2. Leseabschnitt: Seite 77 bis 153 (Ende Teil I.)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Der zweite LA ist der Abschnitt, in dem die Ich-Erzählerin über ihren gesellschaftlichen Aufstieg berichtet. sie hat es tatsächlich geschafft, ihr Elternhaus zu verlassen, sich von der Last der Arbeit und Verantwortung zu befreien und in die Welt hinauszugehen, in der sie eine nicht unerhebliche Karriere macht. All diese Schritte aber sind nicht machbar, ohne dass sie sich Männer durch die ihr zur Verfügung stehenden fraulichen Dienste nutzbar macht. Das ist für sie aber eher eine Nebenerscheinung, die sie klaglos und selbstbewusst akzeptiert.
[zitat]Erst jetzt, da ich es erzähle, wird mir klar, dass alles, was ich erlebt habe, geschehen ist, weil ich meine Wahl getroffen hatte."[/zitat]

Als Abteilungsleiterin einer Luxusabteilung im Kaufhaus lernt sie auch ihren Mann Charles kennen, mit dem sie eine freud- und lieblose Beziehung und Ehe eingeht, die sie uns in der Haltung ihrer eigenen Verständnislosigkeit berichtet.

Deutlich wird auch, dass dieses Erzählen für das Ich der Geschichte einen therapeutischen Charakter hat. Vieles wird ihr erst im Erzählen selbst deutlich und verständlich:

[zitat]Bleiben Sie sitzen! Sitzen Sie doch still...! Die andern bewegen sich schon, gleich wachen sie auf ... und mir wird gerade etwas klar.[/zitat]

Der Drang, sich mitzuteilen, ist sehr stark und treibt sie durch die ganze Nacht.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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In diesem Teil war zum Glück nicht dieselbe Tristesse vorherrschend wie zuvor, im Gegenteil, wir durften erleben, wie Leentje ihre Chancen nutzt und ergreift. Zunächst ist Groenemans das Trittbrett, der sie aus dem Dorf wegbringt. An dem Abend hat sie ihrem Vater zum ersten Mal die Stirn geboten. Erfolgreich. Die Mutter gönnt ihr die Freiheit. In dem Moment kann sie ihre eigenen Wünsche zurückstellen und entkräftet auch die scheinheiligen Argumente ihres Mannes: "Sie habe lebenslang ihre Pflicht getan. Und sich an die Gebote gehalten. Und auch auf ihrem Leben habe kein Segen gelegen." Sie lebt nur der Kinder wegen weiter. Welch ein trostloses Dasein!

Am ersten Zahltag muss Leentje feststellen, belogen worden zu sein. Sie verdient deutlich weniger als gedacht und bleibt zunächst von Groenmans abhängig. Bewundernwert, wie klar und emotionslos sie das erkennt und ihrem Geliebten gleichzeitig klar macht, dass sie mehr Geld braucht:D
Sie will nicht billig sein, sie ist sich ihres Wertes bewusst. Tatsächlich scheint sich Groenmans immer mehr in sie zu verlieben, während sie seine Gewöhnlichkeit zu erkennen glaubt und sich ablöst:
[zitat]Ich erkannte, dass er schon die ganze Zeit so gewesen war, da ließ ich ihn fallen, ich ließ ihn los, mit der gleichen Gelassenheit, wie er mein Brotpäckchen über der Gracht fallen gelassen hatte. 94[/zitat]

Die Position in der Luxuswarenabteilung war für damalige Verhältnisse bestimmt sehr außergewöhnlich. Der Chef des Kaufhauses stellt keinerlei sexuelle Erwartungen, sondern hat sie ausschließlich aufgrund ihrer Ausstrahlung und ihrer Fähigkeiten eingestellt. Eigentlich müsste sie sich jetzt glücklich und frei fühlen: Sie ist erfolgreich, kommt rum in der Welt, wird Chefin. Aber in ihrer Freizeit fühlt sie sich einsam und unglücklich...
Auch ist sie mit ihrer Extravaganz anders als andere junge Frauen, sie hat keine Freunde.

