2. Leseabschnitt: Seite 86 bis Seite 162

Anjuta

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8. Januar 2016
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Im 2. LA bekommt der Vergangenheitsteil - also die biographische Erzählung über Carola Neher - ein immer größeres Gewicht. Der Zeitstrang im sowjetischen Gefängnis mit den Verhören des Kusnezow bleibt als Fiktion aber erhalten. Allerdings: ich muss sagen: das Zusammenspiel der beiden funktioniert für mich immer weniger. Da wird der Eindruck vermittelt als wäre das, was wir lesen über die 20er Jahre der Carola das, was sie ihrem Verhörer auftischt. So fragt er zum Beispiel nach einem langen Kapitel über die Liebesgeschichte zwischen Neher und Klabund:
Und? Ging es gut?
Als hätte er genau das gehört, was wir gerade gelesen haben. Sorry, da erlaubt sich meiner Meinung nach der Autor eine künstliche Struktur, die ich ihm einfach nicht abkaufen kann.
Ich werde deshalb ab jetzt versuchen, das Buch eher als reine Biographie zu lesen und die Verknüpfung mit der sowjetischen Verfolgung in den späten 30ern nicht ganz so ernst zu nehmen. Schade! Damit verliert das Buch für mich einen erheblichen Reiz.
 

Wandablue

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18. September 2019
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ich muss mich einfach weiter über den Stil mokieren:
- belehrend "und das war nach der Niederlage von 1871 Teil des Reiches" (Elsaß). Ich finde das unerträglich.
Ein schöner Roman, um den Ausverkauf des Wortes "schmal" zu demonstrieren. Nichts gegen das Wort. Es ist wunderhübsch, aber wenn alles "schmal" ist, zeugt dies von herrlicher Einfallslosigkeit.
Wenn das kein Leserundenbuch wäre, würde ich es in die Ecke schmeißen.
"Ihre Schönheit wird von einem geheimnisvollen Reiz unterstrichen". Ich brech zusammen.
 

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
das Buch eher als reine Biographie zu lesen und die Verknüpfung mit der sowjetischen Verfolgung in den späten 30ern nicht ganz so ernst zu nehmen. Schade!
Ich habe dieses Kammerspiel zwischen dem Russen und C. eh nicht für bare Münze gehalten, es ist für mich nur ein Goodie zu der Lebensgeschichte von der Neher. Es wäre nur schade, wenn es sich am Ende als schwächster Teil des Romans erweist. Aber abwarten, was noch kommt.
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
In diesem Leseabschnitt lernen wir zumindest die schwache Seite von Frau Neher kennen: ihr Egoismus. Kaum zu glauben, mit welcher Selbstverständlichkeit sie von sich gibt, wie sehr sie ihren Klabund gequält hat und ihre Gefühle für ihn als noch nie zuvor empfundene Liebe betitelt. So ein Miststück.

Wie immer bei biografischen Promi-Romanen mag ich das Drumherum, also andere Promis, den Glamour, die Klamotten der damaligen Zeit. Das Frauenbild der damaligen Gesellschaft zeigt sich auch in den "Hosen-Rollen": dekorativ und wenig Text und immer im Hintergrund des Mannes :apenosee
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Wir bekommen eine Menge Informationen und eine Menge an Belehrungen. Wie nennt das Luisa? Didaktik. Mag ich gar nicht. Ich störe mich nach wie vor an der Art der Informationsvermittlung, sogar das Schwarze Brett im Theater muss dafür herhalten, uns mitzuteilen, dass wir eine Währungsreform haben. Grundsätzlich mag ich es natürlich, wenn Historie einfließt, aber doch nicht so plump. Die meisten Dialoge sind naiv oder pathetisch überzogen.
S. 140 „Er (Klabund) redet so voller Herzenswärme, Klugheit und Lebensweisheit ….“ wie schade, dass davon in den Dialogen im Buch nichts zu merken ist. Ich würde gerne Dialoge lesen, die voller Herzenswärme, Klugheit und Lebensweisheit wären ….. sehr gerne.
Abgesehen davon scheint Fräulein Neher jeden Mann dazu zu benutzen, nach oben zu kommen, also auszunutzen. Leider beschränkt der Autor Karola Neher rein auf das Äußerliche. Und das empfinde ich als abschätzig.
Klabund scheint auch recht überspannt gewesen zu sein.
Der Autor lässt es sich nicht nehmen, uns darüber zu belehren, was im Kreidekreis steht und in diversen anderen Stücken *augenroll*. Wäre er doch Lehrer geworden. Mit anderen Worten: ich langweile mich unsäglich, u.a. weil steitenlange Abhandlungen über Klamotten und wie Leute aussehen mich anöden.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Ich bin noch nicht durch, aber gestern Abend hat mich fast der Schlag getroffen. Da wird doch in der Fußnote auf Seite 102 das Ende aufgelöst! Keine Ahnung, warum ich nun noch weiterlesen soll. Wer denkt sich so etwas aus?

