2. Leseabschnitt: Seite 52 bis 91

Barbara62

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Es ist wohl auch tatsächlich nicht die übliche Biografie. Es ist ein Roman, das von dem Bild von Sargent ausgeht und dann ins Assoziieren kommt. Alles, was ich weiß ...

Besser kann man es nicht sagen!

ich finde es momentan ein wenig ausufernd ..

Genau das ist meine Kritik. Und zwar nicht, weil ich es ungern lese, sondern weil ich davon am Ende zu wenig mitnehmen werde. Ich merke, dass ich beim Lesen eines Abschnitts den vorhergehenden und seine Personen schon wieder zu vergessen beginne. Fordernde Lektüren mag ich, aber ich profitiere gerne mehr.
 
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Barbara62

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Nun aber zu dem, was mir in diesem Abschnitt gefallen hat: Die Verbindung zwischen Joseph Lister mit seinen bahnbrechenden medizinischen Fortschritten und Pozzi werden nun angerissen und die Grundsätze des Listerismus genannt. Pozzi nimmt 1876 an einer Konferenz der British Medical Association in Edinburgh teil. Das finde ich ungleich spannender als die Einkaufsreise nach London. Es sagt so viel über Pozzi aus, über seine Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber, über sein Verhältnis zu den konservativen Kräften seines Faches oder zu seinem rückwärtsgewandten Vater. Mehr davon, bitte!

Es beeindruckt mich, wie weit Barnes über seinem Stoff steht. Er springt von Thema zu Thema (danke @Literaturhexle für die grandiose Übersicht), flicht Ironie und Selbstironie ein, hält sich von Nationalismus fern.

Seite 73 kann ich allerdings nicht mit ihm mitgehen: Da beschreibt er Barbey (mir bisher völlig unbekannt) als anglophilen Menschen, um im nächsten Abschnitt zu sagen, dass für ihn Engländerinnen "die dümmsten Frauen der Welt" waren? Anglophilie stelle ich mir irgendwie anders vor. :confused:

Die Bebilderung, das Papier und der Druck sind bei diesem Buch ein wirklicher Hochgenuss. Als Buchhändlerin bin ich der Meinung, der Band müsste mindestens 4 Euro teurer sein. Und ja, ich weiß, dass ich jetzt vermutlich Prügel einstecke...;)

Ich genieße es, hier ganz offensichtlich das Werk eines überzeugten Europäers zu lesen. Er sieht die Unterschiede zwischen den Nationen, schildert sie - oft mit einem Augenzwinkern - und wertet nicht.
 
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Literaturhexle

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so viel "Nebenbei" wie bei Pozzi war definitiv nicht drin.
Wobei wir hier auch bedenken müssen, dass wir nur Pozzis Perspektive haben. "Viel" ist immer relativ. Im 4ten Abschnitt wird deutlich, dass mit zunehmender medizinischer Popularität Pozzis seine Anwesenheit bei Soireen und geselligen Veranstaltungen deutlich zurückgegangen ist (Zitat S. 145: "Pozzi war doch nicht überall";))
 

Literaturhexle

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über seine Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber, über sein Verhältnis zu den konservativen Kräften seines Faches oder zu seinem rückwärtsgewandten Vater. Mehr davon, bitte!
Mir geht es da wie dir. Barnes kommt augenscheinlich immer wieder auf seine drei Reisenden zurück. Es fallen auch Blitzlichter auf Pozzi und sein Werk. Eine richtige Vertiefung findet allerdings bis zur Mitte des Buches nicht statt.
Buchhändlerin bin ich der Meinung, der Band müsste mindestens 4 Euro teurer sein. Und ja, ich weiß, dass ich jetzt vermutlich Prügel einstecke...;)
Im Vergleich zu den Preisen anderer, weniger aufwändig gestalteter Bücher geringeren Umfangs ist dieses Buch wirklich günstig. Allerdings glaube ich, dass es auch beim interessierten Leser Schmerzgrenzen gibt (nicht jeder hat das Herz einer Buchhändlerin;)), die hier versucht wurden einzuhalten.
Ich genieße es, hier ganz offensichtlich das Werk eines überzeugten Europäers zu lesen.
Das spürt man in der Tat! Ich habe das kurze Nachwort als Vorwort gelesen, wo seine überzeugte Haltung sehr deutlich wird.
 

Barbara62

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Wobei wir hier auch bedenken müssen, dass wir nur Pozzis Perspektive haben. "Viel" ist immer relativ. Im 4ten Abschnitt wird deutlich, dass mit zunehmender medizinischer Popularität Pozzis seine Anwesenheit bei Soireen und geselligen Veranstaltungen deutlich zurückgegangen ist (Zitat S. 145: "Pozzi war doch nicht überall";))

Ja, darüber musste ich auch schmunzeln. Aber er war auch politisch tätig, als Senator für die Dordogne, allerdings wird das leider nur in einem Nebensatz erwähnt. Das hätte mich genauer interessiert. Und seine vielen Affären waren sicher auch zeitintensiv. ;)
 

Barbara62

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Im Vergleich zu den Preisen anderer, weniger aufwändig gestalteter Bücher geringeren Umfangs ist dieses Buch wirklich günstig. Allerdings glaube ich, dass es auch beim interessierten Leser Schmerzgrenzen gibt (nicht jeder hat das Herz einer Buchhändlerin;)), die hier versucht wurden einzuhalten.