Nach ihrer Flucht vor den Blicken des Mannes im Theater, denkt sie etwas Wichtiges:
[zitat]Ich war noch immer das Arme-Leute-Kind von früher. Ich war nicht frei genug zu nehmen, was ich begehrte. Und ich stand nicht hoch genug, um frei zu wählen." 109[/zitat]

Bereits mit 26 hat sie Angst, alt zu werden und heiratet unbedacht den wohlhabenden Charles Gould, an dessen Seite sie nicht mehr arbeiten muss, den sie aber innerlich zutiefst ablehnt, was sehr plastisch erzählt wird. Hinzu kommt, dass er offenbar impotent ist (oder homosexuell???) und Leentje seine Berührungen als abstoßend empfindet. Sie reflektiert selbst, dass sie ihn wohl nur aus Bequemlichkeit geheiratet hat ohne an ihn zu denken...
Vor lauter Ekel wird sie krank, fährt ein paar Tage zu den Eltern, darf weinen und wieder Kind sein. Die Mutter ist jedoch todkrank und nimmt ihr das Versprechen ab, für Lientje zu sorgen.

Lientje geht tatsächlich mit zur Schwester. Doch eskaliert das Eheleben in einer Nacht so drastisch, dass Leen ihren Ehemann verlässt. Ende des 1. Teils.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Und in diesem LA nehmen auch die Reaktionen der Nachtschwester zu. Ich glaube, Heleen hat die Nachtschwester "geknackt". Und ich bin froh, dass es hier keine Wortmeldungen der Nachtschwester gibt. Diese würde für mich die ganze Stimmung ruinieren und der Erzählung von Heleen die Intensität rauben.
Der gute Charles, als Kunstkenner, hat sich mit Heleen ein weiteres Kunstwerk zugelegt, das er in Szene setzen will: Das Zimmer in Gold, Ebenholz und Elfenbein als Rahmen, der passende Blumenschmuck, die passenden Bücher als Requisiten. Ein komischer Kerl. Aber dafür ist die Schwiegermutter ganz nett, die vermutlich froh ist, dass Sohnemann endlich unter die Haube gekommen ist. Irgendetwas hat sie falsch gemacht, bei der Erziehung ihres Sohnes. Oder er ist tatsächlich schwul, was in der damaligen Zeit natürlich unter den Teppich gekehrt wurde.

Am Ende dieses LA zieht die jüngste Schwester Lientje bei Heleen ein. Kann es sein, dass mit Lientje etwas nicht stimmt? Oder wie ist der Satz der Mutter zu verstehen "Sie muss dich gernhaben" und Momente später "Mutter hat nie laut gebetet, aber da spürte ich an ihren Händen, dass sie betete ..." (S. 142)
Nicht, dass sich Lientje zu einem kleinen Monster entwickelt.

Und zum Schluss:
Dem Titel nach müsste der Roman jetzt zu Ende sein. Die Beichte einer Nacht. Aber da kommt noch etwas ;)
 

Querleserin

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Und ich bin froh, dass es hier keine Wortmeldungen der Nachtschwester gibt. Diese würde für mich die ganze Stimmung ruinieren und der Erzählung von Heleen die Intensität rauben.
Das empfinde ich auch so. Die Reaktionen der Nachtschwester werden im Redefluss der Ich-Erzählerin kommentiert, das ist völlig ausreichend. Die Nachtschwester hat eine andere Schwester weggeschickt und behauptet, alle seien im Bett. Also ist sie inzwischen wirklich interessiert daran, die Beichte anzuhören, die für die Ich-Erzählerin, wie ihr festgestellt hat, zu einer Selbstreflexion wird. Ihr wird etwas bewusst beim Erzählen, ihre Gedanken nehmen Gestalt an und durch das Erzählen gelangt sie zu einer Erkenntnis, die uns im 2.Teil wahrscheinlich offenbart wird.