Ich bin traurig darüber, aber es geht mir wie @Wandablue: Wäre es keine LR, ich hätte das Buch längst weggelegt.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Ich bin noch nicht durch, aber gestern Abend hat mich fast der Schlag getroffen. Da wird doch in der Fußnote auf Seite 102 das Ende aufgelöst! Keine Ahnung, warum ich nun noch weiterlesen soll. Wer denkt sich so etwas aus?
Bei Biografien von spoilern zu reden und das als Aufreger zu nehmen, finde ich problematisch. Die Geschichte ist ja per Definition bekannt.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Bei Biografien von spoilern zu reden und das als Aufreger zu nehmen, finde ich problematisch. Die Geschichte ist ja per Definition bekannt.
Mir nicht, denn ich kannte Carola Neher nicht und habe - wie in der Vorstellungsrunde empfohlen - den Wikipedia-Eintrag nicht gelesen. Die Spannung speiste sich daher für mich aus der Frage: Schafft sie die Auslieferung oder nicht. Meiner Meinung nach legt es der Text auch auf diesen Spannungsbogen an - und zerstört ihn durch die Fußnote.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Ich bin wirklich traurig, dass das Buch mich überhaupt nicht packen kann, vor allem, weil ich den Osburg Verlag sonst sehr schätze. Dabei gäbe der Lebenslauf von Carola Neher einiges her. Die Sprache ist mir zu einfach, es steckt keinerlei Raffinesse darin und ich habe noch keinen "schönen" Satz für mich markiert. Leider werden die Figuren trotz der vielen Dialoge für mich auch überhaupt nicht lebendig und die elendlangen Beschreibungen von Äußerlichkeiten ändern nichts daran. Die Handlung kommt nicht vom Fleck und mehr als "Mädchen mit Bühnensehnsucht, das sich den Aufstieg ertrotzt und erschläft", sehe ich bisher nicht. Vieles ist mir schlicht unglaubwürdig, vor allem das Benehmen und Reden der Frauen nach mehrjähriger Haft im Zuchthaus oder gar im Lager.

Bisher funktionieren für mich auch die beiden Ebenen nicht. Was von dem Text in den Rückblenden stimmt denn nun und was ist nur für den Offizier passend gemacht? Warum hören wir nicht die Erzählstimme von Carola?

Ich hoffe, wir bekommen noch eine Erklärung dafür, warum der Offizier mit dieser einen Gefangenen so dermaßen freie Hand hat?
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich hatte gehofft, dass es nicht nur um die Lebensgeschichte von Carola Neher geht. Doch momentan wirkt es tatsächlich so, als wenn die Gespräche mit dem Leutnant nur dafür da sind, um dies anders in Szene zu setzten.
Es gab ein paar Szenen, die ich mochte, so zum Beispiel die, als sie den Brief vom Kinderheim bekommt. Es muss schrecklich sein, wenn man nichts über das eigene Kind erfährt. Allerdings wurde auch mir in diesem Zusammenhang durch die Fußnote klar, worauf es hinausläuft. Nicht so schön, da auch ich völlig ahnungslos war. Ich habe noch nie etwas von ihr gehört zuvor. Andere Größen wie Karl Valentin, der ja auch erwähnt wird, sagen mir hingegen etwas.

Carola als Person ist mir wenig sympathisch, sie hat ihr Aussehen und ihre Reize eingesetzt um weiter zu kommen. Dabei scheint sie tatsächlich Talent gehabt zu haben.
 

