2. Leseabschnitt: Telemachie (S. 58 bis S. 166)

Renie

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Es imponiert mir immer, wie manche hier im Forum (und die Querleserin gehört eindeutig dazu!) das Wesentliche aus einem nicht einfachen Text zusammenfassen kann.
Wahr gesprochen. Ich wäre nicht in der Lage gewesen, den Inhalt dieses Abschnitts zusammenzufassen. Obwohl ich diesen Abschnitt sehr genossen habe.
Das Seminar war großes Kino. Wenn ich mir vorstelle, dass ein über 80-Jähriger auf einem Stühlchen im Rücken des Dozenten über den Unterricht wacht. Herrlich! Insgeheim hat der Autor wohl gehofft, dass sein Vater den Mund hält. Aber nichts da. Mit einem Hochgenuss ("Bin ich eigentlich der Einzige ....") grätscht der Vater in die Diskussion hinein und zerpflückt Odysseus mit seinem gesunden Menschenverstand.
 

Renie

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Ich habe den Abschnitt noch nicht durch, bin aber über etwas gestolpert. Daniel beschreibt, wie offen und liberal seine Eltern zu seinem Coming Out gestanden sind und einige Seiten später erzählt er von einer Heimkehr zu seinen Söhnen.
Das hat mich etwas verwirrt.....
Das lief wahrscheinlich unter "Jugend forscht". In der Jugend wird halt schon mal rumprobiert. In den 70er Jahren besonders.;)
 

Renie

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Ich glaube, er bedauert es in der Highschool nicht weiter gemacht zu haben. Als wäre das etwas, was er sich noch erarbeiten muss. Vielleicht aber auch, um mit seinem Sohn darüber reden zu können.
Nachdem ich gelesen habe, welchen Einfluss Jay auf die Uni-Wahl von Dan genommen hat, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Dan nun diese Dinge machen soll, die er selber gern gemacht hätte. Jay hat die Begeisterung für Latein, hat aber Mathematik studiert. Zwei Studiengänge waren nicht drin. Dennoch bleibt die Begeisterung und vielleicht auch Bedauern, dass er den Alt-Philologie-Weg nicht gegangen ist.
 

Renie

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Mir gefällt die Überleitung zwischen den Odysseus- und den Dan/Jay-Passagen. Die Odysseus-Abschnitte enden meist mit einigen sehr tiefsinnigen Sätzen, die auf die Realität anwendbar sind und darauf hindeuten, auf welchen Aspekt der Vater-Sohn-Beziehung im folgenden Abschnitt eingegangen wird. Das ist richtig gut gemacht!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Wahr gesprochen. Ich wäre nicht in der Lage gewesen, den Inhalt dieses Abschnitts zusammenzufassen. Obwohl ich diesen Abschnitt sehr genossen habe.
Ich stehe vor dem gleichen Problem im nächsten Abschnitt: an eine Zusammenfassung meinerseits ist leider nicht zu denken:confused:
Das Seminar war großes Kino.
Es macht solchen Spaß dem Seminar zu folgen. Tiefsinniges wechselt sich ab mit Lustigem und Parallelen zum echten Leben.
Zwei Studiengänge waren nicht drin. Dennoch bleibt die Begeisterung und vielleicht auch Bedauern,
Toll beobachtet, Renie! Das kann wirklich gut sein. Vielleicht war Mathematik auch einfach das Studium, das mehr Broterwerb sicherte. Ein wichtiger Aspekt nach dem Krieg.
 

Querleserin

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Toll beobachtet, Renie! Das kann wirklich gut sein. Vielleicht war Mathematik auch einfach das Studium, das mehr Broterwerb sicherte. Ein wichtiger Aspekt nach dem Krieg.
Es wird immer wieder darauf hingewiesen, wie intelligent Jay ist - wahrscheinlich ist die mathematische Begabung größer gewesen als die für Sprachen und ja, es ist natürlich handfester.
 