Die Beichte einer Nacht.
Stimmt ;).

Lientje ist für mich noch nicht greifbar. Sie wird als liebenswertes Kind geschildert, das völlig komplikationslos erscheint, gute Manieren hat und seine Mutter über alles liebt. Was geschieht, wenn sie die Schwester nicht in gleicher Weise liebt?
Der Roman erzeugt definitiv einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Also weiterlesen ;)
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mein Beitrag hier ist auch weg. Na, ja. Ich weiß nicht mehr genau, was ich geschrieben habe.
Die Eltern gewinnen mehr Konturen, v.a. die Mutter, als Heleen beschließt wegzugehen. Der Vater ist ein Egoist, der , als Christ getarnt, nur seine Interessen verfolgt, während die Mutter die Beweggründe ihrer Tochter versteht und sie in ihrem Vorhaben bestärkt.
Mir gefiel, dass die Autorin den Begriff „ billiges Mädchen“ umdeutet, indem sie Leene als „ nicht billig“ erklärt. Sie ist die Geliebte eines Mannes, der sie in gewisser Weise bezahlt und hier fordert sie mehr. Denn sie ist sich ihres Wertes bewusst. Sie weiß, was sie fordern kann ( von Groenmann mehr ) und wann sie etwas akzeptieren muss ( das geringere Gehalt).
Die Ehe mit Charles ist zunächst für beide eine Win- Win- Situation. Heleen erheiratet sich eine gesellschaftliche Position und mehr Wohlstand, Charles kann sich schmücken mit einer schönen Frau und gilt nun nach außen hin als vollwertiger Mann.
Wäre der Sex nicht gewesen, hätte sich Heleen damit auf Dauer vielleicht arrangieren können. So aber empfindet sie zusehends Ekel gegenüber ihrem Mann.
Ich finde die Erzählhaltung genial. Eine Ich- Erzählung als langer Monolog, der aber an einen Ansprechpartner gerichtet ist. Der Leser ist gewissermaßen in der Position der Nachtschwester, keine Zwischenrede ist möglich. Trotzdem verfolgt man gespannt, wie sich die Ich- Erzählerin im Verlaufe ihrer Erzählung über sich und die Interpretation ihrer Geschichte im Klaren wird.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Leen rekapituliert ihr Leben, auch wenn sie auf der materiellen Seite bald fast alles hat, was man sich wünschen kann, merkt man schon früh, dass der jungen Frau das Leben, dass sie das Leben das sie führt nicht erfüllt. Die Ehe mit Charles ist eine enorme Belastung für sie, und auch für ihren Körper, da sie auf ihren Mann mit (psychosomatischen?) Magenschmerzen reagiert.
Als sie der Mutter anbietet sich um Lientje zu kümmern, hatte das für mich einen ganz komischen Beigeschmack. Ich glaube da kommt noch einiges an Bedeutung in dieser Hinsicht.
Und dann immer wieder diese Lobeshymen über Hannes. Ist er wirklich der Traummann gewesen? Warum war er nur 10 Jahre in ihrem Leben? Trennung, verstorben? So oder so, ich bin sehr gespannt auf die weiteren Enthüllungen
 

Barbara62

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19. März 2020
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Sie will nicht billig sein, sie ist sich ihres Wertes bewusst. Tatsächlich scheint sich Groenmans immer mehr in sie zu verlieben, während sie seine Gewöhnlichkeit zu erkennen glaubt und sich ablöst:

Man könnte sagen, sie schlägt Groenmans mit seinen eigenen Waffen. Sie macht damit das Beste aus ihrer Situation und benutzt ihn als Leiter nach oben. Letztlich dreht sich die Täter-Opfer-Beziehung fast um.

