2. Leseabschnitt: Seite 97 bis 203

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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In Nesterenkos turbulentem Leben - Adelsfamilie, Untergang des Zarenreiches, Weißgardisten-Offizier unter Denikin, Pilot, Flucht über Konstantinopel, Serbien, Polen, schließlich nach Paris - muss er immer wieder eine Entscheidung für seinen richtigen Weg treffen. Das gelingt nicht immer, zwei Selbstmordversuche scheitern, der Tod ist ihm vertraut. Seine Überlegungen dazu bringen den Ermittler vollends aus der Fassung, er schlägt ihn. Perepeliza steht von Geburt an auf der richtigen Seite. Er verabscheut Nesterenkos Art, sich mal auf diese, mal auf jene Seite zu schlagen.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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In Nesterenkos turbulentem Leben - Adelsfamilie, Untergang des Zarenreiches, Weißgardisten-Offizier unter Denikin, Pilot, Flucht über Konstantinopel, Serbien, Polen, schließlich nach Paris - muss er immer wieder eine Entscheidung für seinen richtigen Weg treffen.
Für mich ist er ein 'Stehaufmännla'! ;) (Muss ich das aus dem 'Fränggischen' übersetzen? :think:rofl )
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Perepeliza liest N. aus einem Protokoll vor, dass er eine verdächtige Person ist. Als Kremulator genoss er einige Privilegien, die durch Aussagen der Mitarbeiter jetzt gegen ihn verwendet werden. N. „Die russische Denunziation ist absurd und gnadenlos…“ S.125 Ziemlich sicher ist es in allen autoritär regierten Staaten ebenso.
Zur Situation im Lager Gallipoli gefallen mir die kulturellen Beschäftigungen der ehemaligen Weißgardisten. Auf der Flucht haben sie Bücher mitgenommen, spielen Theater und malen.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Jetzt habe ich wirklich ein Problem mit dem Buch. Es ist mir nicht nur langweilig, sondern ich empfinde es mehr und mehr als verworren und chaotisch. Was will Filipenko damit sagen? Was will er erreichen? Ich habe den Eindruck, die Teile der Geschichte passen nicht richtig zusammen. Zum Beispiel erscheint mittendrin, zusammenhanglos, die 'Autobiografie' des Ermittlers Perepeliza. Nun gut, das ist wohl Filipenkos Art zu schreiben.

Ein wirrer Bericht über den Aufenthalt in Konstantinopel (Bywanz, Kakerlakopel ;-) und im Lager von Gallipoli, dann irgendwann Taxifahrer in Paris und zwei unglaubhaft zufällige Begegnungen mit Vera.

Es geht in seinem Leben so durcheinander zu wie in der Geschichte der Sowjetunion. Nastarenko spricht auf S. 118 selber vom Chaos. Es geht geschichtlich drunter und drüber, womit dem Leser aber keinerlei Klarheit über oder Einsicht in die russische Geschichte erwächst: Wrangel, Wrangel-Armee, roter Terror auf der Krim, Offiziere erschossen,... Ich habe auch keine Lust, alle zwei Minuten Recherchen zu betreiben, um Näheres herauszufinden oder etwas zu verstehen. Wenn der Autor es nicht vermag, mir das verständlich rüberzubringen?!

Was sollen die Treffen mit Gaito Gasdanow in Paris? Es klingt so, als ob Nastarenko (auch Filipenko?) literarisch nicht viel von ihm hält. Aber immerhin: Gasdanow hat viele Romane veröffentlicht, die als Klassiker gelten. Kennt jemand hier einen? Wieso erwähnt Filipenko das überhaupt?​

Der Ermittler wurde zwischenzeitlich gewalttätig und Nastarenko versucht weiterhin, 'den furchtlosen Lebemann zu spielen', um nicht erschossen zu werden. Was will der Ermittler wirklich? Das kommt mir alles ziemlich unausgegoren und wenig durchdacht vor.

Interessante Zitate:​

'Die Regierungen sind alle provisorisch, alles ist instabil, undurchsichtig und temporär.' (118) - 'Die größten Probleme Russlands sind das Aber und das Komma. … Man soll nicht foltern, aber... (158 /9)​
 
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Emswashed

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9. Mai 2020
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Nesterenkos "bewegtes" Leben wird weiter erzählt.
Besonders beeindruckend fand ich den "türkischen" Abschnitt, mit dem Empfang der Flüchtlinge. Keiner wollte sie von Bord lassen, weil zunächst niemand wusste wohin mit ihnen. Bald dann sieht man doch in ihnen willige, billige Arbeiter. Die Frauen prostituieren sich, um durchzukommen (ein Phänomen, welches wohl jeder Krieg mit sich bringt).
In Paris trifft er seine Vera wieder, die ihn dann ein weiteres Mal verlässt und Grund für Netserenko ist, unbedingt in die ihm feindlich gesinnte Sowjetunion einreisen zu wollen. Kontakte gibt es auch in Frankreich.
Und dann die zwei Fotos von Nesterenko. Hättet ihr den Jungen im Alten gefunden, oder umgekehrt?

Nesterenko wird die Planung eines Attentats auf Stalin unterstellt. Dieser Abschnitt verdeutlicht die Konstruktion von Beweisführungen und mutet sehr kafkaesk an.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Besonders beeindruckend fand ich den "türkischen" Abschnitt, mit dem Empfang der Flüchtlinge. Keiner wollte sie von Bord lassen, weil zunächst niemand wusste wohin mit ihnen. Bald dann sieht man doch in ihnen willige, billige Arbeiter. Die Frauen prostituieren sich, um durchzukommen (ein Phänomen, welches wohl jeder Krieg mit sich bringt).
Ich habe das leider nicht als 'beeindruckend', sondern als sehr verschwommen wahrgenommen. Ich dachte: Wie kann man solch' wichtige, schreckliche Themen so nebenbei abhandeln, so seltsam emotionslos?
Und dann die zwei Fotos von Nesterenko. Hättet ihr den Jungen im Alten gefunden, oder umgekehrt?
Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Ich empfinde es aber als merkwürdig, wie Filipenko hier alles kommentarlos vermischt: Romanhaftes und Dokumentarisches.
 

