2. Leseabschnitt: Teil II (Seite 69 bis 149)

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein richtig eigenartiges Buch! Dieser zweite Leseabschnitt gefällt mir weniger als der erste LA. Der Charakter der Nat wird immer undurchsichtiger, ihre Empfindungen immer verworrener. Aber eigentlich geht es mir mit fast allen Charakteren so, dass sie mir nicht nahe gehen, dass sie mich kalt lassen, dass sie mich fast etwas anöden.
Die Einzigen, bei denen ich nicht so empfinde sind das alte Ehepaar. Nat, Piter und der Deutsche sind ungreifbar. Alle haben sie Geheimnisse, es taucht Ungesagtes auf, die anfänglichen Eindrücke verändern sich. Ob dies bei Nat auch noch erfolgt?
Dann der Titel. Eine Liebe. Wo denn? Die einzigen Charaktere, bei denen etwas Liebevolles erkennbar ist, sind das ältere Ehepaar. Die Anderen? Da ist nirgends Liebe. Nur Besitzdenken und Manipulation. Furchtbare Menschen!
 

Irisblatt

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Irisblatt

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Etwas positives habe ich noch vergessen. Spannend ist das Buch. Ja. Man möchte wissen um was es hier geht!
Ich hoffe da noch auf die eine oder andere Wendung, die mir hilft, alles besser zu verstehen. Es liest sich flott, spannend finde ich es nicht - dafür sind mir die Figuren zu wenig greifbar.
 

petraellen

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11. Oktober 2020
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Im zweiten Leseabschnitt wird , das umgesetzt, was im ersten vorbereitet wurde. Wir wissen nun, das Nat nicht nur gestohlen hat , sondern in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurde. (S. 95) Das erklärt schon einiges mehr an ihr Verhalten. Das schlimme daran war, dass sie bei ihren Eltern keine Unterstützung fand, weil ihre Eltern in sehr mochten.
Die Wendung, die sich im ersten Teil anbahnte, ob der sie den deutschen „Herein lasse“ ist nun erfolgt. Sara Mensa zeigt nun Schritt für Schritt auf, wie Macht und Abhängigkeit zusammengehören und Grenzen zwischen Moral und Unmoral verschwimmen. In Nat beginnt eine Metamorphose „eine radikale Veränderung ihrer Erwartungen“ (S.92) Ee ist eine „Obsession“ die sich zwischen ihr und dem Deutschen entwickelt. Die Autorin leuchtet dabei tief in Sprachlich hat sie auch im Teil II die Geschichte wieder sehr gut umgesetzt.
„Der Film wächst Meter um Meter, wird lang und länger. Aber nie lang genug.“ (S. 93) Ein wunderbarer Vergleich. Wir als Leser meinen, nun ist der Höhepunkt erreicht, aber es geht doch weiter. Wir blicken noch eine Stück tiefer in Nat hinein und fühlen mit ihr. Doch dann kommt wieder eine Wendung. Der Deutsche dreht den Spieß um, und Nat ist diejenige, die nur jammert und um Mitleid heischt.
„Nat ist kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ist sie wirklich jemand, der dauernd jammert, ist sie undankbar?“ (S. 117)
Die Geschichte bleibt spannend. Ab Teil II entwickelt sich die Geschichte wie in einem Psychodrama. Das Verhältnis der beiden gleitet in einer dysfunktionalen Struktur ab.
 

Irisblatt

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Sara Mensa zeigt nun Schritt für Schritt auf, wie Macht und Abhängigkeit zusammengehören und Grenzen zwischen Moral und Unmoral verschwimmen.
Die ambivalenten Gefühle werden gut dargestellt. Sie sind auch durch gesellschaftliche Moralvorstellungen hervorgerufen. Nat ist es wichtig, ihren Tauschhandel von Prostitution abzugrenzen - sie beruhigt sich schließlich damit dass er ihr kein Geld gegeben hat, sondern eine Dienstleistung getauscht hat. Während es Andreas tatsächlich als Tausch sieht, wird es für Nat schwierig, weil sie feststellt, dass diese ungewöhnliche sexuelle Begegnung nicht emotionslos an ihr vorbei gegangen ist. Sie kann sich dem Reiz nicht entziehen und es wurmt sie, dass sie für Andreas in gewisser Weise austauschbar zu sein scheint. Irgendwann dreht sich alles nur noch um ihrer Begierde und sie gerät in eine starke Abhängigkeit von Andreas, der ihr aber nur in sehr seltenen Momenten die so ersehnte Bestätigung gibt, dass sie, Nat, wichtig, schön, wunderbar für ihn ist. Andreas hat Macht über sie, obwohl er nie aktiv Macht eingefordert oder ausgeübt hat.
Wie wenig Nat vom Leben im Dorf versteht, zeigt sich darin wie erstaunt sie ist, dass alle wissen, dass sie und Andreas ein Verhältnis haben (dabei hat sie sich so viel Mühe gegeben, nicht gesehen zu werden).
 