Dem Titel nach müsste der Roman jetzt zu Ende sein. Die Beichte einer Nacht. Aber da kommt noch etwas ;)

Das ist mir auch aufgefallen. War der Titel so einfach schöner oder hat es eine Bedeutung?
Der Leser ist gewissermaßen in der Position der Nachtschwester, keine Zwischenrede ist möglich. Trotzdem verfolgt man gespannt, wie sich die Ich- Erzählerin im Verlaufe ihrer Erzählung über sich und die Interpretation ihrer Geschichte im Klaren wird.

Ich habe an mir selbst beobachtet, dass ich die teilweise gleichen Reaktionen/Gesichtsausdrücke gezeigt habe, wie die Ich-Erzählerin sie an der Nachtschwester beobachtet ;)
 
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Querleserin

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Das ist mir auch aufgefallen. War der Titel so einfach schöner oder hat es eine Bedeutung?
Im niederländischen Original ist der Titel: „De biecht“, also nur die Beichte, es fehlt die eine Nacht. Warum hat sich der Verlag in der deutschen Übersetzung für die Ergänzung entschieden?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Im niederländischen Original ist der Titel: „De biecht“, also nur die Beichte, es fehlt die eine Nacht. Warum hat sich der Verlag in der deutschen Übersetzung für die Ergänzung entschieden?
Das ist interessant.
Ich dachte gerade anders: die eigentliche Beichte wird erst in der zweiten Hälfte erzählt. Die erste Nacht dient eher der Hinführung. Insofern ist der Titel nicht ganz falsch.
 
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Barbara62

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Mir fällt auf, dass die Ich-Erzählerin mehrmals betont, dass sie die freie Wahl hatte und ihre Entscheidung nicht bereut. Was meint ihr: Ist das ehrlich oder Selbstberuhigung? Sie sagt es mir einen Tick zu oft...

Was mich total umgehauen hat, ist ein Fakt am Rande, nämlich die Beschreibung, wie sie die neue Luxusabteilung aufzieht. Sie wählt einen Kleiderstoff und passt alles daran an, die Innenausstattung und die Ware. Das hat mich fast umgehauen, denn es ist so wahnsinnig modern, dass ich kaum glauben kann, dass das Buch 90 Jahre alt ist. Und ich hatte gedacht, ich erzähle meinen Azubis im Unterricht etwas total Neues. o_O

Die Magenbeschwerden während ihrer Ehe zeigen, dass ihr Körper nicht alles mitmacht, was ihr Aufstieg mit sich bringt. Mit dieser Verbindung wäre sie in eine wesentlich höhere Klasse aufgestiegen. Ich habe mich gefragt, was an Charles' Sexualität so gruselig war und die Erklärung von @Literaturhexle scheint mir am wahrscheinlichsten: Er war homosexuell. Vielleicht war seine Mutter deshalb so aufgeschlossen für eine Heirat weit unter Stand: Hauptsache, die Fassade stimmt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ist das ehrlich oder Selbstberuhigung? Sie sagt es mir einen Tick zu oft...
Das fiel mir auch auf. Selbstverständlichkeiten muss man nicht so stark betonen. Sie vergewissert sich selbst, dass sie ihren Weg selbst gewählt hat. Eigenständigkeit ist ihr wichtig, sie will nicht das Opfer sein.
 

Literaturhexle

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Ich habe mich gefragt, was an Charles' Sexualität so gruselig war
Es muss etwas mit Homosexualität zu tun haben. Mit normalem (auch freudlosem) Sex kennt sie sich aus, das hätte sie ertragen. Im 4. Teil presst sie sich (in Erinnerung an den Sex mit Charles) auf eine Weise an Hannes, die er sehr abstoßend findet... Ich habe da keine andere Idee.
Vielleicht war seine Mutter deshalb so aufgeschlossen für eine Heirat weit unter Stand: Hauptsache, die Fassade stimmt.
Daran habe ich auch gedacht. Charles war ja schon über das normale Heiratsalter hinaus. Er galt gewiss in seinen Kreisen als schwer vermittelbar.
Sie muss erzählen, um sich selbst klar zu werden, wer sie eigentlich ist.
Schön beobachtet. Das ist mir durchgegangen;)
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich war sehr beeindruckt davon, mit welchen Mut sie sich entschließt, eine unverhoffte Chance zu ergreifen und das Elternhaus zu verlassen! Ein halbes Kind... Und sich dennoch ihrer weiblichen Reize deutlich bewusst.

