Ja, Überraschung geht anders.Denn eins ist sicher, ob von der Autorin geplant oder nicht, schon als Marcela das erste Mal erwähnte, dass Ana erst gelb und dann blau, zitternd unter Fieber zusammengebrochen ist, war klar dass es sich um einen Sepsis handelt. Und bei einer ansonsten unauffälligen 17Jährigen auch relativ sicher nach einer Abtreibung. Da gabs jedenfalls keine Überraschung mehr, als Marcela das dann in ihrer Erzählung quasi noch bestätigte.
Aber dann wird es schon wieder ärgerlich. Gleich zu Anfang des Kapitels ist klar, dass Ana an einer schweren Sepsis aufgrund einer versauten Abtreibung gestorben ist, die Symptome lassen keinen anderen Schluss zu.
Tatsächlich gibt es sog. gedeckte Schädel-Hirn-Traumata, da passiert nur etwas im Gehirn (Blutung und entweder Abquetschen einer Hirnregion oder Absterben einer Region). Wenn das Ganze vor 30 Jahren passiert ist, kann es gut sein, dass damals die entsprechende Bildgebung nur in bestimmten Städten möglich war (kann da jetzt nichts genaues zu Argentinien sagen) und je nach Gesundheitssystem viel zu teuer für Anas Eltern zu bezahlen. Ein Neurologe kann dann die Symptome feststellen, ohne die Diagnose mit einer Bildgebung gesichert zu haben. Exkurs: Neurologen sind extrem stolz darauf, dass sie Diagnosen nur mit einem kleinen Hämmerchen und einer Winkelkarte stellen können.Allerdings frage ich mich, ob eine solche Hirnverletzung tatsächlich entstehen kann, ohne dass Blut fließt
Tja, das wissen wir so schnell nicht. Ich nehme an, dass dieses Geheimnis bis zum Schluss gewahrt wird.Aber wer hat die Leiche fortgeschafft?
Er könnte natürlich auch die Option, dass seine Tochter überhaupt Sex hatte, gänzlich verdrängen wollen und damit nicht auf eine Sepsis aufgrund von Abtreibung denken. Vielleicht um in seiner Erinnerung das Bild seiner kleinsten Tochter, dem Nesthäkchen, halten zu können. Darüber hinaus ist er Geschichtsprofessor, der auch noch gläubig ist. Da muss er nicht unbedingt offen dafür gewesen sein, wie Frauen unter der Hand überhaupt Föten loswerden. Er könnte auf diesem Auge blind und damit unglaublich naiv sein. Ich will die Autorin nicht ständig in Schutz nehmen, mir geht es nur darum, dass ich das alles nicht so vollkommen unwahrscheinlich halte.Dass Alfredo nicht schnallt, woran seine Tochter gestorben ist - er ist als Figur nicht blöd angelegt, müsste eigentlich anhand der ihm bekannten Details drauf kommen
Darauf hoffe ich allerdings auch, sonst wär‘ es mir auch zu offensichtlich gestrickt.vielleicht gibt es ja noch total überraschende Entwicklungen?
Das erkläre ich mir damit, dass Marcela und Ana ja schon auf der hintersten Bank saßen und Ana schon auf Marcelas Schoß lag. Der Pater befand sich ganz vorn und hat da irgendwas rumgeräumt oder so. Dann würde er die liegende Ana nicht sehen und nur ein Mädchen grüßen können.Was aber merkwürdig ist, dass Pater Manuel behauptet, Marcela sei allein in der Kirche gewesen. Ist es vielleicht so eine gemeinsame Kirchenvertuschungssache?
Den Namen habe ich komplett vergessen. Vielleicht ergeht es mir noch wie Marcela? Hoffentlich nicht.Erst in diesem Abschnitt erfährt man auch den Vornamen von Carmens, Lias und Anas Mutter, nämlich Dolores.
Nicht alles verraten!einen eigenen Abschnitt bekommt er allerdings nicht, "nur" den Epilog
In so starren religiösen Milieus kann es sein, dass nicht einmal die Frauen untereinander offen über Befindlichkeiten von „Frauensachen“ sprechen bzw. es sehen wollen. Da hat die Mutter vielleicht einmal mehr weggeschaut. Mal kurz ins Zimmer geguckt, Tochter sagt: „Hab meine Tage“, Mutter: „Ok, dann lass ich dich“ und will gar nichts weiter damit zu tun haben. Das hat Debora Feldman sehr gut geschildert für die jüdisch-orthodoxe Szene in ihrem Buch „Unorthodox“.Auch verstehe ich Anas Mutter nicht, die doch auch bemerkt hat, dass es ihrer Tochter sehr schlecht geht. Wie kaltherzig kann man sein, oder besser gefragt, wie eindimensional wird hier Dolores dargestellt?
