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kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Genau - in vielen Ländern sind religiöse Symbole in den eigenen vier Wänden deutlich verbreiteter als bei uns. Da hängt dann ein Kruzifix eben in allen Räumen, auch in der Garage.
Bei uns im Bürotrakt hängt auch eins; okay, diakonische Einrichtung ;). Aber die besten religiösen Symbole nützen nichts, wenn die Werte, die sie vermitteln (sollen), von den Menschen nicht angenommen bzw. praktiziert werden...:cool:
 

alasca

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13. Juni 2022
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Ich kann mir vorstellen, dass es ein Trost für die "Patientinnen" gedacht ist, die meist auch tiefgläubig sind - in schweren Stunden noch einmal mehr.
Unwahrscheinlich, dass es der geschilderten Abtreiberin auf den Trost ihrer Patientinnen ankam.
So ein Kruzifix hängt in manchen Gegenden überall. Das sehe ich gar nicht als dramaturgisches Requisit.
Ich bin da beileibe keine Fachfrau, aber: in der Garage?!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Unwahrscheinlich, dass es der geschilderten Abtreiberin auf den Trost ihrer Patientinnen ankam.

Ich bin da beileibe keine Fachfrau, aber: in der Garage?!
Wenn ich es richtig erinnere, steht dazu ein einziger Satz: Es hing ein Holzkreuz an der Wand, aber ohne Jesus dran. Punkt. Sehr sachlich, nichts dramaturgisch Aufgeladenes.

Die Abtreibung fand vor 30 Jahren statt Im erzkatholischen Argentinien. Viele Frauen kamen durch solche illegalen Eingriffe ums Leben. Sie waren gefährlich. Vielleicht hat sich die operierende Frau selbst Gottes Hilfe durch dieses Symbol erhofft, vielleicht wurde es für die unglücklichen Frauen aufgehängt (letztlich war die Garage ein "Geschäftsraum"). Wir wissen es nicht.

Auch die Frau macht sich strafbar und muss Angst vor Entdeckung haben.
Ich finde das Kreuz vor diesem Hintergrund glaubwürdig.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Wenn ich es richtig erinnere, steht dazu ein einziger Satz: Es hing ein Holzkreuz an der Wand, aber ohne Jesus dran. Punkt. Sehr sachlich, nichts dramaturgisch Aufgeladenes.

Die Abtreibung fand vor 30 Jahren statt Im erzkatholischen Argentinien. Viele Frauen kamen durch solche illegalen Eingriffe ums Leben. Sie waren gefährlich. Vielleicht hat sich die operierende Frau selbst Gottes Hilfe durch dieses Symbol erhofft, vielleicht wurde es für die unglücklichen Frauen aufgehängt (letztlich war die Garage ein "Geschäftsraum"). Wir wissen es nicht.

Auch die Frau macht sich strafbar und muss Angst vor Entdeckung haben.
Ich finde das Kreuz vor diesem Hintergrund glaubwürdig.
Eine sehr fremde Welt.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Absolut. Man muss sich schon in Ort und Zeit hineinversetzen lassen. Nicht alles, was wir im liberal-beschaulichen Deutschland heutzutage für übertrieben und unrealistisch halten, muss im beschriebenen Milieu auch so sein.
Ah, womansplaining. :helo Normalerweise habe ich kein Problem, mich in Ort und Zeit hinein etc., denn, weißt du, ich lese viel. :p Übrigens gibt es auch im liberal-beschaulichen Deutschland unfassbare Zustände - je nachdem, wo man hinguckt.
 
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Literaturhexle

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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Unwahrscheinlich, dass es der geschilderten Abtreiberin auf den Trost ihrer Patientinnen ankam.

Ich bin da beileibe keine Fachfrau, aber: in der Garage?!

Bin ganz deiner Meinung. ;) Wenn ich fromm wäre und dort eine Abtreibung vornehmen lassen würde, würde mich so ein Kreuz nicht trösten, sondern mein ohnehin schon schlechtes Gewissen noch verstärken. Und wer solche Abtreibungen anbietet, kann selbst nicht besonders gläubig sein.

Die Abtreibung fand vor 30 Jahren statt Im erzkatholischen Argentinien.

Vor 30 Jahren, das war bereits in den 1990er-Jahren. Ich tue mich, offen gestanden, etwas schwer damit, mir vorzustellen, dass Argentinien damals noch soooo rückständig war. Aber da mag ich mich täuschen.
 

Irisblatt

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Und wer solche Abtreibungen anbietet, kann selbst nicht besonders gläubig sein.
Es geht auf der Seite derjenigen, die Abtreibungen vornehmen vermutlich auch um Geld. Die "Garage" steht in einer heruntergekommenen Gegend - ich mutmaße einfach mal, dass sich die "Betreiber" damit ihren Lebensunterhalt verdienten - und wenn es um Geld oder das Überleben geht, steht die Frömmigkeit manchmal hintenan. Bzw. nicht alle Gläubigen vertreten zwangsläufig die Meinung, der Schutz des Ungeborenen solle über den der Frau gestellt werden.
Vor 30 Jahren, das war bereits in den 1990er-Jahren. Ich tue mich, offen gestanden, etwas schwer damit, mir vorzustellen, dass Argentinien damals noch soooo rückständig war. Aber da mag ich mich täuschen.
In Argentinien wurden Abtreibungen erst Ende 2020 legalisiert. Solche Zustände waren also Realität.
 