Einerseits fand ich furchtbar, dass diese ihr Ticket in ein besseres Leben sein müssen, denn als jungem Mann würde ihr bei ihrer Intelligenz und ihrem Charisma die Welt offenstehen. Andererseits kam ich nicht umhin, ihr Beifall zu zollen dafür, wie sie den Spieß umdreht und ihren ersten "Gönner" in die Rolle des Abhängigen drängt.

Als sie ihrem Vater zum ersten Mal Widerstand entgegensetzte, hätte ich am liebsten applaudiert. Und ich war freudig überrascht, dass die Mutter ihr nicht in den Rücken gefallen ist! Aber diese Szene unterstreicht, wie hart und freudlos deren Leben gewesen ist...

Ich stimme denen von such zu, die vermuten, dass Charles sicher homosexuell ist. Dazu passt, dass er seine Mutter so überglücklich ist, ihn einer Frau unter Stand zu überlassen, und dass er es nach der Eheschließung scheinbar nicht eilig hat, die "Ehe zu vollziehen".

Zwischendurch musste ich schmunzeln, denn ich versuchte, mich in die Haut der Nachtschwester zu versetzen. Ich stelle sie mir als ganz junge Nonne vor, die vom Leben noch nicht viel gesehen hat, und dann kommt da diese "Irre" und erzählt von Dingen, die sie sich wahrscheinlich nicht mal vorstellen konnte bisher... Da hätte ich auch die Ohren gespitzt und die Oberschwester belogen! Was hat sie denn sonst so zur Unterhaltung? Stricken, sticken und die schreienden Patient:innen möglichst ignorieren.

Aber ich bin auch froh, dass sie Leen einfach reden lässt, ohne zu kommentieren.

Ich dachte gerade anders: die eigentliche Beichte wird erst in der zweiten Hälfte erzählt.

Moment, wie was wo? Hab ich was verpasst, oder kommt das erst im nächsten Leseabschnitt?!

Kann es sein, dass mit Lientje etwas nicht stimmt? Oder wie ist der Satz der Mutter zu verstehen "Sie muss dich gernhaben" und Momente später "Mutter hat nie laut gebetet, aber da spürte ich an ihren Händen, dass sie betete ..." (S. 142)

Lientje ist für mich noch nicht greifbar. Sie wird als liebenswertes Kind geschildert, das völlig komplikationslos erscheint, gute Manieren hat und seine Mutter über alles liebt. Was geschieht, wenn sie die Schwester nicht in gleicher Weise liebt?

Als sie der Mutter anbietet sich um Lientje zu kümmern, hatte das für mich einen ganz komischen Beigeschmack. Ich glaube da kommt noch einiges an Bedeutung in dieser Hinsicht.

Ich hab mich schon gefragt... Wie alt war die Mutter, als sie Lientje bekam? Sie war doch schon 30, als sie heiratete, oder? Und dann 13 Kinder, wenn man die Fehlgeburten mitzählt, dann war sie doch bestimmt Mitte bis Ende 40, als Lientja als Nachzüglerin kam. Vielleicht hat Lientje das Downsyndrom? Oder sie ist als Nesthäckchen einfach nur total auf die Mutter fixiert und die macht sich jetzt Sorgen, dass Lientje nicht ohne sie leben kann.

