2. Leseabschnitt: Teil II. Kapitel 1 bis 15 (S. 99 bis 187)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Das Thema ist nicht nur das Haus, sondern, wie Ruth trefflich feststellte, die Kollaboration. Und dafür war die Vorgeschichte von Wims Kindheit nötig.
Ich seufze schwer. Es ist immer so leicht, sich in sicherem geschichtlichen Abstand befindlich, über die Leute von damals zu urteilen. Wims wollte absahnen, wollte sein Heimatland "befreien" oder befreit sehen, mit den unappetitlichen Begleiterscheinungen wollte er eigentlich nichts zu tun haben. Er ist eine schwierige Figur. Kein Wunder, dass seine Kinder sich ebenfalls schwer damit tun, ihn klar zu sehen. Das arbeitet der Autor gut heraus.

Was jetzt die Begehung des Hauses betrifft, hat diese Passage für mich durchaus Längen. Lieber möchte ich noch was über die Instandsetzung lesen.
Mitgenommen hat mich die Rattenertränkung. Es ist untersagt, Säugetieren Schmerzen zuzufügen! Auch Ratten sind Lebewesen. Man muss das anders machen. Im Wald aussetzen oder so. Trockenlegen. Etc.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Oh Mann, sorry, in Wahrheit war es natürlich @milkysilvermoon . Ich verwechsele euch ehrlich gesagt immer, also auch in meinem kleinen Hirn. Vielleicht weil die Namen ähnlich lang sind und ich viele Os und ein paar Is sehe...

:D Ich habe tatsächlich mal drüber nachgedacht, meinen Usernamen zu etwas Eingänglicherem zu ändern. Das geht hier im Forum aber nicht, oder?

So, jetzt husche ich hier wieder raus und wünsche euch noch viel Spaß bei der Runde.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mir gefällt der Wechsel zwischen den beiden Perspektiven sehr gut, vor allem da die Geschichte um Willem doch recht schwer zu verdauen ist. So bieten die Rundgänge und Schilderungen des Hauses eine willkommene Abwechslung. Erstaunt hat mich hierbei sehr, dass das es damals schon ein modriger Kasten war. Wie schrecklich muss es für Mien und die Kinder gewesen sein, dem Vater dorthin zu folgen. Mien versucht das Beste draus zu machen, obendrein hält sie an ihren Grundsätzen fest. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie sie sich gefühlt haben muss, als ihr nach und nach klar wurde, was ihr Mann beruflich treibt. Er, der sogar mit einer Jüdin verheiratet war. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch sich komplett umkrempeln kann.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Wir erfahren viel über Mien, da sie Tagebuch zu führen beginnt, das der Autor beim Schreiben dieses Romans lesen konnte.
Welch ein Glück das ihm diese Dokumente zur Verfügung standen, das und die Möglichkeit mit den Kindern zu sprechen. So dürfte er sehr gute Eindrücke in die Gefühlswelt der Familie erhalten haben. Einige Relikte hat er nach eigener Erzählung ja selbst entsorgt, da er noch nicht wusste, welch Erinnerungsstücke er in Händen hielt
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Spannend ist das Verhältnis zwischen Willem und seiner Frau Meintje. Wie lebt es sich mit einem Mann, der für Dinge eintritt und Dinge tut, die man zutiefst ablehnt?
Ich denke auch, dass sie wegen der Kinder so gehandelt hat. Außerdem war es ja ein schleichender Prozess. Sie hat Willem damals, als sie noch bei ihren Eltern wohnte anders kennengelernt, alles andere kam ja nach und nach. Eine schwierige Situation für sie
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch sich komplett umkrempeln kann.
Das habe ich gar nicht so empfunden. Auch zuvor zeigte Willem ja politisch extreme Tendenzen. Zudem muss man im Blick haben, dass Elsa ja bereits 1928 gestorben ist - und damit recht lange vor der Machtergreifung Hitlers. Natürlich gab es Antisemitismus schon viele Jahrhunderte, aber zumindest für Willem gab es bei der Wahl seiner jüdischen Frau noch nicht die Verbindung mit den Idealen, die er später vertreten sollte.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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sich vom eher rein biografischen Erzählen des Beginns entfernt und auf mehr Atmosphäre und Beschreibungen setzt.
Mir gefällt der zweite Abschnitt auch insgesamt besser, allerdings empfinde ich die atmosphärischen Beschreibungen auch zeitweise als zu artifiziell, zu aufgesetzt. Das ist besonders zu Beginnen Kapitel 10, aber auch bei Kapitel 1 für mich schon der Fall. Dort soll durch ein Sammelsurium an Alltagsmomenten ein Gefühl für den Moment geschaffen werden - ich empfinde das tatsächlich als willkürliche "Masche".