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Das führt ihn zu der Aussage, Odysseus sei kein Held, da die Götter alles für ihn richten würden, er also bereit ist Hilfe anzunehmen, etwas, das Mendelsohn senior nicht vermag.
Der Vater, der nie betrogen und gelogen hat, sieht aus diesem Grund Odysseus nicht als Held - denn dieser braucht die Hilfe der Götter, schafft es nicht allein.
Etwas, das für Jay Mendelsohn sehr wichtig zu sein scheint - Stärke zu zeigen, niemals zu weinen, alles aus eigener Kraft heraus zu gestalten.
Hier ist es sehr interessant zu sehen mit welcher Vehemenz er das Weinen negativiert, wie sehr das Weinen für ihn ein Zeichen von einer Unmännlichkeit/Schwäche ist. Und ebenso interessant ist der Blick auf eine vergangene Kultur, in der das Weinen der Männer eben nicht so negativ bewertet wird. Wie unterschiedlich Menschen/Kulturen doch sind und gleichzeitig wie interessant auch die verschiedenen Blicke auf das Leben/auf den Menschen.
 
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2. Homophrosyne (Szenen einer Ehe)
In diesem kurzen Kapitel erfahren wir, dass im 5.Gesang nun der Held selbst in den Mittelpunkt der Odyssee gerät - als Gefangener der schönen Göttin Kalypso, die ihn nicht gehen lassen will, bis Athene einschreitet.
Mendelsohn verknüpft dies mit den Vorstellungen, die sein Vater über die Ehe hat - absolute Liebe gebe es nicht.
Sehr gut hat mir gefallen, wie die "perfekte Liebe" in der Odyssee definiert wird - als "vollkommener Einklang im Denken" (158).
Dieser Blick auf die Ehe finde ich sehr interessant. Ich habe meine damalige Lektüre der altgriechischen Sagen nicht mit diesem Hintergrund gesehen. Vielleicht sollte ich diese mal wieder lesen, unter einem anderen Blick, einem älteren Blick. Dieser Blick auf die Ehe hier in diesem Abschnitt ist sehr interessant und auch schön.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Inzwischen hat das erzählende Sachbuch tatsächlich einen Sog entwickelt und es macht mir sehr viel Spaß, weiterzulesen ;)
Einen Sog finde ich hier für mich nicht, aber die ganze Art des Buches ist interessant gemacht, einerseits denkt man über die Sagen nach und gleichzeitig ist dieser Vergleich des Inhaltes der Sage zum realen Leben des Autors recht nachdenklich stimmend. Dieses Buch regt zum Sinnieren an, und dies ist für mich eine große Stärke des Buches. :)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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1. Paideusis (Väter und Söhne)
Die vom Autor erläuterte Ringkomposition, Gegenwart und Vergangenheit miteinander zu verweben, verwirklicht er auch im 2.Kapitel - der Telemachie. Die etymologischen Exkurse fließen weiterhin in die Geschichte ein, aber sie fügen sich für mich jetzt besser ein - auch die Begeisterung für die Konjugation im Griechischen kann ich nachvollziehen ;)
Zur Handlung:
Einerseits erfahren wir etwas über die ersten vier Gesänge der Odyssee, in denen nicht Odysseus, sondern sein Sohn Telemachos im Mittelpunkt steht, der sich angestiftet von Athene auf die Suche nach Informationen zum verschollenen Vater macht. Gleichzeitig lernt er dabei - wie man so schön sagt - etwas über das Leben, wird also erzogen.
Neben diesen eher "wissenschaftlichen Teilen", die ich sehr interessant finde, erzählt Mendelsohn von seinem Seminar zur Odyssee, an dem sein Vater teilnimmt und in dem er sich auch rege zu Wort meldet - was zu einigen sehr lustigen Szenen führt. Witzig fand ich auch die "Eselsbrücken", die sich Mendelsohn macht, um sich die Namen seiner Studenten einzuprägen.
Gleichzeitig erfahren wir aber auch immer wieder etwas über die Vergangenheit des Vaters, z.B. warum er Latein in der Highschool abgewählt hat, über dessen Lehrtätigkeit nach seiner Arbeit für Grumman, über die Ehe der Mendelsohns und über seine Lebenseinstellung als "Schmerzensmann" (73).
"Wenn man sich nicht anstrengen muss, lohnt es sich nicht." (73)

Das führt ihn zu der Aussage, Odysseus sei kein Held, da die Götter alles für ihn richten würden, er also bereit ist Hilfe anzunehmen, etwas, das Mendelsohn senior nicht vermag.
Der Vater, der nie betrogen und gelogen hat, sieht aus diesem Grund Odysseus nicht als Held - denn dieser braucht die Hilfe der Götter, schafft es nicht allein.
Etwas, das für Jay Mendelsohn sehr wichtig zu sein scheint - Stärke zu zeigen, niemals zu weinen, alles aus eigener Kraft heraus zu gestalten.