Was mich total umgehauen hat, ist ein Fakt am Rande, nämlich die Beschreibung, wie sie die neue Luxusabteilung aufzieht. Sie wählt einen Kleiderstoff und passt alles daran an, die Innenausstattung und die Ware. Das hat mich fast umgehauen, denn es ist so wahnsinnig modern, dass ich kaum glauben kann, dass das Buch 90 Jahre alt ist. Und ich hatte gedacht, ich erzähle meinen Azubis im Unterricht etwas total Neues.

Überhaupt liest sich das Buch unheimlich modern dafür, wann es geschrieben wurde!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
19.488
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Moment, wie was wo? Hab ich was verpasst, oder kommt das erst im nächsten Leseabschnitt?!
Du hast nichts überlesen. Ich habe mich gerade verbessert. Nicht drüber nachdenken, einfach weiter;)
Sorry:confused:
Überhaupt liest sich das Buch unheimlich modern dafür, wann es geschrieben wurde!
Absolut!
Auch wie die Sexualität beschrieben wird. Auch wenn es keine Details gibt, wird das Thema doch offen angesprochen und nicht außen vor gelassen. Recht modern.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Die Ehe mit Charles ist zunächst für beide eine Win- Win- Situation. Heleen erheiratet sich eine gesellschaftliche Position und mehr Wohlstand, Charles kann sich schmücken mit einer schönen Frau und gilt nun nach außen hin als vollwertiger Mann.
Wäre der Sex nicht gewesen, hätte sich Heleen damit auf Dauer vielleicht arrangieren können. So aber empfindet sie zusehends Ekel gegenüber ihrem Mann.
Na von der WinWin Situation hat sie aber nicht wirklich lange was, wenn sie nach 2 Jahren einfach abhaut.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Also so richtig begeistern kann mich die Geschichte noch nicht. Zwar bleibt ihr Leben noch immer recht schwierig, doch in manche Situationen reitet sie sich ja auch selbst hinein. So z. B. die Ehe von Charles bei der ich mich frage warum sie ihn überhaupt geheiratet hat. Allerdings kann ich nicht ganz verstehen, das ein Mann Anfang 20. Jahrhunderts mit 44 Jahren schon impotent sein soll. Hier stellt sie ihn ja fast als uralten Mann dar, das empfand ich schon als recht eigenartig.
Schade auch das Verhältnis zu ihrer Mutter wurde nicht besser, mich wundert es dann das sie ihre Schwester zu sich genommen hat. Mir scheint fast das sie sich mit dieser Entscheidung versucht das Herz ihrer Mutter zu erobern. Den ich glaube kaum das sie den Schritt gerne getan hat, nicht umsonst wird sie ja wohl später so eifersüchtig, das sie was Dummes macht.

Nach wie vor finde ich es sehr schade, das es dieser einseitige Dialog bleibt und die Krankeschwester so gar nichts äußert.Das sie allerdings die Schwester mässig ihre Geschichte nicht zu unterbrechen zeigt das es wirklich für sie die Beichte ihres Lebens ist.

Und warum genau hat sich Heleen umbenannt, das ist mir nicht ganz klar geworden, wollte ihr Chef gar keine Papiere sehen? Doch nun weiß ich wenigstens wie groß der Altersunterschied zwischen ihr und ihrer jüngsten Schwester war. Allerdings nach so langer Zeit die sie nicht mehr im Elterhaus war muss es schon krass für das 10- jährige Mädchen gewesen sein nun ohne Mutter aufzuwachsen.

Nun bin ich echt gespannt was es mit diesem Hannes auf sich hat, den sie hier ja immer wieder so in den Himmel lobt.

Hier allerdings deutet sich für mich schon ein bisschen an, das Heleen leichte psychische Probleme hat. Nicht umsonst reagiert sie auf Charles Annäherungen so drastisch mit Ekel und Magenproblemen die bis zur Übelkeit führen. Irgendwie zeigt sich hier, das die ganzen Probleme mit ihren Eltern durch das Verlassen nicht weg sind.
 
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