@Renie
Oh ja, hier fährt Baldwin wirklich eine ungeheure Sprachgewalt mit ganz viel Atmosphäre auf! Ein Paris wie man es sich vorstellt, aber man sieht auch ein paar der weniger Touristen-tauglichen Ecken.
Giovanni ist eine merkwürdige Mischung: einerseits dominant, andererseits lässt er sich auch auf Dinge ein, die er eigentlich nicht will – wie die merkwürdige 'Beziehung' zu seinem Chef.
@Literturhexle
David kann sich noch nicht lösen von dem Bild, das in der Gesellschaft der Zeit von Schwulen gezeichnet wird. Da kann er sich noch nicht wirklich auf eine Beziehung voll einlassen... (Und wir wissen ja, dass das tragisch enden wird.)
Er steht auf der Kippe, er fühlt sich offensichtlich überfordert und gefährdet – und Tiere, die in die Ecke getrieben werden, beißen... Obwohl ich mir wünschen würde, dass er das Glück findet, fürchte ich das Schlimmste.
@Leseglück
Jacques sagt in diesem Abschnitt einiges, was mich erstaunt und mein Bild von ihm zum Positiven verändert hat! Und er tut mir sehr leid, weil er sich selbst eigentlich für zu alt und zu kaputt hält, um noch die Liebe zu finden.
@RuLeka
Ich denke schon, dass es auch in dieser Zeit echte Liebesbeziehungen zwischen Männern gab, aber unter sehr erschwerten Bedinungen.
@Renie
Ja, hier zeigt Baldwin dem Leser auf, dass der Blick leicht von Vorurteilen und oberflächlichen Annahmen getrübt wird. Jacques entpuppt sich als weitaus tiefgründiger, als ich ihm bisher zugestanden habe.
@Wandablue
Das stimmt, hier passiert im Grunde nich viel, aber unter der Oberfläche so einiges. Die Vermieterin ist für mich so eine Figur wie auch Jacques: als Leser hält man sie erst für lächerlich, und dann zeigen sie doch, dass sie Menschen mit guten und schlechten Eigenschaften sind.
@SuPro
Ich vermute, dass Davids Besuche bei den "Mädchen" darin begründet liegen, dass er verzweifelt versucht, sich seine eigene Männlichkeit zu beweisen. Im Moment kann ich gar nicht sagen, ob ich ihn sympathisch finde, weil er so verkorkst ist, dass man kaum sieht, wer er eigentlich wirklich ist.
Dieser Satz von Jacques hat uns wohl alle beeindruckt! Grandios ausgedrückt. Es macht mich traurig, wie einsam sein Leben im Grunde ist, weil er sich echte Liebe nun mal nicht kaufen kann.
@Sassenach123
Mir tut David auch leid, aber ich sehe es kommen, dass er etwas Schlimmes tun oder zulassen will, um sich nicht outen zu müssen...
@parden
Ich habe den Eindruck, einige der Charaktere spielen ganz bewusst Rollen, die den Klischees entsprechen. Warum? Vielleicht, weil man dann das Gefühl hat, irgendwo hinzugehören.
Im englischen Original heißt die Stelle mit dem Pferd:
"Now, however, he had something of a horse's dreadful beauty; "; covertly, he was watching Guillaume; he knew that both Guillaume and Jacques were watching him."
Das mit dem Pferd ist wohl eine Anspielung auf E. C. Somervilles Roman "Some experiences of an Irish R.M.". Dessen Protagonist wird genötigt, ein Pferd zu kaufen, obwohl er das eigentlich nicht will, und über das Pferd wird gesagt:
"He had the dreadful beauty of a horse in a toy-shop(..)".
Hier ist es ein junger Schwuler, an dem David die "schreckliche Schönheit" bemerkt – und er will das nicht, er will Männer nicht attraktiv finden. Damit ist der junge Mann, stellvertretend für alle schwulen Männer, er ist das Pferd, das David nicht 'kaufen' (sprich: nicht anziehend finden) will – aber muss, weil seine Natur ihn dazu nötigt...
Das mit dem "Sturmmann" ist sicher eine nicht so gelungene Übersetzung von "storm trooper". Ich vermute, dass Baldwin hier tatsächlich auf die deutschen Sturmtruppen anspielt, die massiv und grausam gegen Homosexualität in den eigenen Reihen angingen. Aber möglicherweise auch einfach auf die amerikanischen Storm Troopers, die bestimmt auch nicht toleranter waren...