Literaturhexle

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Ich empfinde den Roman leider ähnlich verwirrend wie Federfee und hoffe sehr auf ein paar andere Lesarten, die mir den Schlüssel zum Verständnis liefern.
Traut euch aus der Deckung;)!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Huiiiiii, bei Nesterenkos Leben mit den schnellen Ortswechseln kann einem ja richtig schwindlig werden! :monocle

Interessante und wichtige Sätze habe ich mir notiert: "Die russische Denunziation ist absurd und gnadenlos." (S. 125),
"Abschiedsrituale verleihen einer Kultur Charakter." (S 171),
"Fanatismus ist immer noch die gefährlichste Art von Dummheit." (S. 183 und mein absoluter Favorit! :joy)

Gut gefällt mir auch die Redewendung auf S. 186: "aus dem Fenster gefallen wurde". Auf Grund der aktuellen Ereignisse, muss das so eine russische 'Krankheit' sein - wie viele da zu Tode kommen, weil sie aus dem Fenster fallen. :monocle

Sehr überzeugend für mich auch seine Aussage: 'Ich wollte einfach nach Hause', auch mit den Schilderungen, warum!

Nach seinen Worten im Tagebuch auf S. 162 'Den furchtlosen Lebemann vorzuspielen ist viel schwieriger, als wirklich einer zu sein. Hätte ich mir all diese Monate hindurch erlaubt, ich selbst zu sein, er hätte mich längst erschießen lassen', verdichtet sich mein Eindruck, dass er auf Zeit spielt! Dass dies seine Überlebensstrategie ist!

Auf S. 180 seine Erkenntnis 'Wenn es weiter nichts ist' trifft auf die Liebe nicht zu!' empfinde ich auch als sowas von zutreffend! :joy
 

Eulenhaus

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Perepelizas Biografie finde ich passend. Er ist ein so gradliniger Sowjetmensch, dass er beim Geheimdienst genau richtig ist. Seine Nachfrage „Sorbonne, was ist das?“ passt dazu.
Die Vera-Episode ist vielleicht aus dem Mut der Verzweiflung zu verstehen. Der Ermittler kreist ihn immer weiter ein.
Nesterenkos Einstellung zum Tod könnte fatalistischer Ursache sein. Er fügt sich in sein Schicksal.
 

otegami

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Perepelizas Biografie finde ich passend. Er ist ein so gradliniger Sowjetmensch, dass er beim Geheimdienst genau richtig ist. Seine Nachfrage „Sorbonne, was ist das?“ passt dazu.
Für den Geheimdienst ist P. echt geschaffen! Ideal dafür! (Was er mal in seinem Kopf hat, daran rüttelt er nicht mehr! Das ist festgemauert!)
Über die Frage 'Sorbonne, was ist das?' musste ich auch feixen!
 

Eulenhaus

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Zu otegami: „aus dem Fenster gefallen wurde“ !!!
Nesterenkos Verhalten gibt zu denken. Ohne Skrupel denunziert er Sawinkow und fühlt sich nicht verantwortlich für dessen Tod.
 
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Federfee

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Huiiiiii, bei Nesterenkos Leben mit den schnellen Ortswechseln kann einem ja richtig schwindlig werden! :monocle
Es ist wohl eher Filipenko, der einen mit seiner gerafften Erzählweise schwindelig macht.
Interessante und wichtige Sätze habe ich mir notiert: "Die russische Denunziation ist absurd und gnadenlos." (S. 125),
"Abschiedsrituale verleihen einer Kultur Charakter." (S 171),

Gut gefällt mir auch die Redewendung auf S. 186: "aus dem Fenster gefallen wurde". Auf Grund der aktuellen Ereignisse, muss das so eine russische 'Krankheit' sein - wie viele da zu Tode kommen, weil sie aus dem Fenster fallen. :monocle
Den ersten Satz habe ich hier auch schon zitiert. Das mit den Abschiedsritualen ist mir bitter aufgestoßen, denn gerade in diesen Zeiten haben die Mütter und Familien vieler Soldaten, besonders die verheizten jungen Russen, überhaupt keine Chance, würdig Abschied zu nehmen.

Tja, nicht nur erschossen (Nemzow) und vergiftet, sondern auch aus dem Fenster gefallen werden. In Russland gibt's gefährliche Fenster. :sad
 

otegami

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Zu otegami: „aus dem Fenster gefallen wurde“ !!!
Nesterenkos Verhalten gibt zu denken. Ohne Skrupel denunziert er Sawinkow und fühlt sich nicht verantwortlich für dessen Tod.
Jeder war sich selbst nur noch der Nächste! (Skrupel? Moral? Ich denke, das waren Luxusgüter, über die nur wir in Sicherheit schreiben können.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Das mit den Abschiedsritualen ist mir bitter aufgestoßen, denn gerade in diesen Zeiten haben die Mütter und Familien vieler Soldaten, besonders die verheizten jungen Russen, überhaupt keine Chance, würdig Abschied zu nehmen.
Ja, da stieß die kulturelle Ideal-Vorstellung auf die brutale Handhabung durch das System!
 
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