Sehr viel besser - und das sehe ich vollkommen wie du - schafft der Autor das, wenn er sich um das Haus "kümmert". Seine Gedankengänge, was einmal war und wie es jetzt ist bzw. wie es war, als er dort lebte finde ich sehr gelungen. Mein "Highlight" war in diesem Abschnitt jedoch der Besuch in Neuestein. Mit diesem Wandeln auf "alten Pfaden konnte ich mich sehr gut identifizieren, etwas Ähnliches habe ich auch schon mal gemacht und es vermittelt ein besonderes Gefühl.

Abgesehen davon, dass mich die Thematik nicht wirklich interessiert und ich wirklich einen Roman im herkömmlichen Sinn erwartet habe, muss ich Hertmans Schreibstil loben. Er macht es ganz geschickt, auch mich bei der Stange zu halten, indem er die Perspektiven, Zeiten und Schauplätze miteinander verflechtet und zu (s)einer Geschichte zusammenfügt. Die Bilder schenken dem Ganzen Glaubwürdigkeit.
Da bin ich absolut deiner Meinung. Der Schreibstil ist besser geworden - auch wenn ich ihn zeitweise "zu gewollt" sehe, aber das Thema löst bei mir so gar keine Begeisterung oder auch nur Interesse aus.

Das Buch liest sich ganz gut, aber gerade in diesem Abschnitt "passiert" mir zu wenig.
Das geht mir genauso. Ich sehe immer noch nicht den Punkt ;)

Mir fehlt auch einfach der Blick auf Motive und Beweggründe. Die Innensichten sind für mich sehr spartanisch angelegt. Gerade bei Willem habe ich jetzt ja fast nur noch eine Außensicht - was grundsätzlich in Ordnung ist, aber mir erscheint das Handeln dadurch oft nicht verständlich bzw. nachvollziehbar. (Ich kenne das Haus besser!!!) Es erscheint mir so, dass Hertmans sich oftmals einer Deutung und Bewertung entziehen möchte. Das faktenbasierte Schreiben tritt dann sehr in den Vordergrund, aber für den Roman wäre es nicht schlecht gewesen, auch mal ein bisschen mutiger in die Fiktion zu gehen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Abgesehen davon, dass mich die Thematik nicht wirklich interessiert
Ich lese hier bei manchen, dass sie die Thematik nicht interessiert. Aber um was es geht , erfahren wir aus dem Klappentext. Und da steht klar, dass Hertmans sich auf die Spuren eines SS- Mannes begibt. Wenn ich nichts mehr über diese Zeit lesen will, brauche ich das Buch nicht.
Kritik an der Umsetzung ist erlaubt, aber nicht an der Thematik.
 

Literaturhexle

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aber für den Roman wäre es nicht schlecht gewesen, auch mal ein bisschen mutiger in die Fiktion zu gehen.
Genau! Für mich dominiert der Stil eines faktenbasierten Sachbuchs. Das hätte man durchaus anders angehen können.

Und da steht klar, dass Hertmans sich auf die Spuren eines SS- Mannes begibt. Wenn ich nichts mehr über diese Zeit lesen will, brauche ich das Buch nicht.
Da hast du grundsätzlich Recht. Aber ich lasse mich gerne überraschen. Ich beschäftige mich GENERELL schon noch mit der Thematik. Der Roman "Am Seil" von Erich Hackl fällt mir ein, das Buch von Felix Schmidt, Der Vorleser,... Alles herausragende Bücher. Auch die Geschichte eines SS Mannes KÖNNTE mich fesseln, aber eben nicht so, wie sie erzählt wird. Da ist zu wenig Emotion, zu viele Fakten und Randgeschehnisse.