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milkysilvermoon

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In Argentinien wurden Abtreibungen erst Ende 2020 legalisiert. Solche Zustände waren also Realität.

Meine Bemerkung bezog sich nicht nur auf die Abtreibungen, sondern auf die Begebenheiten dort im Allgemeinen. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.
 
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ulrikerabe

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14. August 2017
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Bevor ich alles von euch dazu lese, versuche ich meine Eindrücke zusammenzufassen.

Jetzt ist Marcela, die Freundin Anas am Wort. Marcela ist eine unzuverlässige Erzählerin. Davon gehen jedenfalls die anderen Beteiligten aus. Durch einen Schlag auf den Kopf hat sie ihr Kurzeitgedächntins verloren. Das DAVOR ht sie parat, alles DANACH kann sie nur aufgrund ihrer Notizen, die sie permanent anlegt nachvollziehen. (Eine furchtbare Vorstellung, unter so einer anterograden Amnesie zu leiden).

Ein verlorenes Gedächtnis - das neue. Und ein zum Schweigen gebrachtes Gedächtnis - das alte. (S. 117)

Das Buch ist kein Kriminalroman, aber mit Marcelas Beitrag lässt sich gut spekulieren.
Schon die ersten Zeilen stellen fest: Ana ist in Marcelas Armen gestorben. Sie wurde nicht ermordet. Wer also hat sie verstümmelt und verbrannt. Und warum?

Und jetzt kommt es: Teenagerliebschaft, eine verbotene Liebe, eine Schwangerschaft und Abtreibung mit tödlichem Ausgang. Okay.

aber gut, lasst mich spekulieren: welcher Mann "darf" nicht lieben. Es muss kein Ehemann sein. Warum denkt denn keiner an einen Priester, oder an einen werdenden Priester.
Alle waren in Julian verliebt. Das sagt Lia, das sagt Marcela. Alle. Also auch Ana? und Carmen? Niemand fragt nach der Verstümmelung und Verbrennung, nach Anas Zustand davor.

Der ach so katholische Mann ist gegen Abtreibung. (Aber nicht gegen Sex mit einer Miderjährigen) Der ach so katholische Mann ist ein Feigling!
Der Priester Manuel leugnet, zwei Mädchen in der Kirche gesehen zu haben. Carmen ist bei der Totenwache "völlig verstört", berichtet Lia (S.13)

Die Bilder setzen sich zusammen. Jetzt kommt eine Ermittler dran, zu berichtem doch ein Krimi? Ich will es immer noch nicht glauben (!).

BTW Der Erzengel Gabriel ist Marcela auf den Kopf gefallen, der Bote, Berichterstatter, der Verkünder der Geburt Christi. Und Marcela wird als Berichterstatterin unglaubwürdig.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Es ist kein klassischer Krimi, die Auflösung steht demnach nicht im Mittelpunkt.
Daran halte ich mich fest.
Genau. Das wird aber im Verlauf immer deutlicher.
Gut so
Geht mir auch so. Piñeiro hat deutliche Unterschiede im Ton eingearbeitet. Die verschiedenen Perspektiven leuchten das Geschehene immer stärker aus.
Das gefällt mir auch außerordentlich gut!
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Ich gebe zu, dass fehlende Subtilität hin oder her, ich dieses Buch fresse. Die Seiten fleigen nur so dahin, das macht auch mal Spaß zwischendurch.

Grundsätzlich erst einmal: Die Autorin hat die Hirnverletzung Marcelas mit ihren Folgen wirklich sehr gut dargestellt. Eben auch - was vielen Menschen nicht bewusst ist - dass sie sich zwar keine Episoden aus ihrem aktuellen leben merken kann (außer selten in Verbindung mit sehr starken Emotionen, korrekt) dafür aber noch handlungsorientierte Dinge merken bzw. erlernen kann. Das geschieht in unterschiedlichen Hinregionen und ist total spannend zu beobachten.

Nun zum Plot. Ich kann noch nicht einschätzen, ob die Autorin vorhat:
a) Uns auf die falsche Fährte, nämlich die von Carmens Mann (gerade Name vergessen, war so unscheinbar neben der strengen Katholikin), schicken will mit Marcelas Abschnitt und es am Ende alles ganz anders bzw. es jemand ganz anderes war.
b) Das Buch so aufgebaut sein soll, dass man eigentlich jetzt schon weiß (relativ sicher ahnt), wer zumindest für die Abtreibung und eventuell (aber nicht sicher, da könnte auch Carmen drinhängen) die Entsorgung gesorgt hat, und der Spannungsbogen dadurch gehalten wird, dass wir wissen wollen, ob es ans Tageslicht kommt.
oder c) Sie dann doch wieder wenig subtil geschrieben hat, eigentlich Aha-Momente erzielen will, wenn dann rauskommt, dass Carmens (damals noch nicht) Mann der Kindsvater war, und man es einfach nur zu früh rausbekommen hat, was hier los war.

Denn eins ist sicher, ob von der Autorin geplant oder nicht, schon als Marcela das erste Mal erwähnte, dass Ana erst gelb und dann blau, zitternd unter Fieber zusammengebrochen ist, war klar dass es sich um einen Sepsis handelt. Und bei einer ansonsten unauffälligen 17Jährigen auch relativ sicher nach einer Abtreibung. Da gabs jedenfalls keine Überraschung mehr, als Marcela das dann in ihrer Erzählung quasi noch bestätigte.
Das trifft meine Gedanken ziemlich gut - da kann ich gar nichts mehr hinzufügen...