmann den Sohn an diesen "ungastlichen Arsch der Welt" geführt hat.

Stattdessen erleben wir den Delinquenten in verschiedenen Situationen, die uns weiteren Einblick in seine unverbesserliche Denke geben, aber auch deutlich machen, dass Perón sich offensichtlich hat korrumpieren lassen, um den deutschen "Ratten" eine neue Heimat zu geben. Bezeichnend diese offiziellen Treffen, bei denen die ehemals mächtigen Nazis wie selbstverständlich teilnehmen und Häppchen muffeln durften. Es scheint fast üblich gewesen zu sein, dass hochrangige Nazi-Schergen aus der Haft entwischten und nach Südamerika auswanderten. Ein Skandal!

Auch Klement hält Perón nicht für seriös (kann er eigentlich ja auch nicht sein). Er seziert seine so genannten "Freunde", erkennt, dass kaum jemand etwas mit ihm zu tun haben will- nicht zuletzt, weil er in der Hierarchie der Kriegsverbrecher sehr weit oben steht und viel Dreck am Stecken hat.. Unter dem Strich will eben jeder primär den eigenen Hintern retten.
Berthold Heilig/Hans Richwitz widerstrebt Eichmann nicht zuletzt wegen dessen polygamen, indiskreten Lebenswandels. Eichmann hält sich zugute, die Vielweiberei diskreter zu betreiben. Auch in dieser Beziehung hat er keine moralischen Grundsätze. Eichmann argumentiert immer wieder mit dem natürlichen Lauf der Dinge, um sein Wirken zu rechtfertigen. Er hat keine Schuldgefühle, strotzt noch immer vor Selbstbewusstsein.

Einziger Vertrauter scheint der Arzt Claudio Denis zu sein. Die Liebe zum Bauen verbindet die beiden.Doch auch im Gespräch mit ihm, begibt sich Klement aufs Glatteis, rechtfertigt die Grundsätze der Euthanasie, während der Arzt sein Haus eben jenen zur Verfügung stellen will (auch weil seine Schwester selbst psychisch erkrankt ist).

Weiterhin werden zahlreiche zynische Bonmots eingestreut, die Eichmann als unbelehrbare Person charakterisieren:



Nun hat sein Arbeitgeber Konkurs angemeldet und die Eichmann/Klements müssen in die Hauptstadt übersiedeln. Offenbar scheint es kein Problem für den Deutschen zu sein, Arbeit zu finden. Irgendeine einflussreiche Größe wacht über ihn (Perón???).
Grausig fand ich die "Namensfindung" von Reichwitz.
 

Renie

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Bezeichnend diese offiziellen Treffen, bei denen die ehemals mächtigen Nazis wie selbstverständlich teilnehmen und Häppchen muffeln durften.
Hier zeigt sich auch, dass AE ein Geächteter unter den meisten Nazis ist, zumindest meiden sie ihn. Das kann nicht an seiner politischen Überzeugung liegen bzw. an seinen Verbrechen an der Menschlichkeit liegen. Denn hier hat jeder Dreck am Stecken. Handelt es sich hierbei etwa um Neid an seiner beruflichen Karriere? Oder ist er ihnen nicht geheuer, weil er die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben will und immer noch an seinen Überzeugungen festhält?
 

ThomasWien

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Handelt es sich hierbei etwa um Neid an seiner beruflichen Karriere? Oder ist er ihnen nicht geheuer, weil er die Zeichen der Zeit nicht wahrhaben will und immer noch an seinen Überzeugungen festhält?
Ich denke es geht darum, dass er den meisten Dreck am Stecken hat. Er hat die meisten Toten am Gewissen. Sich in seiner Nähe aufzuhalten, bringt die anderen auch in Gefahr, weil er als der schlimmste Kriegsverbrecher gilt.
 

Renie

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Diese Anhäufung von verschachtelten Nebensätzen macht mir auch zu schaffen. Ich hoffe, dass das gewollt ist, weil man sich durch das Mehrfachlesen intensiver mit der Aussage eines Satzes befasst. Für mich ist das jedoch zuviel des Guten.
 

Renie

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Eichmann möchte als Vorbild, als Führer angesehen werden, will ihnen sich und sein Tun verständlich machen und so ihnen sein Weltbild einimpfen. Von Vatergefühlen spüre ich hier nichts.
Hinzu kommt, dass der Klausi so gar nichts mit seinem Vater zu tun haben will, so gelangweilt wie er wirkt. Er ist in der Pubertät, da wollen gerade Jungs möglichst wenig mit den Eltern zu tun haben. Der AE wird sich noch die Zähne an seinem Pubertier ausbeißen. Wenn er bis jetzt keinen Zugang zu ihm hatte, wird er ihn auch schwer bekommen. Wenn AE sich als Vaterfigur üben will, sollte er sich vielleicht einen der jüngeren Söhne vornehmen. :oops:Ach, am besten lässt er die Finger von seinen Söhnen.
 

Renie

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Für ihn und seinesgleichen ist das Gesetz der Natur, wonach der Stärkere überlebt, Richtschnur und Rechtfertigung. Juden z.B. waren Ungeziefer, wie Ratten, und deshalb gibt es keine moralischen Bedenken, sie auszurotten.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Motivation für AEs Handeln ausschließlich auf seine Ideologie zurückzuführen ist. Der Kerl wirkt so selbstherrlich und skrupellos. Er stellt sich selbst in den Mittelpunkt des Universums. Die Ideologie und der Nationalsozialismus könnten Mittel gewesen sein, um sein übergoßes Ego im Scheinwerferlicht erstrahlen zu lassen.
 

Renie

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Zumindest hat die Last der Schuld, die AE auf sich geladen hat, zu manchem Albtraum geführt. Ich mag es kaum schreiben, aber auch AE hat das Gewissen geplagt, weswegen er es im Alkohol ertränkt hat. AE mit einem Gewissen passt irgendwie nicht zusammen.
Klement, dessen Erinnerung an die Leichenberge im Dunst des Alkohols verschwamm, mit dem auch er versucht hatte, sie zu vergessen, ...
Manches Mal taucht im Text Vokabular auf, das Fachjargon in dem Berufsleben der Nazis zu sein scheint und somit Normalität suggeriert. "Deportologe" oder "endgelöst" sind solche Wörter. Das ist Zynismus pur.