Immer wieder reflektiert Daniel Mendelsohn sein Verhältnis zum Vater und dabei erzählt er gleichzeitig Interessantes aus seinem eigenen Leben - von seinen ersten Studienjahren und Dozentinnen, die ihn geprägt haben.
Immer wieder vergleicht er die Odyssee mit seinem eigenen Leben. So erläutert er uns, wie wichtig es ist, dass Telemachos erkennt, dass seine eigene Familie nicht der Mittelpunkt der Welt ist (121), um dann zu seiner eigenen Familie überzuleiten und die Erfahrungen, die er als Kind und Jugendlicher mit den Bekannten und Freunden seiner Eltern gemacht hat, zu erzählen.
Allmählich entsteht ein Bild vom Aufbau der Odyssee einerseits und andererseits von Daniel und Jay Mendelsohn sowie deren Verhältnis in meinem Kopf.
2. Homophrosyne (Szenen einer Ehe)
In diesem kurzen Kapitel erfahren wir, dass im 5.Gesang nun der Held selbst in den Mittelpunkt der Odyssee gerät - als Gefangener der schönen Göttin Kalypso, die ihn nicht gehen lassen will, bis Athene einschreitet.
Mendelsohn verknüpft dies mit den Vorstellungen, die sein Vater über die Ehe hat - absolute Liebe gebe es nicht.
Sehr gut hat mir gefallen, wie die "perfekte Liebe" in der Odyssee definiert wird - als "vollkommener Einklang im Denken" (158).

Inzwischen hat das erzählende Sachbuch tatsächlich einen Sog entwickelt und es macht mir sehr viel Spaß, weiterzulesen ;)
Dieser Blick auf Telemachos und seine Beziehung zum Vater und seine Reise und sein Lernen/Reifen in dieser, insgesamt alles interessante Überlegungen, die mich neugierig machen, die Sagen wieder in die Hand zu nehmen. Dann die ganzen Vergleiche des Autors mit seinem Vater in Bezug auf die Odyssee. Wunderschön gemacht. Mir gefällt dieses Buch sehr.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Nachdenklich hat mich gemacht, warum Jay selbst wieder anfing Latein zu lernen. Hat er Sorge, von seinem Sohn abgehängt und überflügelt zu werden? Schließlich wurde in der Odyssee ja der Satz geprägt, dass nur die wenigsten Söhne besser als ihre Väter sind.
Ein interessanter Gedankengang! Manchmal gibt es ja auch eine gewisse Rivalität zwischen Vätern und Söhnen. Auch die Art wie der Vater manchmal vor den Studenten auftritt, manchmal sogar verbal etwas in Richtung seines Sohnes schießt, klingt danach.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Sehr interessant gezeichnet finde ich die Person der Froma, "eine Pionierin einer feministischen Interpretation der Klassiker, besonders der griechischen Tragödien" S. 100. Ein interessantes Projekt, da mir die Sagen des klassischen Altertums schon sehr patriarchal vorkamen.
 

