2. Leseabschnitt: Seite 61 bis 123 (Ende Woche 1)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Eure Beiträge sind schon sehr interessant!
Das Verhältnis zwischen Selma und Rahel ist mehr als verkorkst: Der Apfel fällt dabei nicht weit vom Stamm. Rahel ist selber gefühlsarm groß geworden, sie kann deshalb auch ihren Kindern gegenüber nicht viel Liebe entwickeln. Zudem hegt sie eine Verachtung den Schwachen gegenüber (da passt der Beruf wirklich gar nicht).

Selma und ihre Mutter reiben sich aneinander. Bis zu einem gewissen Maß ist das normal, als Erwachsene sollte sich das geben. Rahel empfindet den Besuch von Tochter und Enkeln als Last. Trotzdem bemüht sie sich um Frieden, schaut über manches hinweg. Peter unterstützt sie dabei. Die mangelnde Esskultur sehe ich nicht als Generationenproblem. Ich konnte und kann es nicht leiden, wenn überall im Haus gegessen wird und die Fetthände allerorten abgewischt werden. Ich habe noch keine Enkel, hätte aber größte Schwierigkeiten, diese Esserei unterm Tisch und die Obstpampe zu akzeptieren.

Selma soll schon immer sehr egoistisch gewesen sein, immer im Superlativ gejammert haben. Das bestätigt sich ja auch in dem Gespräch um das fehlende Erbe oder das fehlende Landhaus....wie bescheuert ist das!
Aber Rahel pflegt ihre Ich-Befindlichkeiten doch auch grenzenlos. Sie bestimmt, sie hat Bedürfnisse, sie will eben mal wissen, wer ihr Vater sein könnte und überrumpelt Tamara, die gerade ganz andere Sorgen hat. Eben nicht weit vom Stamm;)

Was mir noch negativ aufstößt, ist Rahels Oberflächlichkeit: Sie betrachtet sich selbst im Spiegel, überdenkt ihre Attraktivität und ob sich noch jemand nach ihr umdreht. (Vielleicht muss man Verständnis haben: wenn der eigene Partner keinen Sex mehr möchte, leidet evtl das Selbstbewusstsein) Aber: Ihre Tochter bewertet sie ebenso: Sie sieht überraschend gut aus als Mutter zweier Kinder...

Selma hat noch nichts auf die Reihe gebracht. Sie hat keine Ausbildung und zwei Kinder. Das ist keine gute Ausgangsposition für ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben. Das wissen auch ihre Eltern und sie sind froh, dass sie mit Vince einen Versorger hat, der zudem ein netter Kerl und guter Vater zu sein scheint. Ich kann die Eltern verstehen, dass sie Angst haben, dass Selma dieses Nest aus einer Laune heraus zerstört - zumal eben Kinder da sind. In dieser Frage sind sich Rahel und Peter auch sehr einig, das könnte ein erster Schritt für die eigene Paarbeziehung werden.

Als so ganz schlechte Oma empfinde ich Rahel nicht. Sie tut, was sie kann, ohne der ständigen Kritik ihrer Tochter ausgesetzt zu sein. Sie versorgt und kocht, geht mit den Jungen zum Baden, nimmt Max (?) hoch, als der auch auf Selmas Schoß will. Sie bemüht sich.

Was das ständige Ost/West-Geplänkel soll, ist mir auch noch nicht klar und die Zigarette im Atelier macht mir Angst, weil das Buch "Der Brand" heißt und es vielleicht nochmal brennt... Der arme Victor wird ja nichts mehr erschaffen können und entsprechend an seinen Werken hängen.
 

Renie

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Mich wundert keineswegs, dass Selma eine problematische Tochter ist, bei diesen Eltern.
Es geht ja das Gerücht, dass Psychotherapeuten bei der Erziehung ihrer Kinder oft scheitern. Selma scheint das beste Beispiel zu sein.
Als ihre Enkelkinder da sind ( die sie nicht sehr oft sieht ), kümmert sie sich lieber um den Garten, statt sich um diese zu kümmern.
Genauso wie sie ihrer Tochter nach Möglichkeit aus dem Weg geht, um sich nicht mit ihrem schwierigen Wesen auseinandersetzen zu müssen. Soviel zu Rahels Qualitäten als Therapeutin. Oder sind ihr ihre Patienten näher als die eigene Tochter?
Ich frage mich, ob Rahel deshalb so sehr den Sex vermisst, weil das die einzige Möglichkeit für sie i
ist, Nähe herzustellen.
Eine interessante Frage.:)
 

Renie

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Bei ihrer Haltung zu den Enkeln bin ich mir dagegen unsicher. Klar, sie hat keine Nähe zu ihnen und sie versucht nicht, eine gute Oma zu sein, aber das schiebe ich eher auf ihr schlechtes Verhältnis zu Selma. Was sie auch immer tun würde, um sich Max und Theo zu nähern, Selma würde vermutlich dazwischenfunken.
Das sehe ich auch so. Rahel will eher dem drohenden Stress mit ihrer Tochter zum Thema "Kindererziehung" aus dem Weg gehen.
 
