Der Ich- Erzähler, ein Schriftsteller, der aktuell als Stipendiat in der Villa Massimo wohnt, soll in 4 Wochen einen Vortrag über das Gemälde „ Tasso im Irrenhaus“ von Eugene Delacroix halten. Spontan beschließt er seine Lesereise mit einem Besuch in Winterthur zu verbinden, um sich das Original anzuschauen.
Beim Besuch der Galerie „ Am Römerholz“ zweifelt er anfänglich, ob er sich nicht das falsche Bild ausgesucht hat. Dann aber beginnt er mit einer detaillierten Beschreibung des Bildes „ Tasso im Irrenhaus“, macht sich Notizen . Dabei spricht ihn ein Mann um die sechzig an. Der verwickelt den Erzähler , eigentlich gegen dessen Willen, in ein längeres Gespräch über das Gemälde, weist ihn auf Details hin, stellt Fragen und brilliert mit seinem Wissen. Danach hält der Fremde noch eine Wutrede auf die Schweiz, die mit ihren Waffenlieferungen in die ganze Welt sehr gut verdient und dabei die eigene Neutralität betont und mit ihrem Bankgesetz von weltweiten Verbrechen profitiert.
Der Ich- Erzähler befürchtet am Ende , dass dieser „ Doktor Allwissend“ seinen Vortrag besuchen könnte.
Auf dem Schiff über den Bodensee fühlt sich der Erzähler, wie Tasso auf dem Bild, von sonderbaren Mitreisenden beobachtet. Einer stört sich sogar an seinem ständigen Notieren.
Am Ende geht er mit den aufmunternden Worten eines Bediensteten der Schifffahrtsgesellschaft von Bord . „ Wir haben‘s geschafft!….odder.“
Auch in dieser Geschichte verbindet Ingo Schulz das Thema des Künstlers in der Gesellschaft mit einem konkreten Kunstwerk. Ingo Schultze schreibt aber nicht einfach einen Aufsatz über das Gemälde ( also das, was eigentlich von dem Ich- Erzähler verlangt wird ), sondern er baut die Interpretation in eine Geschichte ein. Kein Essay oder Vortrag, sondern eine Erzählung .
Diese Konstruktion hier finde ich gelungen. Der Leser erfährt zum einen viel über das Bild, über den Portraitierten und über den Maler. Raffiniert sind auch die verschiedenen Ebenen. Ein Schriftsteller schreibt über einen Maler, der einen Dichter gemalt hat.
Da mich hier das Gemälde angesprochen hat ( im Gegensatz zur Installation der ersten Erzählung ) , bin ich den Ausführungen dazu gerne gefolgt. Parallel habe ich mir natürlich das Bild „ Tasso im Irrenhaus“ angeschaut.
„Der eingesperrte Tasso“ … als „ Sinnbild der Künstlerexistenz, ..der Gesellschaft überhaupt.“