Erwartet hatte ich einen Roman im herkömmlichen Sinn. Schon die Bilder haben mich stutzig gemacht. Da war ich missverständlich. DIESER SS- Mann interessiert mich nicht (und die Art, wie die Geschichte erzählt wird). Mir fehlt das Besondere an diesem Mann und der Familie. Was macht SEINE Geschichte anders als viele andere, die wir schon gehört haben? Abgesehen davon natürlich, dass der Autor über ein höchst umfangreiches Quellenmaterial verfügte, was nicht so oft der Fall sein dürfte. Vielleicht hätte er nicht den Anspruch an sich haben dürfen, auch alles Verfügbare einzuarbeiten. Dann hätte die Geschichte vielleicht mehr Stringenz und Spannung bekommen.
Doch es ist gut, dass es manchen von euch richtig gut gefällt! Lass es dir nicht schlecht reden, Ruleka;)
 
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Ich lese hier bei manchen, dass sie die Thematik nicht interessiert. Aber um was es geht , erfahren wir aus dem Klappentext. Und da steht klar, dass Hertmans sich auf die Spuren eines SS- Mannes begibt. Wenn ich nichts mehr über diese Zeit lesen will, brauche ich das Buch nicht.
Kritik an der Umsetzung ist erlaubt, aber nicht an der Thematik.
Du hast vollkommen Recht. Bei mir ist es aber eben genau die Umsetzung, die mir nicht gefällt. Ich lese immer wieder Bücher (Romane) über die NS Zeit. Viele davon fesseln mich sehr. Hier ist es aber nicht der Fall. Das liegt wohl zentral an diesem nüchternen Reportagenstil und daran, dass man kaum etwas über das Innenleben der Protagonisten, insbesondere Willems, erfährt. Da fehlt mir einfach psychologischer Tiefgang, den ich gerade bei solchen Themen für sehr wichtig halte.
 

