2. Leseabschnitt: SOMMER (von Seite 39 - Seite 96)

KrimiElse

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26. Januar 2019
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buchmafia.blogspot.com
Ich presche mal noch ein wenig vor, denn das Buch liest sich für mich schnell weg, und ich hatte heute früh eine längere Fahrt, bei der ich das Kapitel Sommer einfach zuende gehört habe.
Es ist übrigens eindringlicher für mich, das Buch zu hören als es zu lesen, denn ich fühle mich noch direkter angesprochen. So als würde Mary tatsächlich mit mir reden und mir ihre Geschichte erzählen. Dabei mag ich die Stimme der Sprecherin gar nicht besonders. Aber ihre Art zu lesen passt wunderbar zu dem Buch.

Der Vater ist ein Despot, nach dessen Kopf auf dem Hof alles zu laufen hat. Und da er kennen Sohn, sondern nur vier Töchter um sich hat, gibt es zu ihm auch keinen männlichen Gegenpart, denn Frauen haben gar keine Stimme. Der Großvater ist gebrechlich, hat seine Beine verloren, und ist damit ein nutzloses Anhängsel, auch er kann offenbar kein Widerpart geben. Er wird sogar einfach vergessen, so unwichtig ist seine Rolle im Gefüge der Familie. Gruselig.

Mary schickt der Vater einfach weg, gegen Geld als Hausmädchen ins Pfarrhaus. Sie will nicht, wird jedoch nicht gefragt. Das mutet an wie Sklaverei. Das Dienstmädchen Edna sieht in ihr anfangs offenbar Konkurrenz, aber sie unterwirft sich dem Willen des Pfarrers und seiner Frau. Öffnet sich sogar gegenüber Mary, allerdings was dabei heraus kommt grenzt an Horror: sie hat Leichenhemden für sich, ihren nicht vorhandenen Mann und das nie gezeugte Kind unter dem Bett gelagert. Eines fehlt bereits, weil sie es für einen Säugling benutzen musste. OMG...

Die Pfarrersfrau, offenbar seit Jahren kränklich, genießt die Art von Mary, unkompliziert, direkt, spitzzüngig. Und Mary versucht zu helfen, indem sie sie zum Essen bewegt.

Ralph, der Pfarrerssohn, steigt lieber den Frauen nach und genießt die sorgenfreie Leichtigkeit des Lebens anstatt Verantwortung übernehmen zu wollen. Offenbar geduldet von seine Mutter Vater.

Mary möchte zurück nach Hause, darf einmal zu Besuch und läuft danach weg. Sie fühlt sich unpassend und unwohl im Pfarrhaus, alles ist unvertraut und entspricht in keiner Weise dem, was sie gewöhnt ist. Auch wenn sie dem Vater dort entkommen konnte will sie lieber wieder ihr altes Leben mit ihrer Schwester Beatrice im Bett und den anderen alltäglichen Vertrautheiten innerhalb der Familie.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Sie fühlt sich unpassend und unwohl im Pfarrhaus, alles ist unvertraut und entspricht in keiner Weise dem, was sie gewöhnt ist. Auch wenn sie dem Vater dort entkommen konnte will sie lieber wieder ihr altes Leben mit ihrer Schwester Beatrice im Bett und den anderen alltäglichen Vertrautheiten innerhalb der Familie.
Durch die Darstellung des Lebens im Pfarrhaus wird auch noch deutlicher, aus wie einfachen Verhältnissen Mary stammt. Auch im Pfarrhaus geht es nicht luxuriös zu, aber dort gibt es Kleidung zum wechseln und andere Alltäglichkeiten, die Mary nicht einmal kannte. Als Edna dies bemerkt, vergleicht sie Marys zu Hause mit einem Schweinestall. Das klingt hart, aber viel mehr als ein paar Wände, Dach und Stroh gab es auf dem Bauernhof ja tatsächlich nicht.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ralph, der Pfarrerssohn, steigt lieber den Frauen nach und genießt die sorgenfreie Leichtigkeit des Lebens anstatt Verantwortung übernehmen zu wollen. Offenbar geduldet von seine Mutter Vater.
Ralph ist ziemlich anzüglich und hat sogar versucht, sich Mary zu nähern, Sie hat ihn aber (einstweilen?) auf Abstand halten können.
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
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Mary erfährt im Pfarrhaus erstmals, wie es ist, nicht den ganzen Tag schwer arbeiten zu müssen. Dies ist am Anfang gar nicht leicht für sie, weil sie anderes gewöhnt ist.

Zur Frau des Pfarrers und zu Edna entwickelt sie zudem eine Beziehung, die von Sympathie geprägt ist. Auch das ist neu für Mary. Auf dem Bauernhof kam es nur darauf an, wer wieviel Arbeit stemmen kann.

Insgesamt scheint es sich für Mary zum Besseren zu wenden. Dennoch will sie zurück. Dies schien mir anfangs unverständlich. Allerdings ist Mary ein junges Mädchen und die ungewohnte Umgebung flößt ihr offenbar Angst ein. Außerdem vermisst sie ihren Großvater.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Zur Frau des Pfarrers und zu Edna entwickelt sie zudem eine Beziehung, die von Sympathie geprägt ist.
Das freut einen richtig für Mary. Ihre spitzzüngigen Erwiderungen geben manchmal auch zum Lachen Anlass. Sie ist so naiv und dadurch so ehrlich ... Das scheint dem Pfarrersehepaar zu gefallen .

Auch Edna entschuldigt sich für die Ohrfeige und wird versöhnlich. Die Sache mit den Totenhemden ist wirklich Creepy o_O. Mary kann offensichtlich nicht mit Emotionen umgehen: Als Edna abends im Bett weint, zieht sie sich das Kissen über den Kopf .