Zuletzt bearbeitet:

Irisblatt

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Der Deutsche dreht den Spieß um, und Nat ist diejenige, die nur jammert und um Mitleid heischt.
Da ist sie wieder die Geschichte um den Diebstahl, die mir auch etwas an den Haaren herbeigezogen scheint. Ich erfasse sie in ihrer Tragweite für Nat ebensowenig wie das Andreas tut. Leider muss ich ihm auch Recht geben: so wie sie das erzählt und es rüberkommt, ist das wirklich banal im Vergleich zu anderer Leute Probleme (da komme ich mir jetzt richtig fies vor, wenn ich das schreibe - schließlich ist nichts banal, wenn es so belastet).
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Thüringen
Neurotisch. Das ist das Wort, was mir die ganze Zeit über zu Nat im Kopf herumschwirrt. Selten habe ich einen so neurotischen Charakter in einem Buch erlebt. Sie nervt mich kolossal. Und ich frage mich ständig, ob die Autorin ihr ernsthaft Empathie entgegenbringt und ihre Sorgen und Nöte darstellen will, oder ob sie ihre nervigen Selbstzweifel und Befindlichkeiten vorführen möchte. Mit letzterem hätte ich weniger Probleme als mit ersterem.
Ich lese das Buch zwar zügig runter, aber weniger weil ich es spannend finde, sondern vielmehr weil ich mich frage, was dazu geführt hat, dass das Buch zum "besten Buch des Jahres" gekürt wurde und 2021 den "Preis des unabhängigen Buchhandels" bekommen hat. Irgendetwas muss da im letzten Teil des Buches noch kommen. Ansonsten verzweifel ich an dem Text.
Schon länger habe ich kein Buch mehr gelesen, während dessen Lektüre ich nur noch hoffte schnell zum Ende zu kommen um dann endlich ein anderes Buch von meinem SuB lesen zu können. Aktuell lächeln mich all meine ungelesenen Bücher an und ich will einfach nur das hier hinter mich bringen.
Und zum Missbrauchsthema: Wenn dieser eine Absatz mal eben herhalten soll, um die Probleme von Nat zu erklären, wäre das schwach. Damit will ich keinesfalls den Missbrauch kleinreden, ihr wisst, dass ich bei diesen Themen sehr hellhörig und sensibel bin, aber ich finde die Umsetzung wenig gekonnt. Das wird einfach mal so nebenher hingeworfen und dann nie wieder aufgegriffen. Das stört mich.
Dass Sara Mesa mit einer Art der Beziehungsführung provozieren will, kenne ich schon aus "Quasi", dort war es aber m.E. viel besser gelungen. Aktuell fühle ich mich ein bisschen an das Lektüreerlebnis von

Buchinformationen und Rezensionen zu Hingabe: Roman von Bénédicte Belpois
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erinnert. Ist mir wirklich nicht gut in Erinnerung.

Jetzt hoffe ich, dass die Autorin das Ruder noch rumreißt und sie mich noch einfaängt im letzten Abschnitt. Bisher treibe ich immer weiter weg von Nat, ihren Befindlichkeiten, Handlungen und den (bis auf wenige Ausnahmen - siehe das alte Ehepaar, die aber nur kurz erscheinen) unliebsamen Charakteren dieses Buches.
 

Irisblatt

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Und zum Missbrauchsthema: Wenn dieser eine Absatz mal eben herhalten soll, um die Probleme von Nat zu erklären, wäre das schwach. Damit will ich keinesfalls den Missbrauch kleinreden, ihr wisst, dass ich bei diesen Themen sehr hellhörig und sensibel bin, aber ich finde die Umsetzung wenig gekonnt. Das wird einfach mal so nebenher hingeworfen und dann nie wieder aufgegriffen. Das stört mich.
Ich weiß genau, was du meinst. Das war mir auch viel zu kurz eben mal vor die Füße geworfen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Was die Autorin hier beschreibt ist eine fatale Beziehung. Für die Frau wird sie zu einer Obsession, was sie für den Mann ist, bleibt mir unklar. Geht es ihm nur um regelmäßigen Sex?
Nat fühlte sich anfangs überlegen, intellektuell, an Erfahrung und in Bezug auf Bedürftigkeit. Sie hielt den Deutschen für einen einfachen Mann, dem eine Frau fehlte. Nun muss sie feststellen, dass er studiert hatte, eine Ehe hinter sich hat und sie überhaupt nicht braucht.
Sie läuft ihm hinterher „ wie eine läufige Hündin“, wie sie selbst sagt, bespitzelt ihn voller Eifersucht und Misstrauen. Entwürdigend!
Das Buch ist allerdings keine angenehme Lektüre. Ich fühle mich richtig unwohl beim Lesen. Warum es in Spanien ein so großer Erfolg war, erschließt sich mir nicht.
 

