Die Schelmengeschichte bekommt hier einen sehr deutsch-kritischen Ton
Ich muss sagen, ich habe mit diesen Anzügen gar keine direkte Kritik verbunden. Der Krieg war (fast) vorbei. Man konnte sie nicht irgendwo zusammen lagern, also hat man sie verteilt. Ein pragmatischer, bauernschlauer Ansatz. Vielleicht bin ich aber naiv
diese Miniatur finde ich überhaupt nicht schelmenhaft
Nein. Da steckt sehr viel persönliche Tragik drin. Auch wenn man den Prota nicht mögen kann, wird man doch dicht an seine Nöte, seine Prägung und seine Gedanken herangeführt.
Es spricht für ihn, dass er sich nicht zum Mitschwimmer des NS gemacht hat. Das allein macht aber noch keinen liebenswerten, rechtschaffenen Menschen aus. Helenas Nazi-Freund muss trotz seiner Vergangenheit liebenswerte Züge haben, denn sonst wären die drei Frauen ja nicht so im Glück wegen seiner Anwesenheit, das sich auch auf unseren Bürokraten auswirkt.
Der Autor malt nicht schwarz-weiß (was einfach wäre). Das gefällt mir.
"Nie hatte Hitler so viele Gegner gehabt wie nach der Kapitulation". Wie wahr.
Ja, ein wunderbarer Satz. Wir verurteilen das völlig zu Recht. Aber wie man sich selbst verhalten hätte...?
den Spott der Umwelt und den Verlust seiner Wichtigkeit,
Faigle ist ein ambivalenter Charakter. Eglitis hat ihn höchst interessant aufgebaut. Er will zu etwas kommen, Karriere machen. Dazu mutet er seiner Familie einiges zu, jeden Preis zahlt er aber nicht, was ihm Jahre später zu Gute kommt. Zu dem Zeitpunkt hat er nur sein Familienglück schon verspielt.
In diesem Lederkapitel lässt der Autor auch noch mal seine Wut über die Russen ab
Es wirkt übertrieben. In Schwaben haben die Russen vermutlich nicht so heftig gewütet, wie "in den Ostgebieten". Alkohol, (sexuelle) Gewalt und Rowdytum hängt den russischen Soldaten aber immer noch an. Dafür gibt es sogar jüngere traurige Beispiele. Vielleicht hat Eglitis ein bisschen übertrieben, vielleicht hat er lettische Erfahrungen eingeflochten? Insgesamt halte ich diesen Roman für ein gelungenes Gesellschaftsportrait eines außenstehenden, nicht direkt Betroffenen.
ich nicht für typisch schwäbisch,
Die Schwaben haben ja auch innerhalb Deutschlands gegen ihre seit Urzeiten bestehenden Klischees zu kämpfen (Neid auf den wirtschaftlichen Erfolg?). Die meisten dürften Verschärfungen der deutschen Stereotype sein: sauber, gründlich, ordentlich, sparsam, erfolgreich. Dem Ländle geht es durch seinen Mittelstand und seine Industrie überdurchschnittlich gut.
Diese verschiedenen "Typen", die der Autor uns zeigt, wirken glaubwürdig, wenn er auch manches überzeichnet.
sondern so, dass man herzlich lachen muss, weil Gottlieb Ganser sich selbst ausgetrickst hat.
Man ahnt die Tragik aber von Anfang an. Ich hatte da ein Klößchen im Hals... Unrecht tut gedeihet nicht
Die ganze Nachbarschaft zeichnet sich durch kalte Berechnung aus.
auf Günter Quandt an: der hat sich erst mit seiner Rüstungsfirma
Ich hab ja den "Reichskanzlerplatz" gelesen. Demnach hat Quandt im Krieg Uniformen in seinen Fabriken gefertigt. Deine Parallele klingt also sehr plausibel.
sehe ich ständig irgendwelche damaligen Nachbarn vor meinem geistigen Auge
Ja, viele Leute waren schon kleine und große Spießerle. Die Erziehung verlief entsprechend und im ländlichen Bereich hat man sich gegenseitig kontrolliert (sich aber auch geholfen). Interessant, dass du Parallelen zu Bekannten siehst. Vieles sind also eher deutsche und nicht nur schwäbische Befindlichkeiten, auch wenn Eglitis explizit die Alb im Fokus hatte. Das sehe ich zumindest so.