parden

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1. Paideusis (Väter und Söhne)
Die vom Autor erläuterte Ringkomposition, Gegenwart und Vergangenheit miteinander zu verweben, verwirklicht er auch im 2.Kapitel - der Telemachie. Die etymologischen Exkurse fließen weiterhin in die Geschichte ein, aber sie fügen sich für mich jetzt besser ein - auch die Begeisterung für die Konjugation im Griechischen kann ich nachvollziehen ;)
Zur Handlung:
Einerseits erfahren wir etwas über die ersten vier Gesänge der Odyssee, in denen nicht Odysseus, sondern sein Sohn Telemachos im Mittelpunkt steht, der sich angestiftet von Athene auf die Suche nach Informationen zum verschollenen Vater macht. Gleichzeitig lernt er dabei - wie man so schön sagt - etwas über das Leben, wird also erzogen.
Neben diesen eher "wissenschaftlichen Teilen", die ich sehr interessant finde, erzählt Mendelsohn von seinem Seminar zur Odyssee, an dem sein Vater teilnimmt und in dem er sich auch rege zu Wort meldet - was zu einigen sehr lustigen Szenen führt. Witzig fand ich auch die "Eselsbrücken", die sich Mendelsohn macht, um sich die Namen seiner Studenten einzuprägen.
Gleichzeitig erfahren wir aber auch immer wieder etwas über die Vergangenheit des Vaters, z.B. warum er Latein in der Highschool abgewählt hat, über dessen Lehrtätigkeit nach seiner Arbeit für Grumman, über die Ehe der Mendelsohns und über seine Lebenseinstellung als "Schmerzensmann" (73).
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Das führt ihn zu der Aussage, Odysseus sei kein Held, da die Götter alles für ihn richten würden, er also bereit ist Hilfe anzunehmen, etwas, das Mendelsohn senior nicht vermag.
Der Vater, der nie betrogen und gelogen hat, sieht aus diesem Grund Odysseus nicht als Held - denn dieser braucht die Hilfe der Götter, schafft es nicht allein.
Etwas, das für Jay Mendelsohn sehr wichtig zu sein scheint - Stärke zu zeigen, niemals zu weinen, alles aus eigener Kraft heraus zu gestalten.

Immer wieder reflektiert Daniel Mendelsohn sein Verhältnis zum Vater und dabei erzählt er gleichzeitig Interessantes aus seinem eigenen Leben - von seinen ersten Studienjahren und Dozentinnen, die ihn geprägt haben.
Immer wieder vergleicht er die Odyssee mit seinem eigenen Leben. So erläutert er uns, wie wichtig es ist, dass Telemachos erkennt, dass seine eigene Familie nicht der Mittelpunkt der Welt ist (121), um dann zu seiner eigenen Familie überzuleiten und die Erfahrungen, die er als Kind und Jugendlicher mit den Bekannten und Freunden seiner Eltern gemacht hat, zu erzählen.
Allmählich entsteht ein Bild vom Aufbau der Odyssee einerseits und andererseits von Daniel und Jay Mendelsohn sowie deren Verhältnis in meinem Kopf.
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Mendelsohn verknüpft dies mit den Vorstellungen, die sein Vater über die Ehe hat - absolute Liebe gebe es nicht.
Sehr gut hat mir gefallen, wie die "perfekte Liebe" in der Odyssee definiert wird - als "vollkommener Einklang im Denken" (158).

Inzwischen hat das erzählende Sachbuch tatsächlich einen Sog entwickelt und es macht mir sehr viel Spaß, weiterzulesen ;)
Wirklich gelungen zusammengefasst... :)
 

parden

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Manche Teile, insbesondere die Essenzen über die griechische Grammatik, lese ich als Sachbuch- da bleibt nicht viel hängen. Alles, was die Odyssee an sich, die Familienbezüge sowie die lebhaften Diskussionen im Seminar betreffen, verfolge ich mit großem Interesse.
Da kann ich mich nur anschließen. Also ich verfalle keineswegs in Begeisterungsstürme anlässlich der Kunjugation altgriechischer Verben... ;) Aber ansonsten finde ich das Verhältnis Odyssee und Blick auf die Vater-Sohn-Beziehung der Mendelsohns sehr ausgewogen - ganz entgegen meiner Befürchtungen nach dem Proömium... :D
 

parden

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Ich habe den Abschnitt noch nicht durch, bin aber über etwas gestolpert. Daniel beschreibt, wie offen und liberal seine Eltern zu seinem Coming Out gestanden sind und einige Seiten später erzählt er von einer Heimkehr zu seinen Söhnen.
Das hat mich etwas verwirrt.....
Da schließe ich mich absolut an. Er redet anfangs ganz eindeutig von seinem Schwulsein, später aber von seiner Ehefrau Lily und seinen beiden Söhnen. Vielleicht doch nicht nur homosexuell? Vielleicht erfahren wir darüber noch mehr...
 