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Renie

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Lief soetwas immer so ab, dass Rahel entscheidet und Peter sich fügt?
Nein, das war eine gemeinsame Entscheidung. Wenn ich an die Szene im 1. LA denke, als Rahel Peter vor vollendete Tatsachen stellt (der Urlaub wird in Ruths Haus verbracht!), bin ich mir nicht sicher, ob Peter nicht bereits im Telefonat mit Selma für sich entschieden hat, dass Selma mit den Enkelkindern kommen kann, er dann aber anstandshalber bei Rahel nachgefragt hat. Hätte er ohne Rahel zu informieren zugesagt, hätte er genau das gemacht, was er ihr vorgeworfen hat. Gleiches mit Gleichem vergelten, wäre ihm vermutlich zu billig gewesen.
 

Renie

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Kinder reagieren oft mit einem völlig überzogenen Verhalten, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Wenn man sie ernst nimmt und ihnen Alternativen zu ihrem Verhalten anbietet, ändert sich das meist. Man kann als Oma auch Grenzen und Regeln aufzeigen, ohne die Kinder links liegenzulassen.
Je nachdem, aus welchem Jahrzehnt man einen Erziehungsratgeber liest, kommen die unterschiedlichsten Erziehungsmethoden heraus, die sich auch noch widersprechen. Ich kenne keine Großeltern, die die Erziehungsstile ihrer Kinder gegenüber den Enkelkindern ausnahmslos für gut befinden. Es gibt immer etwas zu kritisieren. Rahel scheut einfach die Konfrontation mit ihrer dramatischen Tochter.
Selma ist zwar eine Drama-Queen. Doch als Mutter macht sie keinen schlechten Job, ganz im Gegenteil: sie will ihn besonders gut machen. Sie liebt ihre Kinder. Die Tischmanieren der Kinder sind natürlich fragwürdig. Doch gestern hat mir tatsächlich eine Erzieherin erzählt, dass das Manschen mit den Fingern im Essen (als Beispiel nannte sie Eintopf o_O) eine Therapiemethode ist, um Kindern mit Essstörungen, die Vorbehalte gegenüber Essen zu nehmen. Selma handelt hier wohl eher prophylaktisch.;)
 

RuLeka

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Doch gestern hat mir tatsächlich eine Erzieherin erzählt, dass das Manschen mit den Fingern im Essen (als Beispiel nannte sie Eintopf o_O) eine Therapiemethode ist, um Kindern mit Essstörungen, die Vorbehalte gegenüber Essen zu nehmen.
Meine beiden Enkelkinder wurden kaum mit dem Löffel gefüttert, sondern aßen ihren Brei mit den Fingern. Das war für mich auch etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings beherrschen mittlerweile beide das Essen mit Messer und Gabel. Meine Schwiegertochter ( studierte Erzieherin)oder mein Sohn haben danach auch immer alles sauber gemacht. Beide Kinder essen heute problemlos, auch ungewöhnliche Dinge.
 

Renie

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Rahels Oberflächlichkeit: Sie betrachtet sich selbst im Spiegel, überdenkt ihre Attraktivität und ob sich noch jemand nach ihr umdreht.
Ich weiß nicht, ob man das als Oberflächlichkeit bezeichnen kann. Ich finde es nicht ungewöhnlich, dass sich Frauen, die in die Jahre kommen, fragen, was aus ihrem Körper geworden ist, und ob sie noch begehrenswert sind. Die einen nehmen den körperlichen Verfall, der mit dem Alter einhergeht als gegeben hin, die anderen rennen zum Schönheitschirurgen.
 