Barbara62

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Ich sinne dauernd darüber nach, warum es mit mir und dem Buch nicht klappt. Vermutlich sind es die falschen Erwartungen, die ich wegen des Verlags und des Covers hatte. Das Buch würde eher mit buntem Cover in eine Frauen-Biografien-Reihe passen, die es zahlreich gibt. Dann würde es an die richtigen Leserinnen, vielleicht auch Leser kommen. Denn ich bin überzeugt, dass es ein "richtiges Publikum" für diesen biografischen Roman gibt! Die Frage ist nur, ob er dorthin gelangt.
 

Barbara62

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Ach nein, Barbara, das glaube ich nicht. Ich mag Biografien! Aber diese hier ist so unglaublich schlecht geschrieben. Das ist das einzige Problem, das ich mit diesem Roman habe.
Ich doch auch, auf anderem literarischem Niveau. Aber glaubst du nicht, dass Leserinnen, denen man den Kreidekreis erklären muss, nichts gegen die verwendete einfache Sprache haben? Und sich vielleicht mehr für Kleidungsdetails interessieren? Insofern wäre es in sich passend.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Es liegt m.E. nicht an einfacher Sprache. Ich habe Romane gelesen, die mit einfacher Sprache eine wunderschöne Geschichte zu erzählen vermochten. Es liegt erstens an der Dialoglastigkeit. Und zweitens an den Inhalten dieser Dialoge. Drittens, fehlt es an einem übergeordneten Erzähler, der einen historischen Zusammenhang herstellt und das Buch aus der Aufzählung von Belanglosigkeiten reißt. Viertens, fehlt es an innerer Reflexion.

Der Autor hat alle notwendigen Informationen, daran liegt es also nicht, er kann sie nur nicht schriftstellerisch genug an die Frau bringen oder sagen wir so, er kann seine Informationen schriftstellerisch nicht umsetzen und verfällt wahlweise ins Belehrende oder ins Kindische. Seine erzählerischen Mittel sind furchtbar eingeschränkt.
Dieser "Kniff" mit dem Verhör erscheint zumindest auf den ersten, zweiten und dritten Blick äußerst banal. Es hätte mir hier eine chronologische Vorgehensweise besser gefallen. Jeder Hansel meint, er müsse mit Rückblenden arbeiten. Das ist keineswegs immer die bessere Wahl; ich fühle mich bei diesem Roman (bisher) veralbert.

Gute Autoren verbinden das Aussehen und die Klamotten mit einer Handlung. Sie sagen nicht A trug dies und B trug das - sie lassen sich etwas einfallen, um diese Infos spannend zu machen.
Ach ja, das hab ich noch vergessen: Der Roman glänzt durch Einfallslosigkeit.
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Es liegt m.E. nicht an einfacher Sprache. Ich habe Romane gelesen, die mit einfacher Sprache eine wunderschöne Geschichte zu erzählen vermochten. Es liegt erstens an der Dialoglastigkeit. Und zweitens an den Inhalten dieser Dialoge. Drittens, fehlt es an einem übergeordneten Erzähler, der einen historischen Zusammenhang herstellt und das Buch aus der Aufzählung von Belanglosigkeiten reißt. Viertens, fehlt es an innerer Reflexion.

Der Autor hat alle notwendigen Informationen, daran liegt es also nicht, er kann sie nur nicht schriftstellerisch genug an die Frau bringen oder sagen wir so, er kann seine Informationen schriftstellerisch nicht umsetzen und verfällt wahlweise ins Belehrende oder ins Kindische. Seine erzählerischen Mittel sind furchtbar eingeschränkt.
Dieser "Kniff" mit dem Verhör erscheint zumindest auf den ersten, zweiten und dritten Blick äußerst banal. Es hätte mir hier eine chronologische Vorgehensweise besser gefallen. Jeder Hansel meint, er müsse mit Rückblenden arbeiten. Das ist keineswegs immer die bessere Wahl; ich fühle mich bei diesem Roman (bisher) veralbert.

Gute Autoren verbinden das Aussehen und die Klamotten mit einer Handlung. Sie sagen nicht A trug dies und B trug das - sie lassen sich etwas einfallen, um diese Infos spannend zu machen.
Ach ja, das hab ich noch vergessen: Der Roman glänzt durch Einfallslosigkeit.
Alles richtig und trotzdem glaube ich, dass das Buch bei passender Gestaltung an die "richtige Leserschaft" gekommen wäre. Das sagt mir meine Erfahrung als Buchhändlerin. Was wir hier kritisieren, stört manche gar nicht.