parden

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Stimmt. Die Söhne werden auch im dritten Teil erwähnt. Vielleicht Adoption?
Bisher wurde zu seiner eigenen familiären Situation noch nichts gesagt.
Eben doch. Als der Vater alle seine Kinder samt Familien einladen wollte - der Autor schildert die Geschehnisse vor dem Tod des Vaters -, ist von seiner Frau Lily und seinen beiden Kindern die Rede. Mal schauen, ob sich das noch auflöst.... ;)
 

parden

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Puh, ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass meine Befürchtungen nach dem doch einschüchternden 'Vorwort' nicht eingetroffen sind. Der Abschnitt ließ sich größtenteils sehr flüssig lesen, auch wenn ich sicher nicht alles abspeichern werde... Tatsächlich stelle ich mir den Autor als einen Professor vor, den ich im Studium gerne kennengelernt hätte - allerdings wohl eher für ein anderes Fach... Aber er wirkt bei allem Wissen sehr menschlich und auf dem Boden geblieben und scheint auch dem Humor nicht abgeneigt.

Die Situation beim Seminar mit seinem Vater im Nacken - herrlich! "Da sie mich nicht für einen humorlosen Spielverderber halten sollten, grinste ich über das ganze Gesicht. In Wahrheit dachte ich: Das wird ein Albtraum." (S. 85) Und irgendwie behält er - natürlich - Recht. Dabei denke ich bei vielen Äußerungen des Vaters: sehr verständliche Reaktionen, die Frage hätte auch von mir stammen können. Das macht die Diskussion, der wir da im Seminar folgen können, ja auch so lebendig.

Das Vater-Sohn-Verhältnis war offensichtlich nicht ganz einfach, ebenso wie die Ehe der Eltern nicht immer leicht war. Aber bei allen Schwierigkeiten und charakterlichen Besonderheiten des Vaters, der irgendwie niemanden ganz an sich heranließ, rechnet der Autor hier nicht mit ihm ab, sondern sucht auch nach dessen Tod einen Zugang zu ihm, versucht Reaktionen nachzuvollziehen. Er beschreibt viele Details seines Vaters auch sehr liebevoll - beispielsweise das Hochziehen der linken Schulter während der Autorfahrt, wenn er sich über etwas ärgerte...

Der Autor betont, dass er die Vergleiche schätzt, die Homer in der Odyssee benutzt. Dabei neigt der Autor selbst auch zu derartigen Vergleichen. Beispielsweise als er die griechischen Verse der Odyssee beschreibt: "...versehen mit Girlanden aus (...), die wie Wolken wütender Stechmücken über den Worten hängen." (S. 98) Oder auch: "Doch unter all der Großzügigkeit (...) war eine gewisse Strenge zu spüren, kantig und kompromisslos wie eine Konjugationstabelle." (S. 103).

Ich merke immer wieder, dass ich hinsichtlich der Odyssee realtiv wenig Ahnung habe (zumindest bisher). Natürlich ist mir Odysseus ein Begriff, auch manche Details der Odyssee sind mir nicht unbekannt. Aber eben alles sehr oberflächlich. Dass das Werk im Grunde eine Anthologie ist - Homer = 'die Gesamtheit der Ependichter' - (noch dazu ursprünglich eine mündlich überlieferte), fand ich schon verblüffend und richtig interessant geschildert.

Ich werde sicher trotz allem die Odyssee nicht im Original lesen - bei einem Blick auf die Verse wurde mir leicht schwummerig im Kopf, nach zwei Seiten habe ich abgebrochen. Aber ich freue mich, dass es dem Autor gelingt, mir das alte Werk hier so nahe zu bringen - und auch die besondere Bedeutung begreiflich werden zu lassen. Mendelsohn schafft es, dass man die Odyssee als einen Schatz erkennt, den es zu bewahren gilt und der seine Spuren bis in heutige Werke zieht, ohne dass es den meisten bewusst ist.

Ich merke mir auch mal den Namen 'Bibliolathos' = der Buchvergesser - witzig. Kann man wirklich zuuuu viel lesen? ;)

Ich freue mich jedenfalls auf die weitere Lektüre - wer hätte das nach dem Vorwort gedacht?