2. Leseabschnitt: Seite 82 bis 157

Renie

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Frau Hopper tut sich schwer damit, ständig im Schatten ihres Mannes zu stehen.
Aber hat sie das Schattenplätzchen nicht selbst gewählt? Zumindest tut sich nichts dafür, in die Sonne zu kommen. :cool: Natürlich ist es schwierig, an der Seite eines berühmten Mannes zu stehen. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass sie sich in ihrem "Elend" suhlt. Ihr Selbstmitleid ist dafür bezeichnend und ihr ständiges Gejammer, dass sie ein Opfer der Umstände ist und von allen verkannt wird. Sie ist bereits seit mehr als 25 Jahren in dieser Position. Wenn es sie so sehr stören würde, hätte sie schon längst etwas ändern können.
 

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Ich bin noch nicht durch mit dem LA, möchte nur kurz etwas dazu schreiben.
Im dritten Kapitel wechselt die Autorin wieder die Perspektive. Dadurch erfahren wir mehr von Hopper und erleben ihn nicht nur aus der Perspektive seiner Frau. Das ergibt dann doch ein runderes Bild.
Hopper scheint unter einer Schaffenskrise zu leiden. Sicher nichts Seltenes bei einem gestaltenden Künstler und nichts, was ein Zusammenleben mit ihm einfacher macht.
Dabei finde ich seine Erklärung zu seiner Kunst sehr interessant und aufschlussreich. Hopper sagt, er liebt die Vision, die er von einem Bild hat und beim Prozess des Malens zerstört er die Vision in seinem Kopf und das Ergebnis ist trotzdem unbefriedigender als seine Vorstellung davon.
( Falls ich diesen Gedankengang richtig nachvollzogen habe.)

Ich habe in meinem Bildband über Hopper nachgeschaut, welches Bild das sein könnte, das auf S. 92 beschrieben wird. Es müsste “ Mittag“ sein, 1949 entstanden.
Ja, das müsste das fragliche Bild sein. Ich hatte mir nach seiner Schilderung vorgestellt, die weibliche Person würde mehr Raum einnehmen auf der Leinwand - aufgrund der Intensität, mit der er sich an sein weibliches Motiv erinnert, mit der er noch immer nach ihr sucht, obwohl sie vermutlich nur ein Feriengast war - aber dennoch, du hast Recht, das ist das Bild. Vielen Dank dafür!
 

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Ich finde ihr Verhalten schon übergriffig, es grenzt an Bevormundung. Aber wer lässt sich schon gern bevormunden? Damit es nicht so offensichtlich ist, verpackt sie ihre Bevormundung in gutgemeinte Ratschläge und angeblicher Sorge um sein Wohlergehen. Mittlerweile ist sie mir ein Dorn im Auge, sie hängt an ihm wie eine Klette, versucht ihn zu kontrollieren. Dabei hat sie kein Selbstbewusstsein und gibt ihm dafür die Schuld, was natürlich einfacher ist, als die Schuld bei sich zu suchen. Warum sie nicht malt? Ihre Version wäre vermutlich, dass er ihre Kreativität erstickt, weil sie sich um so profane Dinge wie Haushalt kümmern muss, ganz zu schweigen von seinem Wohlergehen. Meine Version: sie hat Angst davor, ihr Talent mit dem ihres Mannes zu messen - wobei sie wahrscheinlich selbst diejenige wäre, die vergleichen würde.

Was sollte das mit ihrer Angst, dass Mrs. Sultz ausplaudern könnte, dass sie sich bei der Hochzeit jünger gemacht hat, oder dass sie keine Jungfrau mehr war? War Mrs. H. seinerzeit etwa darauf aus, eine gute Partie zu machen?
Ich persönlich empfinde schon ein bisschen Sympathie mit Mrs. H. Sie lebt ja in den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts. Damals dominiert die Hausfrauenehe, die Frau gehört in die Küche und ins Kinderzimmer. Eine eigene Karriere, mit der sie wohl möglich den Mann übertrumpft, ist für eine Frau nicht erwünscht. Wie hätte sie da Kreativität und Selbstbewusstsein entwickeln sollen?
 

Renie

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Ich persönlich empfinde schon ein bisschen Sympathie mit Mrs. H. Sie lebt ja in den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts. Damals dominiert die Hausfrauenehe, die Frau gehört in die Küche und ins Kinderzimmer. Eine eigene Karriere, mit der sie wohl möglich den Mann übertrumpft, ist für eine Frau nicht erwünscht. Wie hätte sie da Kreativität und Selbstbewusstsein entwickeln sollen?
Für mich hört es sich nicht so an, als ob Mrs. H. von der allgemeinen Vorstellung von Küche und Kinderzimmer beeinflusst worden wäre (s. Wikipedia). Sie war vor der Ehe schon sehr umtriebig: Lehrerin, Kunststudium, eigenes Atelier, Künstlerkolonien, Einsatz im 1. Weltkrieg für das Rote Kreuz in Europa. Eine Frau, die dazu erzogen worden ist, das Heimchen am Herd zu sein, stellt sich anders dar. Mr. H.s Erfolg kam erst nach der Heirat, daher hat die Ehe mit ihm auf Augenhöhe begonnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit seiner Malerei mehr Erfolg hatte als sie, bloß weil er ein Mann war. Er war einfach der bessere Maler, oder hat mit seinen Bildern einen Zeitgeist getroffen, größeres Interesse ausgelöst oder einfach nur Glück gehabt, was weiß ich.
Natürlich herrschte die allgemeine Ansicht, dass Frauen an den Herd gehören. Ich hatte jedoch bisher zu keinem Zeitpunkt in diesem Roman den Eindruck, dass Mr. Hopper das genauso sieht. Ganz im Gegenteil: wenn hier einer hinter dem Herd steht, dann Mr. Hopper, denn Mrs. Hopper kocht nicht.
 