Ah ... danke für die Erklärung! Google hätte mich dumm sterben lassen;-)Exkurs: Neurologen sind extrem stolz darauf, dass sie Diagnosen nur mit einem kleinen Hämmerchen und einer Winkelkarte stellen können.
Das alles könnte natürlich so sein - mein Problem ist, dass es in der Figur nicht angelegt ist. Wir bekommen z. B. keine Szene, die ihn als verklemmten oder naiven Prof outen würde. Im Gegenteil kommt er als der Aufgeschlossenste von allen Familienmitgliedern rüber.Er könnte natürlich auch die Option, dass seine Tochter überhaupt Sex hatte, gänzlich verdrängen wollen und damit nicht auf eine Sepsis aufgrund von Abtreibung denken. Vielleicht um in seiner Erinnerung das Bild seiner kleinsten Tochter, dem Nesthäkchen, halten zu können. Darüber hinaus ist er Geschichtsprofessor, der auch noch gläubig ist. Da muss er nicht unbedingt offen dafür gewesen sein, wie Frauen unter der Hand überhaupt Föten loswerden. Er könnte auf diesem Auge blind und damit unglaublich naiv sein. Ich will die Autorin nicht ständig in Schutz nehmen, mir geht es nur darum, dass ich das alles nicht so vollkommen unwahrscheinlich halte.
Das könnte sein. Vielleicht ist er aber auch an der Beseitigung Anas beteiligt und lügt zum Eigenschutz.Das erkläre ich mir damit, dass Marcela und Ana ja schon auf der hintersten Bank saßen und Ana schon auf Marcelas Schoß lag. Der Pater befand sich ganz vorn und hat da irgendwas rumgeräumt oder so. Dann würde er die liegende Ana nicht sehen und nur ein Mädchen grüßen können.
Genau: Feldman hat es geschildert. Pineiro nicht. Und ich finde auch, dass diese Leerstellen so gar nichts von Kunstgriff haben, sondern schlicht fehlen.Das hat Debora Feldman sehr gut geschildert für die jüdisch-orthodoxe Szene in ihrem Buch „Unorthodox“.
Ja, so ein braver Teenager. Und immer noch hält sie ihr Versprechen, gegen jede Vernunft.Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob ich, an Marcelas Stelle, mit 17 die Nerven gehabt hätte, einfach "nur" zu beten, oder doch entgegen allen Versprechungen Hilfe von Erwachsenen gesucht hätte.
Dolores wird im Wesentlichen gar nicht dargestellt.Auch verstehe ich Anas Mutter nicht, die doch auch bemerkt hat, dass es ihrer Tochter sehr schlecht geht. Wie kaltherzig kann man sein, oder besser gefragt, wie eindimensional wird hier Dolores dargestellt?
Das ist natürlich auch meine erste Schlussfolgerung. Ob sie richtig ist, wird sich noch zeigen.Auch ist klar, dass der Vater Julián sein muss
Auf jeden Fall lügt er, denn Marcella ist sich sicher, dass er sie beide gesehen haben muss. Hier gilt es etwas zu vertuschen.Der Priester? Um die Kirche vor Schaden zu bewahren?
Dann wäre Ana nur verschwunden. So hatte man einen unbekannten Mörder.hätte man dann die Leiche nicht einfach vergraben können?
So empfindet es Marcella, muss nicht so sein.Dass Alfredo nicht schnallt, woran seine Tochter gestorben ist -
Gut beobachtet! Es wird schon deutlich, dass die beiden Mütter extrem verschieden sind.Meine Vermutung ist, dass damit gezeigt werden sollte, dass dieser Mutter sofort aufgefallen wäre, dass hier was massiv im Argen liegt, wenn sie nur einen Blick auf Ana hätte werfen können.
Nicht alles verraten!
Ganz genau! Ich genieße, dass es mal flutschtIch gebe zu, dass fehlende Subtilität hin oder her, ich dieses Buch fresse. Die Seiten fleigen nur so dahin, das macht auch mal Spaß zwischendurch.
Dann wäre sie weg und gelte als verschollen - noch schwerer zu ertragen für ihre Nächsten. Vielleicht wollte man nur Spuren verwischen, dem Leichnam dann aber "geweihte Erde" und der Familie einen Abschluss schenken? Der vermeintliche Mörder gehört ja auf alle Fälle zum näheren Umfeld der Familie.aber hätte man dann die Leiche nicht einfach vergraben können?