Renie

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Meine beiden Enkelkinder wurden kaum mit dem Löffel gefüttert, sondern aßen ihren Brei mit den Fingern. Das war für mich auch etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings beherrschen mittlerweile beide das Essen mit Messer und Gabel. Meine Schwiegertochter ( studierte Erzieherin)oder mein Sohn haben danach auch immer alles sauber gemacht. Beide Kinder essen heute problemlos, auch ungewöhnliche Dinge.
Na sicher, Kinder kriegen das hin. Das Problem sind die Eltern, die Angst davor haben, irgendwas in der Erziehung ihrer Kinder verkehrt zu machen. Hier fehlt das Vertrauen in die eigenen Instinkte. Und es gibt zuviele Menschen im Umfeld, die alles besser wissen, wenn es um Kindererziehung geht.
Das ist genauso, wie die Mär vom Säugling, der so schnell wie möglich lernen soll, allein in seinem Bett zu schlafen (Bestseller unter den Erziehungsratgebern: "Jedes Kind kann schlafen lernen"), weil er sonst nie allein in seinem Bett schlafen wird. So ein Quatsch! Irgendwann will kein Kind mehr bei den Eltern im Bett schlafen. Ich kenne zumindest keins.
 

RuLeka

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n. Ich kenne keine Großeltern, die die Erziehungsstile ihrer Kinder gegenüber den Enkelkindern ausnahmslos für gut befinden. Es gibt immer etwas zu kritisieren.
Ich war damals eine richtige Öko- Mama mit Stoffwindeln, selbst zu bereiteter Bio- Nahrung, Tragetuch usw. Meine Mutter hat nie etwas kritisiert oder mir reingeredet und ich mache das nicht bei meinen Kindern . Wobei unsere Erziehungsstile sich nicht wesentlich unterscheiden. Aber sicher, es gibt auch da Dinge, die ich anders machen würde. Doch es sind nicht meine Kinder. Wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern gut ist, dann klappt es auch mit den Enkeln.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Ich war damals eine richtige Öko- Mama mit Stoffwindeln, selbst zu bereiteter Bio- Nahrung, Tragetuch usw. Meine Mutter hat nie etwas kritisiert oder mir reingeredet und ich mache das nicht bei meinen Kindern . Wobei unsere Erziehungsstile sich nicht wesentlich unterscheiden. Aber sicher, es gibt auch da Dinge, die ich anders machen würde. Doch es sind nicht meine Kinder. Wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern gut ist, dann klappt es auch mit den Enkeln.
Wir hätten auch damals gut zusammengepasst! :) Bei meinem Enkel übe ich zwar noch, aber ich denke, es wird so ähnlich wie bei dir.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Irgendwie ist es ein Depri-Urlaub. Viktor ist nicht mehr der Alte, Peter und Rahel haben sich nichts mehr zu sagen, Selma will sich trennen. Vielleicht ist Viktor doch Rahels Vater, da ist möglicherweise eine Leerstelle in ihrem Leben ohne Vater, vielleicht war sie deshalb so distanziert zu ihrer Tochter. Selma ist schon etwas schwierig, Rahel kommt mir als Mutter reichlich kritisch vor. Ich frage, ob Selma ihre Ehe nicht zu schnell aufgibt. Ich hoffe, dass aus dem Urlaub einzelner Menschen doch noch ein Familienurlaub wird.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Allerdings ist Rahel keine 80 Jahre alt, sondern 49.

Sie kommt mir von ihrer Art her deutlich älter vor. Euch nicht auch?

Was das ständige Ost/West-Geplänkel soll, ist mir auch noch nicht klar und die Zigarette im Atelier macht mir Angst, weil das Buch "Der Brand" heißt und es vielleicht nochmal brennt...

Der Gedanke kam mir auch schon. Der andere Brand kommt nur am Rande vor.

Es geht ja das Gerücht, dass Psychotherapeuten bei der Erziehung ihrer Kinder oft scheitern.

Ich finde den Roman in diesem Punkt recht klischeehaft: Menschen, die Psychotherapeuten werden, haben das nur studiert, um mit ihren eigenen Problemen klarzukommen. :rolleyes:
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich lese den Roman immer noch gerne, obwohl ich weder Rahel noch Peter noch Selma mag und deren Verhalten auch nicht immer nachvollziehen kann. Nach diesem Abschnitt noch weniger als vorher. Ich weiß gar nicht, wo ich mit meiner Aufzählung starten soll. Im wahren Leben wäre ich von dieser Familie einfach nur genervt und würde mich abwenden. Aber die Autorin kann erzählen und schafft es außerdem, mich immer wieder zum Schmunzeln zu bringen.