Es ist weniger das Herz (immerhin bin ich Schwäbin) als bittere betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Das Argument mit der Schmerzgrenze wird immer wieder genannt, aber bei Dan Brown und Ken Follett ging es dann doch. Und Julian Barnes ist eindeutig der größere Name, da sind wir uns doch hoffentlich einig? ;)
 
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Wandablue

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Seite 73 kann ich allerdings nicht mit ihm mitgehen: Da beschreibt er Barbey (mir bisher völlig unbekannt) als anglophilen Menschen, um im nächsten Abschnitt zu sagen, dass für ihn Engländerinnen "die dümmsten Frauen der Welt" waren? Anglophilie stelle ich mir irgendwie anders vor
Aber Frauen waren doch gar nicht in seinem Horizont! Frauen waren wie Affen, glgt nett anzugucken, dann aber zum Vergessen. Es sei denn, man hatte kein Geld und musste eine Reiche finden ...
 
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kingofmusic

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Dem Dandy gelten weitreichende Ausführungen. Klassenzugehörigkeit, Kleidung, Snobismus, Extravaganz, Oberflächlichkeit, Vermögen, Dekadenz - all das sind Charakteristika. Viele waren homosexuell, verkleideten sich gern (Fotos). "Der Dandy ist ein Dekorateur".
Der (nichtskandalöse) Homosexuelle war in der Pariser Gesellschaft willkommen. Die Lesbe sogar noch mehr. S. 71 Das hat mich nun überrascht.

Ein weiterer kleiner Ausflug handelt vom Geschmack, der in bereits angerissenen Betrachtungen über "Die Engländerinnen" mündet. Sie gehen spazieren - höchst verdächtig:D!
Schönheitsdefinitionen schließen sich an.
Das Dandytum sei nach Wilde ein Versuch, die absolute Modernität der Schönheit zu bezeugen. S. 76
Man könnte glatt "neidisch" werden. An einer Stelle heißt es sinngemäß, dass die Dandys nicht arbeiten, sondern LEBEN :D. Fragt sich nur, von welchem Geld und auf wessen Kosten :confused::D.
 

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wie weit Barnes über seinem Stoff steht

Nun, da hatte Herr Barnes natürlich die Freiheit seinen Stoff selbst zu bestimmen, über die Grenzen eines Schulaufsatzes hinaus. Es sei ihm gewährt!;)

Ich genieße es, hier ganz offensichtlich das Werk eines überzeugten Europäers zu lesen.

Aber zu Europa gehören mittlerweile mehr als nur Frankreich und England... ach letztere sind ja raus.

Im 4ten Abschnitt wird deutlich, dass mit zunehmender medizinischer Popularität Pozzis seine Anwesenheit bei Soireen und geselligen Veranstaltungen deutlich zurückgegangen ist

Na, na, wer spoilert denn hier?;)
 

kingofmusic

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:) Der Satz von Pozzi auf S. 81 bzgl. seiner Schwiegermutter passt wunderbar zu dem Eindruck, den ich von der Dame auf dem Bild zwei Seiten vorher hatte :p:D.
 
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Pozzi scheint als Arzt wirklich was auf dem Kasten gehabt zu haben, er wusste wie wichtig Hygiene ist, und war dem Fortschritt sehr aufgeschlossen.
Mit seiner jungen Frau lief es nicht wie gewünscht, allerdings bezweifle ich, dass es nur an ihr lag. Die enge Vertrautheit mit der Mutter wird sicher nicht an allem schuld sein.
Barnes muss unheimlich viel Recherche betrieben haben. Es ist eine wahnsinnig große Fülle an Inforationen und Fakten vorhanden. Allerdings würde ich nicht vermuten, dass das Buch eigentliche Pozzis Leben beschreibt, es könnte genauso das von Oscar Wilde beschreiben.
Das lesen fällt mir etwas leichter, entweder weil ich mich an den Stoff gewöhne, oder weil ich doch nach und nach ein paar Fäden in der Hand halte.
 

Sassenach123

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Dem Dandy gelten weitreichende Ausführungen. Klassenzugehörigkeit, Kleidung, Snobismus, Extravaganz, Oberflächlichkeit, Vermögen, Dekadenz - all das sind Charakteristika. Viele waren homosexuell, verkleideten sich gern (Fotos). "Der Dandy ist ein Dekorateur".
Der Beschreibung nach ist es fast schon eine Wissenschaft für sich. Sogar das Land in dem Mann lebt spielt eine Rolle dabei wie ein Dandy sich gibt und kleidet. Hierbei merkt man wie entrückt einem diese Epoche erscheint, zumindest ging es mir so