Unbedingt. Es hat mir mächtig imponiert, wie hier schriftlich die Erinnerungslücken, die Notizen, die Handicaps Marcelas dargelegt werden. Für die Betroffenen ein einziges Spießrutenlaufen, das in die Isolation führen kann.Auch die Bestätigung durch @GAIA , dass Marcelas Krankheit sehr exakt wiedergegegben wird, feiere ich gerade ein wenig.
Das finde ich vollkommen glaubwürdig in dieser Zeit und in diesem bigotten Umfeld.Er könnte natürlich auch die Option, dass seine Tochter überhaupt Sex hatte, gänzlich verdrängen wollen und damit nicht auf eine Sepsis aufgrund von Abtreibung denken.
An dir ist ja eine Detektivin verloren gegangen!dass Marcela und Ana ja schon auf der hintersten Bank saßen und Ana schon auf Marcelas Schoß lag.
Man denke daran, dass die Mens auch gerne als "unreine Tage" bezeichnet werden. Von Unreinem muss man sich fern halten... OMG!In so starren religiösen Milieus kann es sein, dass nicht einmal die Frauen untereinander offen über Befindlichkeiten von „Frauensachen“ sprechen bzw. es sehen wollen
Ist er auch. Aber mit der Sexualität seiner Tochter will/kann er nichts anfangen, will er nichts zu tun haben. Das ist eine völlig andere Generation. Ana hatte nicht mal eine Beziehung, einen Freund. Wie soll man als Vater da auf eine Schwangerschaft kommen?Im Gegenteil kommt er als der Aufgeschlossenste von allen Familienmitgliedern rüber.
Genau. Hier wurde etwas vertuscht. Die Untersuchung sollte keine Spuren von Schwangerschaft und Abtreibung mehr finden können. Ist das glaubwürdig? Wir wissen noch nicht, wie sehr der Leichnam verbrannt war und die Technik ist vor 30 Jahren auch noch eine andere gewesen. Ich habe auch kurz an "die reinigende Kraft des Feuers" gedacht, das vielleicht die Sünde abwäscht. Aber da kenne ich mich zu schlecht aus.Wer inszenierte hier einen angeblichen Mord?
Genau.Dann wäre Ana nur verschwunden. So hatte man einen unbekannten Mörder.
Sehr eindrucksvoll geschildert, wieder mit einer anderen Stimme.Es zeigt sich hier, wie sehr Erinnerungen einen Menschen ausmachen. Wer bin ich, wenn ich mich an nichts erinnern kann?
Och, da fiele mir natürlich Carmen ein. Sex vor der Ehe ist eine große Sünde. Da ist es schon besser, die Schwester als komplettes Opfer ohne eigene Schuld zu präsentieren. Mutter Dolores könnte auch etwas geahnt haben und versucht haben, die nachträgliche Schande der Tochter zu verhindern.Eine andere Möglichkeit wäre ein Familienmitglied, aber wer sollte das sein?
Ich habe sogar schon darüber nachgedacht, dass Ana vielleicht noch lebt und ein anderer Leichnam als ihrer identifiziert wurde. (Ich lese wohl zu viele Krimis ....)Genau. Hier wurde etwas vertuscht. Die Untersuchung sollte keine Spuren von Schwangerschaft und Abtreibung mehr finden können. Ist das glaubwürdig? Wir wissen noch nicht, wie sehr der Leichnam verbrannt war und die Technik ist vor 30 Jahren auch noch eine andere gewesen. Ich habe auch kurz an "die reinigende Kraft des Feuers" gedacht, das vielleicht die Sünde abwäscht. Aber da kenne ich mich zu schlecht aus.
Dann wäre sie weg und gelte als verschollen - noch schwerer zu ertragen für ihre Nächsten. Vielleicht wollte man nur Spuren verwischen, dem Leichnam dann aber "geweihte Erde" und der Familie einen Abschluss schenken? Der vermeintliche Mörder gehört ja auf alle Fälle zum näheren Umfeld der Familie.
Ganz bei dir! Aber es ging ja um die Frage, warum der Leichnam nicht einfach auf Nimmerwiedersehen verschwindet und z.B. verbuddelt wird.Und genau im familiären Umfeld kann ich mir nicht vorstellen, dass da jemand die Nerven besitzt eine Verwandte zu zerstückeln und zu verbrennen. Dazu gehört schon eine große Portion Abgebrühtheit und die Kenntnis, was genau und wie es zu vertuschen ist. Setzt ja auch voraus, dass der Täter von der Schwangerschaft wusste.