Abgesehen vom Einschub auf S.50 wirkt das Kapitel versöhnlich auf mich. Man möchte fast hoffen, dass sich Marys Perspektiven verbessern bei der Pfarrersfamilie. Wären da nicht dieser beängstigende Einschub, ihre Tränen beim Schreiben und der sorg- und skrupellose Ralph...
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Mary kann offensichtlich nicht mit Emotionen umgehen: Als Edna abends im Bett weint, zieht sie sich das Kissen über den Kopf .
Ich halte sie durchaus für fähig, mit Emotionen umzugehen, aber sie versucht das oft beiseite zu schieben, insbesondere wenn sie keinen Nutzen darin sieht. Denn ihre Lebenskraft liegt in der Unkompliziertheit und in der Einfachheit.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Es ist übrigens eindringlicher für mich, das Buch zu hören als es zu lesen, denn ich fühle mich noch direkter angesprochen. So als würde Mary tatsächlich mit mir reden und mir ihre Geschichte erzählen. Dabei mag ich die Stimme der Sprecherin gar nicht besonders. Aber ihre Art zu lesen passt wunderbar zu dem Buch.
Das Hören empfinde ich auch als sehr angenehm, allerdings gefällt mir die Vorleserin ;)

Allerdings ist Mary ein junges Mädchen und die ungewohnte Umgebung flößt ihr offenbar Angst ein. Außerdem vermisst sie ihren Großvater.
Ich glaube, sie spürt, dass sich niemand um den Großvater kümmert und hat Angst um ihn. Das mag mit eine Ursache dafür sein, dass sie wegläuft.

Irgendetwas Schreckliches muss jedoch geschehen sein. Immer wieder versichert sie sich ihrer selbst. Ich bin Mary, sie nennt die Farbe ihres Haares. Etwas muss geschehen sein, dass sie in ihrer Identität erschüttert ist.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Etwas muss geschehen sein, dass sie in ihrer Identität erschüttert ist.
Dieser Kontrast ist spannend: einerseits erzählt sie ganz ruhig von den Alltäglichkeiten und Gesprächen (was aber sehr fesselnd ist), dass man fast eingelullt wird. Dann kommt ebenjener Hinweis auf das Schlimme, was noch passieren wird.
In dem Moment rätselt man, weil sich nichts so wirklich aufdrängt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Durch die Darstellung des Lebens im Pfarrhaus wird auch noch deutlicher, aus wie einfachen Verhältnissen Mary stammt. Auch im Pfarrhaus geht es nicht luxuriös zu, aber dort gibt es Kleidung zum wechseln und andere Alltäglichkeiten, die Mary nicht einmal kannte. Als Edna dies bemerkt, vergleicht sie Marys zu Hause mit einem Schweinestall. Das klingt hart, aber viel mehr als ein paar Wände, Dach und Stroh gab es auf dem Bauernhof ja tatsächlich nicht.

Die Zeichnung dieser Welt des Pfarrhauses wirkt eigentlich wie ein Garten Eden, Mary kommt in eine vollkommen andere Welt, eine Welt des Überflusses. Aber sie ist so sehr ihr eigenes Leben gewöhnt, dass sie nicht bewundernd, sondern eher zweifelnd den Reichtum anschaut. (Ich hab doch nur einen Körper.) Ein Verhalten, welches sie mir sympathisch macht. Aber auch ein Verhalten, dass zeigt, wie sehr sie ihrer eigenen Welt verhaftet ist.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Insgesamt scheint es sich für Mary zum Besseren zu wenden. Dennoch will sie zurück. Dies schien mir anfangs unverständlich. Allerdings ist Mary ein junges Mädchen und die ungewohnte Umgebung flößt ihr offenbar Angst ein. Außerdem vermisst sie ihren Großvater.

Ich bin mir mittlerweile nicht mehr sicher ob Marys Zuneigung nur dem Großvater gilt. Außer ihrem Vater liebt sie glaube ich ihre ganze Familie. Mal sehen. :)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein sehr schöner, im Großen und Ganzen auch friedlicher Abschnitt - man spürt förmlich zwischen den Zeilen, wie die Atmosphäre im Pfarrhaus von Respekt gegenüber Mary geprägt ist bzw. wird, obwohl sie so scharfzüngig ist :D.
Gefällt mir total gut das Buch.

Diese etwas düstere Stimmung vom ersten Abschnitt tritt in meinen Augen etwas in den Hintergrund. Mary schafft es durch ihre lockere und sehr offene Art ihre Umgebung zu begeistern. Die Herzen der Pfarrersfrau und auch des Pfarrers fliegen ihr nur so zu. Auch Edna verändert sich und wird offener, zeigt ihr Teile ihrer Seele.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Irgendetwas Schreckliches muss jedoch geschehen sein. Immer wieder versichert sie sich ihrer selbst. Ich bin Mary, sie nennt die Farbe ihres Haares. Etwas muss geschehen sein, dass sie in ihrer Identität erschüttert ist.

Obwohl das Grauen in den Hintergrund tritt. Es bleibt weiter anwesend. Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht. Und das Buch gefällt mir bisher sehr gut. :)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich halte sie durchaus für fähig, mit Emotionen umzugehen, aber sie versucht das oft beiseite zu schieben, insbesondere wenn sie keinen Nutzen darin sieht. Denn ihre Lebenskraft liegt in der Unkompliziertheit und in der Einfachheit.

Obwohl mir Mary in ihrer Art andere Menschen und ihre Emotionen wahrzunehmen schon etwas eingeengt vorkommt.