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Christian1977

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Warum sind die Kapitel mit Venus und Merkur betitelt?
Ich bin mir nicht sicher, aber steht die Venus nicht auch für eine Muse? Darum geht es zumindest ja zu Beginn des Kapitels. Zu "Kriegsbringer" aus Kapitel 1 würde auch der Mars passen. Merkur weiß ich noch nicht.
Ist Mrs Sultz dement? Oder wie deutet ihr die letzte Szene als sie die Hände der Schwester erfreut an ihre Wange drückt und küsst?
Ja, haben andere ja auch schon bestätigt, bekam nur das Zitat nicht mehr weg.
Was will uns die Autorin damit sagen? Mit Kindern wird das Leben komplett?
Glaube ich nicht, aber zu den Hoppers passt es doch so gut. Mrs. H ist traurig darüber, dass niemand sie irgendwann betrauern wird, dass sie niemanden hinterlässt. Die Familie stirbt ohne ein Kind aus. Umso schöner, dass sich ein kleiner Ersatzsohn anbahnt.
Seitdem er "das Eine" nicht mehr kann, will er auch nicht mehr kuscheln - so verstehe ich das.
Ich auch.
Hier zeigt es sich, wie sehr Mrs H. auf sich selbst bezogen und mit sich selbst beschäftigt ist.
Ich breche mal eine Lanze für sie und sage, dass ich sie toll finde. Die Figur ist so herrlich verschroben, hat aber in meinen Augen das Herz auf dem rechten Fleck. Nicht nur im Umgang mit Micha.
 

Christian1977

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Ich fand den Teil um die diversen Musen Edwards zunächst etwas lang im Vergleich zu den vorherigen Kapiteln. Zum größeren Verständnis der Figur erschien es mir am Ende aber doch wichtig. Überrascht hat mich, dass sich mit ihm offenbar ein dritter Protagonist hinzufügt.

Ansonsten gefällt mir der Roman weiterhin sehr gut und er nimmt mich für die Figuren ein. Dass Micha in Katherine eine weitere Verbündete findet, überrascht mich nicht, denn auch sie ist eine Außenseiterin. Toll die Szene am Meer.

Ebenso gelungen, wie leise und zärtlich sich die Figuren annähern. Vor allem, als Edward Micha ins Hsus trägt. Das hat mich sehr berührt.

Zwischenzeitlich gibt es auch immer wieder sehr komische Szenen, vor allem zwischen den Hoppers. Insbesondere die Szene am Auto, als alle durcheinander plappern. Herrlich.

Ich liebe zudem diese feinsinnigen und kleinteiligen Beobachtungen. Wie sehr sich Catherine Dwyer Hickey in die Figuren begibt und alles aus deren Perspektive wahrnimmt. Klasse.
 

Literaturhexle

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Ich breche mal eine Lanze für sie und sage, dass ich sie toll finde.
Ich mag sie auch! Toll finde ich sie noch nicht. Aber das eigensinnige Verhalten aus dem 1. LA erklärt sich zunehmend.
Ich liebe zudem diese feinsinnigen und kleinteiligen Beobachtungen. Wie sehr sich Catherine Dwyer Hickey in die Figuren begibt und alles aus deren Perspektive wahrnimmt. Klasse.
Unbedingt. Das ist in meinen Augen wirklich große Schreibkunst. In lauter kleinen Szenen und Beschreibungen lernen wir die Figuren kennen. Das kann nicht jeder!!!
 

Renie

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Ich liebe zudem diese feinsinnigen und kleinteiligen Beobachtungen. Wie sehr sich Catherine Dwyer Hickey in die Figuren begibt und alles aus deren Perspektive wahrnimmt. Klasse.
Ja, das ist großes Erzählkino. Ich mag, dass ihre Charaktere Ecken und Kanten haben. Daher mag ich auch Mrs. H., die mir im echten Leben zwar fürchterlich auf die Nerven gehen würde, aber die ich als Romanfigur sehr unterhaltsam finde. Hochinteressant ist für mich auch, dass Mrs. H. von uns unterschiedlich wahrgenommen wird. Von wenig Mitleid bis hin zu vollem Mitgefühl scheint in unserer Runde alles vertreten zu sein.
 

RuLeka

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Ich breche mal eine Lanze für sie und sage, dass ich sie toll finde. Die Figur ist so herrlich verschroben, hat aber in meinen Augen das Herz auf dem rechten Fleck. Nicht nur im Umgang mit Micha.
Wie schön. Jemand, der Mrs. H. nicht nur verurteilt. Sie macht sich ja selbst das Leben schwer. Und ich denke schon, dass eine Ehe zwischen Künstlern nicht einfach ist. Einer wird immer im Schatten des anderen stehen. Der Erfolg des Einen kann den Anderen auch blockieren.