RuLeka

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Nat ist auch völlig auf sich selbst bezogen. Einzig bei dem alten Ehepaar zeigt sie wirkliches Interesse an anderen Menschen. Ihr Verhältnis zu Piter kann ich nicht richtig einschätzen.
Ihr Verhalten bei den Nachbarn ist nicht so, dass sie wieder eingeladen werden wird. Weshalb macht sie denen den Bau eines Pools so madig? Es gibt ökologische Gründe, die dagegen sprechen, doch bei ihr habe ich das Gefühl, es geht ihr nur um den Widerspruch.
Und was treibt sie eigentlich den ganzen Tag? Zum Übersetzen kommt sie ja nicht mehr.
Ganz kurz erwähnt werden frühere Freunde und ihre Familie, die ihr jetziges Leben wohl nicht positiv beurteilen würden.
 

RuLeka

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Dann der Titel. Eine Liebe.
Von Liebe ist hier nichts zu spüren ( nur bei dem alten Paar). Aber Liebe ist es nicht, was die beiden, Nat und Andreas, verbindet.
Ich hoffe da noch auf die eine oder andere Wendung, die mir hilft, alles besser zu verstehen.
Ich hoffe auch, dass der letzte Abschnitt mir manches erklärt.
„Herein lasse“
Dieses „ in Dich reinlassen“ geht über das Körperliche weit hinaus. Nat ist geradezu besessen von ihm, ihr ganzes Denken kreist um das vorige und das nächste Zusammensein. Andreas ist in ihrem Kopf und in ihrem Körper, beinahe permanent.
 

Renie

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19. Mai 2014
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In diesem Abschnitt wird deutlich, dass Nat nicht nur einen Hund sondern auch eine Meise hat. Zuerst das von mir befürchtete Gedankenkarussel nach Andreas' Angebot, dann lässt sie sich darauf ein, redet sich ihre Entscheidung schön und verliert sich in den Glauben an eine Liebesbeziehung. Ich ertappe sie immer wieder dabei, dass sie sich die Realität zurecht biegt. So ist Andreas derjenige, der die Beziehung wollte. Also wirklich! Dem Mann ist nur sein Sexualleben wichtig. Sie wirft sich ihm an den Hals und er nimmt, was er kriegen kann.
Interessant war für mich der Moment, als sie Andreas in einem Monolog von ihrem Diebstahl erzählt und ihn im Anschluss nach seiner Meinung fragt. Seine Reaktion: „Fragst du bloß so, oder willst du es wirklich wissen?“ Damit bringt er es auf den Punkt. Sie ist Ichbezogen allerdings nicht im Sinne von egoistisch. Sie verliert sich eher in sich selbst.
Ich habe noch keine Situation in diesem Roman erlebt, in der sie sich anderen gegenüber geöffnet hat und etwas von ihrem Ich gezeigt hat. Stattdessen verrennt sich in Diskussionen mit sich selbst, wägt Für und Wider ab, ist eine ständige Zweiflerin. Dabei kommt sie zu verblüffenden Erkenntnissen, die häufig widersprüchlich zu Überlegungen sind, die sie vorher hatte.
" ... er ist klein, hat einen dunklen Teint, dünnes Haar und Geheimratsecken. Seine dicke hässliche Nase, der nach unten gebogene Schnurrbart und die starke Brille...., eher wirkt er wie ein typischer Einheimischer."
"Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sein Gesicht etwas ausgesprochen Majestätisches hat. .... die Hakennase .... Trotzdem ist die Gesamtwirkung überwältigend."
Spätestens jetzt frage ich mich, ob die Dorfbewohner wirklich dem Bild entsprechen, das wir durch die Sichtweise von Nat haben. Bei Piter stelle ich bspw eine Veränderung fest. Von seiner anfänglichen Dominanz ist nichts mehr zu spüren. Stattdessen ist er auf einmal ein feiner Kerl.
Nachdem die Beziehung zu Piter zu einer Besessenheit wird, stalkt sie ihn und auch das redet sie sich passend. Er zieht einen Schlussstrich. Jetzt bin ich gespannt, was das mit Nat machen wird.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Nat ist so zögerlich und unsicher. Ständig in Diskussion mit sich selbst. Wenn sie kein Vertrauen in dich selbst hat, kann sie anderen noch viel weniger trauen. Sie hatte ein vorgefertigtes Bild von Andreas ein Mann der allein lebt keine Frau abbekommen hat, Gemüse anpflanzt. Es entsetzt sie, dass er eine "Vergangenheit" hat eine Beziehungsvorgeschichte. Sie hat ihm nichts zugetraut. Noch mehr verwirrt sie aber dass er einen qualifizierten Job in der Stadt annimmt, dass er sich weiter entwickelt. Sie hingegen verändert nichts an ihrem Leben, wird nur immer misstrauisch. Bezieht jegliches Gerede und Getuschel auf sich. Ich empfinde sie ungemein anstrengend. Dass sich Andreas von ihr trennt, ist vorprogrammiert.
 

ulrikerabe

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Dann der Titel. Eine Liebe. Wo denn?
Vielleicht sollte man gedanklich ein Fragezeichen dahinter stellen. Für mich ist es keine Liebe sondern Obsession. Für Nat kann es eine Art von Liebe sein.
Und zum Missbrauchsthema: Wenn dieser eine Absatz mal eben herhalten soll, um die Probleme von Nat zu erklären, wäre das schwach
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