luisa_loves-literature

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Kritik an der Umsetzung ist erlaubt, aber nicht an der Thematik.
Da stimme ich dir grundsätzlich zu, allerdings verhält es sich bei mir so: die Thematik hat mich interessiert und würde es auch weiterhin, wenn ich sehen würde, was ausgerechnet Willem Verhulst unter den Kollaborateuren besonders macht. Nur im selben Haus wie der Autor gelebt zu haben, reicht mir einfach (bisher) nicht, zumal diese Verbindung (bisher zumindest) nicht ausgeleuchtet wird. Thematik und Umsetzung gehen da Hand in Hand:
Auch die Geschichte eines SS Mannes KÖNNTE mich fesseln, aber eben nicht so, wie sie erzählt wird. Da ist zu wenig Emotion, zu viele Fakten und Randgeschehnisse.
Wo ist das gewisse Etwas? Nur weil etwas "wahr" war oder auf einer "wahren Geschichte" basiert, ist es noch keine gute Story...
DIESER SS- Mann interessiert mich nicht (und die Art, wie die Geschichte erzählt wird). Mir fehlt das Besondere an diesem Mann und der Familie. Was macht SEINE Geschichte anders als viele andere, die wir schon gehört haben?
Exakt. Das ist für mich auch das Problem hier. SS-Männer gibt es genügend, die einzige "Besonderheit" ist das Haus, aber das ist eigentlich keine, denn viele von uns leben in "gebrauchten" Häusern mit Geschichte. Wenn es noch einen familiären Link, einen Wunsch nach Aufarbeitung oder Wiedergutmachung gäbe...Aber so ist es mir zumindest zur Zeit irgendwie auch etwas weit hergeholt.
Da fehlt mir einfach psychologischer Tiefgang, den ich gerade bei solchen Themen für sehr wichtig halte.
Ja, absolut - und der fehlende Tiefgang führt dazu, dass die Thematik, die im Klappentext vielversprechend aussah, uninteressant wird...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Auch die Geschichte eines SS Mannes KÖNNTE mich fesseln, aber eben nicht so, wie sie erzählt wird. Da ist zu wenig Emotion, zu viele Fakten und Randgeschehnisse.
Das kann ich nachvollziehen. Hertmans sammelt jede Menge Fakten und breitet sie vor dem Leser aus. Er schreibt sehr nüchtern, sachlich. Das konnte man vorher nicht wissen.
Was macht SEINE Geschichte anders als viele andere, die wir schon gehört haben?
Es spielt in Belgien; ich kenne wenig Romane aus Belgien. Er war mit einer Frau verheiratet, die seine Gesinnung nicht teilte, ja, sie sogar anlehnte und er wohnte zufällig in dem Haus, das der Autor später kaufte.
Da fehlt mir einfach psychologischer Tiefgang, den ich gerade bei solchen Themen für sehr wichtig halte.
Ich verstehe auch Deine Kritikpunkte, aber ich finde schon, dass Willem tiefgründig und differenziert dargestellt wird. Er war ein egozentrIscher, feiger und weinerlicher Mensch, der überall seinen Vorteil suchte, keinerlei Reue und Einsicht zeigte. Ich brauche hier keine tiefenpsychologische Erklärungen, warum er so ein Mensch wurde. Trotzdem, und das finde ich interessant, hat seine Familie zu ihm gehalten, obwohl sie sich keine Illusionen mehr über ihn machten.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Auch für Familie Verhulst mit drei Kindern dürfte es eine Zumutung gewesen sein. Warum Willem es bezogen hat, ist mir nicht ganz klar. Weil er es haben konnte, weil es eine prestigeträchtige Gegend war, weil es Geschichte hatte und repräsentativ in den Comfortzonen?
Er brauchte die Größe, die repräsentativen Räume und die Höhe der Miete zum Angeben.
Ich denke, dass dieses Buch in Belgien eine andere Relevanz hat als für uns deutsche Leser. Das Thema Kollaboration ist bzw. war in den besetzten Ländern ein Tabu- Thema. Insofern ist es sehr beachtlich, einen Kollaborateur zur Hauptfigur seines Buches zu machen.
Genau das erklärt, warum das Buch in Belgien relevanter ist: Bei uns ist das Thema weniger originell, es wurde schon oft bearbeitet. Ich lese es gern, aber Stefan Hertmans kann mich nicht überraschen.
Ich habe 2019 etwas Ähnliches über einen norwegischen Kollaborateur gelesen: "Vergesst unsere Namen nicht" von Simon Stranger. Das Buch schlug in Norwegen ein wie eine Bombe, weil das Thema bis vor etwa 10 Jahren totgeschwiegen wurde. Ein tolles Buch auch für mich, aber eben inhaltlich nicht neu. Allerdings war Strangers Erzählweise absolut originell.
Ich vermisse ein wenig die Renovierungsabeiten und ihre Schilderungen. Die Verhultsfamilie muss doch einiges gemacht haben. So wie es dargestellt wird, war das Haus kaum bewohnbar. Oder?
Es wurde der Vormieter vergrault, damit die Familie Verhulst einziehen konnte, es muss also bewohnbar gewesen sein.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Bei uns ist das Thema weniger originell, es wurde schon oft bearbeitet. Ich lese es gern, aber Stefan Hertmans kann mich nicht überraschen.
Sehr guter und richtiger Hinweis! Auch die "flämische Problematik" wird dort völlig anders aufgenommen werden als hier. Man kann sich kaum vorstellen, dass das NS Thema in anderen europäischen Ländern nicht ähnlich intensiv bearbeitet wurde. Für uns ist das selbstverständlich geworden.
 

buchregal

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8. April 2021
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Das Haus, welches der Autor kaufen will, ist wirklich furchtbar heruntergekommen und ich verstehe nicht, dass er sich trotzdem angezogen fühlt. Aber auch, als Willem Verhulst seine Familie darin unterbringt, ist das Haus dunkel und abweisend. Mientje versucht allerdings, das Beste daraus zu machen.

Willem Verhulst kommt voran bei den Nazis. Er zeigt sich stolz in seiner Uniform und bringt sogar eine Büste von Hitler im Haus unter. Mintje und er driften mit ihrer politischen Anschauung auseinander. Dabei gibt es bei Mientje keinen großen und lauten Protest, sie zeigt auf eine sehr stille Art, aber trotzdem deutlich, was sie von dem allen hält. Als sie die Uniform im Haus verbietet, setzt sie sich durch, ohne dass es zu großen Auseinandersetzungen kommt. Die Kinder sind ihr das Wichtigste und so bleibt sie bei dem Mann, der sie so enttäuscht. Willem findet immer mehr Gefallen an seiner Tätigkeit.